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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.11.1990
Aktenzeichen: 67/88
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 30
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat verstösst gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag, wenn er das Inverkehrbringen von pflanzlichen Speiseölen ausser Olivenöl sowie von Margarine, hydrierten Speisefetten und festen Speisefetten tierischen und pflanzlichen Ursprungs ausser Butter und Schweinefetten, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, vom Zusatz von Sesamöl mit färbender Wirkung abhängig macht.

Eine solche Maßnahme, mit der bestimmte betrügerische Praktiken zur Täuschung des Verbrauchers bekämpft werden sollen, ist nämlich nicht geeignet, diesen Zweck wirksam zu erreichen, und daher nicht notwendig, um den zwingenden Erfordernissen der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes gerecht zu werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. NOVEMBER 1990. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN ITALIENISCHE REPUBLIK. - MASSNAHME GLEICHER WIRKUNG - VERPFLICHTUNG, BESTIMMTEN SPEISEFETTEN SESAMOEL MIT FAERBENDER WIRKUNG ZUZUSETZEN. - RECHTSSACHE 67/88.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 3. März 1988 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie das Inverkehrbringen von pflanzlichen Speiseölen ausser Olivenöl sowie von Margarine, hydrierten Speisefetten und festen Speisefetten tierischen und pflanzlichen Ursprungs ausser Butter und Schweinefetten, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, vom Zusatz von Sesamöl mit färbender Wirkung abhängig macht.

2 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Vorbringens der Parteien wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

3 Zunächst ist festzustellen, daß die italienische Regierung nicht in Abrede stellt, daß die in der italienischen Regelung vorgesehene Verpflichtung, den betreffenden Erzeugnissen Sesamöl zuzusetzen, in bezug auf die Erzeugnisse, die nach Italien eingeführt werden, um dort in den Verkehr gebracht zu werden, eine nach Artikel 30 EWG-Vertrag verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmässige Beschränkung darstellt. Die Parteien streiten darüber, ob die fraglichen Bestimmungen durch zwingende Erfordernisse der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sind.

4 Wie der Gerichtshof seit seinem Urteil vom 20. Februar 1979 in der Rechtssache 120/78 ( Rewe, Slg. 1979, 649 ) wiederholt festgestellt hat, sind in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung des Inverkehrbringens der fraglichen Erzeugnisse Hemmnisse für den freien Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus Unterschieden der einzelstaatlichen Regelungen ergeben, hinzunehmen, soweit diese Regelungen auf einheimische wie eingeführte Erzeugnisse unterschiedslos Anwendung finden und durch zwingende Erfordernisse unter anderem der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes gerechtfertigt sind. Die fragliche nationale Regelung muß allerdings dem angestrebten Zweck angemessen sein. Hat ein Mitgliedstaat die Wahl zwischen verschiedenen Maßnahmen, die zur Erreichung desselben Zwecks geeignet sind, so muß er das Mittel wählen, das die geringsten Hemmnisse für die Freiheit des Handelsverkehrs schafft.

5 Im vorliegenden Fall trägt die italienische Regierung vor, die Verpflichtung, Sesamöl mit färbender Wirkung zuzusetzen, erweise sich als unverzichtbar zur Bekämpfung bestimmter betrügerischer Praktiken zur Täuschung des Verbrauchers, besonders im Olivenölsektor. Auch könne dieses Ziel nicht durch eine entsprechende Kennzeichnung erreicht werden; zudem mache die Maßnahme Laboranalysen überfluessig, deren Zuverlässigkeit die italienische Regierung beim gegenwärtigen Stand der Technik im übrigen bezweifelt.

6 Insoweit genügt die Feststellung, daß die Verpflichtung, anderen pflanzlichen Speiseölen Sesamöl zuzusetzen, nicht geeignet ist, den Zweck, den Verbraucher vor der irreführenden Mischung aus Olivenöl und anderen Ölen zu schützen, zu verwirklichen. Diese Verpflichtung besteht nämlich nicht allgemein, da sie nur Öl betrifft, das zur Verwendung als Nahrungsmittel bestimmt ist, wie es Artikel 13 des italienischen Ministerialdekrets vom 18. Dezember 1975 ( GURI Nr. 340 vom 27. 12. 1975 ) vorsieht. Die mündliche Verhandlung hat ergeben, daß pflanzliche Öle, denen kein Sesamöl zugesetzt wurde, auf dem italienischen Markt ohne Schwierigkeiten abgesetzt werden können.

7 Ausserdem wird weder für einheimische noch für eingeführte Erzeugnisse wirksam kontrolliert, ob Sesamöl auch dann tatsächlich zugesetzt wurde, wenn die eingeführten Erzeugnisse aus Ländern stammen, in denen eine Verpflichtung, Sesamöl zuzusetzen, nicht besteht. Bei dieser Sachlage wird ein Erzeuger mit Betrugsabsicht natürlich pflanzliche Öle, denen kein Sesamöl zugesetzt wurde, kaufen, um sie mit Olivenöl zu vermischen.

8 Daher ist festzustellen, daß die fragliche Maßnahme nicht notwendig ist, um den genannten zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, da sie nicht geeignet ist, den angestrebten Zweck wirksam zu erreichen.

9 Im übrigen ermöglichen es eine entsprechende Kennzeichnung und die Anwendung wissenschaftlicher Methoden, Olivenöl von anderen zur Verwendung als Nahrungsmittel bestimmten Ölen zu unterscheiden; derartige Methoden sind in Artikel 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1058/77 der Kommission vom 18. Mai 1977 über Merkmale von Olivenöl und einigen Olivenöl enthaltenden Erzeugnissen ( ABl. L 128, S. 6 ) und im Anhang VIII dieser Verordnung (" Nachweis von anderen Ölen im Olivenöl ") aufgeführt.

10 Somit ist festzustellen, daß die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen hat, daß sie das Inverkehrbringen von pflanzlichen Speiseölen ausser Olivenöl sowie von Margarine, hydrierten Speisefetten und festen Speisefetten tierischen und pflanzlichen Ursprungs ausser Butter und Schweinefetten, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, vom Zusatz von Sesamöl mit färbender Wirkung abhängig macht.

Kostenentscheidung:

Kosten

11 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Beklagte mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Die Italienische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 30 EWG-Vertrag verstossen, daß sie das Inverkehrbringen von pflanzlichen Speiseölen ausser Olivenöl sowie von Margarine, hydrierten Speisefetten und festen Speisefetten tierischen und pflanzlichen Ursprungs ausser Butter und Schweinefetten, die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden, vom Zusatz von Sesamöl mit färbender Wirkung abhängig macht.

2 ) Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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