Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 07.06.1988
Aktenzeichen: 57/86
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 1
EWG-Vertrag Art. 185
EWG-Vertrag Art. 92
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Zinsvergütung für Ausfuhrkredite, die bewirkt, daß die Exportunternehmen einen wirtschaftlichen Vorteil durch die Senkung der ihnen bei ihren Verkäufen auf den Märkten der anderen Mitgliedstaaten entstehenden Kosten erhalten, stellt eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag dar. Diese Einstufung ist unabhängig von einer etwaigen Beurteilung dieser Vergütung durch die Kommission für die Zwecke der Anwendung der gemeinschaftsrechtlichen Regelung im Agrarbereich.

2. Die Mitgliedstaaten dürfen in Ausübung der ihnen verbliebenen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Währungspolitik keine einseitigen Maßnahmen ergreifen, die der EWG-Vertrag untersagt.

3. Eine Beihilfe muß nicht notwendigerweise aus staatlichen Mitteln finanziert werden, um als staatliche Beihilfe angesehen zu werden. Artikel 92 EWG-Vertrag erfasst sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen, ohne daß danach zu unterscheiden ist, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder damit beauftragt worden sind, gewährt wird.

4. Zwar kann sich bereits aus den Umständen, unter denen eine Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, daß sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht; die Kommission hat jedoch diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zu nennen. Diesem Erfordernis ist Genüge getan, wenn die Entscheidung eine hinreichend deutliche und substantiierte Begründung enthält, die die Feststellung erlaubt, daß die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten durfte, daß eine Zinsvergütung für Ausfuhrkredite tatsächlich geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, indem sie den Exportunternehmen eine vorteilhafte Wettbewerbsposition gegegenüber anderen Wirtschaftsteilnehmern verschafft, zugunsten deren kein solcher Eingriff erfolgt.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 7. JUNI 1988. - REPUBLIK GRIECHENLAND GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - ERSTATTUNG VON ZINSEN FUER EXPORTKREDITE. - RECHTSSACHE 57/86.

Entscheidungsgründe:

1 Die Griechische Republik hat mit Klageschrift, die am 26. Februar 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 1 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der Entscheidung 86/187/EWG der Kommission vom 13. November 1985 betreffend die Beihilfen, die Griechenland bei der Ausfuhr aller Erzeugnisse mit Ausnahme von Erdölerzeugnissen in Form einer Zinsvergütung gewährt ( ABl. 1986, L 136, S. 61 ).

2 Die Klägerin hat mit Schriftsatz, der am 13. März 1986 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, nach Artikel 185 EWG-Vertrag die Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen ntscheidung beantragt. Der Präsident des Gerichtshofes hat diesen Antrag durch Beschluß vom 30. April 1986 zurückgewiesen und die Kostenentscheidung vorbehalten.

3 Aus den Akten geht hervor, daß im Rahmen einer allgemeinen Reform des Kreditsystems in Griechenland im April 1983 die Zinssätze für Darlehen für die Industrie auf 21,5 %, für Unternehmen, die landwirtschaftliche Erzeugnisse verarbeiten, auf 18,5 %, und für Handwerksbetriebe auf 14 % festgesetzt wurden. Der vor April 1983 geltende Zinssatz von 10,5 % für Ausfuhrdarlehen wurde aufgehoben. Um den Nachteil auszugleichen, der den griechischen Exporteuren hierdurch entstand, wurde ihnen eine Zinserstattung in Höhe von 6 % ( oder 3 % bei Darlehen zu einem Zinssatz von 14 % ) unter der Voraussetzung gewährt, daß die Erlöse aus der Ausfuhr schnell zurückgeführt und in Drachmen umgetauscht würden. Diese Erstattung wird bei der Ausfuhr aller Erzeugnisse mit Ausnahme von Erdölerzeugnissen gewährt.

4 Mit der angefochtenen Entscheidung wird im wesentlichen festgestellt, daß die Beihilfe in Form einer Zinsvergütung von 6 % oder 3 %, die die griechischen Behörden unter bestimmten Voraussetzungen für Ausfuhrkredite gewähren, nach Artikel 92 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist und aufgehoben werden muß.

5 Die Griechische Republik macht zur Begründung ihrer Klage vier Rügen geltend, die sich unterschiedslos auf die verschiedenen Arten von Ausfuhren beziehen.

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Rüge

7 Die Griechische Republik führt erstens aus, daß die streitige Erstattung von Zinsen keine staatliche Beihilfe darstelle. Es handele sich um eine rein währungspolitische Maßnahme, mit der die Zahlungsbilanz des Landes dadurch verbessert werden solle, daß die Exporteure dazu angeregt würden, ihre Ausfuhrerlöse kurzfristig zurückzuführen. Gegenüber der vor 1983 geltenden Regelung für Kredite solle die Zinserstattung neutral sein und nur die nachteiligen Auswirkungen der Anhebung der Zinssätze für die Exporteure beseitigen, ohne ihnen einen zusätzlichen Vorteil zu verschaffen. Da die Kommission schließlich die frühere Regelung der Ausfuhrkredite nicht geprüft habe, könne sie die neue Regelung nicht beanstanden, die nur die nachteiligen Auswirkungen der Anhebung der Zinsen für die Exporteure beseitige.

8 Unstreitig werden aufgrund der Zinserstattung die allgemein für Handelsgeschäfte geltenden Zinssätze in Griechenland nur für Ausfuhrkredite ermässigt. Die streitige Erstattung stellt deshalb für die griechischen Exportunternehmen eine Beihilfe dar, denn sie erhalten einen wirtschaftlichen Vorteil, der die ihnen bei ihren Verkäufen auf den Märkten der anderen Mitgliedstaaten entstehenden Kosten senkt. In diesem Zusammenhang ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes hinzuweisen ( Urteil vom 10. Dezember 1969 in den verbundenen Rechtssachen 6 und 11/69, Kommission/Französische Republik, Slg. 1969, 523 ), wonach ein Vorzugsrediskontsatz für die Ausfuhr, den ein Mitgliedstaat nur zugunsten ausgeführter einheimischer Erzeugnisse gewährt, eine Beihilfe im Sinne von Artikel 92 darstellt.

9 Was die Berufung auf den rein währungspolitischen Charakter der Zinserstattung angeht, ist darauf hinzuweisen, daß nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ( Urteil vom 10. Dezember 1969, a. a. O., und Urteil vom 9. Juni 1982 in der Rechtssache 95/81, Kommission/Italien, Slg. 1982, 2187 ) die Mitgliedstaaten in Ausübung der ihnen verbliebenen Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Währungspolitik keine einseitigen Maßnahmen ergreifen dürfen, die der Vertrag untersagt.

10 Schließlich ist es unerheblich, ob die Zinserstattung im Vergleich zur vorherigen Ausfuhrkreditregelung wirtschaftlich für die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Ausfuhren neutral ist und ob die Kommission nicht gegen die vorherige Regelung vorgegangen ist, da die gegenwärtige Regelung, unabhängig von der früheren Regelung geprüft, bestimmte Unternehmen begünstigt. Deshalb ist die erste Rüge zurückzuweisen.

Zur zweiten Rüge

11 Die Griechische Republik führt aus, die Zinserstattung werde nicht aus staatlichen Mitteln gewährt, sondern durch die befristete Anlage des von den Geschäftsbanken investierten Kapitals finanziert. Die Kommission vertritt hingegen die Auffassung, die Bank von Griechenland stelle den die Darlehen gewährenden Geschäftsbanken Mittel zur Verfügung, um die Erstattungen von 6 % oder 3 % auf die Darlehen zu finanzieren, die sie den Exporteuren gewährten.

12 Nach ständiger Rechtsprechung ( siehe insbesondere das Urteil vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 290/83, Kommission/Französische Republik, Slg. 1985, 439 ) muß eine Beihilfe nicht notwendigerweise aus staatlichen Mitteln finanziert werden, um als staatliche Beihilfe angesehen zu werden. Artikel 92 erfasst sämtliche staatlichen oder aus staatlichen Mitteln gewährten Beihilfen, ohne daß danach zu unterscheiden ist, ob die Beihilfe unmittelbar vom Staat oder von öffentlichen oder privaten Einrichtungen, die von ihm zur Durchführung der Beihilferegelung errichtet oder damit beauftragt worden sind, gewährt wird.

13 Im vorliegenden Fall genügt die Feststellung, daß die Zinserstattung von der Griechischen Republik unter Einschaltung der Bank von Griechenland eingeführt wurde, die auf diesem Gebiet unter der unmittelbaren Kontrolle des Staats tätig wird, und daß die Banken die Zinserstattungen auszahlen oder die Bescheinigungen über den Kauf von Devisen bei der Bank von Griechenland einreichen, die dann die Zahlung vornimmt. Die zweite Rüge ist deshalb ebenfalls als unbegründet zurückzuweisen.

Zur dritten Rüge

14 Nach Ansicht der Griechischen Republik enthält die Entscheidung der Kommission keinen Beweis für den Einfluß der Zinserstattungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten und auf die Wettbewerbsfähigkeit der griechischen Ausfuhren. Die Kommission hätte sich in diesem Zusammenhang auf konkrete Angaben stützen müssen, um darzutun, daß die griechischen Ausfuhren aufgrund der Beihilfe gestiegen seien. Tatsächlich seien die griechischen Ausfuhren insbesondere auf dem Getreidesektor zurückgegangen.

15 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat ( Urteil vom 13. März 1985 in den verbundenen Rechtssachen 296 und 318/82, Niederlande und Leeuwarder Papierwarenfabriek/Kommission, Slg. 1985, 809 ) kann sich bereits aus den Umständen, unter denen die Beihilfe gewährt worden ist, ergeben, daß sie den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt und den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht. Die Kommission hat jedoch diese Umstände in der Begründung ihrer Entscheidung zu nennen.

16 Im vorliegenden Fall erlaubt die hinreichend deutliche und substantiierte Begründung der angefochtenen Entscheidung die Feststellung, daß die Kommission zu Recht die Ansicht vertreten durfte, daß die streitige Zinserstattung tatsächlich geeignet ist, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen, indem sie den griechischen Exporteuren eine vorteilhafte Wettbewerbsposition gegenüber den anderen Wirtschaftsteilnehmern verschafft, zugunsten deren kein solcher Eingriff erfolgt. Der dritten Rüge kann deshalb ebenfalls nicht gefolgt werden.

Zur vierten Rüge

17 Die Griechische Republik macht schließlich geltend, die Kommission habe im Rahmen des EAGFL-Jahresabschlusses für 1983 bis 1985 die Auffassung vertreten, daß die Zinserstattung keine grosse Bedeutung habe, daß sie keine nennenswerten Auswirkungen auf den Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten habe und daß sie deshalb der Griechischen Republik nicht zur Last gelegt werden dürfe.

18 Hierzu ist festzustellen, daß die Beurteilung der Zinserstattung durch die Kommission für die Zwecke der Anwendung der Agrarregelung keinesfalls deren Einstufung nach Artikel 92 EWG-Vertrag beeinflussen kann. Deshalb ist die letzte Rüge ebenfalls zurückzuweisen.

19 Da keiner der Rügen der Griechischen Republik gefolgt werden kann, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Griechische Republik mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Griechische Republik trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens der einstweiligen Anordnung.

Ende der Entscheidung

Zurück