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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 04.02.1988
Aktenzeichen: 391/85
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 171
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat ergreift nicht die Maßnahmen, die sich aus einem Urteil des Gerichtshofes ergeben, mit dem eine Vertragsverletzung dieses Mitgliedstaats insoweit festgestellt wird, als er unter Verstoß gegen eine gemeinschaftsrechtliche Richtlinie eine dem Katalogpreis entsprechende Mindestbesteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf Verkäufe neuer Kraftfahrzeuge aufrechterhalten hat, wenn er zwar diese Mindestbesteuerungsgrundlage abschafft, jedoch eine bereits bestehende Zulassungssteuer so einrichtet, daß durch das Zusammenwirken der Mehrwertsteuer und dieser nur scheinbar autonomen Steuer der Gesamtbetrag der Steuererhebung gleichbleibt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 4. FEBRUAR 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG EINES MITGLIEDSTAATS - MANGELNDE DURCHFUEHRUNG EINES URTEILS DES GERICHTSHOFES - SECHSTE RICHTLINIE - BESTEUERUNGSGRUNDLAGE. - RECHTSSACHE 391/85.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 29. November 1985 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien dadurch, daß es in seinem Gesetz vom 31. Juli 1984 den Katalogpreis als Besteuerungsgrundlage für neue Personenkraft - und Kombiwagen faktisch aufrechterhalten hat, nicht die Maßnahmen ergriffen hat, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 1984 in der Rechtssache 324/82 ( Kommission/Königreich Belgien, Slg. 1984, 1861 ) ergeben.

2 In diesem Urteil hatte der Gerichtshof für Recht erkannt :

"Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß es als von Artikel 11 der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahme den Katalogpreis als Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf im Inland gelieferte oder eingeführte Kraftfahrzeuge aufrechterhielt, ohne daß die Voraussetzungen des Artikels 27 Absatz 5 dieser Richtlinie vorlagen."

3 Durch dieses Urteil hatte der Gerichtshof die in einer Königlichen Verordnung von 1970 enthaltene belgische Regelung beanstandet, die für die Mehrwertsteuer bei der Lieferung oder Einfuhr neuer Kraftfahrzeuge eine dem Katalogpreis des fraglichen Kraftfahrzeugs entsprechende Mindestbesteuerungsgrundlage vorsah. Der Gerichtshof hatte damit das Vorbringen des Königreichs Belgien zurückgewiesen, wonach die Bezugnahme auf den Katalogpreis als eine Maßnahme zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen oder -umgehungen gerechtfertigt sein sollte.

4 Das Königreich Belgien hob auf dieses Urteil vom 10. April 1984 hin durch die Königliche Verordnung Nr. 17 vom 20. Dezember 1984 ( Moniteur belge vom 3. 1. 1985, S. 9 ) die erwähnte Verordnung von 1970 rückwirkend vom 10. April 1984 an insoweit auf, als sie die besagte Mindestbesteuerungsgrundlage festsetzte. Seitdem wird die Mehrwertsteuer auf neue Kraftfahrzeuge nicht mehr aufgrund des Katalogpreises, sondern gemäß Artikel 26 des Code de la taxe sur la valeur ajoutée ( Mehrwertsteuergesetz ) aufgrund des tatsächlich vereinbarten Preises berechnet.

5 Am gleichen Tag wurden das Gesetz vom 31. Juli 1984 zur Änderung des Code des taxes assimilées au timbre ( Stempelsteuergesetz ) und die zur Durchführung dieses Gesetzes erlassene Königliche Verordnung vom 20. Dezember 1984 ( Moniteur belge vom 3. 1. 1985, S. 2 und 4 ) veröffentlicht. In den Begründungserwägungen dieser Durchführungsverordnung heisst es, daß die Einführung einer Zulassungssteuer durch das Gesetz vom 31. Juli 1984, bezogen auf den Zeitpunkt der Verkündung des erwähnten Urteils des Gerichtshofes, "ein Korrektiv" für die Aufhebung der Mindestbesteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer sein solle und daß dieses Gesetz, die Durchführungsverordnung und die Königliche Verordnung Nr. 17 vom 20. Dezember 1984 "ein untrennbares Ganzes darstellen ".

