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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.10.1988
Aktenzeichen: 311/87
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 355/79


Vorschriften:

Art. 177 EWGV
VO Nr. 355/79 Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe q zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 355/79 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und Traubenmoste ist dahin auszulegen, daß die Verwendung der Angabe "Erzeugerabfuellung" durch einen Erzeugerzusammenschluß, dessen Wein in einem Betrieb abgefuellt worden ist, der nicht zu diesem Zusammenschluß gehört, von der Voraussetzung abhängig ist, daß der gesamte Abfuellvorgang unter der tatsächlichen Leitung, der ständigen strengen Überwachung und der ausschließlichen Verantwortung dieses Zusammenschlusses erfolgt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 18. OKTOBER 1988. - ERZEUGERGEMEINSCHAFT GOLDENES RHEINHESSEN W. V. GEGEN LAND RHEINLAND-PFALZ. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ. - WEINMARKT - BEZEICHNUNG UND AUFMACHUNG DER WEINE - ABFUELLANGABE. - RECHTSSACHE 311/87.

Entscheidungsgründe:

1 Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat mit Beschluß vom 29. September 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Oktober 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung des Artikels 12 Absatz 2 Buchstabe q der Verordnung Nr. 355/79 des Rates vom 5. Februar 1979 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste ( ABl. L 54, S. 99 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Erzeugergemeinschaft Goldenes Rheinhessen, einem staatlich anerkannten Erzeugerzusammenschluß, und dem Land Rheinland-Pfalz, der sich auf zwei Schreiben bezieht, mit denen das zuständige Ministerium dieses Landes der Erzeugergemeinschaft mitteilte, daß die Verwendung der Angabe "Erzeugerabfuellung" auf dem Etikett der Weine der Erzeugergemeinschaft in Anbetracht der Bedingungen, unter denen diese Weine abgefuellt würden, rechtswidrig erscheine.

3 Die Erzeugergemeinschaft brachte den Rechtsstreit vor das Verwaltungsgericht Mainz, das die Klage insbesondere mit der Begründung abwies, daß die Erzeugergemeinschaft die Angabe "Erzeugerabfuellung" nicht verwenden dürfe, da sie die Weinbereitung nicht in ihrer eigenen Kellerei vornehme. Das Verwaltungsgericht hielt es nicht für erforderlich, die Frage der Abfuellung zu prüfen. Die Erzeugergemeinschaft legte gegen dieses Urteil Berufung zum Oberverwaltungsgericht ein, das sich dagegen auf die letztgenannte Frage konzentrierte.

4 Aus den Akten geht hervor, daß die Erzeugergemeinschaft die Abfuellung ihrer Weine aufgrund eines Vertrages einer anderen Firma, der Weinkellerei Parco GmbH, übertragen hatte. Die Weinkellerei trug die Kosten des Weintransports und lagerte den Wein in den Behältnissen ihrer Weinkeller. Während des Transports war dem Wein ein Lieferschein mit dem Vermerk "zur Lohnfuellung" beigegeben. Die Abfuellung erfolgte durch das Personal der Weinkellerei unter Überwachung durch einen Angestellten der Erzeugergemeinschaft. Nach Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer auf Antrag der Erzeugergemeinschaft verkaufte diese den so abgefuellten Wein, der die Angabe "Erzeugerabfuellung Erzeugergemeinschaft Goldenes Rheinhessen" trug, an die Weinkellerei Parco.

5 Ferner geht aus den Akten hervor, daß sich die Erzeugergemeinschaft in dem genannten Vertrag verpflichtete, der erwähnten Weinkellerei jährlich bestimmte Mengen Qualitätswein zu Mindestpreisen mit der Angabe "Erzeugerabfuellung" zu liefern, und daß die Weinkellerei das alleinige Recht hatte, den Wein innerhalb der Bundesrepublik zu vermarkten.

6 Das vorlegende Gericht stellte aufgrund der genannten Umstände und mangels anderer Angaben in dem Vertrag fest, daß es sich nicht um einen Mietvertrag hinsichtlich der Abfuellanlage handele, sondern um einen Vertrag über die Lohnabfuellung im Betrieb der Weinkellerei auf Rechnung der Erzeugergemeinschaft.

