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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.09.1988
Aktenzeichen: 89/85
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 85
EWGV Art. 173 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Wenn ausserhalb der Gemeinschaft ansässige Hersteller direkt an in der Gemeinschaft ansässige Abnehmer verkaufen und in einen Preiswettbewerb miteinander treten, um Aufträge dieser Kunden zu erhalten, findet ein Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes statt.

Daraus folgt, daß diese Hersteller, wenn sie sich über die Preise abstimmen, die sie ihren in der Gemeinschaft ansässigen Kunden bewilligen werden, und diese Abstimmung durchführen, indem sie zu tatsächlich koordinierten Preisen verkaufen, an einer Abstimmung beteiligt sind, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag bezweckt oder bewirkt.

Die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung ihrer Wettbewerbsvorschriften auf derartige Verhaltensweisen ist durch das Territorialitätsprinzip gedeckt, das im Völkerrecht allgemein anerkannt ist. Für die Ahndung der Kartelle ist nämlich der Ort entscheidend, an dem das Kartell durchgeführt wird, und nicht der, an dem es gebildet wird. Es ist unerheblich, ob die Hersteller in der Gemeinschaft ansässige Tochterunternehmen, Agenten, Unteragenten oder Zweigniederlassungen eingeschaltet haben, um Kontakte zwischen sich und den dort ansässigen Abnehmern zu knüpfen, oder ob sie das nicht getan haben.

2. Da zwischen dem Verhalten, das den im Gemeinsamen Markt tätigen Unternehmen eines Drittstaats nach den gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften einerseits und den Rechtsvorschriften dieses Drittstaats, der Exportkartelle genehmigt, ohne zu ihrem Abschluß zu verpflichten, andererseits vorgeschrieben ist, kein Widerspruch besteht, gibt es völkerrechtlich keinen Konflikt hinsichtlich der Ausübung verschiedener staatlicher Kompetenzen, dessen Lösung in der Anwendung eines Interventionsverbots gesucht werden müsste.

3. Die Artikel 23 und 27 des Freihandelsabkommens zwischen der Gemeinschaft und Finnland schließen die Anwendung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag nicht aus.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 27. SEPTEMBER 1988. - " ZELLSTOFF " GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - AUFEINANDER ABGESTIMMTE VERHALTENSWEISEN VON IN DRITTLAENDERN NIEDERGELASSENEN UNTERNEHMEN BEZUEGLICH DER VERKAUFSPREISE FUER IN DER GEMEINSCHAFT ANSAESSIGE KAEUFER. - VERBUNDENE RECHTSSACHEN 89/85, 104/85, 114/85, 116/85, 117/85, 125 BIS 129/85.

Entscheidungsgründe:

1 Eine Reihe von Zellstoffherstellern sowie zwei ihrer Verbände, die alle ihren Sitz ausserhalb der Gemeinschaft haben, haben mit Klageschriften, die zwischen dem 4. und 30. April 1985 beim Gerichtshof eingegangen sind, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung IV/29.725 der Kommission vom 19. Dezember 1984 ( ABl. L 85 vom 26. 3. 1985, S. 1 ), in der die Kommission feststellte, daß sie mehrere Verstösse gegen Artikel 85 EWG-Vertrag begangen hätten, und gegen sie Geldbussen festsetzte.

2 Bei diesen Verstössen handelte es sich nach der Entscheidung um eine von den genannten Herstellern vorgenommene Abstimmung über die den in der Gemeinschaft ansässigen Kunden vierteljährlich angekündigten Preise und die diesen gegenüber tatsächlich praktizierten Verkaufspreise ( siehe Artikel 1 Absätze 1 und 2 der Entscheidung ), um Preisempfehlungen, die die Pulp, Paper and Paper Board Export Association of the United States ( im folgenden : KEA, früherer Name : Kraft Export Association ), zu der eine Reihe von in den Vereinigten Staaten ansässigen Herstellern gehören, an ihre Mitglieder gerichtet habe ( siehe Artikel 1 Absatz 3 ), und im Fall der Fincell, der gemeinsamen Verkaufsorganisation von ungefähr zehn in Finnland ansässigen Herstellern, um den Austausch von individualisierten Preisangaben mit bestimmten anderen Zellstoffherstellern im Rahmen des Forschungs - und Informationszentrums für die europäische Zellstoff - und Papierindustrie, das von der Schweizer Treuhandgesellschaft Fides geleitet wird ( siehe Artikel 1 Absatz 4 ).

