Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 03.03.1988
Aktenzeichen: 434/85
Rechtsgebiete: EG, EWG


Vorschriften:

EG Art. 234
EWG Art. 177
EWG Art. 30
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag verwehren es den Gerichten eines Mitgliedstaats, einem Importeur, der sich zum Erwerb einer Lizenz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen verpflichtet hat, die Einfuhr einer Ware aus einem anderen Mitgliedstaat, die unter Verletzung eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents erfolgt, im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, wenn ein solches Verbot gegenüber einem Patentverletzer, der im Inland produziert, unter den gleichen Umständen nicht erlassen werden kann.

Diese Vorschriften verwehren es den zuständigen Behörden, einem Lizenznehmer Bedingungen aufzuerlegen, die ihn daran hindern, eine Ware, die unter ein mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenes Patent fällt, aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, wenn diese Behörden einem Unternehmen, das die Ware im Inland herstellen und dort in den Verkehr bringen würde, die Erteilung der Lizenz nicht versagen könnten.

Es ist in jeder Beziehung ohne Bedeutung, daß die betreffende Ware ein Arzneimittel ist, das aus einem Mitgliedstaat eingeführt wird, in dem es nicht patentfähig ist.

2. Einfuhren behindernde nationale Rechtsvorschriften, die zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs genügen sollen, fallen nur dann nicht unter die Verbote des Artikels 30 EWG-Vertrag, wenn sie unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gelten.

Ein Einfuhrverbot kann nicht mit diesen Erfordernissen begründet werden, wenn die nationalen Rechtsvorschriften, auf denen das Verbot beruht, nicht unterschiedslos für einheimische und eingeführte Waren gelten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 3. MAERZ 1988. - ALLEN AND HANBURYS LIMITED GEGEN GENERICS (U. K.) LIMITED. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VON DER HOUSE OF LORDS. - GEWERBLICHES UND KOMMERZIELLES EIGENTUM - MIT DEM VERMERK " ZWANGSLIZENZ " VERSEHENE PATENTE - SCHUTZUMFANG - AN DEM PATENT EINGERAEUMTE ZWANGSLIZENZ. - RECHTSSACHE 434/85.

Entscheidungsgründe:

1 Das House of Lords hat mit Urteil vom 12. Dezember 1985, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Dezember 1985, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag mehrere Fragen nach der Auslegung der Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt, die dem vorlegenden Gericht die Entscheidung ermöglichen sollen, ob bestimmte Vorschriften des nationalen Patentrechts, insbesondere das System der auf die Erklärung der Lizenzbereitschaft hin erteilten Lizenzen, mit den Bestimmungen über den freien Warenverkehr vereinbar sind.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Allen & Hanburys Ltd, die ein britisches Patent für das Arzneimittel Salbutamol besitzt, und der Generics Ltd, die beabsichtigt, Salbutamol aus Italien, wo es von einem Unternehmen ohne finanzielle oder vertragliche Beziehungen zu der Allen & Hanburys Ltd hergestellt worden ist, in das Vereinigte Königreich einzuführen.

3 Gemäß den Bestimmungen des Patents Act 1977 wurde das Patent, das die Allen & Hanburys Ltd innehat, mit Wirkung vom 15. September 1983 mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehen.

4 Nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts hat der Vermerk "Lizenzbereitschaft" nach diesen Rechtsvorschriften und insbesondere Artikel 46 folgende Wirkungen :

1 ) Jedermann hat Anspruch auf eine Lizenz an einem Patent zu Bedingungen, die entweder vertraglich oder mangels Einigung vom "Comptroller-General of Patents" festgesetzt werden. Diese Behörde kann dem Antragsteller unter anderem ein Einfuhrverbot für das patentierte Erzeugnis auferlegen, so daß zwar ein Unternehmen, das im Inland herstellt, mit Sicherheit eine Lizenz bekommt, nicht aber ein Importeur.

2 ) Gegenüber einem Patentverletzer, der im Inland herstellt, kann in einem Patentverletzungsverfahren weder eine einstweilige Verfügung noch ein Verbot ergehen, wenn er sich verpflichtet, eine Lizenz unter den oben erwähnten Bedingungen zu beantragen, während dies nicht für ein Unternehmen gilt, das das ausschließliche Recht durch Einfuhren verletzt. Ausserdem ist der Betrag des Schadensersatzes, der dem Patentverletzer, der im Inland herstellt, auferlegt werden kann, auf das Doppelte des Betrags begrenzt, den er als Lizenznehmer hätte zahlen müssen, während eine solche Begrenzung für ein Unternehmen, das das ausschließliche Recht durch Einfuhren verletzt, nicht gilt.