7 In Anbetracht dieser Lage hat das Oberverwaltungsgericht beschlossen, dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen :

"Ist Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe q Alternative 2 der Verordnung ( EWG ) Nr. 355/79 des Rates vom 5. Februar 1979 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste ( ABl. L 54, S. 99 ) so auszulegen, daß es für die Zulässigkeit der Abfuellangabe 'Erzeugerabfuellung' durch einen Erzeugerzusammenschluß nicht darauf ankommt, in welchem Betrieb die Abfuellung erfolgte und die Trauben zu Wein bereitet wurden, oder ist die genannte Vorschrift so auszulegen, daß Abfuellung und Weinbereitung oder eine von beiden Tätigkeiten im Betrieb des Erzeugerzusammenschlusses erfolgt sein müssen?"

8 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und der Vorgeschichte des Rechtsstreits sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts, die oben wiedergegeben sind, ergibt sich, daß die Frage im wesentlichen dahin geht, ob die Angabe "Erzeugerabfuellung" von einem Erzeugerzusammenschluß verwendet werden darf, dessen Wein von einem Betrieb abgefuellt wird, der nicht zu diesem Zusammenschluß gehört.

10 Nach Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe q der Verordnung Nr. 355/79 kann die Bezeichnung auf der Etikettierung durch die Angabe eines Vermerks ergänzt werden, "daß der Wein wie folgt abgefuellt worden ist :

- in dem Weinbaubetrieb, in dem die für diesen Wein verwendeten Trauben geerntet und zu Wein bereitet wurden,

- oder von einem Erzeugerzusammenschluß

- oder in einem in dem angegebenen bestimmten Anbaugebiet oder in unmittelbarer Nähe dieses Gebietes gelegenen Betrieb, mit dem Weinbaubetriebe, die die verwendeten Trauben geerntet haben, im Rahmen eines Erzeugerzusammenschlusses verbunden sind, und der diese Trauben zu Wein bereitet hat ".

11 Artikel 17 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 997/81 der Kommission vom 26. März 1981 über Durchführungsbestimmungen für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste ( ABl. L 106, S. 1 ) bestimmt, daß die in jedem der drei obengenannten Fälle zu verwendende Angabe für deutsche Weine und aus der Provinz Bozen stammende Weine "Erzeugerabfuellung" ist.

12 Es ist festzustellen, daß sich der Wortlaut des zweiten Gedankenstrichs des Artikels 12 Absatz 2 Buchstabe q der Verordnung Nr. 355/79 ausschließlich auf den Betrieb bezieht, der die Abfuellung vorgenommen hat, nämlich auf "einen Erzeugerzusammenschluß", ohne daß Bedingungen für die Lokalisierung der Abfuellanlagen aufgestellt werden. Der erste und der dritte Gedankenstrich verlangen dagegen, daß die Abfuellung an einem ganz bestimmten Ort erfolgt ist, nämlich in dem einzelnen Weinbaubetrieb oder dem im dritten Gedankenstrich genannten Betrieb.

13 Somit stellt sich die Frage, ob der zweite Gedankenstrich der genannten Vorschrift unabhängig vom Inhalt des ersten und des dritten Gedankenstrichs auszulegen ist, mit der Folge, daß ein Erzeugerzusammenschluß weniger strengen Vorschriften unterliegen würde als der im ersten Gedankenstrich genannte einzelne Weinbaubetrieb oder der im dritten Gedankenstrich dieser Vorschrift definierte Betrieb.

14 Dazu ist zu bemerken, daß sich aus Artikel 43 der Verordnung Nr. 355/79 sowie aus den Begründungserwägungen der Verordnung Nr. 997/81 ergibt, daß das Ziel der Regelung über die Verwendung einer Angabe über die Abfuellung der Schutz und die zutreffende Information des Verbrauchers sind. Insbesondere heisst es in der 27. Begründungserwägung der Verordnung Nr. 997/81, daß mit der Angabe, daß ein Wein in dem Weinbaubetrieb, in dem die Trauben geerntet und zu Wein verarbeitet worden sind, oder unter gleichwertigen Bedingungen abgefuellt worden ist, zum Ausdruck gebracht wird, daß alle Phasen der Herstellung dieses Weines unter Leitung und Verantwortung der gleichen natürlichen oder juristischen Person erfolgten, so daß der so gewonnene Wein bei einem Teil der Käufer einen Vertrauensvorschuß genießt.