3 Die Kommission gab in Absatz 79 der streitigen Entscheidung die Gründe an, aus denen sich ihrer Meinung nach die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung des Artikels 85 EWG-Vertrag auf die genannte Abstimmung ergibt. Sie führte zunächst aus, daß alle Unternehmen, die Adressaten der Entscheidung waren, entweder direkt an in der Gemeinschaft ansässige Käufer exportiert oder in der Gemeinschaft über dort ansässige Tochterunternehmen, Zweigniederlassungen, Agenturen oder andere Einrichtungen Geschäfte gemacht hätten. Sie bemerkte weiter, daß die überwiegende Anzahl der Fälle, in denen diese Unternehmen Verkäufe in die EWG und innerhalb der EWG vorgenommen hätten, Gegenstand der Abstimmung gewesen sei. Sie wies schließlich darauf hin, daß von dieser Abstimmung zwei Drittel der Lieferungen und 60 % des Verbrauchs des fraglichen Erzeugnisses in der EWG betroffen gewesen seien. Die Kommission gelangte daher zu folgendem Ergebnis : "Die Auswirkungen der Vereinbarungen und Verhaltensweisen auf die angekündigten und/oder den Abnehmern in Rechnung gestellten Preise sowie auf den Weiterverkauf von Zellstoff in der EWG waren... durchaus erheblich sowie auch beabsichtigt, und das hauptsächliche und direkte Ergebnis der Vereinbarungen und Verhaltensweisen."

4 Was insbesondere die in Finnland ansässigen Unternehmen und ihre Vereinigung Fincell angeht, führte die Kommission in Absatz 80 der Entscheidung aus, das Freihandelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Finnland ( ABl. L 328 vom 28. 11. 1973, S. 1 ) enthalte "keine Regelung, daß die Kommission Artikel 85 Absatz 1 EWG-Vertrag nicht unmittelbar anwenden dürfe, wenn der Handel zwischen Mitgliedstaaten berührt ist ".

5 Mehrere Klägerinnen haben das Fehlen der Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften ihnen gegenüber gerügt. Der Gerichtshof hat am 8. Juli 1987 beschlossen, die Parteien zunächst zu diesem Klagegrund zu hören. Er hat die Rechtssachen durch Beschluß vom 16. Dezember 1987 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

6 Alle Klägerinnen, die das Fehlen der Zuständigkeit gerügt haben, machen zunächst geltend, daß die Kommission bei der Anwendung der Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags ihnen gegenüber den räumlichen Geltungsbereich des Artikels 85 falsch beurteilt habe. Sie weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, daß der Gerichtshof sich in seinem Urteil vom 14. Juli 1972 in der Rechtssache 48/69 ( ICI/Kommission, Slg. 1972, 619 ) nicht das Auswirkungsprinzip zu eigen gemacht habe, sondern darauf abgestellt habe, daß aufgrund des Vorgehens von Tochtergesellschaften, das den Muttergesellschaften habe zugerechnet werden können, ein wettbewerbsbeschränkendes Verhalten innerhalb des Gemeinsamen Marktes stattgefunden habe. Sie fügen hinzu, selbst wenn es für die Anwendung des Artikels 85 ihnen gegenüber eine Grundlage im Gemeinschaftsrecht gäbe, verstieße der Rechtsakt, mit dem die so ausgelegte Vorschrift angewandt werde, gegen das Völkerrecht, denn dieses verbiete es der Gemeinschaft, gegen wettbewerbsbeschränkende Verhaltensweisen, die ausserhalb ihres Gebietes stattgefunden hätten, vorzugehen, nur weil sie in diesem Gebiet wirtschaftliche Auswirkungen gehabt hätten.

7 Die Klägerinnen, die Mitglieder der KEA sind, tragen ausserdem vor, eine solche Anwendung verstosse gegen das Völkerrecht, da sie das Interventionsverbot verletze. Im vorliegenden Fall habe die Anwendung des Artikels 85 dem Interesse der Vereinigten Staaten an einer Förderung der Ausfuhrtätigkeiten ihrer Unternehmen geschadet, das diese im Webb-Pomerene Act von 1918 verankert hätten, wonach Exportvereinigungen wie die KEA nicht den amerikanischen Antitrustgesetzen unterlägen.

