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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.06.1988
Aktenzeichen: 47/87
Rechtsgebiete:
Vorschriften:
In Anbetracht des jeweiligen Zwecks der Artikel 32 Absatz 2 und 46 des Statuts ist die Dienstaltersstufe eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe in eine andere überwechselt, gemäß den Grundsätzen des Artikels 46 und nicht gemäß denen des Artikels 32 Absatz 2 festzusetzen. Denn durch diese letztgenannte Bestimmung soll es der Anstellungsbehörde namentlich ermöglicht werden, die vor dem Dienstantritt als Beamter der Gemeinschaften erworbene Ausbildung und Berufserfahrung - wenn auch in sehr engen Grenzen - zu berücksichtigen, während Artikel 46 insbesondere bezweckt, daß während der dienstlichen Laufbahn eines Beamten die grösstmögliche Kontinuität in der Entwicklung seines Dienstalters und seiner Bezuege gewahrt wird, und zwar auch bei einem Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn nach einem Auswahlverfahren.
Ein Absehen von der Anwendung des Artikels 46 ist jedoch gerechtfertigt, wenn der Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn kurze Zeit nach dem Dienstantritt bei den Gemeinschaften stattfindet und die Anwendung dieser Vorschrift es bei der Ernennung für eine neue Stelle nicht erlauben würde, die vor der Einstellung als Beamter erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 14. JUNI 1988. - ENGELINA LUCAS GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - EINSTUFUNG IN DIE DIENSTALTERSSTUFE EINES B-BEAMTEN, DER IM ANSCHLUSS AN EIN ALLGEMEINES AUSWAHLVERFAHREN IN DER BESOLDUNGSGRUPPE LA 7 ERNANNT WURDE. - RECHTSSACHE 47/87.
Entscheidungsgründe:
1 Frau Engelina Lucas, Beamtin der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 17. Februar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der stillschweigenden Weigerung der Kommission, ihre Einstufung in die Dienstaltersstufe zu ändern, die sich aus der Entscheidung vom 7. April 1986 über die Ernennung der Klägerin zur Übersetzerin ergab.
2 Die Klägerin wurde 1968 in der Besoldungsgruppe C 3 eingestellt. Sie wurde 1977 nach erfolgreicher Teilnahme an einem allgemeinen Auswahlverfahren zur Beamtin der Besoldungsgruppe B 5 ernannt. Seitdem wurde sie 1980 nach Besoldungsgruppe B 4 und 1984 nach Besoldungsgruppe B 3 befördert.
3 Die Klägerin besitzt seit 1966 ein Certificat pratique der französischen Sprache ( 1er degré ) der Universität Paris und seit 1983 ein Universitätsdiplom in Verwaltungswissenschaften.
4 Als erfolgreiche Teilnehmerin an einem allgemeinen Auswahlverfahren für Übersetzer der die Besoldungsgruppen LA 7 und LA 6 umfassenden Laufbahn, zu dem sie aufgrund ihres Diploms von 1983 zugelassen worden war, wurde die Klägerin durch die erwähnte Entscheidung mit Wirkung vom 1. April 1986 zur Übersetzerin der Besoldungsgruppe LA 7, Dienstaltersstufe 1, ernannt. Aus den Bezugsvermerken dieser Entscheidung ergibt sich, daß sie insbesondere auf der Grundlage zweier interner Kommissionsbeschlüsse getroffen wurde, wonach die Einstufung in die Dienstaltersstufe bei einem für einen Dienstposten einer höheren Laufbahngruppe ernannten Beamten auf der Grundlage von Artikel 46 des Beamtenstatuts betreffend die Beförderung der Beamten erfolgt.
5 Die Klägerin war der Auffassung, sie sei nicht gemäß Artikel 46 des Statuts befördert, sondern gemäß Artikel 32 für den Posten eines Übersetzers eingestellt worden, und legte deshalb am 18. Juli 1986 eine Beschwerde gemäß Artikel 90 Absatz 2 gegen die Ernennungsentscheidung ein, mit der sie beantragte, im Hinblick auf ihre Diplome und ihre frühere Berufserfahrung gemäß Artikel 32 Absatz 2 in die Besoldungsgruppe LA 7, Dienstaltersstufe 3, neu eingestuft zu werden. Diese Beschwerde wurde stillschweigend zurückgewiesen, da bei Ablauf der statutarischen Frist keine Antwort der Kommission vorlag.
6 Die Klägerin macht in ihrer Klage geltend, sie habe viele Jahre lang Leistungen erbracht, die den Tätigkeiten der Sonderlaufbahn Sprachendienst entsprächen, und zumindest während der Jahre 1978 bis 1984 Aufgaben der Laufbahngruppe A ausgeuebt. Sie ist daher der Ansicht, es hätte ihr eine Verbesserung hinsichtlich der Dienstaltersstufe von 48 Monaten in der Besoldungsgruppe LA 7 gewährt werden müssen und sie hätte in die Dienstaltersstufe 3 dieser Besoldungsgruppe eingestuft werden müssen.
