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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 28.04.1988
Aktenzeichen: 76/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 95
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein System der Besteuerung von Kraftfahrzeugen, das zum einen durch die Schaffung einer Steuerstufe, die einen grösseren Bereich der steuerlichen Nutzleistung umfasst als die übrigen Steuerstufen, die normale Steuerprogression zugunsten der im Inland hergestellten Fahrzeuge der Oberklasse bremst und nach dem zum anderen die steuerliche Nutzleistung nach einer für die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Fahrzeuge ungünstigen Methode bestimmt wird, hat eine diskriminierende oder protektionistische Wirkung im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (ERSTE KAMMER) VOM 28. APRIL 1988. - GEORGES SEGUELA UND ANDERE GEGEN ADMINISTRATION DES IMPOTS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE SAINT-BRIEUC. - ARTIKEL 95 - GESTAFFELTE STEUER AUF KRAFTFAHRZEUGE. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 76, 86 BIS 89 UND 149/87.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal de grande instance Saint-Brieuc und das Tribunal de grande instance Nancy haben mit Urteilen vom 9. Dezember 1986, vom 5. und vom 12. März und vom 7. Mai 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 16. und am 23. März und am 13. Mai 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung des Artikels 95 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in mehreren Rechtsstreitigkeiten zwischen G. Següla, A. Lachkar, J. Bayon, J.-M. Bayon, P. Dellestable und F. Sargos ( im folgenden : Kläger der Ausgangsverfahren ) und der Administration des impôts wegen Rückzahlung von nach Auffassung der Kläger ohne Rechtsgrund gezahlten Kraftfahrzeugsteuern.

3 Die Kläger der Ausgangsverfahren sind Eigentümer von Kraftfahrzeugen deutscher und britischer Herstellung mit einer steuerlichen Nutzleistung von mehr als 16 PS. Sie zahlten für verschiedene Steuerperioden zwischen 1980 und 1985 die feste Sondersteuer, die seinerzeit gemäß Artikel 1007 des Code général des impôts für derartige Fahrzeuge galt.

4 Nach Auffassung der Kläger der Ausgangsverfahren stand die feste Sondersteuer im Widerspruch zu Artikel 95 EWG-Vertrag, da sie den Kauf von Fahrzeugen ausländischer Herstellung, die die einzigen Fahrzeuge mit einer steuerlichen Nutzleistung von mehr als 16 PS seien, bestrafe. Sie legten Beschwerden bei der Administration des impôts ein und beantragten für jedes Steuerjahr die Rückzahlung des Unterschieds zwischen der gezahlten festen Sondersteuer und dem Hoechstbetrag der für Fahrzeuge französischer Herstellung geltenden gestaffelten Steuer.

5 Am 9. Mai 1985, während diese Beschwerden noch anhängig waren, hat der Gerichtshof ein Urteil erlassen, in dem er entschieden hat, daß eine Steuer, die die Merkmale der französischen festen Sondersteuer aufweist, gegen Artikel 95 EWG-Vertrag verstösst ( Rechtssache 112/84, Humblot, Slg. 1985, 1367 ).

6 Um diesem Urteil nachzukommen, erließ der französische Gesetzgeber Artikel 18 des Gesetzes Nr. 85-695 vom 11. Juli 1985 mit verschiedenen Wirtschafts - und Finanzbestimmungen ( JORF vom 12. 7. 1985, S. 7855 ). Durch diese Vorschrift wurde die feste Sondersteuer abgeschafft und durch eine gestaffelte Steuer ersetzt. Ferner wurde vorgesehen, daß den Steuerpflichtigen der Unterschied zwischen dem Betrag der früheren festen Sondersteuer und dem Betrag der der steuerlichen Nutzleistung ihres Fahrzeugs entsprechenden neuen gestaffelten Steuer erlassen werden kann.

7 Aufgrund dieser Vorschrift gab die Administration des impôts den Beschwerden der Kläger der Ausgangsverfahren teilweise statt und gewährte ihnen für jedes fragliche Steuerjahr den in dieser Vorschrift vorgesehenen Erlaß; im übrigen wurden die Beschwerden zurückgewiesen.

8 Die Kläger der Ausgangsverfahren meinen, daß auch die neuen Rechtsvorschriften gegen Artikel 95 EWG-Vertrag verstießen, da die ausländischen Fahrzeuge weiterhin höher besteuert würden als die vergleichbaren französischen Fahrzeuge. Ihrer Meinung nach hätte die Administration des impôts ihnen nicht den Unterschied zwischen dem Betrag der früheren festen Sondersteuer und der neuen, der steuerlichen Nutzleistung ihrer Fahrzeuge entsprechenden gestaffelten Steuer zurückzahlen müssen, sondern den Unterschied zwischen dem Betrag der früheren festen Sondersteuer und der auf Fahrzeuge französischer Herstellung anwendbaren höchsten gestaffelten Steuer. Sie verklagten deshalb die Administration des impôts auf Rückzahlung des letztgenannten Differenzbetrags abzueglich des Betrags, der Gegenstand des ihnen gewährten teilweisen Erlasses war.

