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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 09.11.1989
Aktenzeichen: 55/88
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 24
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Beamter hat ein nachgewiesenes Interesse an der Erhebung einer Klage, die auf die Wiedergutmachung des immateriellen Schadens abzielt, der sich daraus ergibt, daß sein Ansehen beeinträchtigt ist, weil er als Urheber von Handgreiflichkeiten innerhalb einer Dienststelle angesehen und ihm ein eines Beamten unwürdiges Verhalten zugeschrieben werden kann.

2. Die den Gemeinschaftsorganen gemäß Artikel 24 des Statuts obliegende Pflicht zum Schutz der Beamten, die auch für den Fall gilt, daß Angriffe von anderen Beamten ausgehen, besteht nur dann, wenn die fraglichen Tatsachen feststehen.

Die Verwaltung muß zwar angesichts eines Vorfalls, der mit einem geordneten und sicheren Dienstbetrieb nicht vereinbar ist, mit allem gebotenen Nachdruck einschreiten, um die Tatsachen festzustellen und sodann in Kenntnis der Sachlage die angemessenen Konsequenzen zu ziehen; sie kann jedoch nur dann gegen einen Beamten Disziplinarstrafen verhängen, wenn aufgrund der angeordneten Ermittlungen eindeutig feststeht, daß der betreffende Beamte durch sein Verhalten den geordneten Dienstbetrieb beeinträchtigt oder die Würde und den Ruf eines anderen Beamten verletzt hat.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 9. NOVEMBER 1989. - THEODOROS IOANNIS KATSOUFROS GEGEN GERICHTSHOF DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - BEAMTE - ARTIKEL 24 DES STATUTS DER BEAMTEN DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - RECHTSSACHE 55/88.

Entscheidungsgründe:

1 Der Kläger, Beamter der Besoldungsgruppe LA 6 in der griechischen Übersetzungsabteilung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften, hat mit Klageschrift, die am 22. Februar 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsausschusses des Gerichtshofes vom 23. November 1987, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen wurde, und auf Feststellung, daß die Anstellungsbehörde verpflichtet ist, gemäß Artikel 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften ( im folgenden : Statut ) tätig zu werden.

2 Aus den Akten geht hervor, daß sich am 4. Februar 1987 im Anschluß an eine Aussprache zwischen mehreren Beamten der griechischen Übersetzungsabteilung über die beruflichen Fähigkeiten des Klägers ein Vorfall ereignete, in dessen Verlauf Herr Constantinou, Ruhestandsbeamter der Gemeinschaften und zum maßgeblichen Zeitpunkt freier Mitarbeiter des Gerichtshofes mit den Aufgaben eines Überprüfers, den Ausführungen des Klägers zufolge gegen diesen tätlich geworden ist. Der Kläger trägt vor, diese Gewalttätigkeit habe seine Gesundheit so sehr erschüttert, daß sie zu zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit geführt habe.

3 Diese Schilderung der Vorgänge wird von einem anderen Beamten der Abteilung bestätigt, jedoch sowohl von Herrn Constantinou selbst als auch vom Abteilungsleiter bestritten, die beide dem Kläger vorwerfen, sich provozierend verhalten zu haben.

4 Am 24. Februar 1987 ersuchte der Kläger die Anstellungsbehörde, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um zu ermitteln, wer für den Vorfall verantwortlich sei, um zu verhindern, daß sich ein derartiger Vorgang, den allein Herr Constantinou verursacht habe, wiederholt und um gegen diesen Disziplinarstrafen zu verhängen.

5 Mit Schreiben vom 9. Juni 1987 teilte der Kanzler des Gerichtshofes dem Kläger mit, daß er nach Prüfung der Unterlagen in Anbetracht der voneinander abweichenden Aussagen der Zeugen des Vorfalls ausserstande sei, das Vorliegen von Tatsachen festzustellen, die den Erlaß von Maßnahmen rechtfertigen könnten. Jedoch sei Anweisung erteilt worden, die Übersetzungen des Klägers nicht mehr Herrn Constantinou zur Überprüfung zu geben.

6 Am 11. August 1987 legte der Kläger gemäß Artikel 90 Absatz 2 des Statuts Beschwerde gegen die Antwort des Kanzlers vom 9. Juni 1987 ein. Er beanstandete, daß gegen Herrn Constantinou keine Disziplinarstrafe verhängt worden sei.

7 Mit Entscheidung vom 23. November 1987 wies der Verwaltungsausschuß des Gerichtshofes die Beschwerde des Klägers mit der Begründung zurück, die Verwaltung sei ihrer Beistandspflicht aus Artikel 24 Absatz 1 des Statuts dadurch nachgekommen, daß sie die schriftlichen Aussagen aller an dem Vorfall Beteiligten zusammengestellt und geprüft habe. Da es unmöglich gewesen sei, die Verantwortlichen zu ermitteln, habe sie verhältnismässig und mit der durch die Schwere der behaupteten Tatsachen gebotenen Sorgfalt gehandelt, indem sie eine Maßnahme zur Organisierung des Dienstbetriebs getroffen habe, mit der jeder neuen Konfrontation zwischen den Beteiligten habe vorgebeugt werden sollen. Was die Zweckmässigkeit der Verhängung von Strafen angehe, die ohnehin nicht auf die Disziplinarordnung des auf Herrn Constantinou nicht anwendbaren Statuts hätten gestützt werden können, so stehe der Verwaltung auf diesem Gebiet, ein weites Ermessen zu, und es sei ausgeschlossen, daß die Beistandspflicht für sie auch die Verpflichtung umfasse, ein Disziplinarverfahren einzuleiten.