6 Diese die Aufhebung der Mindestbesteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer ergänzende Regelung ist im Zusammenhang mit den folgenden Gesetzgebungsmaßnahmen zu sehen : Das Königreich Belgien hatte im Dezember 1977 eine Zulassungssteuer eingeführt, der zu einem der Mehrwertsteuer entsprechenden Satz die Zulassung unter anderem neuer wie auch gebrauchter Personenkraft - und Kombiwagen unterlag, wobei der Normalwert des Kraftfahrzeugs die Besteuerungsgrundlage bildete. Jedoch war die Zulassung eines Kraftfahrzeugs, für das beim Kauf Mehrwertsteuer gezahlt worden war, von dieser Steuer befreit. Dies führte für neue Personenkraft - und Kombiwagen ( im folgenden Neuwagen ) in der Praxis zu einer völligen Befreiung von der Zulassungssteuer, da nach der damaligen belgischen Mehrwertsteuerregelung der Katalogpreis die Mindestbesteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer bildete und derselbe Preis ebenfalls dem Normalwert im Sinne der Zulassungssteuerregelung entsprach.

7 Das Königreich Belgien stellte mit dieser ergänzenden Regelung von 1984 klar, daß die Steuer für Neuwagen auf den zur Zeit der Zulassung des Kraftfahrzeugs geltenden Katalogpreis erhoben werde. Da jedoch die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer auf den Effektivpreis herabgesetzt worden war und daher nicht mehr mit derjenigen der Zulassungssteuer übereinstimmte, beschloß das Königreich Belgien, die Bestimmung über die Befreiung von der Zulassungssteuer dahin gehend zu ändern, daß diese Befreiung künftig nur noch in Höhe des Betrages gelten sollte, der als Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer für die Lieferung oder Einfuhr des Kraftfahrzeugs gedient hatte.

8 Gemäß einer in dieser Regelung enthaltenen Übergangsbestimmung betreffend die Zulassungen zwischen dem Tag der Verkündung des vorerwähnten Urteils ( 10. April 1984 ) und dem Tag der Veröffentlichung der Regelung ( 3. Januar 1985 ) wurde schließlich die während dieses Zeitraums zuviel gezahlte Mehrwertsteuer von Amts wegen auf die fällige Zulassungssteuer angerechnet.

9 Sobald die Kommission von den Vorarbeiten zu dem belgischen Gesetz vom 31. Juli 1984 erfuhr, wies sie das Königreich Belgien darauf hin, daß durch solche Rechtsvorschriften die ursprüngliche Regelung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer nur wiederhergestellt und die vom Gerichtshof beanstandete Vertragsverletzung daher nicht beendet werde. Anschließend stellte sie durch Aufforderungsschreiben vom 27. November 1984 fest, daß das Königreich Belgien entgegen Artikel 171 EWG-Vertrag nicht die Maßnahmen ergriffen habe, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 1984 ergäben, und somit gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 171 verstossen habe. Ausserdem machte die Kommission darin geltend, falls in dieser Zulassungssteuer auf Neuwagen eine eigenständige Steuer zu sehen sei, stehe diese nicht in Einklang mit Artikel 33 der Sechsten Richtlinie, der seit Einführung des allgemeinen Mehrwertsteuersystems jede andere Steuer, die den Charakter einer Umsatzsteuer habe, verbiete.

10 Da das Königreich Belgien dem Vorbringen der Kommission widersprach, gab diese am 20. Juni 1985 gegenüber Belgien eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie feststellte, daß das Königreich Belgien dadurch, daß es in seinem Gesetz vom 31. Juli 1984 für Neuwagen eine Bestimmung aufrechterhalten habe, die dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 1984 und der Sechsten Richtlinie widerspreche, nicht die Maßnahmen ergriffen habe, die sich aus diesem Urteil des Gerichtshofes ergäben. Da die vom Königreich Belgien gegen diese Stellungnahme vorgebrachten Äusserungen der Kommission nicht genügten, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

11 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

12 Das Königreich Belgien trägt vor, die Klage sei unzulässig, da sie in Wirklichkeit nicht die Nichtdurchführung des Urteils vom 10. April 1984 und somit den Verstoß gegen Artikel 171 EWG-Vertrag betreffe, sondern eine völlig andere Vertragsverletzung als diejenige, die Gegenstand dieses Urteils gewesen sei, nämlich den Verstoß gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie. Im übrigen habe die Kommission sowohl in der mit Gründen versehenen Stellungnahme als auch in der Klageschrift jede Bezugnahme auf Artikel 171 vermieden. Zu dem Vorwurf des Verstosses gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie wird vorgetragen, die Kommission könne eine solche neue Vertragsverletzung nicht im Rahmen des vorliegenden Verfahrens geltend machen.