5 Die Generics Ltd beantragte entsprechend dem geltenden innerstaatlichen Recht eine Lizenz an dem Patent zunächst bei der Allen & Hanburys Ltd und dann beim Comptroller-General of Patents, um insbesondere Salbutamol in das Vereinigte Königreich einzuführen. Ohne jedoch die Entscheidung des Comptroller-General of Patents abzuwarten, teilte die Generics Ltd der Allen & Hanburys Ltd ihre Absicht mit, mit der Einfuhr dieses Erzeugnisses zu beginnen.

6 Das daraufhin von der Allen & Hanburys Ltd insbesondere mit dem Ziel eingeleitete Verfahren, die Generics Ltd an der angekündigten Patentverletzung zu hindern, gelangte bis vor das House of Lords, das dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt hat :

1 ) Verstösst es gegen die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag, wenn ein Gericht eines Mitgliedstaats zugunsten des Inhabers eines nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats erteilten Patents bis zum Erlaß einer Entscheidung der unten unter c genannten zuständigen Behörde die Einfuhr von Waren, die unter Verletzung des Patents erfolgen würde, unter folgenden Umständen einstweilen verbietet?

a ) Diese Waren sind im Ursprungsmitgliedstaat weder vom Patentinhaber noch mit seiner Zustimmung noch mit Zustimmung eines mit ihm verbundenen Dritten in den Verkehr gebracht worden.

b ) Bei Beachtung der verkehrserforderlichen Sorgfalt kann jedermann auf Antrag ab Eintragung des unten unter c genannten Vermerks der Lizenzbereitschaft eine Lizenz erhalten. Je nach Beantwortung der Frage 2 kann eine solche Lizenz die Einfuhr ausschließen oder nicht.

c ) Das Patent ist aufgrund von nach der Patenterteilung erlassenem nationalen Recht ohne Zustimmung oder Antrag des Patentinhabers mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehen worden oder gilt als mit einem solchen Vermerk versehen, mit der Folge, daß nach nationalem Recht kein gerichtliches Verbot gegen den ergehen kann, der das Patent durch inländische Produktionen oder den Verkauf von im Inland hergestellten Waren verletzt, wenn er sich vor Gericht in einem Patentverletzungsverfahren verpflichtet, eine Lizenz zu den Bedingungen zu erwerben, wie sie vertraglich oder auf Antrag nach Anhörung der Parteien durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaats festgelegt werden.

d ) Der Importeur hat sich in einem Patentverletzungsverfahren zum Erwerb einer Lizenz verpflichtet, sie aber vom Patentinhaber nicht zu diesen Bedingungen erhalten.

2 ) Sind die zuständigen Behörden unter diesen Umständen, wenn eine solche Lizenz in einem Mitgliedstaat beantragt wird, stets dazu verpflichtet, in die Lizenz eine Bedingung aufzunehmen, wonach die Einfuhr aus einem anderen Mitgliedstaat zulässig ist?

3 ) Ist es - und gegebenenfalls inwiefern - für die Beantwortung der ersten und zweiten Frage von Bedeutung, daß es sich um Arzneimittel handelt, die aus einem Mitgliedstaat eingeführt werden, in dem sie nicht patentfähig sind?

4 ) Wenn die Beantwortung der Fragen 1, 2 und 3 ergibt, daß die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag ein gerichtliches Verbot solcher Einfuhren zugunsten des Inhabers eines solchen Patents nicht zulassen, kann ein solches Verbot dann gleichwohl aufgrund der Rechtsprechung des Gerichtshofes insbesondere zum unlauteren Wettbewerb und zum Verbraucherschutz ergehen?"

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, der anwendbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften und der vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

8 Die erste Frage geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag in dem Sinne auszulegen sind, daß sie es den Gerichten eines Mitgliedstaats verwehren, einem Importeur, der sich zum Erwerb einer Lizenz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen verpflichtet hat, die Einfuhr einer Ware aus einem anderen Mitgliedstaat, die unter Verletzung eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents erfolgt, im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, wenn ein solches Verbot gegenüber einem Patentverletzer, der im Inland produziert, unter den gleichen Umständen nicht erlassen werden kann.

