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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.05.1989
Aktenzeichen: 355/87
Rechtsgebiete: Entscheidung 87/475/EWG, EWGV, Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr


Vorschriften:

Entscheidung 87/475/EWG
EWGV Art. 7
EWGV Art. 173 Abs. 1
EWGV Art. 149
Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr Art. 6 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Verordnung Nr. 954/79 über die Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen durch die Mitgliedstaaten oder über den Beitritt der Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen, die lediglich bestimmte Pflichten vorsieht, die die Mitgliedstaaten, die dem Kodex beitreten, erfuellen müssen, um sicherzustellen, daß dieser Kodex in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht angewandt wird, ohne im übrigen eine Frist festzusetzen, innerhalb deren die Ratifikation oder der Beitritt erfolgen muß, verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht, dem Verhaltenskodex beizutreten.

2. Ein Mitgliedstaat, der eine Ladungsanteilvereinbarung mit einem Drittland geschlossen hat, hat gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 4055/86, wonach der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs für die Seeschiffahrt gilt, den der betreffenden Konferenz angehörenden Gemeinschaftsreedereien sowie gemäß Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 4056/86 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr den der Konferenz nicht angehörenden Gemeinschaftsreedereien Zugang zu dem Teil des Verkehrs zu verschaffen, der durch dieses Abkommen seinen Reedereien zugeteilt wurde.

Der Umstand, daß die Anwendung eines solchen Abkommens Privatpersonen übertragen wurde, ist nicht geeignet, die Beachtung des Gemeinschaftsrechts in Frage zu stellen, da der an dem Abkommen beteiligte Mitgliedstaat verpflichtet ist, die erforderlichen internen Maßnahmen zu treffen, damit seine Reeder den anderen Gemeinschaftsreedereien ein den Gemeinschaftsverpflichtungen dieses Staates entsprechendes Zugangsrecht gewähren.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 30. MAI 1989. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN RAT DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - SEEVERKEHR - LADUNGSANTEILVEREINBARUNG - EINEM MITGLIEDSTAAT VOM RAT ERTEILTE ERMAECHTIGUNG ZUR RATIFIZIERUNG EINES MIT EINEM DRITTSTAAT AUSGEHANDELTEN ABKOMMENS. - RECHTSSACHE 355/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 25. November 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung 87/475/EWG des Rates vom 17. September 1987 über den Seeverkehr zwischen Italien und Algerien ( ABl. L 272, S. 37 ).

2 Im Juli 1985 teilte Italien den anderen Mitgliedstaaten und der Kommission mit, daß es Schwierigkeiten in seinen Handelsbeziehungen mit Algerien habe. Algerien behalte nämlich ungefähr 80 % der Beförderung von Ladung im Liniendienst zwischen beiden Staaten seiner nationalen Reederei vor.

3 Die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten unternahmen insoweit diplomatische Schritte bei Algerien. Die italienische Beteiligung am Seeverkehr mit Algerien sank gleichwohl weiter ab und ging auf ungefähr 10 % dieses Verkehrs zurück.

4 Italien handelte daraufhin allein ein Abkommen mit Algerien aus, das als "Abkommen über die Beförderung und den Seeverkehr zwischen der Italienischen Republik und der Demokratischen Volksrepublik Algerien" bezeichnet wurde. Es teilte der Kommission diesen Abkommensentwurf, der paraphiert und unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert war, am 17. März 1987 mit. Diese Mitteilung erfolgte gemäß Artikel 6 Absatz 5 der Verordnung Nr. 4055/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf die Seeschiffahrt zwischen Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern ( ABl. L 378, S. 1; im folgenden : die Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr ). Danach müssen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, die sie zur Wahrung des Zugangs zum Handelsverkehr mit Drittstaaten ergreifen, der Kommission umgehend mitteilen.

5 Artikel 4 des Entwurfs eines Abkommens zwischen Italien und Algerien lautet wie folgt :

"Die Reeder treffen die erforderlichen Maßnahmen für die Organisation des Verkehrs und seine Aufteilung im Rahmen einer Konferenz oder einer anderen Reederorganisation für eine bessere Nutzung der Linien nach dem im Verhaltenskodex für Linienkonferenzen niedergelegten Grundsatz der Aufteilung unter gegenseitiger Beachtung der Verpflichtungen jeder Partei auf internationaler Ebene."