8 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Zulässigkeit

9 Der Gerichtshof macht geltend, die Klage sei wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses unzulässig, da die Weigerung, gegen Herrn Constantinou Disziplinarstrafen zu verhängen, nicht die Rechtsstellung des Klägers berühren könne.

10 Hierzu ist festzustellen, daß die Beschwerde des Klägers darauf gerichtet ist, die Anstellungsbehörde zu bewegen, ihren Verpflichtungen aus dem Statut nachzukommen und gegen Herrn Constantinou Disziplinarstrafen zu verhängen. Der Kläger will damit indirekt feststellen lassen, daß er selbst für den Vorfall vom 4. Februar 1987 keine Verantwortung trägt.

11 Der Kläger hat daher ein nachgewiesenes Interesse an der Erhebung einer Klage gegen die Entscheidung, mit der seine Beschwerde zurückgewiesen worden ist, denn seine Klage zielt auf die Wiedergutmachung des immateriellen Schadens ab, der sich daraus ergibt, daß sein Ansehen beeinträchtigt ist, weil er als Urheber der fraglichen Vorgänge angesehen und ihm ein eines Beamten unwürdiges Verhalten zugeschrieben werden kann.

12 Daraus folgt, daß die vom Gerichtshof gegen die Klage erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen ist.

Zur Begründetheit

13 Zur Begründung seiner Klage macht der Kläger im wesentlichen geltend, der Gerichtshof habe gegen Artikel 24 des Statuts verstossen, indem er keine geeigneten Maßnahmen getroffen habe, um den Schaden wettzumachen, der ihm durch den Vorfall vom 4. Februar 1987 entstanden sei; insbesondere wirft er dem Beklagten vor, gegen Herrn Constantinou keine Disziplinarstrafen wegen der von diesem begangenen Tätlichkeiten verhängt zu haben.

14 Nach Artikel 24 Absatz 1 des Statuts leisten die "Gemeinschaften... ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschläge auf die Person..., die aufgrund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie... gerichtet werden ".

15 Wie der Gerichtshof im Urteil vom 26. Januar 1989 in der Rechtssache 224/87 ( Koutchoumoff/Kommission, Slg. 1989, 99 ) ausgeführt hat, besteht die den Gemeinschaftsorganen gemäß Artikel 24 des Statuts obliegende Pflicht zum Schutz der Beamten, die auch für den Fall gilt, daß Angriffe von anderen Beamten ausgehen, nur dann, wenn die fraglichen Tatsachen feststehen.

16 Die Verwaltung muß zwar nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe das Urteil vom 14. Juni 1979 in der Rechtssache 18/78, V./Kommission, Slg. 1979, 2093 ) angesichts eines Vorfalls, der mit einem geordneten und sicheren Dienstbetrieb nicht vereinbar ist, mit allem gebotenen Nachdruck einschreiten, um die Tatsachen festzustellen und sodann in Kenntnis der Sachlage die angemessenen Konsequenzen zu ziehen; sie kann jedoch nur dann gegen den betreffenden Beamten Disziplinarstrafen verhängen, wenn aufgrund der angeordneten Ermittlungen eindeutig feststeht, daß dieser durch sein Verhalten den geordneten Dienstbetrieb beeinträchtigt oder die Würde und den Ruf eines anderen Beamten verletzt hat.

17 Im vorliegenden Fall hat die Anstellungsbehörde, unmittelbar nachdem ihr der Vorfall gemeldet worden war, eine verwaltungsinterne Untersuchung angeordnet, in deren Rahmen sie die Aussagen aller bei den Vorgängen vom 4. Februar 1987 anwesenden Personen zusammengestellt und geprüft hat.

18 Da die Anstellungsbehörde jedoch wegen der im Zuge dieser Ermittlungen protokollierten widersprüchlichen Aussagen nicht in der Lage war, die Tatsachen und Verantwortlichkeiten eindeutig festzustellen, durfte sie ohne Überschreitung der Grenzen ihres Ermessens davon ausgehen, daß zu einem Vorgehen nach Artikel 24 des Statuts kein Anlaß bestand.

19 Unter diesen Umständen ist festzustellen, daß die Anstellungsbehörde nicht gegen ihre allgemeine Verpflichtung, für ein einwandfreies Funktionieren des Dienstes zu sorgen, verstossen hat, indem sie sich darauf beschränkt hat, Anweisung zu erteilen, die Übersetzungsarbeiten des Klägers nicht mehr Herrn Constantinou zur Überprüfung zu geben, um so jeder neuen Konfrontation zwischen den beiden Hauptbeteiligten des Vorfalls vorzubeugen.

20 Nach alledem ist die Klage als unbegründet abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

21 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 70 der Verfahrensordnung tragen jedoch die Organe in Rechtsstreitigkeiten mit Bediensteten der Gemeinschaft ihre Kosten selbst.

Tenor:

Aus diesen Gründen,

hat

DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.

2 ) Jede Partei trägt ihre eigenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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