9 Nach den Bestimmungen des EWG-Vertrags über den freien Warenverkehr, insbesondere Artikel 30, sind alle Einfuhrbeschränkungen und alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Gemäß Artikel 36 stehen diese Bestimmungen aber Einfuhrverboten oder -beschränkungen, die zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, nicht entgegen. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

10 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe insbesondere das Urteil in der Rechtssache 187/80 vom 14. Juli 1981, Merck, Slg. 1981, 2063 ) erlaubt Artikel 36 EWG-Vertrag als Ausnahme von einem der grundlegenden Prinzipien des Gemeinsamen Marktes Abweichungen vom Grundsatz des freien Warenverkehrs nur, soweit sie zur Wahrung der Rechte berechtigt sind, die den spezifischen Gegenstand dieses Eigentums ausmachen.

11 Allgemein schließt der spezifische Gegenstand des gewerblichen und kommerziellen Eigentums das ausschließliche Recht für den Inhaber eines Patents ein, eine Erfindung im Hinblick auf die Produktion und das erste Inverkehrbringen industrieller Erzeugnisse, entweder selbst oder durch Lizenzvergabe an Dritte zu verwerten, sowie das Recht, sich gegen jede Zuwiderhandlung zur Wehr zu setzen ( siehe in diesem Sinne das Urteil vom 14. Juli 1981, Merck, a. a. O.).

12 In dem besonderen Fall eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents haben die ausschließlichen Rechte des Patentinhabers eine deutlich andere Substanz.

13 Aus der Analyse des Patents Act 1977 durch das vorlegende Gericht folgt, daß sich der Inhaber eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents im Vereinigten Königreich im Unterschied zum Inhaber eines gewöhnlichen Patents nicht gegen die Gewährung einer Lizenz an einen Dritten wehren kann, der diese beantragt, um das fragliche Erzeugnis in diesem Mitgliedstaat herzustellen und in den Verkehr zu bringen, und daß ihm nur ein Anspruch auf angemessene Lizenzgebühren bleibt.

14 Die Befugnis der innerstaatlichen Gerichte, die Einfuhr des betreffenden Erzeugnisses zu verbieten, könnte nur dann gemäß Artikel 36 betreffend den Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sein, wenn dieses Verbot erforderlich wäre, um dem Inhaber eines solchen Patents gegenüber Importeuren dieselben Rechte zu sichern, die ihm gegenüber Produzenten zustehen, die dieses Erzeugnis im Inland herstellen, das heisst den Anspruch auf eine angemessene Vergütung für die Nutzung seines Patents.

15 Anhand dieses Kriteriums sind bestimmte Ausführungen zu untersuchen, die die Allen & Hanburys Ltd und das Vereinigte Königreich zur Rechtfertigung eines einstweiligen Verbots der Einfuhr gegenüber einem das Patent verletzenden Importeur vor dem Gerichtshof gemacht haben.

16 Es ist zunächst vorgetragen worden, daß ein Importeur im Einfuhrmitgliedstaat nicht wirklich präsent sein müsse. Dies sei insbesondere der Fall, wenn sein Vermögen und sein Personal nicht unter die Gerichtsbarkeit dieses Staates fielen. Ein einstweiliges Einfuhrverbot sei dann so lange gerechtfertigt, bis dem Inhaber des Patents die tatsächliche Zahlung der ihm geschuldeten Beträge garantiert worden sei.

17 Dies kann jedoch nicht als Rechtfertigung anerkannt werden im Falle eines Mitgliedstaats, in dem die einschlägigen Rechtsvorschriften es nicht erlauben, daß im Inland niedergelassenen Herstellern, die ebenfalls nicht über hinreichende finanzielle Mittel verfügen, bis zur Stellung von Zahlungsgarantien ein einstweiliges Verbot auferlegt wird. Für einen Importeur wie für einen im Inland niedergelassenen Hersteller müssen diese Zahlungsgarantien in die Bedingungen aufgenommen werden, die durch den Lizenzvertrag oder mangels Einigung von der zuständigen Behörde festgesetzt werden.

18 Es ist auch vorgebracht worden, daß ein einstweiliges Verbot der Einfuhr wegen der Schwierigkeiten der Kontrolle des Ursprungs und der Mengen der eingeführten Waren, auf deren Grundlage die dem Patentinhaber geschuldeten Lizenzgebühren berechnet würden, gerechtfertigt sein könne.

19 Die Kontrolle der Mengen der in den Verkehr gebrachten Waren kann jedoch auch bei Herstellung im Inland Schwierigkeiten bereiten, ohne daß deswegen eine einstweilige Verfügung oder ein Verbot ergehen könnte. Bedingungen, die es dem Inhaber des Patents ermöglichen, die Belege über den Kauf, die Einfuhr und den Verkauf des Erzeugnisses durch den Importeur zu überprüfen, können demnach allein durch den Lizenzvertrag oder mangels Einigung von der zuständigen nationalen Behörde festgesetzt werden.

20 Schließlich ist auch angeführt worden, ein einstweiliges Verbot könne gerechtfertigt sein, um dem Inhaber des Patents die Kontrolle der Qualität eines eingeführten Arzneimittels zu ermöglichen; dies liege im Interesse der öffentlichen Gesundheit.

21 Dieser Gesichtspunkt hat jedoch mit dem Schutz der ausschließlichen Rechte des Patentinhabers nichts zu tun und kann daher keine Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums rechtfertigen.

22 Ein unter den vom vorlegenden Gericht beschriebenen Umständen erlassenes einstweiliges Verbot gegenüber dem Importeur, der das Patent verletzt, hätte daher offensichtlich den Charakter einer nach Artikel 36 EWG-Vertrag verbotenen willkürlichen Diskriminierung und könnte nicht mit dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt werden.

23 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, daß sie es den Gerichten eines Mitgliedstaats verwehren, einem Importeur, der sich zum Erwerb einer Lizenz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen verpflichtet hat, die Einfuhr einer Ware aus einem anderen Mitgliedstaat, die unter Verletzung eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents erfolgt, im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, wenn ein solches Verbot gegenüber einem Patentverletzer, der im Inland produziert, unter den gleichen Umständen nicht erlassen werden kann.

Zur zweiten Frage

24 Die zweite Frage geht im wesentlichen dahin, ob die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag in dem Sinne auszulegen sind, daß sie es den zuständigen Behörden verwehren, einem Lizenznehmer Bedingungen aufzuerlegen, die ihn daran hindern, eine Ware, die unter ein mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenes Patent fällt, aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, wenn diese Behörden einem Unternehmen, das die Ware im Inland herstellen und dort in den Verkehr bringen würde, die Erteilung der Lizenz nicht versagen könnten.

25 Dazu ist festzustellen, daß die Anforderungen des EWG-Vertrags auf dem Gebiet des freien Warenverkehrs für alle Organe der Mitgliedstaaten, ob es sich nun um Gerichte oder um Verwaltungsbehörden handelt, in gleicher Weise gelten.

26 Ausserdem ist dem Gerichtshof kein Gesichtspunkt, der nicht schon bei der Prüfung der ersten Frage zurückgewiesen worden wäre, vorgetragen worden, um eine Verhinderung von Einfuhren aus anderen Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Bedingungen der Lizenzgewährung zu rechtfertigen.

27 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, daß die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag dahin auszulegen sind, daß sie es den zuständigen Behörden verwehren, einem Lizenznehmer Bedingungen aufzuerlegen, die ihn daran hindern, eine Ware, die unter ein mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenes Patent fällt, aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, wenn diese Behörden einem Unternehmen, das die Ware im Inland herstellen und dort in den Verkehr bringen würde, die Erteilung der Lizenz nicht versagen könnten.

Zur dritten Frage

28 Diese Frage geht dahin, ob es für die Beantwortung der ersten beiden Fragen von Bedeutung ist, daß die betreffende Ware ein Arzneimittel ist, das aus einem Mitgliedstaat eingeführt worden ist, in dem es nicht patentfähig ist.

29 Aus den vorangegangenen Erwägungen folgt, daß der Schutz der aus einem Patent abgeleiteten Rechte in einem System von Zwangslizenzen wie dem vom vorlegenden Gericht beschriebenen sich darauf beschränken muß, dem Inhaber dieses Patents eine angemessene Vergütung sowohl für eingeführte Erzeugnisse als auch für im Einfuhrmitgliedstaat hergestellte und in den Verkehr gebrachte Erzeugnisse zu sichern.

30 Es ist jedoch vor dem Gerichtshof vorgetragen worden, daß Hersteller in einem Mitgliedstaat, in dem Arzneimittel nicht patentfähig seien, im Unterschied zu den Herstellern in anderen Mitgliedstaaten keine Forschungskosten zu tragen hätten und deshalb unter wettbewerbsverfälschenden Bedingungen produzieren könnten. Dem könne nur ein Einfuhrverbot abhelfen.

31 Diese Auffassung ist zurückzuweisen. Ohne daß die materielle Richtigkeit der vorgebrachten Tatsachen untersucht zu werden braucht, genügt der Hinweis, daß der Anspruch des Inhabers eines dem System der Lizenzbereitschaft unterliegenden Patents auf angemessene Vergütung diesen für die ihm entstandenen Forschungskosten entschädigen soll. Somit ist nicht danach zu unterscheiden, ob das von einem Dritten in den Verkehr gebrachte Erzeugnis im Inland oder im Gebiet eines Mitgliedstaats hergestellt worden ist, in dem es nicht patentfähig war.

32 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß es für die Beantwortung der ersten beiden Fragen ohne Bedeutung ist, daß die betreffende Ware ein Arzneimittel ist, das aus einem Mitgliedstaat eingeführt wird, in dem es nicht patentfähig ist.

Zur vierten Frage

33 Diese Frage geht im wesentlichen dahin, ob das Einfuhrverbot, wenn es sich nicht nach Artikel 36 EWG-Vertrag rechtfertigen lässt, zumindest mit zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs begründet werden kann, wie sie der Gerichtshof bei der Auslegung des Artikels 30 EWG-Vertrag anerkannt hat.

34 Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, daß die innerstaatlichen Rechtsvorschriften über die Lizenzbereitschaft nicht unterschiedslos für im Inland niedergelassene Erzeuger und für Importeure gelten.

35 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe insbesondere das Urteil vom 17. Juni 1981 in der Rechtssache 113/80, Kommission/Irland, Slg. 1981, 1625 ) fallen nationale Rechtsvorschriften, die zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs genügen sollen, nur dann nicht unter die Verbote des Artikels 30 EWG-Vertrag, wenn sie unterschiedslos für einheimische wie für eingeführte Erzeugnisse gelten.

36 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß ein Einfuhrverbot nicht mit zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs begründet werden kann, wenn die nationalen Rechtsvorschriften, auf denen das Verbot beruht, nicht unterschiedslos für einheimische und eingeführte Erzeugnisse gelten.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom House of Lords vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie es den Gerichten eines Mitgliedstaats verwehren, einem Importeur, der sich zum Erwerb einer Lizenz zu den gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen verpflichtet hat, die Einfuhr einer Ware aus einem anderen Mitgliedstaat, die unter Verletzung eines mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenen Patents erfolgt, im Wege der einstweiligen Verfügung zu verbieten, wenn ein solches Verbot gegenüber einem Patentverletzer, der im Inland produziert, unter den gleichen Umständen nicht erlassen werden kann.

2 ) Die Artikel 30 und 36 EWG-Vertrag sind dahin auszulegen, daß sie es den zuständigen Behörden verwehren, einem Lizenznehmer Bedingungen aufzuerlegen, die ihn daran hindern, eine Ware, die unter ein mit dem Vermerk "Lizenzbereitschaft" versehenes Patent fällt, aus anderen Mitgliedstaaten einzuführen, wenn diese Behörden einem Unternehmen, das die Ware im Inland herstellen und dort in den Verkehr bringen würde, die Erteilung der Lizenz nicht versagen könnten.

3 ) Für die Beantwortung der ersten beiden Fragen ist es ohne Bedeutung, daß die betreffende Ware ein Arzneimittel ist, das aus einem Mitgliedstaat eingeführt wird, in dem es nicht patentfähig ist.

4 ) Ein Einfuhrverbot kann nicht mit zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes oder der Lauterkeit des Handelsverkehrs begründet werden, wenn die nationalen Rechtsvorschriften, auf denen das Verbot beruht, nicht unterschiedslos für einheimische und eingeführte Erzeugnisse gelten.

Ende der Entscheidung

Zurück