13 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen. Wie sich aus dem Aufforderungsschreiben, das Artikel 171 ausdrücklich erwähnt, sowie aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Klageschrift, die den Wortlaut des Artikels 171 zum Teil aufgreifen, ergibt, hat die Kommission dem Königreich Belgien von Anfang an vorgeworfen, nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen zu haben, um dem Urteil vom 10. April 1984 nachzukommen, so daß das Königreich Belgien über die wahre Tragweite des Rechtsstreits nicht im Zweifel sein konnte. Soweit die Kommission dem Königreich Belgien hilfsweise einen Verstoß gegen Artikel 33 der Sechsten Richtlinie vorwirft, ist jedoch festzustellen, daß dieser Klagegrund, falls erforderlich, nur in den von Artikel 171 vorgezeichneten Grenzen geprüft werden kann.

Zur Begründetheit

14 Die Kommission trägt vor, die vom Königreich Belgien aufgrund des Urteils vom 10. April 1984 ergriffenen Maßnahmen könnten nicht als eine korrekte Durchführung dieses Urteils angesehen werden. Die vom Gerichtshof wegen Verstosses gegen Artikel 11 der Sechsten Richtlinie beanstandete Erhebung der Mehrwertsteuer auf den Katalogpreis sei nämlich nicht abgeschafft worden. Das Königreich Belgien habe vielmehr faktisch die Besteuerungsgrundlage durch die Verweisung auf den Katalogpreis aufrechterhalten, denn die Zulassungssteuer für Neuwagen in der in dem belgischen Gesetz vom 31. Juli 1984 vorgesehenen Form stelle in Wirklichkeit eine Besteuerung des Umsatzes dar, obwohl sie einen anderen Namen trage.

15 Das Königreich Belgien erwidert, der Gerichtshof habe in dem fraglichen Urteil nur über die Vereinbarkeit der belgischen Rechtsvorschriften betreffend die Mehrwertsteuer auf Neuwagen mit den Artikeln 11 und 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie entschieden. Diese Rechtsvorschriften seien vollständig mit den genannten Bestimmungen in Einklang gebracht worden. Da Artikel 171 EWG-Vertrag lediglich die korrekte Durchführung genau des Tenors des Urteils verlange, könne der Mitgliedstaat nicht aufgrund einer behaupteten neuen Vertragsverletzung, die nicht Gegenstand des ersten Urteils gewesen sei, wegen eines Verstosses gegen Artikel 171 verurteilt werden. Der einzige Vorwurf, der dem Königreich Belgien in der vorliegenden Rechtssache gemacht werde, bestehe in der Behauptung, die belgische Zulassungssteuer auf Neuwagen stehe im Widerspruch zu Artikel 33 der Sechsten Richtlinie, einer Bestimmung, die das Urteil vom 10. April 1984 überhaupt nicht erwähne.

16 Angesichts dieses Vorbringens ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Artikel 171 EWG-Vertrag einen Mitgliedstaat, von dem der Gerichtshof festgestellt hat, daß er gegen eine ihm obliegende Verpflichtung aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, verpflichtet, "die Maßnahmen zu ergreifen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergeben ".

17 Insoweit ist festzustellen, daß das Königreich Belgien die vom Gerichtshof mit Urteil vom 10. April 1984 beanstandete Regelung über die Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer zwar ausser Kraft gesetzt, zugleich jedoch die ergänzende Regelung über die Zulassungssteuer auf Neuwagen erlassen hat, durch die das Steuersystem so gestaltet werden sollte, daß die Situation in Wirklichkeit so bleiben konnte, wie sie war.

