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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.07.1968
Aktenzeichen: 5-68
Rechtsgebiete: Vertrag zur Gründung der EAG, Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der europäischen Atomgemeinschaft,


Vorschriften:

Vertrag zur Gründung der EAG Art. 150
Vertrag zur Gründung der EAG Art. 191
Protokoll über die Vorrechte und Befreiungen der europäischen Atomgemeinschaft Art. 11 a
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT NACH ARTIKEL 12 BUCHSTABE A DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN ( ARTIKEL 11 BUCHSTABE A DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EURATOM-GEMEINSCHAFT ) SOLL VERHINDERN, DASS DIE AMTSAUSÜBUNG DER GEMEINSCHAFT UND IHRER BEDIENSTETEN NACH DEM INNERSTAATLICHEN RECHT DER MITGLIEDSTAATEN BEURTEILT WIRD. DAMIT SOLL ERREICHT WERDEN, DASS DIE GEMEINSCHAFT IHRE AUFGABEN IN VOLLER UNABHÄNGIGKEIT ERFÜLLEN KANN.

2. A ) DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT ERSTRECKT SICH NUR AUF SOLCHE HANDLUNGEN, DIE IHRER NATUR NACH ALS TEILNAHME DES VON DER GERICHTSBARKEIT BEFREITEN AN DER ERFÜLLUNG DER AUFGABEN DES ORGANS ANZUSEHEN SIND, DEM ER UNTERSTEHT. HIERBEI ERÜBRIGT SICH EINE UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN DER TATSÄCHLICHEN AUSÜBUNG DER GEWÖHNLICHEN ODER STATUTARISCHEN AMTSTÄTIGKEIT UND EINER ANLÄSSLICH DER AMTSAUSÜBUNG BEGANGENEN HANDLUNG; ES MUSS NUR FESTSTEHEN, DASS DIE HANDLUNG UNMITTELBAR DER ERFÜLLUNG EINER GEMEINSCHAFTSAUFGABE DIENT.

B ) DAS FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS KANN NUR IN DEN AUSNAHMEFÄLLEN UNTER DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT FALLEN, IN DENEN DIESE TÄTIGKEIT AUF KEINE ANDERE WEISE ALS UNTER DER HOHEIT DER GEMEINSCHAFT UND DURCH DEREN BEDIENSTETE AUSGEUEBT WERDEN KANN.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 11. JULI 1968. - CLAUDE MOISE SAYAG UND AG ZUERICH GEGEN JEAN-PIERRE LEDUC, DENISE THONNON, VEREHELICHTE LEDUC, UND AG LA CONCORDE. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM BELGISCHEN COUR DE CASSATION. - RECHTSSACHE 5-68.

Entscheidungsgründe:

