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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.10.1989
Aktenzeichen: 383/85
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Beamtenstatut


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 171
Beamtenstatut Art. 11 Abs. 2 Anhang VIII
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 3. OKTOBER 1989. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - NICHTDURCHFUEHRUNG EINES URTEILS - UEBERTRAGUNG VON RUHEGEHALTSANSPRUECHEN DER BEAMTEN. - RECHTSSACHE 383/85.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 28. November 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen hat, indem es nicht die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1981 in der Rechtssache 137/80 ( Kommission/Belgien, Slg. 1981, 2393 ) ergebenden Maßnahmen getroffen hat.

2 In diesem Urteil hat der Gerichtshof festgestellt, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, indem es sich geweigert hat, die Maßnahmen zu ergreifen, die zu der in Artikel 11 Absatz 2 des Anhangs VIII des Statuts der Beamten der Gemeinschaften vorgesehenen Übertragung des versicherungsmathematischen Gegenwerts oder des pauschalen Rückkaufwerts der im Rahmen des belgischen Versorgungssystems erworbenen Ruhegehaltsansprüche auf das gemeinschaftliche Versorgungssystem notwendig sind.

3 Diese Bestimmung lautet wie folgt :

"Ein Beamter, der nach Ausscheiden aus dem Dienst bei einer Verwaltung, einer innerstaatlichen oder internationalen Einrichtung oder einem Unternehmen in den Dienst der Gemeinschaft tritt, kann bei seiner Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit folgende Beträge an die Gemeinschaften zahlen lassen :

- den versicherungsmathematischen Gegenwert seines bei seiner Verwaltung, seiner innerstaatlichen oder internationalen Einrichtung oder seinem Unternehmen erworbenen Ruhegehaltsanspruchs oder

- den pauschalen Rückkaufwert, den ihm die Pensionskasse dieser Verwaltung, dieser Einrichtung oder dieses Unternehmens zum Zeitpunkt seines Ausscheidens schuldet.

In diesem Fall bestimmt das Organ, bei dem der Beamte im Dienst steht, unter Berücksichtigung der Besoldungsgruppe, in der er als Beamter auf Lebenszeit ernannt worden ist, die Anzahl der ruhegehaltsfähigen Dienstjahre, die es ihm nach seiner eigenen Regelung für die frühere Dienstzeit unter Zugrundelegung des versicherungsmathematischen Gegenwerts oder des pauschalen Rückkaufwerts anrechnet."

4 Die Kommission forderte die belgische Regierung auf, diese Bestimmung unter Berücksichtigung des Urteils des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1981 durchzuführen. Da die belgische Regierung der Kommission nicht mitteilte, welche Maßnahmen sie getroffen hatte, um diesem Urteil nachzukommen, forderte die Kommission sie mit Schreiben vom 31. Juli 1984 auf, ihre Verpflichtungen zu erfuellen. Da die Kommission die Antworten der belgischen Regierung für unzureichend hielt, richtete sie am 8. Mai 1985 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an sie.

5 In der Folge teilte die belgische Regierung der Kommission den "Entwurf eines Gesetzes zur Festlegung bestimmter Beziehungen zwischen belgischen Versorgungssystemen und denen völkerrechtlicher Einrichtungen" mit. Am 22. November 1985 übermittelte die Kommission der belgischen Regierung ihre Stellungnahme zu diesem Gesetzentwurf und stellte fest, daß das Königreich Belgien auch dann noch gegen seine Verpflichtungen aus dem Gemeinschaftsrecht verstossen würde, wenn der Entwurf angenommen würde. Daraufhin hat die Kommission die vorliegende Klage eingereicht.

6 Die Kommission macht geltend, das Königreich Belgien habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 171 verstossen, daß es nicht die zur Durchführung des Urteils vom 20. Oktober 1981 erforderlichen Maßnahmen erlassen habe.

7 Die belgische Regierung erkennt zwar die ihr vorgeworfene Vertragsverletzung an, macht jedoch geltend, die Durchführung des Urteils vom 20. Oktober 1981 werfe beträchtliche Schwierigkeiten auf, da es den Begriff der Übertragung von Ruhegehaltsansprüchen im belgischen Recht nicht gebe. Daher müsse im Wege der Gesetzgebung eine neue Regelung geschaffen werden, die den verschiedenen, in Belgien geltenden Versorgungssystemen angepasst sei.

8 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte des Rechtsstreits, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

9 Es ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof im Urteil vom 20. Oktober 1981 entschieden hat, daß der betreffende Mitgliedstaat verpflichtet ist, die konkreten Mittel zu wählen und in die Praxis umzusetzen, die den Beamten die Ausübung des ihnen gewährten Rechts, die im nationalen Rahmen erworbenen Ansprüche auf das Versorgungssystem der Gemeinschaften zu übertragen, ermöglichen. Er hat ausgeführt, daß durch die Weigerung eines Mitgliedstaats, die Maßnahmen zu treffen, die zur Sicherung der Übertragung der Ruhegehaltsansprüche auf das Gemeinschaftssystem erforderlich sind, letztlich den Beamten der Gemeinschaften die ihnen durch das Beamtenstatut eingeräumte Wahlmöglichkeit genommen würde.

10 Was das Argument der belgischen Regierung angeht, der Begriff der Übertragung von Ruhegehaltsansprüchen werfe bei der Umsetzung von Artikel 11 Absatz 2 des Anhangs VIII des Statuts eine Reihe von Problemen auf, so ist festzustellen, daß aufgrund derartiger Schwierigkeiten die vorgeworfene Vertragsverletzung nicht entfallen kann. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes können sich nämlich die Mitgliedstaaten nicht auf Bestimmungen, Übungen oder Umstände ihrer internen Rechtsordnung berufen, um damit die Nichtbeachtung von Verpflichtungen zu rechtfertigen, die ihnen nach dem EWG-Vertrag obliegen. Eine entsprechende Rechtfertigung hat der Gerichtshof im übrigen im Urteil vom 20. März 1986 in der Rechtssache 72/85 ( Kommission/Niederlande, Slg. 1986, 1219 ) auf dem besonderen Gebiet der Übertragung der Ruhegehaltsansprüche von Beamten auf das Gemeinschaftssystem zurückgewiesen.

11 Aufgrund dieser Erwägungen ist festzustellen, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen hat, indem es das Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1981 nicht durchgeführt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

12 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Das Königreich Belgien hat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 171 EWG-Vertrag verstossen, indem es das Urteil des Gerichtshofes vom 20. Oktober 1981 nicht durchgeführt hat.

2 ) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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