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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 08.03.1988
Aktenzeichen: 62/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 92
EWG-Vertrag Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Eine Investitionsbeihilfe in Form von Zinszuschüssen für ein Unternehmen, das in einem Sektor produziert, in dem die Schwierigkeiten beim Absatz der Produktion zu einem Personalabbau geführt haben, fällt unter das Verbot des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag, da sie ein Unternehmen zum Schaden seiner Konkurrenten begünstigt.

2. Eine Entscheidung, die die Ausführung eines Beihilfevorhabens verbietet, enthält eine ausreichende Begründung im Sinne des Artikels 190 EWG-Vertrag bezueglich der in Artikel 92 Absatz 1 genannten Voraussetzungen einer Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und des Wettbewerbs, wenn die Kommission in ihr auf die Anfälligkeit des betreffenden Marktes unter anderem aufgrund der stagnierenden Nachfrage, der Überkapazität des Produktionsapparates und des fortschreitenden Personalabbaus verweist, die Bedeutung der Ausfuhren des begünstigten Unternehmens nachweist und darlegt, daß sie in zwei Jahren drei Entscheidungen treffen musste, mit denen Beihilfen für Unternehmen verboten wurden, die im selben Wirtschaftszweig und im selben Teil des Gemeinsamen Marktes produzierten.

3. Die Kommission überschreitet nicht die Grenzen ihres Ermessens, wenn sie davon ausgeht, daß ein Vorhaben nur als von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b EWG-Vertrag qualifiziert werden kann, wenn es Teil eines von den Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten unterstützten zwischenstaatlichen europäischen Programms ist oder zu einer zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten abgestimmten Unternehmung gehört, durch die eine gemeinsame Gefahr wie die Umweltverschmutzung bekämpft werden soll.

4. Mit der Entscheidung, daß für eine Beihilfe die Ausnahmeregelung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c nicht in Betracht kommen könne, weil die Beihilfe erstens zu der im Rahmen der Betriebskosten anzusetzenden Finanzierung der Erneuerung eines Produktionsmittels bestimmt sei und daher trotz der mit dieser Innovation einhergehenden technischen Neuerungen nicht als Beihilfe zur Förderung der Entwicklung eines Wirtschaftszweigs angesehen werden könne und zweitens in einem von Produktionsüberkapazitäten gekennzeichneten Sektor erfolge und deshalb die Handelsbedingungen in einem dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtige, hat die Kommission nur von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht.

5. Die Kommission verstösst nicht gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs, wenn sie dem Mitgliedstaat, an den eine Entscheidung über das Verbot einer Beihilfe gerichtet ist, die von den Betroffenen im Rahmen der Konsultation nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 vorgelegten Erklärungen nicht mitteilt und die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, sich nicht auf diese Erklärungen beziehen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 8. MAERZ 1988. - EXECUTIF REGIONAL WALLON UND S. A. GLAVERBEL GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - FLACHGLASINDUSTRIE - PYROLYTISCH BESCHICHTETES GLAS. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 62/87 UND 72/87.

Entscheidungsgründe:

1 Der Exécutif régional wallon, Brüssel, und die Firma Glaverbel SA, Brüssel, haben mit Klageschriften, die am 27. Februar bzw. am 9. März 1987 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 3. Dezember 1986 über ein Beihilfevorhaben der belgischen Regierung für Investitionen eines Flachglasherstellers in Moustier.

2 Das belgische Gesetz vom 17. Juli 1959 "instaurant et coordonnant des mesures en vü de favoriser l' expansion économique et la création d' industries nouvelles" (( über die Einführung und Koordinierung von Maßnahmen zur Förderung der wirtschaftlichen Expansion und zur Schaffung neuer Industrien ( Moniteur belge vom 29. 8. 1959 ))) sieht allgemeine Hilfsmaßnahmen für die belgische Wirtschaft vor, unter anderem in Form von Zinszuschüssen für Kredite zur Durchführung von Investitionen. Bei der Prüfung dieses Gesetzes kam die Kommission zu dem Ergebnis, daß es sich um eine allgemeine Beihilferegelung handele, die keine sektoralen oder regionalen Festlegungen enthalte. Aufgrund dessen hielt sie die belgische Regierung für verpflichtet, ihr entweder einen regionalen oder sektoralen Anwendungsplan vorzulegen oder ihr die wichtigen Einzelfälle der Anwendung mitzuteilen. Nach einer Entscheidung aus dem Jahre 1975 (( Entscheidung 75/397/EWG der Kommission vom 17. Juni 1975 ( ABl. L 177, S. 13 ))) muß die belgische Regierung der Kommission im voraus die wichtigen Einzelfälle der Anwendung des Gesetzes vom 17. Juli 1959 so rechtzeitig mitteilen, daß sie über ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt befinden kann.

3 Mit Schreiben vom 15. November 1985 teilte die belgische Regierung der Kommission ordnungsgemäß ihre Absicht mit, einem Flachglashersteller an seinem Geschäftssitz in Moustier, Provinz Namur, Investitionsbeihilfen nach dem Gesetz vom 17. Juli 1959 zu gewähren. Mit diesen Investitionen in Höhe von 1 201 725 000 BFR sollte eine der beiden Floatglasproduktionslinien erneuert und die zweite Linie modernisiert werden ( nebst Verbesserung der Energieleistung und der Hygienebedingungen ), um neben Blankglas auch pyrolytisch beschichtetes Farbglas herstellen zu können.

4 Die Beihilfen sollten in Form eines Zinszuschusses von 4 % über sechs Jahre für 531 600 000 BFR, eines Zuschusses von 4 % über sechs Jahre für 269 550 000 BFR sowie einer Befreiung von der Grundsteuer für fünf Jahre für den Gesamtinvestitionsbetrag erfolgen. Nach der Entscheidung der Kommission entsprechen diese Beihilfen einem Subventionsäquivalent von 5,8 %.

5 Nach Artikel 1 der angefochtenen Entscheidung darf die belgische Regierung diese Beihilfen nicht gewähren; nach Artikel 2 ist sie verpflichtet, die Kommission binnen zwei Monaten vom Zeitpunkt der Bekanntgabe an über die Maßnahmen zu unterrichten, die sie zur Anwendung dieser Entscheidung getroffen hat. Nach Artikel 3 ist die Entscheidung an das Königreich Belgien gerichtet.

6 Einer der beiden Kläger ist der Exécutif régional wallon, die nach den geltenden Rechtsvorschriften in Belgien nunmehr für die Gewährung von Beihilfen an Unternehmen in der Region Wallonien, zu der die Provinz Namur gehört, zuständige Stelle. Diese Stelle hatte der Firma Glaverbel, dem anderen Kläger, mit Beschluß vom 18. Oktober 1984 die streitigen Beihilfen gewährt.

7 Wegen weiterer Einzelheiten der Vorgeschichte der Rechtssache sowie des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Die Kommission hat gegen die Zulässigkeit der beiden Klagen keine Einwände erhoben, und der Gerichtshof hat keine Veranlassung, sie von Amts wegen zu prüfen.

9 Das Vorbringen der Kläger stimmt weitgehend überein. Sie wenden sich gegen die Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag sowie gegen die Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b und des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c. Ausserdem machen sie geltend, daß die angefochtene Entscheidung in mehreren Punkten nicht oder nicht hinreichend begründet sei. Der Exécutif régional wallon führt schließlich noch an, daß die Kommission den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt habe.

10 Die Rügen bezueglich der Begründung betreffen die Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung zur Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 EWG-Vertrag und zur Nichtanwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstaben b und c. Sie sind daher im Rahmen der Sachrügen zu prüfen.