MIT URTEIL VOM 12. FEBRUAR 1968, BEIM GERICHTSHOF EINGEGANGEN AM 23. DES GLEICHEN MONATS, ERSUCHT DIE BELGISCHE COUR DE CASSATION DEN GERICHTSHOF AUFGRUND VON ARTIKEL 150 DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EUROPÄISCHEN ATOMGEMEINSCHAFT UM VORABENTSCHEIDUNG ÜBER DIE AUSLEGUNG VON ARTIKEL 11 BUCHSTABE A DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPÄISCHEN ATOMGEMEINSCHAFT ( JETZT ARTIKEL 12 BUCHSTABE A DES DEM VERTRAG ZUR EINSETZUNG EINES GEMEINSAMEN RATES UND EINER GEMEINSAMEN KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN ALS ANHANG BEIGEFÜGTEN PROTOKOLLS ). NACH DEM WORTLAUT DIESES URTEILS WIRD DEM GERICHTSHOF DIE FRAGE VORGELEGT, " OB DIE IN DIESER VORSCHRIFT VORGESEHENE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT FÜR BEAMTE UND BEDIENSTETE DER GEMEINSCHAFT GILT, WENN SIE DIE HANDLUNGEN, AUFGRUND DEREN EIN GERICHTLICHES VERFAHREN EINGELEITET WIRD, IN AUSÜBUNG IHRES AMTES UND IM ZUSAMMENHANG MIT IHRER BERUFLICHEN TÄTIGKEIT VORGENOMMEN HABEN, ODER OB DIE BEFREIUNG SICH NUR AUF HANDLUNGEN ERSTRECKT, DIE DIE TATSÄCHLICHE AUSÜBUNG IHRER GEWÖHNLICHEN ODER STATUTARISCHEN AMTSTÄTIGKEIT DARSTELLEN ". AUS DEN DEM GERICHTSHOF VORLIEGENDEN AKTEN GEHT HERVOR, DASS DER BEI DEM VORLEGENDEN GERICHT ANHÄNGIGE RECHTSSTREIT EINEN VERKEHRSUNFALL BETRIFFT, DEN EIN BEAMTER DER GEMEINSCHAFT VEURSACHTE, WÄHREND ER IN AUSFÜHRUNG EINES DIENSTREISEAUFTRAGS SEINEN PRIVATEN KRAFTWAGEN STEUERTE. IN DEM RECHTSSTREIT GEHT ES NUN UM DIE FRAGE, OB ES SICH HIERBEI UM EINE IN AMTLICHER EIGENSCHAFT VORGENOMMENE HANDLUNG IM SINN DER GENANNTEN VORSCHRIFTEN HANDELT.

ARTIKEL 191 DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EAG LAUTET :

" DIE GEMEINSCHAFT GENIESST IN DEN HOHEITSGEBIETEN DER MITGLIEDSTAATEN DIE ZUR ERFÜLLUNG IHRER AUFGABE ERFORDERLICHEN VORRECHTE UND BEFREIUNGEN NACH MASSGABE EINES BESONDEREN PROTOKOLLS ".

DIESE BESTIMMUNG WURDE AUSGEFÜHRT DURCH DAS PROTOKOLL ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPÄISCHEN ATOMGEMEINSCHAFT, AN DESSEN STELLE SEIT DEM 1. JULI 1967 DAS DEM VERTRAG ZUR EINSETZUNG EINES GEMEINSAMEN RATES UND EINER GEMEINSAMEN KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN VOM 8. APRIL 1965 ALS ANHANG BEIGEFÜGTE PROTOKOLL GETRETEN IST. NACH ARTIKEL 30 DIESES VERTRAGES SIND DIE BESTIMMUNGEN DES VERTRAGES ZUR GRÜNDUNG DER EAG ÜBER DIE ZUSTÄNDIGKEIT DES GERICHTSHOFES UND IHRE AUSÜBUNG AUF DIE BESTIMMUNGEN DES VERTRAGES VOM 8. APRIL 1965 UND DES PROTOKOLLS, DAS SEINEN ANHANG BILDET, ANZUWENDEN. DAS NEUE PROTOKOLL UNTERSCHEIDET SICH HINSICHTLICH DER DEM GERICHTSHOF VORGELEGTEN FRAGE NICHT WESENTLICH VON DEN BESTIMMUNGEN DES FRÜHEREN PROTOKOLLS.

