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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.06.1989
Aktenzeichen: 348/87
Rechtsgebiete: EWGV, RL 77/388/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 177
RL 77/388/EWG Art. 13
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ( 77/388 ) stellen Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz dar, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt. Die Begriffe, mit denen sie umschrieben sind, sind folglich eng auszulegen. In Anbetracht dessen und in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Voraussetzungen für die Befreiung nach Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f, der die Dienstleistungen betrifft, die selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, an ihre Mitglieder für deren Zwecke erbringen, umfassen die Handlungen, die nach dieser Bestimmung von der Umsatzsteuer befreit sind, nicht die Aktivitäten einer Stiftung, die ausschließlich in der Organisation und Durchführung von Tätigkeiten bestehen, die mit den Aktivitäten einer anderen Stiftung zusammenhängen, und zwar gegen Vergütung der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn die andere Stiftung als Dachorganisation einer Reihe von Einrichtungen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, ausschließlich zugunsten dieser Einrichtungen Dienstleistungen der in dieser Vorschrift der Sechsten Richtlinie bezeichneten Art erbringt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 15. JUNI 1989. - STICHTING UITVOERING FINANCIELE ACTIES (SUFA) GEGEN STAATSSECRETARIS VAN FINANCIEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: HOGE RAAD - NIEDERLANDE. - MEHRWERTSTEUER - SECHSTE MEHRWERTSTEUERRICHTLINIE - BEFREIUNG. - RECHTSSACHE 348/87.

Entscheidungsgründe:

1 Der Hoge Raad der Nederlanden hat mit Urteil vom 4. November 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 16. November 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Richtlinie 77/388 des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem : einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ( ABl. L 145, S. 1; im folgenden : Sechste Richtlinie ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen einer Stiftung, der Stichting Uitvöring Financiële Acties ( im folgenden : SUFA ), und der Finanzverwaltung wegen eines Steuerbescheids, mit dem die SUFA für den Betrag, den sie für die einer anderen Stiftung, der Stichting Algemene Loterij Nederland ( im folgenden : ALN ), erbrachten Dienstleistungen berechnete, zur Umsatzsteuer herangezogen wurde.

3 Aus den Akten ergibt sich, daß die SUFA aufgrund der zwischen beiden Stiftungen geschlossenen Vereinbarung mit der praktischen Durchführung der Lotterien betraut ist, die die ALN für Rechnung der ihr angeschlossenen sozialen und kulturellen Einrichtungen veranstaltet. Alle der SUFA hierbei entstehenden Kosten werden von der ALN erstattet, deren Tätigkeit sich darauf beschränkt, die Lotterieeinnahmen nach Abzug der Unkosten auf die ihr angeschlossenen Einrichtungen zu verteilen.

4 Die SUFA erhob gegen den streitigen Steuerbescheid Klage beim Gerechtshof Den Haag, mit der sie geltend machte, die Dienstleistungen, die sie für die ALN erbringe, müssten gemäß Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie von der Umsatzsteuer befreit werden; nach dieser Bestimmung "befreien die Mitgliedstaaten... die Dienstleistungen, die die selbständigen Zusammenschlüsse von Personen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist,... an ihre Mitglieder für unmittelbare Zwecke der Ausübung dieser Tätigkeit erbringen, soweit diese Zusammenschlüsse von ihren Mitgliedern lediglich die genaue Erstattung des jeweiligen Anteils an den gemeinsamen Kosten fordern, vorausgesetzt, daß diese Befreiung nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führt ". Es ist unstreitig, daß der ALN diese Befreiung zusteht.

5 Der Gerechtshof war jedoch ebenso wie die nationale Finanzverwaltung der Auffassung, die SUFA sei kein selbständiger Zusammenschluß von Personen, der Leistungen an seine Mitglieder erbringe, sondern werde für einen einzigen Auftraggeber, im vorliegenden Fall die ALN, tätig, die kein Mitglied der SUFA sei.

6 Der Rechtsstreit wurde sodann vor den Hoge Raad der Nederlanden gebracht, der das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt hat :

"Umfassen die Handlungen, die gemäß Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie von der Umsatzsteuer befreit werden müssen, auch die Aktivitäten einer Stiftung, die ausschließlich in der Organisation und Durchführung von Tätigkeiten bestehen, die mit den Aktivitäten einer anderen Stiftung zusammenhängen, und zwar gegen Vergütung der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn die andere Stiftung als Dachorganisation einer Reihe von Einrichtungen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, ausschließlich zugunsten dieser Einrichtungen Dienstleistungen der in dieser Vorschrift der Sechsten Richtlinie bezeichneten Art erbringt?"

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Die Antwort auf die Vorlagefrage hängt insbesondere davon ab, ob die Befreiung gemäß Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie auf eine Stiftung anwendbar ist, die im Auftrag einer anderen Stiftung, die als selbständiger Zusammenschluß sozialer und kultureller Einrichtungen Anspruch auf diese Befreiung hat, Dienstleistungen für unmittelbare Zwecke der Ausübung der befreiten Tätigkeit erbringt.