8 Einige kanadische Klägerinnen haben ebenfalls vorgetragen, die Gemeinschaft habe dadurch, daß sie ihnen Geldbussen auferlegt und deren Herabsetzung von einer Verpflichtungserklärung in bezug auf ihr künftiges Verhalten abhängig gemacht habe, die Souveränität Kanadas verletzt und damit gegen die Völkercourtoisie ( comitas gentium ) verstossen.

9 Die finnischen Klägerinnen meinen, auf jeden Fall dürften nur die im Freihandelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Finnland enthaltenen Wettbewerbsvorschriften auf ihr Verhalten angewandt werden, nicht dagegen Artikel 85 EWG-Vertrag; die Gemeinschaft hätte deshalb Finnland gemäß Artikel 27 dieses Abkommens zu den Maßnahmen konsultieren müssen, die sie wegen des fraglichen Kartells zu ergreifen beabsichtigte.

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts, des Verfahrensablaufs und des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur falschen Beurteilung des räumlichen Geltungsbereichs des Artikels 85 EWG-Vertrag und zur Völkerrechtswidrigkeit der Entscheidung

a ) Die Einzelunternehmen

11 Soweit die Verletzung des Artikels 85 EWG-Vertrag gerügt wird, ist daran zu erinnern, daß nach dieser Bestimmung alle Vereinbarungen oder aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Unternehmen verboten sind, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken.

12 Sodann ist darauf hinzuweisen, daß sich die Hauptbezugsquellen für Zellstoff ausserhalb der Gemeinschaft befinden, nämlich in Kanada, den Vereinigten Staaten, Schweden und Finnland, und daß der Markt daher eine weltweite Dimension besitzt. Wenn in diesen Ländern ansässige Zellstoffhersteller direkt an in der Gemeinschaft ansässige Abnehmer verkaufen und in einen Preiswettbewerb miteinander treten, um Aufträge dieser Kunden zu erhalten, findet ein Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes statt.

13 Daraus folgt, daß diese Hersteller, wenn sie sich über die Preise abstimmen, die sie ihren in der Gemeinschaft ansässigen Kunden bewilligen werden, und diese Abstimmung durchführen, indem sie zu tatsächlich koordinierten Preisen verkaufen, an einer Abstimmung beteiligt sind, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes im Sinne des Artikels 85 EWG-Vertrag bezweckt oder bewirkt.

14 Mithin ist festzustellen, daß die Kommission den räumlichen Geltungsbereich des Artikels 85 nicht falsch beurteilt hat, als sie unter den Umständen des vorliegenden Falles die Wettbewerbsvorschriften des EWG-Vertrags auf Unternehmen angewandt hat, die ihren Sitz ausserhalb der Gemeinschaft haben.

15 Soweit die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit dem Völkerrecht gerügt wird, machen die Klägerinnen geltend, die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften im vorliegenden Fall sei allein auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der wettbewerbsbeschränkenden Verhaltensweisen innerhalb des Gemeinsamen Marktes gestützt worden, die ausserhalb der Gemeinschaft vorgenommen worden seien.

16 Dazu ist zu bemerken, daß ein Verstoß gegen Artikel 85, wie der Abschluß einer Vereinbarung, die eine Einschränkung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bewirkt hat, zwei Verhaltensmerkmale aufweist, nämlich die Bildung des Kartells und seine Durchführung. Wenn man die Anwendbarkeit der wettbewerbsrechtlichen Verbote von dem Ort der Bildung des Kartells abhängig machen würde, so liefe dies offensichtlich darauf hinaus, daß den Unternehmen ein einfaches Mittel an die Hand gegeben würde, sich diesen Verboten zu entziehen. Entscheidend ist somit der Ort, an dem das Kartell durchgeführt wird.

17 Im vorliegenden Fall haben die Hersteller ihr Preiskartell innerhalb des Gemeinsamen Marktes durchgeführt. Dabei ist es unerheblich, ob sie in der Gemeinschaft ansässige Tochterunternehmen, Agenten, Unteragenten oder Zweigniederlassungen eingeschaltet haben, um Kontakte zwischen sich und den dort ansässigen Abnehmern zu knüpfen, oder ob sie das nicht getan haben.

