Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.02.1989
Aktenzeichen: 54/87
Rechtsgebiete: EWGV, VO Nr. 2891/77/EWG


Vorschriften:

EWGV Art. 169
VO Nr. 2891/77/EWG Art. 11
VO Nr. 2891/77/EWG Art. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Verzugszinsen nach Artikel 11 der Verordnung Nr. 2891/77 sind bei "verspäteter" Gutschrift der eigenen Mittel, deren Feststellung den Mitgliedstaaten obliegt, auf das Konto der Kommission zu zahlen und können unabhängig davon, aus welchem Grund die Gutschrift auf dem Konto der Kommission verspätet erfolgt ist, verlangt werden.

Zwar kann der Termin für die Gutschrift gemäß Artikel 8 der Verordnung Nr. 2891/77 verschoben werden, wenn aufgrund von Artikel 2 eine neue Feststellung erfolgen muß; dies ist jedoch nicht der Fall, wenn der Fehler der zuständigen nationalen Dienststellen nicht bei der Festsetzung und Zahlung der Forderung eingetreten ist, sondern bei ihrer rein internen Verbuchung als eigene Mittel.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 22. FEBRUAR 1989. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - EIGENE MITTEL - VERZUGSZINSEN - FESTSTELLUNG DER ANSPRUECHE - BERICHTIGUNG. - RECHTSSACHE 54/87.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 20. Februar 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben, die sich, nachdem die Kommission zwei weitere Anträge zurückgenommen hat, ausschließlich auf die Feststellung richtet, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie sich geweigert hat, im Anschluß an einen Buchungsfehler bezueglich bestimmter Zölle im Januar, Februar und März 1980 Verzugszinsen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 2891/77 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über die Ersetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften ( ABl. L 336, S. 1 ) zu zahlen.

2 Aus den Akten ergibt sich, daß die Zollstelle Ravenna in den ersten drei Monaten des Jahres 1980 irrtümlich einige EWG-Zölle, die nach dem Beschluß vom 21. April 1970, dessen Durchführung die genannte Verordnung dient, eigene Mittel der Gemeinschaft darstellen, als EGKS-Zölle, d. h. als einzelstaatliche Mittel, verbuchte. Der Fehler wurde im Juli 1980 in der Buchführung der Zollstelle aus Anlaß einer von den italienischen Behörden unter Beteiligung der Dienststellen der Kommission durchgeführten Kontrolle berichtigt und die diesen Zöllen entsprechenden Beträge der Kommission am 20. September 1980 durch Gutschrift auf dem Konto "Eigene Mittel" der Kommission bei der italienischen Haushaltsverwaltung zur Verfügung gestellt.

3 Die Kommission forderte die italienischen Behörden auf, ihr gemäß Artikel 11 der vorgenannten Verordnung für die sich nach der Berichtigung ergebenden Beträge Verzugszinsen zu zahlen, die für die Zeit von dem Zeitpunkt an, zu dem die Gutschrift auf dem Konto der Kommission hätte erfolgen müssen, bis zu dem Zeitpunkt, zu dem sie tatsächlich erfolgt war, berechnet waren.

4 Nach dem genannten Artikel 11 sind bei jeder verspäteten Gutschrift auf dem Konto "Eigene Mittel" der Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Zinsen zu zahlen, deren Höhe diese Bestimmung festlegt.

5 Die italienischen Behörden weigerten sich, dem genannten Ersuchen nachzukommen, das sie für rechtlich unbegründet hielten.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs sowie des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

7 Einleitend ist auf die Grundsätze der Regelung hinzuweisen, die mit der streitigen Verordnung durchgeführt wurde, deren Ziel es nach ihrer vorletzten Begründungserwägung ist, den Gemeinschaften zu gestatten, unter den bestmöglichen Bedingungen über die eigenen Mittel zu verfügen.

8 Die Beträge, die nach dem Beschluß 70/243 des Rates vom 21. April 1970 ( ABl. L 94, S. 19 ) eigene Mittel der Gemeinschaften darstellen, unter anderem die Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs, werden nach Artikel 1 der genannten Verordnung Nr. 2891/77 von den Mitgliedstaaten gemäß ihren Rechts - und Verwaltungsvorschriften festgestellt und nach Maßgabe dieser Verordnung der Kommission zur Verfügung gestellt.

9 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der genannten Verordnung "gilt ein Anspruch als festgestellt, sobald die entsprechende Forderung von der zuständigen Dienststelle oder Einrichtung des Mitgliedstaats ordnungsgemäß festgesetzt ist ".

10 Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung werden die festgestellten Ansprüche in die Buchführung jedes Mitgliedstaats über die "Eigenen Mittel" spätestens am 20. des zweiten Monats aufgenommen, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch festgestellt wurde. Nach den Artikeln 9 Absatz 1 und 10 Absatz 1 haben die Mitgliedstaaten binnen der gleichen Frist den Betrag der festgestellten eigenen Mittel dem zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder der von dem Mitgliedstaat bestimmten Einrichtung eingerichteten Konto gutzuschreiben.

11 Aus den genannten Bestimmungen ergibt sich, daß die Mitgliedstaaten den Betrag eines eigene Mittel bildenden Anspruchs spätestens am 20. des zweiten Monats zur Verfügung zu stellen haben, der auf den Monat folgt, in dem die diesem Anspruch entsprechende Forderung von der zuständigen Dienststelle oder Einrichtung des Mitgliedstaats ordnungsgemäß festgesetzt wurde.