18 Die am 3. Januar 1985 eingetretenen Änderungen der belgischen Zulassungssteuer betreffen nämlich genau die gleichen Güter - Neuwagen -, die Gegenstand der im Urteil vom 10. April 1984 beanstandeten Umsatzbesteuerung waren; auch ist der Satz dieser Steuer mit dem Satz der Umsatzsteuer, die in Belgien auf die Lieferung und Einfuhr von Neuwagen erhoben wird, identisch. Darüber hinaus besteht die Besteuerungsgrundlage nicht im tatsächlich vereinbarten Preis, sondern im Katalogpreis, das heisst einem Faktor, der im Mittelpunkt des vorerwähnten Urteils des Gerichtshofes stand.

19 Artikel 3 des belgischen Gesetzes vom 31. Juli 1984 stellt einen direkten Zusammenhang zwischen dieser Zulassungssteuer und der Umsatzsteuer her : Hiernach gilt die Befreiung von der Zulassungssteuer, wenn bei der Lieferung oder Einfuhr die Mehrwertsteuer gezahlt wurde, für die dieser Lieferung oder Einfuhr nachfolgende Zulassung nur in Höhe des Betrags, der als Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer für die Lieferung oder Einfuhr des Kraftfahrzeugs gedient hat.

20 Dieser Anrechnungsmechanismus bewirkt, wie es in den Begründungserwägungen der Durchführungsverordnung vom 20. Dezember 1984 im übrigen ausdrücklich heisst, daß die Anpassung der Zulassungssteuer auf Neuwagen "ein Korrektiv" für die wegen des vorerwähnten Urteils des Gerichtshofes erforderliche Aufhebung der Mindestbesteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer ist, und daß beide Steuern so "ein untrennbares Ganzes darstellen ".

21 Daraus folgt, daß die belgische Zulassungssteuer hinsichtlich ihres Betrages, ja sogar ihrer Existenz keine unabhängige Steuer darstellt, sondern von der anläßlich der Lieferung oder Einfuhr eines Neuwagens gezahlten Mehrwertsteuer abhängt.

22 Das Königreich Belgien widerspricht dieser Qualifizierung im wesentlichen unter Hinweis darauf, daß die beiden fraglichen Steuern sich durch ihre Definition des jeweiligen Steuerschuldners und ihren jeweiligen Steuertatbestand eindeutig unterschieden : Schuldner der Mehrwertsteuer sei auf der Stufe des Einzelhandels der Händler, der den Neuwagen an den Endverbraucher liefere, und nicht letzterer. Schuldner der Zulassungssteuer sei dagegen derjenige, auf dessen Namen der Neuwagen zum Verkehr auf öffentlichen Strassen zugelassen werde. Steuertatbestand der Mehrwertsteuer sei die Lieferung des Neuwagens vom Einzelhändler an den Kunden, während die Zulassungssteuer an einen anderen Tatbestand anknüpfe, nämlich die Aushändigung der Zulassungsbescheinigung als Erlaubnis, mit dem Neuwagen am Verkehr auf öffentlichen Strassen teilzunehmen.

23 Zu dem Vorbringen, der Schuldner der Mehrwertsteuer und der Schuldner der Zulassungssteuer seien nicht identisch, ist zunächst daran zu erinnern, daß der Gerichtshof bereits in seinen Urteilen vom 10. Juli 1985 in der Rechtssache 16/84 ( Kommission/Niederlande, Slg. 1985, 2366 ) und in der Rechtssache 17/84 ( Kommission/Irland, Slg. 1985, 2376 ) dargelegt hat, daß das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf dem Grundsatz beruht, daß auf Gegenstände und Dienstleistungen bis zur Einzelhandelsstufe einschließlich, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions - und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist. Jedoch wird bei allen Umsätzen die Mehrwertsteuer nur abzueglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat. Ist der Gegenstand bei dem nichtsteuerpflichtigen Endverbraucher angelangt, so bleibt er mit einem Mehrwertsteuerbetrag belastet, der anteilsmässig dem Preis entspricht, den der Verbraucher seinem Lieferanten gezahlt hat.