A - Artikel 92 Absatz 1 EWG-Vertrag

11 Die beiden Kläger tragen vor, die Entscheidung der Kommission gründe sich auf eine falsche Einschätzung der tatsächlichen Verhältnisse. Die Kommission sei davon ausgegangen, daß die Flachglasindustrie Schwierigkeiten aufgrund einer geringen Auslastung der Kapazitäten gehabt habe, da die Überkapazitäten zwischen 1982 und 1985 zwischen 10 und 16 % geschwankt hätten. Diese Zahlen seien falsch, da der Auslastungsgrad für 1985 91 % oder sogar 92 % betragen habe. Ausserdem habe die Kommission die allmähliche Verbesserung des Auslastungsgrades im Referenzzeitraum nicht berücksichtigt. Diese steigende Tendenz habe sich mit dem Kapazitätsabbau aufgrund der Stillegung mehrerer Öfen für Fensterglas 1986 in der Gemeinschaft fortgesetzt.

12 Die Kommission führt den Geschäftsbericht der Firma Glaverbel für die Jahre 1982 bis 1984 an, wonach der Verbrauch von Flachglas in Europa 1982 den niedrigsten Stand seit 1975 erreicht habe. Die Kommission räumt ein, daß sich die Lage seither leicht gebessert habe, zitiert aber noch einmal die von der Firma Glaverbel vorgelegten Daten zum Nachweis dafür, daß die Unternehmen dieses Sektors sich über die Erhöhungder Produktionskosten, die stagnierende Nachfrage und die Notwendigkeit, verschiedene Produktionseinheiten zu schließen, beklagt hätten.

13 Der Streit über den Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten ist für die Entscheidung unerheblich, ob die vom Exécutif régional wallon beabsichtigten Maßnahmen Beihilfen im Sinne des Artikels 92 Absatz 1 sind. Es steht fest, daß die Flachglasindustrie zwischen 1982 und 1986 Schwierigkeiten hatte, für ihre Erzeugnisse Absatzmärkte zu finden, und daß diese Schwierigkeiten zu einem Personalabbau in diesem Sektor geführt haben. In einer solchen Lage sind Zuschüsse wie die aufgrund der beabsichtigten Maßnahmen als Begünstigungen eines Unternehmens zum Schaden seiner Konkurrenten und somit als eine Beihilfe im Sinne des EWG-Vertrags anzusehen.

14 Die Kläger führen weiterhin an, die streitigen Investitionen hätten die Produktion und die Vermarktung eines nach einem neuen Verfahren hergestellten Erzeugnisses ermöglichen sollen. Dieses Verfahren sei von Glaverbel entwickelt worden und gestatte die pyrolytische Beschichtung der Glasbänder, obwohl sie nach dem entsprechenden technischen Ausdruck noch "on line" seien oder "auf der Metallschmelze schwömmen ". Dieses neue Erzeugnis stehe nur mit sehr wenigen bereits vorhandenen Erzeugnissen in Wettbewerb.

15 Das steht der Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 nicht entgegen. Zum einen ist den Klägern nicht der Nachweis gelungen, daß es zwei getrennte Märkte gibt, einen für das neue Erzeugnis und einen für die herkömmlichen Erzeugnisse. Zum andern hat das neue Erzeugnis nur etwa 30 % der Gesamtproduktion der Firma Glaverbel ausgemacht, während die finanziellen Vorteile aufgrund der Beihilfe ihr als Herstellerin verschiedener Erzeugnisse zugute gekommen wären.

16 Die Kläger tragen ausserdem vor, die Kommission habe in ihrer Entscheidung nicht dargetan, inwiefern die beabsichtigten Beihilfen den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hätten beeinträchtigen und den Wettbewerb auf dem Gemeinsamen Markt hätten verfälschen können. Die Kommission habe sich mit allgemeinen Ausführungen und statistischen Daten über die Lage des Glasmarktes begnügt, ohne einen konkreten Hinweis zu geben, der ihre Argumentation verständlich gemacht hätte.

17 Die Entscheidung der Kommission führt in diesem Zusammenhang drei verschiedene Erwägungen an. Zunächst verweist sie auf die Anfälligkeit des Flachglasmarktes unter anderem aufgrund der stagnierenden Nachfrage, der Überkapazität des Produktionsapparates und des fortschreitenden Personalabbaus. Sodann führt sie die Zahlen über den Handel zwischen der belgisch-luxemburgischen Union und den anderen Mitgliedstaaten für die Feststellung an, daß der Handel bedeutend sei, und weist darauf hin, daß Glaverbel etwa 50 % seiner Floatglasproduktion in andere Mitgliedstaaten ausführe. Schließlich legt sie dar, daß zwischen 1984 und 1986 drei Entscheidungen ergangen seien, mit denen Beihilfen für die Flachglasindustrie in den drei Beneluxländern für mit Artikel 92 EWG-Vertrag unvereinbar erklärt worden seien ( Entscheidungen Nrn. 84/497/EWG, 86/593/EWG und 84/507/EWG ).

18 Zusammen stellen diese Erwägungen eine ausreichende Begründung im Sinne des Artikels 190 EWG-Vertrag dar, die die Schlußfolgerungen der Kommission trägt, daß die geplante Beihilfe geeignet sei, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und den Wettbewerb zu verfälschen oder zu verfälschen zu drohen, indem sie bestimmte Unternehmen gegenüber anderen begünstigte.

19 Infolgedessen sind die auf Artikel 92 Absatz 1 und die insoweit angeblich unzureichende Begründung gestützten Klagegründe zurückzuweisen.

B - Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b

20 Der Exécutif wallon legt dar, daß die neue Technologie, die Gegenstand der streitigen Investitionen gewesen sei, Glaverbel in die Lage habe versetzen sollen, die Abhängigkeit Europas von den amerikanischen und japanischen Erzeugern zu vermindern, insbesondere in Bereichen der Hochtechnologie wie dem der Entwicklung von dünnschichtigen Photölementen im Rahmen des Programms Esprit, an dem Glaverbel beteiligt sei. Die geplanten Beihilfen seien somit "zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse" im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b bestimmt gewesen.

21 Die in Artikel 92 Absatz 3 aufgezählten Gruppen von Beihilfen, darunter die zur Durchführung eines Vorhabens von gemeinsamem europäischem Interesse, "können" von der Kommission als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden. Infolgedessen verfügt die Kommission in diesem Bereich über einen Ermessensspielraum.

22 Die Kommission geht in der Praxis bei Beihilfen davon aus, daß ein Vorhaben nur als von gemeinsamem europäischem Interesse im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe b qualifiziert werden kann, wenn es Teil eines von den Regierungen verschiedener Mitgliedstaaten unterstützten zwischenstaatlichen europäischen Programms ist oder zu einer zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten abgestimmten Unternehmung gehört, durch die eine gemeinsame Gefahr wie die Umweltverschmutzung bekämpft werden soll.

23 Durch die Festlegung dieser Handlungsrichtlinie und durch den Schluß, daß die im vorliegenden Fall vorgesehenen Investitionen die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfuellten, hat die Kommission keinen offenkundigen Ermessensfehler begangen.

24 Die beiden Kläger werfen der Kommission weiterhin vor, ihre negative Beurteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht begründet zu haben. Sie habe sich auf die Feststellung beschränkt, daß "die betreffende Beihilfe offensichtlich nicht dazu bestimmt (( ist )), ein wichtiges Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse zu fördern ".

25 Nach Auffassung des Gerichtshofes reicht eine Begründung, die sich auf die "Offensichtlichkeit" stützt, im allgemeinen nicht aus. Im vorliegenden Fall sind die Argumente der Kläger jedoch zurückzuweisen. Aus den Akten ergibt sich kein wie auch immer gearteter Anhaltspunkt dafür, daß die streitige Beihilfe zur Verwirklichung eines "wichtigen" Vorhabens von "gemeinsamem" europäischem Interesse beitragen könnte. Der blosse Umstand, daß die beabsichtigten Investitionen die Anwendung einer neuen Technologie mit sich brachten, macht aus dem Vorhaben keines von gemeinsamem europäischem Interesse; daran fehlt es mit Sicherheit, wenn wie im vorliegenden Fall die Erzeugnisse auf einem Überschußmarkt verkauft werden müssen.

26 Infolgedessen sind die auf die Verletzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe b und die insoweit angeblich unzureichende Begründung gestützten Klagegründe zuückzuweisen.

C - Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c

27 Der Exécutif wallon weist noch einmal darauf hin, daß die beabsichtigte Beihilfe im grösseren Rahmen einer zweckmässigen Umstrukturierung zu sehen sei; er bestreitet die Behauptung der Kommission, daß die Erneuerung der in Rede stehenden Floatanlage grundsätzlich eine Ersatzinvestition darstelle und daß eine Beihilfe zugunsten der regelmässigen Erneuerung einer Floatanlage nicht den Anforderungen für die Entwicklung eines Wirtschaftszweiges entspreche und die Handelsbedingungen zwangsläufig in einem dem gemeinsamem Interesse zuwiderlaufenden Masse verändere. Nach Ansicht des Exécutif wallon hätte die Kommission die Ausnahmeregelung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c anwenden müssen.

28 Ausserdem sind die beiden Kläger der Auffassung, daß die Ewägungen der angefochtenen Entscheidung nicht die Gründe erkennen ließen, die die Kommission zu dem Schluß veranlasst hätten, daß die Beihilfe die Handelsbedingungen in einem dem gemeinsamem Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtige, selbst wenn mit der streitigen Investition technische Neuerungen einhergingen.

29 Die Kommission hat in der angefochtenen Entscheidung zunächst festgestellt, daß die regelmässige Erneuerung einer Floatanlage, die alle sechs bis neun Jahre vorgenommen werden müsse, grundsätzlich eine Ersatzinvestition darstelle, deren Kosten zu den Betriebskosten zu zählen seien. Es sei durchaus üblich und liege im Interesse des Herstellers, die modernsten und leistungsfähigsten Techniken und Werkstoffe zu verwenden, um die Betriebskosten, darunter auch die Kosten für den Energieverbrauch, zu senken. Infolgedessen würde eine Beihilfe zugunsten der regelmässigen Erneuerung einer Floatanlage nicht den Anforderungen für die Entwicklung eines Wirtschaftszweiges im Sinne von Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c entsprechen.

30 Nach diesem Grundsatz untersucht die Kommission in den Begründungserwägungen der Entscheidung die von der belgischen Regierung und Glaverbel in diesem Fall vorgelegten Informationen über die mit der streitigen Investition verbundenen technischen Neuerungen. Die Kommission räumt an dieser Stelle ein, daß das begünstigte Unternehmen der erste Hersteller in Europa sei, der ein Verfahren anwende, bei demenergiesparende Schichten unmittelbar auf den Float aufgetragen würden. Sie vertritt jedoch die Auffassung, daß dieser Umstand an ihrer Beurteilung nichts ändern könne. Es sei zu bedenken, daß für die Beschichtung des Glases zwei verschiedene Verfahren angewandt werden könnten, die Erzeugnisse hervorbrächten, die nach ihrer Zusammensetzung unterschiedlich seien, zum Teil aber demselben Verwendungszweck, nämlich der Isolierung in Gebäuden, dienten. Angesichts der bestehenden Überkapazitäten auf dem Sektor des beschichteten und vorgespannten Flachglases würde die vorgesehene Beihilfe die Handelsbedingungen in einem dem gemeinsamem Interesse zuwiderlaufenden Masse beeinträchtigen, selbst wenn mit der Investition technische Neuerungen einhergehen würden.

31 Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Kommission davon ausgegangen ist, daß die streitige Investition der Erneuerung einer Floatanlage gedient habe und die Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige nicht als das Ziel einer solchen Erneuerung angenommen werden könne, selbst wenn mit dieser Erneuerung eine technische Innovation einhergehe. Sodann hat sie ausgeführt, selbst dann, wenn eine solche Erneuerung einen technischen Fortschritt darstellte, der unter dem Blickwinkel der wirtschaftlichen Entwicklung im Sinne des Absatzes 3 Buchstabe c betrachtet werden könnte, könnte dies im Fall der Flachglasindustrie eine auf diese Bestimmung gestützte Ausnahme nicht rechtfertigen, weil die Beihilfemaßnahme angesichts der Überkapazitäten die Lage anderer Unternehmen berühren und somit dem gemeinsamem Interesse widersprechen würde.

32 Zunächst ist festzustellen, daß diese Argumentationslinie verständlich ist. Sie gestattet den Betroffenen, die Gründe der ablehnenden Kommissionsentscheidung kennenzulernen, und ermöglicht dem Gerichtshof die Kontrolle dieser Gründe. Der Klagegrund der mangelhaften Begründung ist daher zurückzuweisen.

33 Was die Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c betrifft, so ist zunächst festzustellen, daß die Kläger nicht die Tatsachen bestritten haben, auf die die Kommission sich gestützt hat. Insbesondere haben sie zugegeben, daß eine Floatanlage regelmässig erneuert werden muß und daß im vorliegenden Fall die betreffende Anlage erneuerungsbedürftig war. Zwar haben die Kläger bestritten, daß es auf dem Flachglasmarkt Überkapazitäten gebe, sie haben diese Behauptung aber auf Gründe gestützt, die bereits oben geprüft und zurückgewiesen wurden.

34 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission bei der Anwendung des Absatzes 3 Buchstabe c ebenso wie bei der des Absatzes 3 Buchstabe b über ein Ermessen verfügt. Insbesondere ist es ihre Aufgabe zu ermitteln, ob die Bedingungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten durch eine Beihilfe in einer Weise beeinträchtigt werden, "die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft ". Die Kläger haben nichts vorgetragen, was dafür sprechen könnte, daß die Kommission bei dieser Beurteilung ihr Ermessen überschritten oder einen offenkundigen Fehler begangen hätte.

35 Nach alledem sind die Klagegründe, die sich auf eine Verletzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c und die insoweit angeblich unzureichende Begründung stützen, zurückzuweisen.

D - Grundsatz des rechtlichen Gehörs

36 Der Exécutif wallon rügt, daß die angefochtene Entscheidung auf Erklärungen verweise, die im Verwaltungsverfahren von zwei anderen Mitgliedstaaten, einem Wirtschaftsverband und einer Herstellergruppe des gleichen Sektors vorgelegt worden seien, und sich bei den Produktions - und Handelszahlen auf eine Stellungnahme der europäischen Vereinigung der Flachglashersteller von 1985 stütze, obwohl diese Unterlagen dem Kläger nicht mitgeteilt worden seien, so daß er sich dazu nicht in geeigneter Weise habe äussern können.

37 Die Entscheidung der Kommission bezieht sich auf die Erklärungen der beiden Regierungen, eines Wirtschaftsverbands und einer Herstellergruppe mit dem Hinweis, daß diese im Rahmen der Konsultation nach Artikel 93 Absatz 2 Unterabsatz 1 vorgelegt worden seien. Die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, beziehen sich an keiner Stelle auf diese Erklärungen; auch ohne ihre Kenntnis waren die Betroffenen somit über die Gründe der Entscheidung vollständig unterrichtet.

38 Was die Zahlen betrifft, die die Kommission einer Stellungnahme der europäischen Vereinigung der Flachglashersteller entnommen hatte, so ergibt sich aus der Auskunft, die die Kommission auf die Anfrage des Gerichtshofes hin erteilt hat, daß dieselben Zahlen in dem Schreiben der belgischen Regierung vom 15. November 1985 enthalten waren, mit dem diese die Kommission über ihre Absicht unterrichtete, die Beihilfe zu gewähren. Unter diesen Umständen kann sich der Exécutif wallon, der in bezug auf die Gewährung von Beihilfen in Wallonien als Vertreter des belgischen Staates anzusehen ist, nicht auf seine Unkenntnis dieser Zahlen berufen.

39 Der auf die Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs gestützte Klagegrund ist daher zurückzuweisen.

40 Nach alledem ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

41 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung sind der unterliegenden Partei auf Antrag die Kosten aufzuerlegen. Da die Kläger mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Sechste Kammer )

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Klage wird abgewiesen.

2 ) Die Kläger tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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