12 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ( vgl. insbesondere Urteil vom 20. März 1986 in der Rechtssache 303/84, Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1986, 1171 ) die Verzugszinsen gemäß Artikel 11 der Verordnung bei "verspäteter" Gutschrift zu zahlen sind und unabhängig davon, aus welchem Grund die Gutschrift auf dem Konto der Kommission verspätet erfolgt ist, verlangt werden können.

13 Die Regierung der Italienischen Republik macht demgegenüber geltend, daß vorliegend die Gutschrift auf dem Konto der Kommission nicht verspätet erfolgt sei. Nach den gemäß Artikel 1 der Verordnung anwendbaren italienischen Rechtsvorschriften umfasse die Feststellung eines Anspruchs nicht nur die technische und rechtliche Feststellung der betreffenden Abgabe, sondern auch deren Zahlung und Verbuchung. Daraus folge, daß der Buchungsfehler der Zollstelle Ravenna zur Feststellung der Ansprüche im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung gehöre.

14 Nach Auffassung der italienischen Regierung kann ein solcher Fehler gemäß Artikel 2 Absatz 2 berichtigt werden, dem zufolge "die zuständige Dienststelle oder Einrichtung des Mitgliedstaats... eine neue Feststellung vor((nimmt )), wenn eine nach Absatz 1 vorgenommene Feststellung zu berichtigen ist ". Die Berichtigung in der Buchführung der Zollstelle, die im Juli 1980 vorgenommen worden sei, stelle demnach eine neue Feststellung dar, die gemäß Artikel 8 der Verordnung erst in dem Monat, in dem sie erfolgt sei, in die Buchführung "Eigene Mittel" aufgenommen werden müsse.

15 Dieser Auffassung kann nicht zugestimmt werden. Zwar werden gemäß Artikel 1 der Verordnung die eigenen Mittel von den Mitgliedstaaten gemäß ihren Rechts - und Verwaltungsvorschriften festgestellt, den Zeitpunkt dieser Feststellung legt jedoch Artikel 2 Absatz 1 fest. Nach dieser Vorschrift gilt ein Anspruch als festgestellt, sobald die entsprechende Forderung ordnungsgemäß festgesetzt ist.

16 Im vorliegenden Fall steht fest, daß die Forderungen ordnungsgemäß festgesetzt und bezahlt worden sind, und zwischen den Parteien ist unstreitig, daß der Fehler der Zollstelle nicht die Tarifierung der Waren, sondern lediglich die Verbuchung der Ansprüche als einzelstaatliche Mittel - und nicht als eigene Mittel der Gemeinschaften - betrifft. Die Berichtigung eines solchen rein internen Buchungsfehlers der zuständigen Dienststelle oder Einrichtung berührt in keiner Weise die Festsetzung der Forderung und kann daher keine "neue Feststellung" im Sinne des Artikels 2 Absatz 2 der Verordnung darstellen, der zu einer Verschiebung des Termins führen könnte, an dem der Betrag des festgestellten Anspruchs der Kommission zur Verfügung zu stellen ist.

17 Die Beträge, die den im Januar, Februar und März 1980 von der Zollstelle Ravenna festgestellten streitigen Ansprüchen entsprechen, sind daher dem Konto "Eigene Mittel" der Kommission verspätet gutgeschrieben worden; folglich ist die Italienische Republik verpflichtet, der Kommission für diese Beträge die in Artikel 11 der Verordnung Nr. 2891/77 vorgesehenen Verzugszinsen zu zahlen.

18 Daher ist festzustellen, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie sich geweigert hat, im Anschluß an einen Buchungsfehler bezueglich bestimmter Zölle im Januar, Februar und März 1980 Verzugszinsen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 2891/77 zu zahlen.

Kostenentscheidung:

Kosten

19 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

20 In bezug auf die beiden Anträge, die die Kommission während des Verfahrens zurückgenommen hat, ist darauf hinzuweisen, daß gemäß Artikel 69 § 4 Absatz 1 der Verfahrensordnung die Partei, die einen Antrag zurücknimmt, zur Tragung der Kosten verurteilt wird, es sei denn, daß die Rücknahme durch das Verhalten der anderen Partei gerechtfertigt ist. Vorliegend betrafen die beiden Anträge die Unterlassung der Beklagten, der Kommission bestimmte Informationen zu geben. Da diese Informationen erst nach Klageerhebung erteilt wurden, ist festzustellen, daß die entsprechenden Klageanträge und die folgende Rücknahme auf das Verhalten der Beklagten zurückzuführen und demnach auch für diesen Teil der Klage die Kosten des Verfahrens der Beklagten aufzuerlegen sind.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1)Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EWG-Vertrag verstossen, daß sie sich geweigert hat, im Anschluß an einen Buchungsfehler bezueglich bestimmter Zölle im Januar, Februar und März 1980 Verzugszinsen gemäß Artikel 11 der Verordnung Nr. 2891/77 des Rates vom 19. Dezember 1977 zur Durchführung des Beschlusses vom 21. April 1970 über dieErsetzung der Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten durch eigene Mittel der Gemeinschaften zu zahlen.

2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück