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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.1988
Aktenzeichen: 321/86
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 223/77


Vorschriften:

Verordnung Nr. 223/77 Artt. 10
Verordnung Nr. 223/77 Artt. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die im Juni 1979 für den gemeinschaftlichen Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, geltenden Bestimmungen, insbesondere die Artikel 10 und 12 der Verordnung Nr. 223/77 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens sind dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 nicht möglich ist, wenn die Ausfuhr - oder Versendungsförmlichkeiten nicht erfuellt wurden. Die bei der Abgangszollstelle erfuellten Förmlichkeiten spielen nämlich in dem Mechanismus der Gewährung der Ausfuhrerstattung eine wesentliche Rolle und können nicht durch Kontrollen ersetzt werden, die bei der Bestimmungszollstelle oder irgendeiner anderen in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Zollstelle durchgeführt werden. Die Unterlassung solcher Förmlichkeiten kann demgemäß nicht als ein einfacher Verfahrensmangel angesehen werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 8. MAERZ 1988. - A. TOEPFER UND CO. GMBH GEGEN HAUPTZOLLAMT HILDESHEIM. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM BUNDESFINANZHOF. - AUSFUHRERSTATTUNG - NACHTRAEGLICHE AUSSTELLUNG EINES KONTROLLEXEMPLARS T NR. 5. - RECHTSSACHE 321/86.

Entscheidungsgründe:

1 Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 25. November 1986, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Dezember 1986, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Verordnung Nr. 223/77 der Kommission vom 22. Dezember 1976 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens ( ABl. L 38, S. 20 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Der Ausgangsrechtsstreit findet seinen Ursprung in der Ausfuhr einer für Norwegen bestimmten Sendung Weißzucker durch die Firma Töpfer. Da diese Ausfuhr erfolgte, ohne daß das Kontrollexemplar T Nr. 5 ausgestellt worden war, dessen es für die Gewährung der Ausfuhrerstattung bedurfte, auf die das Unternehmen an sich Anspruch hatte, beantragte dieses beim Hauptzollamt Hildesheim, der Abgangszollstelle für seine Zuckerausfuhren, ihm nachträglich das erforderliche Kontrollexemplar auszustellen. Es machte dabei geltend, daß ein von ihm selbst ausgefuelltes Formular T Nr. 5 bei der dänischen Zollstelle Frederikshavn, bei der der Zucker vor der Beförderung nach Norwegen zur Ausfuhr gestellt worden sei, mit einem Stempel und einer Unterschrift versehen worden sei.

3 Nachdem das Hauptzollamt diesen Antrag abgelehnt hatte, erhob die Firma Töpfer Klage beim Finanzgericht Hamburg. Dieses wies die Klage mit der Begründung ab, eine nachträgliche Ausstellung eines Kontrollexemplars sei nur möglich, wenn alle Ausfuhrzollförmlichkeiten erfuellt worden seien; dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen.

4 Gegen diese Entscheidung legte die Firma Töpfer beim Bundesfinanzhof Revision ein, wobei sie sich auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere auf das Urteil vom 6. Oktober 1982 in der Rechtssache 302/81 ( Eggers, Slg. 1982, 3443 ), berief. Sie führte aus, gemäß diesem Urteil seien die Zollbehörden zur nachträglichen Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 verpflichtet, wenn die Nichtbeantragung oder Nichtausstellung des Dokuments bei Versendung der Waren von dem betroffenen Unternehmen nicht zu vertreten sei und dieses die für die Ausstellung erforderlichen Belege vorlegen könne. Im vorliegenden Fall sei das Dokument nun aber deshalb nicht ausgestellt worden, weil der Fahrer des Lastkraftwagens, der den Zucker befördert habe, bei der deutschen Zollstelle nicht angehalten und sich direkt an die dänische Zollstelle gewandt habe.

5 Der Bundesfinanzhof erkennt an, daß die nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes als zulässig anzusehen sei. Er fragt sich jedoch, ob eine solche nachträgliche Ausstellung nicht voraussetze, daß die Versendungs - oder Ausfuhrförmlichkeiten erfuellt worden seien, wenn auch ohne Beantragung des zu diesen gehörenden Kontrollexemplars.