18 Unter diesen Umständen ist die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung ihrer Wettbewerbsvorschriften auf derartige Verhaltensweisen durch das Territorialitätsprinzip gedeckt, das im Völkerrecht allgemein anerkannt ist.

19 Zu dem Argument, das Interventionsverbot sei verletzt, ist festzustellen, daß sich die Klägerinnen, die Mitglieder der KEA sind, auf eine Regel bezogen haben, wonach dann, wenn zwei Staaten für den Erlaß und die Durchführung von Vorschriften zuständig seien und ihre Vorschriften dazu führten, daß jemandem widersprüchliche Anordnungen für sein Verhalten erteilt würden, jeder Staat verpflichtet sei, seine Zuständigkeit maßvoll auszuüben. Die Klägerinnen leiten daraus her, daß die Gemeinschaft dadurch, daß sie ihr Wettbewerbsrecht unter Verstoß gegen diese Regel angewandt habe, das Interventionsverbot verletzt habe.

20 Ohne daß die Frage geprüft zu werden braucht, ob es im Völkerrecht eine derartige Regel gibt, genügt die Feststellung, daß ihre Tatbestandsmerkmale jedenfalls nicht erfuellt sind. Im vorliegenden Fall besteht nämlich kein Widerspruch zwischen dem von den Vereinigten Staaten und dem von der Gemeinschaft vorgeschriebenen Verhalten, denn der Webb-Pomerene Act beschränkt sich darauf, die Vereinbarung von Exportkartellen von der Anwendung der amerikanischen Antitrustgesetze auszunehmen, ohne zum Abschluß solcher Vereinbarungen zu verpflichten.

21 Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Behörden der Vereinigten Staaten keine Einwände aufgrund eines eventuellen Kompetenzkonflikts erhoben haben, als sie von der Kommission gemäß der Empfehlung des Rates der ÖCD vom 25. Oktober 1979 ( Rechtsakte der Organisation, Band 19, S. 376 ) über die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten im Fall von Handelspraktiken, die den internationalen Handelsverkehr beschränken, konsultiert wurden.

22 Zu dem Argument, die Völkercourtoisie ( comitas gentium ) sei nicht beachtet worden, ist lediglich zu bemerken, daß dieses Argument darauf hinausläuft, die Zuständigkeit der Gemeinschaft für die Anwendung ihrer Wettbewerbsvorschriften auf Verhaltensweisen wie diejenigen, die im vorliegenden Fall festgestellt wurden, in Frage zu stellen und daß dieses Argument bereits zurückgewiesen worden ist.

23 Mithin ist festzustellen, daß die Entscheidung der Kommission weder gegen Artikel 85 EWG-Vertrag noch gegen die von den Klägerinnen herangezogenen Regeln des Völkerrechts verstösst.

b ) Die Vereinigung KEA

24 Aus der Satzung der KEA ergibt sich, daß diese eine gemeinnützige Vereinigung ist, die den Zweck hat, die kommerziellen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, wenn diese ihre Erzeugnisse ausführen, und daß sie im wesentlichen als Zentrum für den Informationsaustausch für ihre Mitglieder über deren Exportmärkte dient. Die KEA selbst ist nicht in Herstellung, Verkauf oder Vertrieb tätig.

25 Ferner ist darauf hinzuweisen, daß sich innerhalb der KEA mehrere Gruppen, unter ihnen insbesondere die Gruppe "Zellstoff", gebildet haben, um die verschiedenen Zweige der Zellstoff - und der Papierindustrie abzudecken. Nach Artikel 1 der Geschäftsordnung der KEA können die Unternehmen dieser Vereinigung nur beitreten, wenn sie Mitglied einer der Gruppen werden, aus denen die KEA besteht. Nach Artikel 2 der Geschäftsordnung können diese Gruppen ihre Angelegenheiten völlig selbständig regeln.

26 Schließlich ist zu bemerken, daß nach einer Grundsatzerklärung der Gruppe "Zellstoff", auf die in Absatz 32 der Entscheidung verwiesen wird, die Mitglieder dieser Gruppe bei ihren von Zeit zu Zeit stattfindenden Zusammenkünften Preisvereinbarungen treffen können, sofern jedes Mitglied im voraus darüber unterrichtet wird, daß die Preise erörtert werden, und bei der fraglichen Zusammenkunft das Quorum erreicht wird. Der einstimmige Beschluß der Anwesenden ist auch für die Mitglieder bindend, die bei der Beschlußfassung abwesend waren.