15 Für die Verwendung des Begriffs "Erzeugerabfuellung", der im übrigen die Identität zwischen dem Erzeuger und der Person oder dem Betrieb, die die Abfuellung vornehmen, anzeigt, ist es daher erforderlich, daß die Abfuellung vom Erzeuger selbst, entweder in seinem eigenen Weinbaubetrieb oder, wenn er nicht über eine Abfuellanlage verfügt, unter Bedingungen, die im wesentlichen die gleichen Garantien bieten, vorgenommen worden ist. Derartige Garantien sind, wie die Kommission zutreffend vorgetragen hat, insbesondere dann gegeben, wenn die Abfuellung unter der tatsächlichen Leitung, der ständigen strengen Überwachung und der ausschließlichen Verantwortung des Erzeugers erfolgt.

16 Das Ziel des Schutzes und der zutreffenden Information des Verbrauchers gebietet es daher, daß die Verwendung der Angabe "Erzeugerabfuellung" durch einen Erzeugerzusammenschluß nicht zugelassen wird, wenn dieser Zusammenschluß die Abfuellung unter anderen als den oben angegebenen Bedingungen, das heisst nicht in seinem eigenen Betrieb oder unter gleichwertigen Bedingungen, vornimmt.

17 Findet die Abfuellung wie im vorliegenden Fall in einem Betrieb statt, der ein eigenes Interesse verfolgt, das in dem alleinigen Recht, den in seiner Anlage abgefuellten Wein zu vermarkten, zum Ausdruck kommt, der den Transport des Weines in seine Kellerei bezahlt und den Wein dort lagert und der darüber hinaus die Abfuellung aufgrund eines Vertrages vornimmt, der von dem vorlegenden Gericht als Vertrag über die Lohnabfuellung gekennzeichnet wird, so können die genannten gleichwertigen Bedingungen, die in den erwähnten Bestimmungen verlangt werden, nicht als erfuellt angesehen werden.

18 Es ist hinzuzufügen, daß eine andere Auslegung, nach der ein Erzeugerzusammenschluß nicht verpflichtet wäre, Regeln zu beachten, die denen gleichwertig sind, die für die einzelnen Weinbaubetriebe oder gegebenenfalls für die im dritten Gedankenstrich genannten Betriebe gelten, zur Folge hätte, daß dieser Zusammenschluß entgegen dem in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegten Grundsatz des Verbots jeder Diskriminierung zwischen landwirtschaftlichen Erzeugern einen objektiv nicht gerechtfertigten kommerziellen Vorteil erlangen würde.

19 Auf die Frage des vorlegenden Gerichts ist daher zu antworten, daß Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe q zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 355/79 dahin auszulegen ist, daß die Verwendung der Angabe "Erzeugerabfuellung" durch einen Erzeugerzusammenschluß, dessen Wein in einem Betrieb abgefuellt worden ist, der nicht zu diesem Zusammenschluß gehört, von der Voraussetzung abhängig ist, daß der gesamte Abfuellvorgang unter der tatsächlichen Leitung, der ständigen strengen Überwachung und der ausschließlichen Verantwortung dieses Zusammenschlusses erfolgt.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem innerstaatlichen Gericht anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

auf die ihm vom Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz mit Beschluß vom 29. September 1987 vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Artikel 12 Absatz 2 Buchstabe q zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 355/79 zur Aufstellung allgemeiner Regeln für die Bezeichnung und Aufmachung der Weine und der Traubenmoste ist dahin auszulegen, daß die Verwendung der Angabe "Erzeugerabfuellung" durch einen Erzeugerzusammenschluß, dessen Wein in einem Betrieb abgefuellt worden ist, der nicht zu diesem Zusammenschluß gehört, von der Voraussetzung abhängig ist, daß der gesamte Abfuellvorgang unter der tatsächlichen Leitung, der ständigen strengen Überwachung und der ausschließlichen Verantwortung dieses Zusammenschlusses erfolgt.

Ende der Entscheidung

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