6 Zur Klärung dieser Frage hat der Bundesfinanzhof das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Ist das für den Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, im Juni 1979 geltende Gemeinschaftsrecht, insbesondere Artikel 10 und 12 der Verordnung ( EWG ) Nr. 223/77 der Kommission vom 22. Dezember 1976 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens ( ABl. L 38 vom 9. 2. 1977, S. 20 ), dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 die Erfuellung der Versendungs - oder Ausfuhrförmlichkeiten voraussetzte?

2 ) Bei Bejahung der Rechtsfrage 1 : Kommt eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 durch die Abgangszollstelle, bei der die zollverfahrensrechtlichen Versandförmlichkeiten ( Versendungsförmlichkeiten ) zu erfuellen waren, nur in Betracht, wenn bei ihr diese Förmlichkeiten erfuellt wurden, oder genügt es dafür, daß bei einer anderen Zollstelle - gegebenenfalls der eines anderen Mitgliedstaats - Ausfuhrförmlichkeiten erfuellt wurden?"

7 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens und der Vorgeschichte des Rechtsstreits sowie einer Zusammenfassung der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß durch die Verordnung Nr. 1209/85 der Kommission vom 3. Mai 1985 zur Änderung der Verordnung Nr. 223/77 ( ABl. L 124, S. 19 ) in letztere ein Artikel 13 b eingefügt wurde, wonach das Kontrollexemplar T Nr. 5 nachträglich ausgestellt werden kann, vorausgesetzt, daß, unter anderem, der Beteiligte den Nachweis erbringt, daß das Kontrollexemplar sich auf die Waren bezieht, "für die die Versendungs - oder Ausfuhrförmlichkeiten erfuellt wurden ". Diese Bestimmung war zu dem für den Streitfall maßgeblichen Zeitpunkt noch nicht anwendbar.

9 Weiter ist festzustellen, daß dem Urteil vom 6. Oktober 1982, auf das sich das ausführende Unternehmen beruft, zu entnehmen ist, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes Verfahrensmängel, die von demjenigen nicht zu vertreten sind, dem normalerweise ein Vorteil aus den Gemeinschaftsbestimmungen, wie z. B. die Ausfuhrerstattung, zugute kommen sollte, sich für diesen nicht nachteilig auswirken dürfen.

10 Die erste Vorlagefrage des innerstaatlichen Gerichts geht also im Kern dahin, ob die völlige Unterlassung der Versendungs - oder Ausfuhrförmlichkeiten als ein "Verfahrensmangel" im Sinne dieser Rechtsprechung anzusehen ist.

11 Aus den vom innerstaatlichen Gericht vorgelegten Akten des Ausgangsverfahrens ergibt sich tatsächlich,

- daß bei der Abgangszollstelle, dem Hauptzollamt Hildesheim, keinerlei Versendungsförmlichkeiten mittels der Formulare T 1 und T Nr. 5 erfuellt wurden;

- daß die Vorausfestsetzungsbescheinigung für die Ausfuhr des Zuckers nicht, nach vorheriger Kontrolle, von dieser Abgangszollstelle abgezeichnet wurde;

- daß der Übergang der Ware an der in dem Formular T 1 angegebenen Zollstelle an der dänisch-deutschen Grenze, nämlich an der Zollstelle Padborg, nicht mitgeteilt wurde;

- daß das ordnungsgemäß von dem ausführenden Unternehmen ausgefuellte Formular T 1 von der Bestimmungszollstelle des gemeinschaftlichen Versands, nämlich derjenigen von Frederikshavn, nicht überprüft und abgezeichnet wurde;

- daß die letztgenannte Zollstelle das Formular T Nr. 5 nur zum Zweck der Angabe abgezeichnet hat, daß die in diesem Formular angegebene Zuckermenge das Gebiet der Gemeinschaft verlassen hat.

