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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 02.05.1990
Aktenzeichen: 357/88
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 2192/82/EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 177
VO Nr. 2192/82/EWGV Art. 18
VO Nr. 2192/82/EWGV Art. 29
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Kommission darf in Ausübung der Befugnisse, die ihr vom Rat zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation im Bereich der Landwirtschaft verliehen wurden, alle Durchführungsbestimmungen erlassen, die für das reibungslose Funktionieren der in dieser Organisation enthaltenen Beihilferegelung erforderlich sind, sofern diese Bestimmungen nicht gegen die Grund - oder die Durchführungsregelung des Rates verstossen. Die der Kommission damit übertragene Aufgabe der Verwaltung und Kontrolle schließt die Befugnis ein, Fristen festzusetzen und für deren Überschreitung angemessene Sanktionen vorzusehen, die bis zum völligen Verlust des Beihilfeanspruchs gehen können, wenn die Einhaltung dieser Fristen für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung erforderlich ist.

2. Die Beachtung der in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 aufgestellten Verpflichtung, der zuständigen Stelle spätestens beim Eintreffen der Erzeugnisse in dem Unternehmen hiervon Mitteilung zu machen, ist eine in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehene Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Beihilfe. Auch wenn nämlich Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der geänderten Fassung nichts darüber sagt, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen wegen einer Überschreitung dieser Frist verhängt werden können, ist ihre Einhaltung doch für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung unerläßlich und kann daher - auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismässigkeit - durch eine Sanktion wie den Verlust des Beihilfeanspruchs gewährleistet werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 2. MAI 1990. - OBERHAUSENER KRAFTFUTTERWERK WILHELM HOPERMANN GMBH GEGEN BUNDESANSTALT FUER LANDWIRTSCHAFTLICHE MARKTORDNUNG. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: VERWALTUNGSGERICHT FRANKFURT AM MAIN - DEUTSCHLAND. - LANDWIRTSCHAFT - BESONDERE MASSNAHMEN FUER ERBSEN, PUFFBOHNEN UND ACKERBOHNEN - FRIST FUER DIE MITTEILUNG UEBER DAS EINTREFFEN DER ERZEUGNISSE IN DEM UNTERNEHMEN. - RECHTSSACHE 357/88.

Entscheidungsgründe:

1 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main hat mit auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1988 ergangenem Beschluß, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Dezember 1988, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 18 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 233, S. 5 ) in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 ( ABl. L 351, S. 27 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit um die Weigerung der Bundesanstalt für landwirtschaftliche Marktordnung ( nachstehend : BALM ), der Oberhausener Kraftfutterwerk Wilhelm Hopermann GmbH ( nachstehend : Hopermann GmbH ) die in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 162, S. 28 ) vorgesehene Beihilfe in Höhe von 166 127 ,- DM für bestimmte Mengen von Erbsen und Ackerbohnen zu gewähren.

3 Die BALM begründet ihre Weigerung damit, daß die Hopermann GmbH die in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 vorgesehene Verpflichtung nicht eingehalten habe, das Eintreffen dieser Erzeugnisse im Unternehmen sofort mitzuteilen; diese Mitteilung sei am 8. Juli 1983 gemacht worden, während die betreffenden Waren zwischen März und Juni 1983 bei der Hopermann GmbH eingetroffen seien.

4 Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, bei dem die Hopermann GmbH Klage gegen diese Entscheidung erhoben hat, hat das Verfahren bis zur Vorabentscheidung des Gerichtshofes über folgende Frage ausgesetzt :

"Ist die Einhaltung der Frist für die Mitteilung über das Eintreffen des Erzeugnisses in dem Unternehmen gemäß Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 ( ABl. L 233, S. 5 ) beziehungsweise gemäß Artikel 18 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 ( ABl. L 351, S. 27 ) Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der Beihilfe?"

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Die Hopermann GmbH macht erstens geltend, daß die Verordnung Nr. 2036/82 des Rates vom 19. Juli 1982 zur Festsetzung der Grundregeln für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen ( ABl. L 219, S. 1 ) und insbesondere ihr Artikel 5 die Gewährung der fraglichen Beihilfe nicht davon abhängig mache, daß die Pflicht zur sofortigen Mitteilung des Eintreffens der Erzeugnisse in dem Unternehmen beachtet werde. Diese Verpflichtung sei auch nicht in der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission vorgesehen, deren Artikel 29 Absatz 2 die erschöpfende Aufzählung der Bedingungen enthalte, unter denen die Beihilfe gewährt werde. Folglich könne die Nichtbeachtung des Artikels 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 nicht zum Verlust des Beihilfeanspruchs führen.

7 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes darf die Kommission in Ausübung der Befugnisse, die ihr vom Rat zur Durchführung einer gemeinsamen Marktorganisation im Bereich der Landwirtschaft verliehen wurden, alle Durchführungsbestimmungen erlassen, die für das reibungslose Funktionieren der vorgesehenen Beihilferegelung erforderlich sind, sofern diese Bestimmungen nicht gegen die Grund - oder die Durchführungsregelung des Rates verstossen ( siehe zuletzt das Urteil vom 18. Januar 1990 in der Rechtssache C-345/88, Butterabsatz, Slg. 1990, I-159 ). Die der Kommission damit übertragene Aufgabe der Verwaltung und Kontrolle schließt die Befugnis ein, Fristen festzusetzen und für deren Überschreitung angemessene Sanktionen vorzusehen, die bis zum völligen Verlust des Beihilfeanspruchs gehen können, wenn die Einhaltung dieser Fristen für das reibungslose Funktionieren der Beihilferegelung erforderlich ist.