6 Die Kommission war der Auffassung, daß diese Bestimmung eine Ladungsanteilvereinbarung im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr darstelle. Dieser bestimmt :

"Ladungsanteilvereinbarungen in künftigen Abkommen mit Drittländern sind untersagt, es sei denn, daß aufgrund aussergewöhnlicher Umstände die Linienreedereien der Gemeinschaft sonst keinen tatsächlichen Zugang zum Handelsverkehr mit dem betreffenden Drittland hätten. In diesen Fällen können solche Vereinbarungen nach Maßgabe des Artikels 6 zugelassen werden."

7 Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung lautet :

"Der Rat beschließt die erforderlichen Maßnahmen mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission. Diese Maßnahmen können in den in Artikel 5 Absatz 1 genannten Fällen die Aushandlung und den Abschluß von Ladungsanteilvereinbarungen einschließen."

8 Nach Auffassung der Kommission war die einschränkende Voraussetzung, unter der eine Ladungsanteilvereinbarung nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr zugelassen werden kann, im vorliegenden Fall nicht erfuellt. Italien hätte nämlich einen tatsächlichen Zugang zum Handelsverkehr mit Algerien haben können, wenn es dem am 6. April 1974 in Genf unter der Schirmherrschaft der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung erlassenen Übereinkommen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen ( Dok. UN TD/Code/11/Rev. 1 und Corr. 1, auch veröffentlicht im Bundesgesetzblatt 1983, Teil II, S. 64; im folgenden : Verhaltenskodex ) beigetreten wäre, was seinen Reedern gemäß Artikel 2 Absatz 4 dieses Kodex Zugang zu dem in Rede stehenden Handelsverkehr verschafft hätte.

9 Artikel 2 Absatz 4 des Verhaltenskodex lautet :

"Bei der Bestimmung eines Verkehrsanteils einzelner Mitgliedreedereien und/oder Gruppen nationaler Linienreedereien nach Absatz 2 innerhalb eines Pools werden folgende Grundsätze hinsichtlich ihres Rechts auf Beteiligung an dem von der Konferenz beförderten Handel beachtet, sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde :

a ) Die Gruppe nationaler Linienreedereien jedes der beiden Länder, deren gegenseitiger Aussenhandel von der Konferenz befördert wird, hat gleiche Rechte auf Beteiligung an der Fracht und an der Ladungsmenge, die sich aus dem gegenseitigen Aussenhandel, soweit er von der Konferenz befördert wird, ergeben.

b ) Drittland-Linienreedereien, sofern vorhanden, haben das Recht, einen erheblichen Teil, z. B. 20 %, an der Fracht und der Ladungsmenge zu erwerben, die sich aus diesem Handel ergeben."

10 Die Kommission ließ jedoch zu, daß das italienisch-algerische Abkommen während des Zeitraums angewandt wurde, den Italien benötigte, um dem Verhaltenskodex beizutreten. Sie legte deshalb dem Rat den Vorschlag einer Entscheidung gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr vor. Die vorgeschlagene Ermächtigung stand unter der Bedingung, daß Italien dem Verhaltenskodex so bald wie möglich beitreten würde. Das Abkommen sollte ausser Kraft treten, sobald der Verhaltenskodex auf den Handel zwischen Italien und Algerien anwendbar war, spätestens drei Jahre nach dem Erlaß der Entscheidung des Rates. Nach dem Vorschlag würde der Abkommensentwurf zunächst einigen Änderungen unterliegen, die den freien Dienstleistungsverkehr und die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Wettbewerbs sicherstellen sollten.

11 Am 17. September 1987 erließ der Rat einstimmig die angefochtene Entscheidung, die an die Italienische Republik gerichtet ist. In den Begründungserwägungen dieser Entscheidung heisst es :

"Die Bestimmungen des oben genannten Abkommens sind so anzuwenden, daß eine Kollision mit den sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten - insbesondere hinsichtlich eines angemessenen, freien und nichtdiskriminierenden Zugangs von Staatsangehörigen oder Reedereien der Gemeinschaft, einschließlich unabhängiger Linienreedereien, zu Ladungsanteilen - vermieden wird."

12 Die angefochtene Entscheidung enthält in Artikel 1 eine bedingungslose Ermächtigung, das Abkommen zu ratifizieren, "sofern" (" étant entendu que ") Italien dem Verhaltenskodex so bald wie möglich beitrat. Die Entscheidung lässt die unbefristete Anwendung des Abkommens zu. Sie verlangt schließlich keine Änderung der Bestimmungen des Entwurfs, sondern präzisiert lediglich, daß Italien "Algerien erneut darauf hinweist, daß die Durchführung des Abkommens dem Gemeinschaftsrecht unterliegt ".