9 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens will diese Frage mit Rücksicht auf die Besonderheiten der Aufgabenverteilung zwischen den beiden Stiftungen bejahen. Dagegen schlagen die Regierung der Niederlande und die Kommission vor, sie zu verneinen, da diese Aufgabenverteilung im Bereich der Veranstaltung von Lotterien keine Ausdehnung des Anspruchs auf Befreiung auf eine Einrichtung erlaube, die mit der Erfuellung bestimmter Aufgaben beauftragt sei.

10 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Sechste Richtlinie, wie der Gerichtshof in dem Urteil vom 26. März 1987 in der Rechtssache 235/85 ( Kommission/Niederlande, Slg. 1987, 1485 ) ausgeführt hat, den Anwendungsbereich für die Mehrwertsteuer sehr weit fasst und alle wirtschaftlichen Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden darin einbezieht.

11 Was die Regelung der Steuerbefreiungen angeht, so ergibt sich aus der elften Begründungserwägung der Richtlinie, daß diese Befreiungen eigenständige Begriffe des Gemeinschaftsrechts darstellen, die, wie der Gerichtshof im vorerwähnten Urteil vom 26. März 1987 entschieden hat, im Gesamtzusammenhang des durch die Sechste Richtlinie eingeführten gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu sehen sind.

12 Zum Anwendungsbereich dieser Steuerbefreiungen ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 107/84 ( Kommission/Deutschland, Slg. 1985, 2655 ) ausgeführt hat, daß diese Befreiungen zwar zugunsten von Tätigkeiten gelten, die bestimmten Zwecken dienen, daß in den meisten Bestimmungen jedoch ausserdem die Wirtschaftsteilnehmer genannt werden, die die von der Steuer befreiten Leistungen erbringen dürfen, und daß diese Leistungen nicht unter Verwendung rein materieller oder rein funktioneller Begriffe definiert werden. In jenem Urteil hat der Gerichtshof auch klargestellt, daß Artikel 13 der Sechsten Richtlinie nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten befreit, sondern nur diejenigen, die einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind.

13 Daraus ergibt sich, daß die Begriffe, mit denen die Steuerbefreiungen nach Artikel 13 der Sechsten Richtlinie umschrieben sind, eng auszulegen sind, da sie Ausnahmen von dem allgemeinen Grundsatz darstellen, wonach jede Dienstleistung, die ein Steuerpflichtiger gegen Entgelt erbringt, der Umsatzsteuer unterliegt.

14 Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie erwähnt ausdrücklich nur selbständige Zusammenschlüsse von Personen, die Dienstleistungen für ihre Mitglieder erbringen. Dies trifft auf eine Stiftung nicht zu, die ausschließlich für eine andere Stiftung Dienstleistungen erbringt, ohne daß eine dieser Stiftungen ein Mitglied der anderen wäre. In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts der Voraussetzungen für die Befreiung wäre jede Auslegung, die den Anwendungsbereich von Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie ausdehnte, mit dem Zweck dieser Bestimmung unvereinbar.

15 Somit ist auf die Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß die Handlungen, die gemäß Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie ( 77/388 ) des Rates vom 17. Mai 1977 von der Umsatzsteuer befreit werden müssen, nicht die Aktivitäten einer Stiftung umfassen, die ausschließlich in der Organisation und Durchführung von Tätigkeiten bestehen, die mit den Aktivitäten einer anderen Stiftung zusammenhängen, und zwar gegen Vergütung der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn die andere Stiftung als Dachorganisation einer Reihe von Einrichtungen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, ausschließlich zugunsten dieser Einrichtungen Dienstleistungen der in dieser Vorschrift der Sechsten Richtlinie bezeichneten Art erbringt.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der Regierung der Niederlande und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Vierte Kammer )

auf die ihm vom Hoge Raad der Nederlanden mit Urteil vom 4. November 1987 vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Die Handlungen, die gemäß Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe f der Sechsten Richtlinie ( 77/388 ) des Rates vom 17. Mai 1977 von der Umsatzsteuer befreit werden müssen, umfassen nicht die Aktivitäten einer Stiftung, die ausschließlich in der Organisation und Durchführung von Tätigkeiten bestehen, die mit den Aktivitäten einer anderen Stiftung zusammenhängen, und zwar gegen Vergütung der tatsächlich entstandenen Kosten, wenn die andere Stiftung als Dachorganisation einer Reihe von Einrichtungen, die eine Tätigkeit ausüben, die von der Steuer befreit ist oder für die sie nicht steuerpflichtig sind, ausschließlich zugunsten dieser Einrichtungen Dienstleistungen der in dieser Vorschrift der Sechsten Richtlinie bezeichneten Art erbringt.

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