8 Die Beachtung der streitigen, in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 vorgesehenen Verpflichtung, der zuständigen Stelle spätestens beim Eintreffen der Erzeugnisse in dem Unternehmen hiervon Mitteilung zu machen, ist unerläßlich, um das reibungslose Funktionieren der fraglichen Beihilferegelung zu gewährleisten.

9 Ohne eine solche Mitteilung ließe sich nämlich die Beachtung von Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2036/82 nicht gewährleisten, der wie folgt lautet : "Bei der Anlieferung der Erzeugnisse in den Verarbeitungsunternehmen wird das Gewicht der Erzeugnisse festgestellt und werden Proben entnommen." Durch diese Kontrolle stellt die zuständige nationale Stelle das Gewicht sowie die Prozentsätze an Feuchtigkeit und Fremdbestandteilen der Erzeugnisse fest, von denen gemäß Artikel 11 Absatz 3 die Höhe der Beihilfe abhängt.

10 Ab dem Tag der Mitteilung des Eintreffens der Erzeugnisse in dem Unternehmen beginnt auch die in Artikel 18 Absatz 3 a der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 vorgesehene 3O-Tage-Frist zu laufen, innerhalb deren der Beteiligte, der das Unterkontrollestellen der Erzeugnisse zurückstellen will, die Erzeugnismenge angeben muß, die er tatsächlich unter Kontrolle zu stellen beabsichtigt, und diejenige Menge, die den Betrieb wieder verlassen soll.

11 Die Mitteilung des Eintreffens der Erzeugnisse in dem Unternehmen ermöglicht schließlich, da sie gemäß Artikel 18 Absatz 1 und 3 a der Verordnung Nr. 2192/82 in der geänderten Fassung als Antrag auf Verbringung unter Kontrolle gilt, die Einhaltung der 150-Tage-Frist, die mit der Einreichung dieses Antrags auf Verbringung unter Kontrolle zu laufen beginnt und innerhalb deren der Beteiligte die fraglichen Erzeugnisse gemäß Artikel 2O Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 tatsächlich verwenden muß.

12 Auch wenn also Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 nichts darüber sagt, ob und gegebenenfalls welche Sanktionen wegen einer Überschreitung dieser Frist verhängt werden können, ergibt sich doch aus dem allgemeinen Regelungszusammenhang, in den sich diese Bestimmung einfügt, daß die Folge der Nichteinhaltung dieser Frist nur der Verlust des Beihilfeanspruchs sein kann.

13 Die Hopermann GmbH macht zweitens geltend, daß die Nichtbeachtung der Mitteilungspflicht den Zweck der Beihilfe, nämlich den Erzeugern einen ausreichenden Preis zu gewähren und den Absatz der teuren Leguminosen auf dem Inlandsmarkt zu gewährleisten, nicht in Frage stellen könne. Es handle sich daher um eine Nebenpflicht, deren Nichtbeachtung nicht automatisch zum Verlust des Beihilfeanspruchs führen könne, da sonst der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt werde.

14 Um festzustellen, ob eine Bestimmung des Gemeinschaftsrechts mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit übereinstimmt, muß nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes in erster Linie geprüft werden, ob die zur Erreichung des angestrebten Zwecks eingesetzten Mittel mit der Bedeutung dieses Zwecks zu vereinbaren sind, und in zweiter Linie, ob sie zu dessen Erreichung erforderlich sind ( siehe insbesondere das Urteil vom 22. Januar 1986 in der Rechtssache 266/84, Denkavit France, Slg. 1986, 149, Randnr. 17 ).

15 Wie oben ausgeführt, ist die in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 aufgestellte Verpflichtung, der zuständigen Stelle spätestens beim Eintreffen der Erzeugnisse in dem Unternehmen hiervon Mitteilung zu machen, unerläßlich, um das reibungslose Funktionieren des errichteten Beihilfesystems zu gewährleisten.

16 Unter diesen Umständen steht der mit der Nichtbeachtung dieser Verpflichtung verbundene Verlust des Beihilfeanspruchs nicht ausser Verhältnis zu dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber angestrebten Ziel.

17 Somit ist auf die Vorlagefrage zu antworten, daß die Beachtung der in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen in der Fassung der Verordnung Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 aufgestellten Verpflichtung eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehenen Beihilfe ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

18 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

auf die ihm vom Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit auf die mündliche Verhandlung vom 10. November 1988 ergangenem Beschluß vorgelegte Frage für Recht erkannt :

Die Beachtung der in Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 2192/82 der Kommission vom 6. August 1982 mit Durchführungsbestimmungen für die besonderen Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3322/82 der Kommission vom 10. Dezember 1982 aufgestellten Verpflichtung ist eine Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung der in Artikel 3 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1431/82 des Rates vom 18. Mai 1982 über besondere Maßnahmen für Erbsen, Puffbohnen und Ackerbohnen vorgesehenen Beihilfe.

Ende der Entscheidung

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