NACH ARTIKEL 12 BUCHSTABE A ( FRÜHER 11 BUCHSTABE A ) DES PROTOKOLLS STEHT DEN BEAMTEN UND SONSTIGEN BEDIENSTETEN DER GEMEINSCHAFTEN " BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT BEZUEGLICH DER VON IHNEN IN AMTLICHER EIGENSCHAFT VORGENOMMENEN HANDLUNGEN, EINSCHLIESSLICH IHRER MÜNDLICHEN UND SCHRIFTLICHEN ÄUSSERUNGEN " ZU. ARTIKEL 16 ABSATZ 1 ( FRÜHER 15 ABSATZ 1 ) DES PROTOKOLLS BESAGT, DASS DER RAT AUF VORSCHLAG DER KOMMISSION UND NACH ANHÖRUNG DER ANDEREN BETROFFENEN ORGANE DIE GRUPPEN VON BEAMTEN UND SONSTIGEN BEDIENSTETEN DER GEMEINSCHAFTEN BESTIMMT, DIE NAMENTLICH DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT GENIESSEN; DIESE GRUPPEN SIND DURCH DIE VERORDNUNGEN 8/63 EURATOM, 127/63 EWG DER RÄTE VOM 3. DEZEMBER 1963 BESTIMMT WORDEN. NACH ARTIKEL 18 ( FRÜHER 17 ) DES PROTOKOLLS WERDEN DIE VORRECHTE, BEFREIUNGEN UND ERLEICHTERUNGEN DEN BEAMTEN UND SONSTIGEN BEDIENSTETEN DER GEMEINSCHAFTEN AUSSCHLIESSLICH IM INTERESSE DER GEMEINSCHAFTEN GEWÄHRT. IN DIESEM ZUSAMMENHANG BESTIMMT DER GENANNTE ARTIKEL IN ABSATZ 2, DASS DIE ORGANE DIE BEFREIUNG, DIE EIN BEAMTER ODER SONSTIGER BEDIENSTETER NACH ARTIKEL 12 BUCHSTABE A ( FRÜHER 11 BUCHSTABE A ) DES PROTOKOLLS GENIESST, IN ALLEN FÄLLEN AUFZUHEBEN HABEN, IN DENEN DIES NACH IHRER AUFFASSUNG DEN INTERESSEN DER GEMEINSCHAFT NICHT ZUWIDERLÄUFT.

AUS ALLEN DIESEN BESTIMMUNGEN ERGIBT SICH, DASS DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT NICHT NUR VON DER STELLUNG DESJENIGEN ABHÄNGT, DER SIE GELTEND MACHT, SONDERN AUCH VON DER TÄTIGKEIT, FÜR DIE SIE GELTEND GEMACHT WIRD. NACH ARTIKEL 12 BUCHSTABE A ( FRÜHER 11 BUCHSTABE A ) DES PROTOKOLLS GENIESSEN DIE BEAMTEN UND BEDIENSTETEN DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT NUR FÜR HANDLUNGEN, DIE SIE IN AMTLICHER EIGENSCHAFT, D.H. IM RAHMEN DER AUFGABEN DER GEMEINSCHAFT VORNEHMEN. DIE GENANNTEN BESTIMMUNGEN SOLLEN DADURCH, DASS SIE AUSSER IM FALL DER IMMUNITÄTSAUFHEBUNG NACH ARTIKEL 18 ABSATZ 2 ( FRÜHER 17 ABSATZ 2 ) DES PROTOKOLLS DIE GERICHTSBARKEIT DER MITGLIEDSTAATEN AUSSCHLIESSEN, VERHINDERN, DASS DIE AMTLICHE TÄTIGKEIT DER GEMEINSCHAFT UND IHRER BEDIENSTETEN NACH DEM INNERSTAATLICHEN RECHT DER MITGLIEDSTAATEN BEURTEILT WIRD. DAMIT SOLL ERREICHT WERDEN, DASS SICH DIESE TÄTIGKEIT IN VOLLER UNABHÄNGIGKEIT SO VOLLZIEHEN KANN, WIE ES DER DER GEMEINSCHAFT GESTELLTEN AUFGABE ENTSPRICHT. DIE BEFREIUNG DER BEAMTEN UND SONSTIGEN BEDIENSTETEN DER GEMEINSCHAFT VON DER GERICHTSBARKEIT UMFASST DESHALB NUR SOLCHE HANDLUNGEN, DIE IHRER NATUR NACH ALS TEILNAHME DES VON DER GERICHTSBARKEIT BEFREITEN AN DER ERFÜLLUNG DER AUFGABEN DES ORGANS ANZUSEHEN SIND, DEM ER UNTERSTEHT. DAGEGEN IST ES UNWESENTLICH, OB ES SICH UM DIE " TATSÄCHLICHE AUSÜBUNG DER GEWÖHNLICHEN ODER STATUTARISCHEN AMTSTÄTIGKEIT " DES BEAMTEN HANDELT ODER NUR UM ANLÄSSLICH DER AMTSAUSÜBUNG BEGANGENE HANDLUNGEN. ES MUSS NUR FESTSTEHEN, DASS DIE HANDLUNG UNMITTELBAR DER ERFÜLLUNG EINER GEMEINSCHAFTSAUFGABE IM OBEN BESCHRIEBENEN SINN DIENT. DEMNACH IST DAS FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGES ALS EINE IN AMTLICHER EIGENSCHAFT VORGENOMMENE HANDLUNG NUR IN DEN AUSNAHMEFÄLLEN ANZUSEHEN, IN DENEN DIESE TÄTIGKEIT AUF KEINE ANDERE WEISE ALS UNTER DER HOHEIT DER GEMEINSCHAFT UND DURCH DEREN BEDIENSTETE AUSGEUEBT WERDEN KANN.