9 Nach Auffassung der angerufenen Gerichte ist fraglich, ob Artikel 18 des Gesetzes vom 11. Juli 1985 mit Artikel 95 EWG-Vertrag vereinbar ist. Sie haben deshalb beschlossen, den Gerichtshof im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens dazu zu befragen.

10 Die Frage des Tribunal de grande instance Saint-Brieuc lautet wie folgt :

"Ist es aufgrund von Artikel 95 EWG-Vertrag verboten, Personenkraftwagen mit einer steuerlichen Nutzleistung, die die höchste steuerliche Nutzleistung der derzeit in Frankreich hergestellten Personenkraftwagen überschreitet, einer gestaffelten Steuer zu unterwerfen, die im Bereich über 16 PS unvergleichlich höher ist als darunter?"

11 Die vom Tribunal de grande instance Nancy gestellte Frage lautet :

"Ist es nach Artikel 95 EWG-Vertrag, gegebenenfalls in Verbindung mit anderen Vorschriften oder wesentlichen Grundsätzen dieses Vertrages, zulässig, daß ein Mitgliedstaat Kraftfahrzeuge, deren steuerliche Nutzleistung eine bestimmte Grenze übersteigt, einer gestaffelten Steuer unterwirft, deren Betrag progressiv nach Maßgabe dieser steuerlichen Nutzleistung steigt, wobei dieses Kriterium durch eine Formel definiert ist, die darauf hinausläuft, daß Fahrzeuge mit einem bestimmten Hubraum - die in Frankreich nicht hergestellt und insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten eingeführt werden - unter die Steuerprogression fallen?"

12 Es ist darauf hinzuweisen, daß der Gerichtshof nach Erlaß der diesen verbundenen Rechtssachen zugrunde liegenden Vorlageurteile mit Urteil vom 17. September 1987 in der Rechtssache 433/85 ( Feldain, Slg. 1987, 3521 ) zu einer Frage Stellung genommen hat, die denselben Gegenstand hat und die sich in einem Rechtsstreit über die Anwendung derselben nationalen Rechtsvorschriften stellte.

13 Die Prüfung der vorliegenden Rechtssache hat keinen neuen Gesichtspunkt gegenüber der Rechtssache 433/85 ergeben. Unter diesen Umständen genügt es, auf die Begründung des vorgenannten Urteils vom 17. September 1987 ( siehe Slg. 1987, 3521 ) zu verweisen.

14 Auf die Fragen des Tribunal de grande instance Saint-Brieuc und des Tribunal de grande instance Nancy ist somit zu antworten, daß, wie der Gerichtshof in seinem Urteil vom 17. September 1987 entschieden hat, ein System der Besteuerung von Kraftfahrzeugen, das zum einen durch die Schaffung einer Steuerstufe, die einen grösseren Bereich der steuerlichen Nutzleistung umfasst als die übrigen Steuerstufen, die normale Steuerprogression zugunsten der im Inland hergestellten Fahrzeuge der Oberklasse bremst und nach dem zum anderen die steuerliche Nutzleistung nach einer für die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Fahrzeuge ungünstigen Methode bestimmt wird, eine diskriminierende oder protektionistische Wirkung im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

15 Die Auslagen der Regierung der Französischen Republik, des Vereinigten Königreichs und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei den nationalen Gerichten anhängigen Rechtsstreitigkeiten. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Erste Kammer )

auf die ihm vom Tribunal de grande instance Saint-Brieuc mit Urteil vom 9. Dezember 1986 und vom Tribunal de grande instance Nancy mit Urteilen vom 5. und vom 12. März und vom 7. Mai 1987 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

Ein System der Besteuerung von Kraftfahrzeugen, das zum einen durch die Schaffung einer Steuerstufe, die einen grösseren Bereich der steuerlichen Nutzleistung umfasst als die übrigen Steuerstufen, die normale Steuerprogression zugunsten der im Inland hergestellten Fahrzeuge der Oberklasse bremst und nach dem zum anderen die steuerliche Nutzleistung nach einer für die aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Fahrzeuge ungünstigen Methode bestimmt wird, hat eine diskriminierende oder protektionistische Wirkung im Sinne des Artikels 95 EWG-Vertrag.

Ende der Entscheidung

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