13 Wegen weiterer Einzelheiten der anwendbaren Rechtsvorschriften und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen die Artikel 5 und 6 der Verordnung Nr. 4055/86 des Rates über den freien Dienstleistungsverkehr

14 Mit einem ersten Klagegrund macht die Kommission geltend, die Entscheidung des Rates verstosse gegen die Artikel 5 und 6 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, zunächst weil sie den Abschluß einer Ladungsanteilvereinbarung zugelassen habe, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht erfuellt gewesen seien, und sodann weil das fragliche Abkommen in mehreren Punkten dem Gemeinschaftsrecht widerspreche.

15 Vorab ist zu prüfen, ob Artikel 4 des Entwurfs eines italienisch-algerischen Abkommens eine Ladungsanteilvereinbarung enthält, wie die Kommission meint, oder ob er, wie der Rat vorträgt, lediglich die Organisation einer Linienkonferenz vorsieht, das heisst einer Gruppe von Unternehmen der Seeschiffahrt, die internationale Beförderungen von Ladung im Liniendienst vornehmen und Vereinbarungen über Tarife und sonstige Beförderungsbedingungen treffen.

16 Insoweit ist festzustellen, daß Artikel 4 des Abkommensentwurfs die Kriterien für die Aufteilung, die die Reeder beachten müssen, festsetzt, denn er verpflichtet sie, den im Verhaltenskodex niedergelegten Aufteilungsgrundsatz anzuwenden. Diese Bestimmung kann zu demselben Ergebnis führen, als wenn Italien und Algerien die Aufteilung des fraglichen Handelsverkehrs selbst vorgenommen hätten. Sie stellt deshalb eine Ladungsanteilvereinbarung dar.

17 Zur Verletzung des Artikels 5 Absatz 1 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, die den ersten Teil des Klagegrundes bildet, trägt die Kommission vor, es hätten keine "aussergewöhnlichen Umstände" im Sinne dieser Vorschrift vorgelegen, die den Abschluß einer Ladungsanteilvereinbarung auf unbestimmte Dauer gerechtfertigt hätten. Derartige Umstände lägen nur dann vor, wenn kein anderes, den freien Dienstleistungsverkehr weniger einschränkendes Mittel dem betroffenen Mitgliedstaat den Zugang zu dem fraglichen Handelsverkehr ermögliche. Im vorliegenden Fall hätte ein solches Mittel für Italien im Beitritt zu dem Verhaltenskodex bestanden.

18 Dieser Beitritt hätte nämlich, so führt die Kommission aus, zugleich bewirkt, daß die Verordnung Nr. 954/79 des Rates vom 15. Mai 1979 über die Ratifikation des Übereinkommens der Vereinten Nationen über einen Verhaltenskodex für Linienkonferenzen durch die Mitgliedstaaten oder über den Beitritt der Mitgliedstaaten zu diesem Übereinkommen ( ABl. L 121, S.1; im folgenden : Verordnung über die Ratifikation des Verhaltenskodex ) auf Italien anwendbar geworden wäre. Nach Artikel 3 dieser Verordnung hätten die den italienischen Reedereien, die Mitglied der Konferenz seien, zugeteilten Ladungen angemessen unter allen Gemeinschafts-Konferenzreedereien umverteilt werden müssen. Der blosse Hinweis auf den Umverteilungsgrundsatz des Verhaltenskodex in Artikel 4 des Entwurfs eines italienisch-algerischen Abkommens habe dagegen nicht zur Anwendbarkeit des in Artikel 3 dieser Verordnung enthaltenen Umverteilungsgrundsatzes geführt. Der Abkommensentwurf gewährleiste somit den freien Dienstleistungsverkehr nicht in dem Masse, wie es der Beitritt Italiens zum Verhaltenskodex getan hätte.

19 Dazu ist festzustellen, daß die Verordnung über die Ratifikation des Verhaltenskodex lediglich bestimmte Pflichten vorsieht, die die Mitgliedstaaten, die dem Kodex beitreten, erfuellen müssen, um sicherzustellen, daß dieser Kodex in Übereinstimmung mit dem Gemeinschaftsrecht angewandt wird. Im Gegensatz zu dem Vorschlag der Kommission setzt diese Verordnung keine Frist fest, innerhalb deren der Beitritt zu dem Kodex erfolgen muß. Die Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten somit nicht, dem Verhaltenskodex beizutreten.

