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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.09.1988
Aktenzeichen: 42/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1612/68


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 7
Verordnung Nr. 1612/68 Art. 12
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats, die bei der Bestimmung des anderen Hochschulen als Universitäten zugewiesenen Umfangs an öffentlichen Geldern und der diesen zugewiesen Anzahl an Planstellen - vorbehaltlich abschließend aufgezählter Ausnahmen - die Berücksichtigung von Studenten ausschließen, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, sobald eine bestimmte Quote je Lehranstalt erreicht ist, bewirken, daß diese Studenten vom Unterricht an den genannten Hochschulen praktisch ausgeschlossen sind. Dieser Ausschluß, der sich als Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit in einem Bereich erweist, der in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags fällt, nämlich dem Bereich der Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung, stellt einen Verstoß gegen Artikel 7 EWG-Vertrag dar.

Soweit diese Rechtsvorschriften auch die Kinder von Wanderarbeitnehmern betreffen, die in diesem Mitgliedstaat beschäftigt waren, jedoch nicht mehr dort wohnen oder verstorben sind, verstossen sie auch gegen Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68, wonach die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist, wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings - und Berufsausbildung teilnehmen können.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. SEPTEMBER 1988. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN KOENIGREICH BELGIEN. - VERTRAGSVERLETZUNG - DISCRIMINIERUNG AUS GRUENDEN DER STAATSANGEHOERIGKEIT - ZUGANG ZUR BERUFSAUSBILDUNG. - RECHTSSACHE 42/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 9. Februar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag eine Klage auf Feststellung erhoben, daß das Königreich Belgien gegen einige seiner Verpflichtungen aus Artikel 7 EWG-Vertrag und Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft ( ABl. L 257, S. 2 ) verstossen hat.

2 Im einzelnen wirft die Kommission dem Königreich Belgien vor, Studenten, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats als Belgiens oder des Großherzogtums Luxemburg seien und ihre Einschreibung und Zulassung zu Lehrveranstaltungen an anderen Hochschulen als Universitäten beantragten, in die Kategorie der vom Staat "nicht zu finanzierenden" Studenten einbezogen und dadurch eine Lage geschaffen zu haben, die den freien Zugang dieser Studenten zur Berufsausbildung behindere.

3 Nach den geltenden belgischen Rechtsvorschriften "werden von den eingeschriebenen Studenten" neben den Studenten mit belgischer oder luxemburgischer Staatsangehörigkeit bestimmte, abschließend aufgezählte und verschiedenen einschränkenden Voraussetzungen unterliegende Kategorien ausländischer Studenten für die staatliche Finanzierung der Hochschulen "berücksichtigt ". Die letzte dieser Kategorien bilden die ausländischen Studenten im allgemeinen, deren Zahl 2 % der Gesamtzahl der für die betreffende Lehranstalt im vorangegangenen Studienjahr berücksichtigten belgischen Studenten nicht überschreiten darf. Nach diesen Rechtsvorschriften trägt der Staat für ausländische Studenten, die von den Lehranstalten über die genannten Kategorien hinaus zugelassen werden, keine Kosten; die Leiter staatlicher Hochschulen können die Einschreibung von Studenten, die für die Finanzierung nicht berücksichtigt werden, ablehnen ( diese werden als "nicht zu finanzierende" Studenten angesehen ).

4 Nach Ansicht der Kommission verstossen diese Rechtsvorschriften gegen das Verbot des Artikels 7 EWG-Vertrag, aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu diskriminieren, wie auch gegen Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68, soweit sie auch die Kinder von Wanderarbeitnehmern betreffen, die in Belgien beschäftigt waren, jedoch nicht mehr dort wohnen oder verstorben sind.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des rechtlichen Rahmens des Verfahrens, des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

6 Zunächst ist festzustellen, daß das Königreich Belgien zu keiner Zeit bestritten hat, daß die Auffassung der Kommission begründet sei; es hat lediglich ausgeführt, daß es die betreffenden Rechtsvorschriften ändern wolle.

7 Was die erste Rüge betrifft, hat der Gerichtshof bereits entschieden, daß die Voraussetzungen für den Zugang zur Berufsausbildung in den Anwendungsbereich des EWG-Vertrags fallen ( Urteil vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 293/83, Gravier, Slg. 1985, 593 ).

8 Soweit die fraglichen Rechtsvorschriften, wie oben dargestellt, die Finanzierung der berufsbildenden Hochschulen beschränken, bewirken sie unmittelbar, daß Studenten, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats sind, von dieser Ausbildung praktisch ausgeschlossen sind, sobald die Hoechstquote von 2 % erreicht ist. Für die belgischen Studenten ist hingegen keine solche Einschränkung vorgesehen. Daraus folgt, daß diese Beschränkung eine nach Artikel 7 EWG-Vertrag unzulässige Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellt.

9 Somit ist die auf Artikel 7 EWG-Vertrag gestützte Rüge der Kommission begründet.

10 Was die zweite Rüge betrifft, so genügt der Hinweis, daß nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 "die Kinder eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats beschäftigt ist oder beschäftigt gewesen ist,... wenn sie im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats wohnen, unter den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats am allgemeinen Unterricht sowie an der Lehrlings - und Berufsausbildung teilnehmen" können. Dieses Recht auf Gleichbehandlung gilt, wie sich aus Artikel 7 in Verbindung mit Artikel 3 der Verordnung Nr. 1251/70 ergibt, auch für Kinder eines verstorbenen Wanderarbeitnehmers.

11 Somit ist die auf Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 gestützte Rüge der Kommission ebenfalls begründet.

12 Nach alledem hat das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 7 EWG-Vertrag und Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 verstossen, daß es die Studenten, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats als Belgiens und des Großherzogtums Luxemburg sind und die im Rahmen der Berufsausbildung ihre Einschreibung und Zulassung zu den Lehrveranstaltungen einer anderen Hochschule als einer Universität beantragen, in die Kategorie der vom Staat "nicht zu finanzierenden" Studenten einbezogen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da der Beklagte mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 7 EWG-Vertrag und Artikel 12 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft verstossen, daß es die Studenten, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaats als Belgiens und des Großherzogtums Luxemburg sind und die im Rahmen der Berufsausbildung ihre Einschreibung und Zulassung zu den Lehrveranstaltungen einer anderen Hochschule als einer Universität beantragen, in die Kategorie der vom Staat "nicht zu finanzierenden" Studenten einbezogen hat.

2 ) Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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