27 Aus den vorstehenden Überlegungen folgt, daß die Preisempfehlungen der KEA nicht von den Preisvereinbarungen zu unterscheiden sind, die von den Unternehmen, die Mitglieder der Gruppe "Zellstoff" sind, getroffen wurden, und daß die KEA keine eigene Rolle bei der Durchführung dieser Vereinbarungen gespielt hat.

28 Unter diesen Umständen ist die Entscheidung insoweit aufzuheben, als sie die KEA betrifft.

Zur ausschließlichen Anwendung der im Freihandelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Finnland enthaltenen Wettbewerbsvorschriften

29 Es ist zu prüfen, ob, wie die Klägerinnen vortragen, Artikel 23 und 27 des Freihandelsabkommens die Anwendung von Artikel 85 EWG-Vertrag auf die Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und Finnland ausschließen.

30 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, daß nach Artikel 23 Absatz 1 des Freihandelsabkommens mit dem guten Funktionieren dieses Abkommens insbesondere alle Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, unvereinbar sind, soweit sie geeignet sind, den Warenverkehr zwischen der Gemeinschaft und Finnland zu beeinträchtigen. Nach Artikel 23 Absatz 2 kann eine Vertragspartei, die der Auffassung ist, daß eine Praktik mit diesem Artikel unvereinbar ist, gemäß dem in Artikel 27 festgelegten Verfahren geeignete Maßnahmen treffen. Im Rahmen dieses Verfahrens konsultiert sie die andere Vertragspartei in einem Gemischten Ausschuß, um zu einer Einigung über die Maßnahmen zu gelangen, die sie zu treffen beabsichtigt, um die beanstandeten Praktiken abzustellen. Kommt es zu keiner Einigung, so kann die betroffene Vertragspartei Schutzmaßnahmen ergreifen.

31 Weiterhin ist zu bemerken, daß die Artikel 23 und 27 des Freihandelsabkommens voraussetzen, daß die Vertragsparteien über Vorschriften verfügen, die es ihnen ermöglichen, die Kartelle zu verfolgen, die sie für mit dem Abkommen unvereinbar halten. Was die Gemeinschaft betrifft, können diese Vorschriften nur die Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag sein. Das Freihandelsabkommen schließt somit deren Anwendung nicht aus.

32 Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß die Gemeinschaft im vorliegenden Fall ihre Wettbewerbsvorschriften auf die finnischen Klägerinnen nicht deshalb angewandt hat, weil diese sich untereinander abgestimmt haben, sondern weil sie an einer umfassenderen Abstimmung mit amerikanischen, kanadischen und schwedischen Unternehmen beteiligt waren, die den Wettbewerb innerhalb der Gemeinschaft beschränkt hat. Es war daher nicht nur der Warenverkehr mit Finnland beeinträchtigt. In einer solchen Lage hätte die Anrufung des Gemischten Ausschusses nicht zum Erlaß geeigneter Maßnahmen führen können.

33 Der Klagegrund, die im Freihandelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Finnland enthaltenen Wettbewerbsvorschriften seien ausschließlich anzuwenden, ist somit zurückzuweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

vor der Entscheidung über das gesamte Vorbringen der Klägerinnen für Recht erkannt und entschieden :

1 ) Der Klagegrund, der räumliche Geltungsbereich des Artikels 85 EWG-Vertrag sei falsch beurteilt und die Entscheidung IV/29.725 der Kommission vom 19. Dezember 1984 sei völkerrechtswidrig, wird zurückgewiesen.

2 ) Die Entscheidung IV/29.725 der Kommission vom 19. Dezember 1984 wird insoweit aufgehoben, als sie die Pulp, Paper and Paper Board Export Association of the United States betrifft.

3 ) Der Klagegrund, die im Freihandelsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Finnland enthaltenen Wettbewerbsvorschriften seien ausschließlich anzuwenden, wird zurückgewiesen.

4 ) Die Rechtssache wird zur Prüfung des übrigen Vorbringens an die Fünfte Kammer verwiesen.

5 ) Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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