SCHLIESSLICH IST ZU BEMERKEN, DASS DIE FRAGE DER HAFTUNG DER GEMEINSCHAFT NICHT DADURCH PRÄJUDIZIERT WIRD, WIE EINE HANDLUNG HINSICHTLICH DER BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT QUALIFIZIERT WIRD UND WIE DAS ZUSTÄNDIGE ORGAN ÜBER DIE AUFHEBUNG DER BEFREIUNG ENTSCHEIDET. DIES IST DIE FOLGE DAVON, DASS DIE HAFTUNG BESONDEREN VORSCHRIFTEN UNTERLIEGT, DIE EINEM ANDEREN ZWECK DIENEN ALS DIE BESTIMMUNGEN DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN.

Kostenentscheidung:

DIE REGIERUNG DES KÖNIGREICHS BELGIEN UND DIE KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN HABEN ERKLÄRUNGEN VOR DEM GERICHTSHOF ABGEGEBEN. DIE IHNEN ENTSTANDENEN AUSLAGEN SIND NICHT ERSTATTUNGSFÄHIG.

FÜR DIE PARTEIEN DES HAUPTPROZESSES STELLT DAS VERFAHREN VOR DEM GERICHTSHOF EINEN ZWISCHENSTREIT IN DEM VOR DER BELGISCHEN COUR DE CASSATION ANHÄNGIGEN RECHTSSTREIT DAR. DIE KOSTENENTSCHEIDUNG OBLIEGT DAHER DIESEM GERICHT.

Tenor:

HAT

DER GERICHTSHOF

AUF DIE IHM VON DER BELGISCHEN COUR DE CASSATION MIT URTEIL VOM 12. FEBRUAR 1968 ZUR VORABENTSCHEIDUNG VORGELEGTE FRAGE FÜR RECHT ERKANNT UND ENTSCHIEDEN :

1. DIE BEFREIUNG VON DER GERICHTSBARKEIT GEMÄSS ARTIKEL 11 BUCHSTABE A DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EAG ( ARTIKEL 12 BUCHSTABE A DES PROTOKOLLS ÜBER DIE VORRECHTE UND BEFREIUNGEN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN ) ERSTRECKT SICH AUSSCHLIESSLICH AUF HANDLUNGEN, DIE IHRER RECHTSNATUR NACH ALS TEILNAHME DESJENIGEN, DER DIE BEFREIUNG GELTEND MACHT, AN DER ERFÜLLUNG DER AUFGABEN DES ORGANS ANZUSEHEN SIND, DEM ER UNTERSTEHT.

2. INSBESONDERE IST DAS FÜHREN EINES KRAFTFAHRZEUGS ALS EINE IN AMTLICHER EIGENSCHAFT VORGENOMMENE HANDLUNG NUR IN DEN AUSNAHMEFÄLLEN ANZUSEHEN, IN DENEN DIESE TÄTIGKEIT AUF KEINE ANDERE WEISE ALS UNTER HOHEIT DER GEMEINSCHAFT UND DURCH DEREN BEDIENSTETE AUSGEUEBT WERDEN KANN.

3. DIE KOSTENENTSCHEIDUNG BLEIBT DER BELGISCHEN COUR DE CASSATION VORBEHALTEN.

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