20 Der Beitritt Italiens zum Verhaltenskodex kann auch nicht mit der Begründung gefordert werden, daß er den freien Dienstleistungsverkehr besser gewährleiste, als es die Anwendung des italienisch-algerischen Abkommens täte. Dieses Abkommen kann nämlich insoweit die gleichen Garantien bieten wie der Beitritt zum Kodex, wenn es Bestimmungen enthält, die geeignet sind, den freien Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten. Die Frage, ob dies der Fall ist, gehört zur Prüfung des zweiten Teils des Klagegrundes.

21 Somit hat der Rat die Ermächtigung zur Ratifikation des Entwurfs eines italienisch-algerischen Abkommens zu Recht nicht von dem Beitritt Italiens zum Verhaltenskodex abhängig gemacht.

22 Der erste Teil des Klagegrundes ist deshalb zurückzuweisen.

23 Mit dem zweiten Teil des Klagegrundes macht die Kommission geltend, die angefochtene Entscheidung verletze Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, denn der Rat dürfe nach dieser Vorschrift nur Maßnahmen genehmigen, die mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stuenden, und die angefochtene Entscheidung verstosse gegen das Gemeinschaftsrecht in zwei bestimmten Punkten.

24 Die Kommission trägt zunächst vor, der Rat hätte die Ratifikation des Abkommens nur genehmigen dürfen, wenn dieses den Reedereien der übrigen Mitgliedstaaten einen angemessenen, freien und nichtdiskriminierenden Zugang zum Handelsverkehr zwischen Italien und Algerien gewährleistet hätte. Sie stützt sich insoweit auf Artikel 6 Absatz 4 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, aus dem sich ergebe, daß die Mitgliedstaaten, die bei längerem Untätigbleiben des Rates allein eine Ladungsanteilvereinbarung aushandelten, einen solchen freien Zugang sicherstellen müssten. Dasselbe Erfordernis gelte zwangsläufig für die Entscheidungen des Rates, mit denen er Ladungsanteilvereinbarungen zulasse.

25 Die Kommission trägt sodann vor, der Rat dürfe eine Ladungsanteilvereinbarung nur zulassen, wenn sie denjenigen Gemeinschaftsreedereien, die nicht Mitglied der Konferenz seien, einen tatsächlichen Zugang zu den von der Konferenz beförderten Ladungen gewähre. Diese Verpflichtung ergebe sich aus Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 4056/86 des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Einzelheiten der Anwendung der Artikel 85 und 86 des Vertrages auf den Seeverkehr ( ABl. L 378, S. 4 ), der die Aufrechterhaltung eines tatsächlichen Wettbewerbs fordere.

26 Vergleicht man diese beiden Rügen miteinander, so ergibt sich, daß die erste dahin auszulegen ist, daß sie sich auf die Umverteilung des italienischen Anteils an dem fraglichen Handelsverkehr unter den nichtitalienischen, der Konferenz angehörenden Gemeinschaftsreedereien bezieht, und die zweite dahin, daß sie den Zugang der nicht der Konferenz angehörenden Gemeinschaftsreedereien gleich welchen Mitgliedstaats zu diesem Teil des Handelsverkehrs betrifft.

27 Zur ersten Rüge ist festzustellen, daß Italien tatsächlich verpflichtet ist, allen der Konferenz angehörenden Gemeinschaftsreedereien Zugang zu dem Teil des Verkehrs zu verschaffen, der durch das Abkommen den italienischen Reedereien zugeteilt wurde. Diese Verpflichtung ergibt sich aus Artikel 1 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, wonach der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs für die Seeschiffahrt gilt. Sie findet eine Bestätigung in Artikel 6 Absatz 4 dieser Verordnung, auf den sich die Kommission beruft. Zur zweiten Rüge ist festzustellen, daß Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b Ziffer i der Verordnung Nr. 4056/86 des Rates tatsächlich verlangt, daß das Abkommen den der Konferenz nicht angehörenden Gemeinschaftsreedereien eine Zugangsmöglichkeit zu dem Teil des Verkehrs sichert, der durch dieses Abkommen den italienischen Reedereien zugeteilt wurde.