12 Gemäß den Artikeln 10 und 12 der Verordnung Nr. 223/77, deren Auslegung begehrt wird, ist, wenn die Anwendung einer gemeinschaftlichen Maßnahme auf dem Gebiet der Warenausfuhr von dem Nachweis abhängt, daß die betreffenden Waren der in der Maßnahme vorgesehenen Bestimmung zugeführt worden sind, der Nachweis durch die Vorlage eines Kontrollexemplars T Nr. 5 zu erbringen, das im Rahmen eines gemeinschaftlichen Versandverfahrens von der Abgangszollstelle ausgestellt wird.

13 Von dem gleichen Nachweis hängt gemäß der Verordnung Nr. 192/75 der Kommission vom 17. Januar 1975 über Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen ( ABl. L 25, S. 1 ) die Gewährung der Ausfuhrerstattung für Weißzucker ab. Wie sich aus den Begründungserwägungen der Verordnung ergibt, soll durch dieses System sichergestellt werden, daß die Erzeugnisse, die die Gemeinschaft verlassen, dieselben wie diejenigen sind, für die die betreffenden Zollförmlichkeiten bei der Abgangszollstelle erfuellt wurden.

14 Wenn, wie im vorliegenden Fall, bei der Abgangszollstelle keinerlei Förmlichkeiten erfuellt worden sind, kann durch die möglicherweise bei der Bestimmungszollstelle durchgeführten Kontrollen nicht festgestellt werden, ob die ausgeführte Ware tatsächlich dieselbe wie diejenige ist, für die die Ausfuhrerstattung im voraus festgesetzt wurde.

15 Die bei der Abgangszollstelle erfuellten Förmlichkeiten spielen also in dem Mechanismus der Gewährung der Ausfuhrerstattung eine wesentliche Rolle und können somit nicht durch bei der Bestimmungszollstelle durchgeführte Kontrollen ersetzt werden. Die Unterlassung solcher Förmlichkeiten kann demgemäß nicht als ein einfacher Verfahrensmangel angesehen werden.

16 Auf die erste Frage ist folglich zu antworten, daß die im Juni 1979 für den gemeinschaftlichen Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, geltenden Bestimmungen, insbesondere die Artikel 10 und 12 der Verordnung Nr. 223/77, dahin auszulegen sind, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 nicht möglich ist, wenn die Ausfuhr - oder Versendungsförmlichkeiten nicht erfuellt wurden.

17 Das innerstaatliche Gericht möchte mit seiner zweiten Frage weiter geklärt wissen, ob die nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 in Betracht kommt, wenn die Ausfuhrförmlichkeiten bei einer anderen Zollstelle als der Abgangszollstelle, insbesondere bei einer Zollstelle eines anderen Mitgliedstaats, erfuellt wurden.

18 Aus den obigen Ausführungen zu der ersten Frage ergibt sich, daß die Ausfuhr - oder Versendungsförmlichkeiten bei der Abgangszollstelle nicht durch Kontrollen ersetzt werden können, die bei der Bestimmungszollstelle oder irgendeiner anderen in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Zollstelle durchgeführt werden; das in der zweiten Frage aufgeworfene Problem wird so durch die Beantwortung der ersten Frage gelöst.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren vor dem Gerichtshof ein Zwischenstreit in dem vor dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

auf die ihm vom Bundesfinanzhof durch Beschluß vom 25. November 1986 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

Die im Juni 1979 für den gemeinschaftlichen Versand von Waren, für deren Ausfuhr Ausfuhrerstattungen in Betracht kamen, geltenden Bestimmungen, insbesondere die Artikel 10 und 12 der Verordnung Nr. 223/77 über Durchführungsbestimmungen und Vereinfachungsmaßnahmen des gemeinschaftlichen Versandverfahrens, sind dahin auszulegen, daß eine nachträgliche Ausstellung des Kontrollexemplars T Nr. 5 nicht möglich ist, wenn die Ausfuhr - oder Versendungsförmlichkeiten nicht erfuellt wurden.

Ende der Entscheidung

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