7 Die Kommission bestreitet die Zulässigkeit der Klage, da, selbst wenn sie sich bei der Einstufung der Klägerin in die Dienstaltersstufe zu Unrecht auf Artikel 46 gestützt hätte, die Anwendung der sich aus dem Beschluß der Kommission zur Durchführung von Artikel 32 Absatz 2 ergebenden Kriterien für die Einstufung in die Dienstaltersstufe bei der Einstellung auf die Klägerin notwendigerweise zur Einstufung der Klägerin in die Dienstaltersstufe 1 der Besoldungsgruppe LA 7 geführt hätte. Der Klägerin fehle es daher an einem sachlichen Klageinteresse.
8 Zur Begründetheit führt die Kommission aus, daß sie Artikel 46 bei der Einstufung der Klägerin korrekt angewandt habe. Ausserdem werde die Behauptung nicht durch die konkreten Tatsachen belegt, daß die Anwendung von Artikel 32 Absatz 2 es der Klägerin erlaubt hätte, eine Berufserfahrung geltend zu machen, die eine Einstufung in die Besoldungsgruppe LA 7, Dienstaltersstufe 3, gerechtfertigt hätte; denn die von der Klägerin vor ihrer Ernennung als LA-7-Beamtin ausgeuebte zeitweilige Zusatztätigkeit als Übersetzerin könne nicht mit der eines erfahrenen Berufsübersetzers verglichen werden.
9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
10 Zunächst ist die Begründetheit der Klage zu prüfen, bevor eventuell über die Zulässigkeit entschieden wird.
11 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat ( Urteil vom 15. Januar 1985 in der Rechtssache 226/83, Samara/Kommission, Slg. 1985, 189 ), enthält das Statut keine Vorschrift über die Feststellung der Dienstaltersstufe eines Beamten, der im Anschluß an ein allgemeines Auswahlverfahren auf eine andere Stelle ernannt wird.
12 Der Gerichtshof hat ausserdem entschieden ( Urteil vom 29. Januar 1985 in der Rechtssache 273/83, Michel/Kommission, Slg. 1985, 354 ), daß die fraglichen Bestimmungen des Statuts dahin auszulegen sind, daß die Dienstaltersstufe eines Beamten, der von einer Laufbahngruppe in eine andere überwechselt, insbesondere in Anbetracht des Zwecks des Artikels 32 Absatz 2 gemäß den Grundsätzen des Artikels 46 und nicht gemäß denen des Artikels 32 Absatz 2 festzusetzen ist. Denn durch diese letztgenannte Bestimmung soll es der Anstellungsbehörde namentlich ermöglicht werden, eine vom Bewerber vor seinem Dienstantritt als Beamter der Gemeinschaften erworbene Ausbildung und Berufserfahrung - wenn auch in sehr engen Grenzen - zu berücksichtigen.
13 Demgegenüber bezweckt Artikel 46 insbesondere, daß während der dienstlichen Laufbahn eines Beamten die grösstmögliche Kontinuität in der Entwicklung seines Dienstalters und seiner Bezuege gewahrt wird, und zwar auch bei einem Wechsel der Laufbahngruppe oder der Sonderlaufbahn, der gemäß Artikel 45 Absatz 2 nur nach einem Auswahlverfahren stattfinden kann.
14 Zwar hat der Gerichtshof in den Fällen von der Anwendung des Artikels 46 abgesehen, in denen diese Vorschrift es bei der Ernennung von Beamten für eine neue Stelle kurze Zeit nach ihrem Dienstantritt bei den Gemeinschaften nicht erlaubt hätte, die von den Betroffenen vor ihrem Dienstantritt erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung zu berücksichtigen ( vgl. Urteil vom 15. Januar 1985, a. a. O., und Urteil vom 20. Juni 1985 in der Rechtssache 138/84, Spachis/Kommission, Slg. 1985, 1939 ).
15 Die Klägerin befindet sich jedoch nicht in einer Situation, bei der eine solche Ausnahme zu machen wäre. Zum einen hat sie nicht nachgewiesen, daß sie eine vor ihrem Dienstantritt erworbene Ausbildung und besondere Berufserfahrung als Übersetzerin besitzt. Zum anderen ist sie erst 1986 für eine Übersetzerstelle ernannt worden, nachdem sie bereits 1968 eingestellt worden war.
16 Daraus ergibt sich, daß die Klage als unbegründet abzuweisen ist, ohne daß die Einrede der Unzulässigkeit geprüft werden müsste, die die Kommission aus dem Ergebnis einer eventuellen Anwendung von Artikel 32 Absatz 2 des Statuts herleitet.
Kostenentscheidung:
Kosten
17 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Gemäß Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen die Organe jedoch in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaften ihre Kosten selbst.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )
für Recht erkannt und entschieden :
1 ) Die Klage wird abgewiesen.
2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.
Ende der Entscheidung
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