28 Nach Auffassung der Kommission erfuellt der Entwurf eines italienisch-algerischen Abkommens die beiden oben dargestellten Erfordernisse nicht, weil er keine dahin gehenden besonderen Bestimmungen enthalte.

29 Dazu bemerkt die Kommission zunächst, daß die Verweisung auf die internationalen Verpflichtungen Italiens in Artikel 4 des Abkommensentwurfs zu unbestimmt sei, um die Beachtung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Wettbewerbsfreiheit zu gewährleisten.

30 Es ist darauf hinzuweisen, daß Artikel 4 des Abkommensentwurfs durch Artikel 1 Buchstabe b der angefochtenen Entscheidung präzisiert wird, wonach Italien "Algerien erneut darauf hinweist, daß die Durchführung des Abkommens dem Gemeinschaftsrecht unterliegt ". In der vorletzten Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung heisst es im übrigen, daß zu den gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen diejenige gehöre, einen "angemessenen, freien und nichtdiskriminierenden Zugang von Staatsangehörigen oder Reedereien der Gemeinschaft, einschließlich unabhängiger Linienreedereien, zu Ladungsanteilen" sicherzustellen. Die Verpflichtung Italiens, die Beachtung des freien Dienstleistungsverkehrs und der Wettbewerbsfreiheit zu gewährleisten, ist also mit hinreichender Bestimmtheit angegeben.

31 Die Kommission wendet ausserdem ein, die in Artikel 4 des Abkommensentwurfs erwähnten internationalen Verpflichtungen könnten Privatpersonen, nämlich den mit der Anwendung des Abkommens betrauten Reedern, nicht entgegengehalten werden.

32 Der Umstand, daß die Anwendung des Abkommens Privatpersonen übertragen wurde, ist nicht geeignet, die Beachtung des Gemeinschaftsrechts in Frage zu stellen. Italien ist nämlich verpflichtet, die erforderlichen internen Maßnahmen zu treffen, damit seine Reeder den anderen Gemeinschaftsreedereien ein den Gemeinschaftsverpflichtungen dieses Staates entsprechendes Zugangsrecht gewähren.

33 Da die Kommission nicht dargetan hat, daß das Abkommen, mit den durch die angefochtene Entscheidung vorgeschriebenen Modalitäten versehen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstösst, ist der zweite Teil des Klagegrundes ebenfalls zurückzuweisen.

34 Der erste Klagegrund greift somit nicht durch.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen das Diskriminierungsverbot

35 Dieser Klagegrund wird im Verhältnis zum ersten Klagegrund hilfsweise für den Fall geltend gemacht, daß die Artikel 5 Absatz 1 und 6 Absatz 2 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr es dem Rat ihrem Inhalt nach nicht untersagt hätten, das streitige Abkommen zu genehmigen. Die Kommission vertritt die Auffassung, daß die genannten Vorschriften in diesem Fall so angewandt werden müssten, daß das in Artikel 7 EWG-Vertrag verankerte Diskriminierungsverbot beachtet werde. Sie meint, dies sei hier nicht der Fall gewesen, trägt dazu jedoch keine anderen Argumente als die vor, die sie für ihre Ansicht geltend gemacht hat, die angefochtene Entscheidung verstosse gegen die Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr.

36 Die Prüfung des ersten Klagegrundes hat ergeben, daß das italienisch-algerische Abkommen, mit den durch die angefochtene Entscheidung vorgeschriebenen Modalitäten versehen, den Reedereien der anderen Mitgliedstaaten einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Ladungen gewährt, die Italien durch das Abkommen zugeteilt werden.

37 Dieser Klagegrund ist somit ebenfalls zurückzuweisen.

Zum Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht

38 Die Kommission trägt weiterhin vor, der Rat habe die in Artikel 190 EWG-Vertrag niedergelegte Begründungspflicht verletzt, indem er in der angefochtenen Entscheidung nicht festgestellt habe, daß Artikel 4 des Abkommensentwurfs eine Ladungsanteilvereinbarung enthalte, und indem er nicht dargelegt habe, worin die "aussergewöhnlichen Umstände" im Sinne von Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr, die den Abschluß einer solchen Vereinbarung gerechtfertigt hätten, bestuenden.