24 Zwar ist der Endverbraucher nicht der Mehrwertsteuerpflichtige; er allein hat jedoch am Ende des Vertriebsprozesses den zum Preis des gekauften Gutes proportionalen Betrag der Mehrwertsteuer zu zahlen. Daraus ergibt sich, daß im Rahmen des belgischen Besteuerungssystems betreffend den Erwerb von Neuwagen letztlich allein der Endverbraucher, der einen solchen Wagen erworben hat, sowohl die Mehrwertsteuer als auch die Zulassungssteuer zu zahlen hat, so daß die vom Königreich Belgien vorgebrachte fehlende Identität lediglich ein steuertechnischer Faktor ist und daher vernachlässigt werden kann. Im übrigen ist das Königreich Belgien offensichtlich von derselben Einschätzung ausgegangen, da es in der Übergangsvorschrift der oben beschriebenen ergänzenden Regelung trotz dieses formellen Unterschieds die Verrechnung der beiden fraglichen Steuern vorgesehen hat.

25 Zu dem anderen vom Königreich Belgien vorgebrachten Argument, wonach allein die Mehrwertsteuer die Lieferung von Neuwagen erfasse, während die Zulassungssteuer an die blosse Tatsache der Teilnahme am Verkehr anknüpfe, ist zu bemerken, daß dies nur dann berücksichtigt werden könnte, wenn die beiden Steuern tatsächlich voneinander unabhängig wären. Was die Zulassungssteuer betrifft, so ist bereits festgestellt worden, daß diese aufgrund ihres vorstehend beschriebenen Anrechnungsmechanismus und ihres die Mehrwertsteuer somit ergänzenden Charakters keine eigenständige Steuer darstellt. Der durch diesen Anrechnungsmechanismus hergestellte direkte Zusammenhang zwischen der Lieferung an den Endverbraucher und der nachfolgenden Zulassung eines neuen Kraftfahrzeugs beseitigt im Gegenteil den theoretischen Unterschied zwischen den jeweiligen Steuertatbeständen der beiden Steuern.

26 Daraus folgt, daß weder die nach belgischem Recht unterschiedliche Definition der Schuldner der jeweiligen Steuer noch die Tatsache, daß allein die Mehrwertsteuer formell an die Lieferung von Neuwagen anknüpft, geeignet ist, den nach belgischem Recht untrennbaren und komplementären Zusammenhang zwischen der Mehrwertsteuer und der Zulassungssteuer zu beeinträchtigen.

27 Das Königreich Belgien behauptet noch, daß die Zulassungssteuer deshalb gerechtfertigt sei, weil sie dem Risiko betrügerischer Handlungen vorbeugen solle, die auf seiten des Lieferanten darin bestuenden, einen niedrigeren Preis als den tatsächlichen Verkaufspreis anzugeben, und auf seiten des Käufers, diese Erklärung zu akzeptieren, um so die steuerliche Belastung, die er zu tragen habe, zu vermindern.

28 Dieses Vorbringen beweist jedoch wiederum, daß die Zulassungssteuer wie auch die von ihr ergänzte Mehrwertsteuer in Wirklichkeit auf die Modalitäten des aus dem Erwerb eines Neuwagens bestehenden kommerziellen Umsatzes ausgerichtet ist und nicht, wie das Königreich Belgien vorgegeben hat, auf die Zulassung als eine selbständige Rechtstatsache. Andererseits ist diese Rechtfertigung der Bezugnahme auf den Katalogpreis als Maßnahme zur Verhinderung von Steuerhinterziehungen und -umgehungen im Rahmen der Umsatzsteuer vom Gerichtshof bereits im Urteil vom 10. April 1984 mit der Begründung zurückgewiesen worden, daß eine solche systematisch von Artikel 11 der Sechsten Richtlinie abweichende Maßnahme ausser Verhältnis zu dem verfolgten Ziel steht.

29 Es ist somit festzustellen, daß das Königreich Belgien dadurch, daß es in seinem Gesetz vom 31. Juli 1984 den Katalogpreis als Besteuerungsgrundlage für neue Personenkraft - und Kombiwagen faktisch aufrechterhalten hat, nicht die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 1984 ergebenden Maßnahmen ergriffen und deshalb gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

30 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Das Königreich Belgien ist mit seinem Vorbringen unterlegen. Es hat daher die Kosten zu tragen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Das Königreich Belgien hat dadurch, daß es in seinem Gesetz vom 31. Juli 1984 den Katalogpreis als Besteuerungsgrundlage für neue Personenkraft - und Kombiwagen faktisch aufrechterhalten hat, nicht die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes vom 10. April 1984 ergebenden Maßnahmen ergriffen und deshalb gegen seine Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen.

2 ) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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