39 Aus der ersten Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung ergibt sich, daß das Problem auf eine Praxis Algeriens, sich Fracht vorzubehalten, zurückzuführen war. Aus der zweiten Begründungserwägung wird deutlich, daß der Entwurf eines italienisch-algerischen Abkommens bezweckte, den Auswirkungen dieser Praxis entgegenzutreten. Die angefochtene Entscheidung hat daher die Art des Problems hinreichend bezeichnet, das mit dem Abkommen, dessen Ratifikation sie genehmigt, bewältigt werden soll. Es war deshalb überfluessig, ausserdem noch ausdrücklich das Bestehen einer Ladungsanteilvereinbarung festzustellen.

40 Was das Vorliegen "aussergewöhnlicher Umstände" betrifft, die die Ermächtigung zur Ratifikation des Abkommens rechtfertigen, so ist darauf hinzuweisen, daß die vierte Begründungserwägung der angefochtenen Entscheidung als Rechtsgrundlage dieser Entscheidung Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung über den freien Dienstleistungsverkehr angibt und daran erinnert, daß diese Vorschrift den Erlaß von Maßnahmen für den Fall gestattet, "daß die Staatsangehörigen oder die Reedereien eines Mitgliedstaates keine wirksame Möglichkeit haben, am Seeverkehr mit einem bestimmten Drittland teilzunehmen ". Aus dieser Begründungserwägung ergibt sich, daß der Rat der Auffassung war, daß die algerische Praxis, sich Fracht vorzubehalten, eine Situation geschaffen hatte, in der Italien keinen tatsächlichen Zugang zum Seeverkehr mit diesem Drittland mehr hatte. In der angefochtenen Entscheidung wird somit hinreichend erläutert, worin die aussergewöhnlichen Umstände, die ihren Erlaß rechtfertigten, bestanden.

41 Nach alledem ist auch der Klagegrund der Verletzung der Begründungspflicht zurückzuweisen.

Zum Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 149 EWG-Vertrag

42 Die Kommission macht mit diesem letzten Klagegrund geltend, daß der Rat beim Erlaß der angefochtenen Entscheidung die Grenzen der Änderungsbefugnis, die ihm Artikel 149 Absatz 1 EWG-Vertrag einräume, überschritten habe. Nach dieser Vorschrift dürfe er einen Rechtsakt nur erlassen, wenn dieser denselben Gegenstand und denselben Zweck habe wie der Vorschlag der Kommission. Andernfalls sei der Rechtsakt des Rates als ohne jeden Vorschlag ergangen anzusehen. Im vorliegenden Fall habe die Kommission dem Rat vorgeschlagen, die Ermächtigung zur Ratifikation des Abkommens zu verweigern, wenn daran nicht bestimmte Änderungen vorgenommen würden. Der Rat habe dagegen eine bedingungslose Ermächtigung zur Ratifikation des Abkommens erteilt. Er habe somit den Zweck des Vorschlags der Kommission entstellt und dadurch die Grenzen seiner Änderungsbefugnis überschritten.

43 Der Vorschlag, den die Kommission dem Rat für den Erlaß der angefochtenen Entscheidung unterbreitete, bestimmte in Artikel 1 : "Italien wird ermächtigt, das mit Algerien am 28. Februar 1987 unterzeichnete Abkommen über den Seeverkehr und die Seeschiffahrt zu ratifizieren, sofern..." Die in dem Vorschlag aufgeführten Bedingungen sollten das Abkommen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar machen. Auch die angefochtene Entscheidung ermächtigt Italien, das Abkommen zu ratifizieren, wobei sie diese Ermächtigung mit bestimmten Modalitäten versieht, von denen oben dargelegt wurde, daß sie die Beachtung des Gemeinschaftsrechts gewährleisteten.

44 Ohne daß es somit erforderlich wäre, sich allgemein zu den Grenzen der in Artikel 149 Absatz 1 EWG-Vertrag vorgesehenen Änderungsbefugnis zu äussern, genügt die Feststellung, daß im vorliegenden Fall der Rat entgegen dem Vorbringen der Kommission jedenfalls nicht vom Gegenstand des Vorschlags der Kommission abgewichen ist, dessen Zweck er im übrigen auch nicht verändert hat, der darin bestand, dafür Sorge zu tragen, daß das Abkommen unter Beachtung des Gemeinschaftsrechts angewandt wurde.

45 Der Klagegrund des Verstosses gegen Artikel 149 EWG-Vertrag kann deshalb nicht durchgreifen.

46 Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

47 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten einschließlich der Kosten der Streithelferin aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2)Die Kommission trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.

Ende der Entscheidung

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