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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.05.1988
Aktenzeichen: 91/87
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag
Vorschriften:
EWG-Vertrag Art. 177 |
Die Verordnung Nr. 2772/75 über Vermarktungsnormen für Eier in der Fassung der Verordnung Nr. 1831/84 ist dahin auszulegen, daß nach ihrem Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 21 Absatz 1 die kumulative Verwendung der Angaben "Güteklasse A" und "frisch" auf Kleinpackungen mit Eiern der Güteklasse A zulässig ist.
URTEIL DES GERICHTSHOFES (ZWEITE KAMMER) VOM 5. MAI 1988. - ERZEUGERGEMEINSCHAFT GUTSHOF-EI GMBH GEGEN LAND RHEINLAND-PFALZ. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG, VORGELEGT VOM VERWALTUNGSGERICHT NEUSTADT AN DER WEINSTRASSE. - VERMARKTUNGSNORMEN FUER EIER - EIER DER GUETEKLASSE A - FRISCHE EIER. - RECHTSSACHE 91/87.
Entscheidungsgründe:
1 Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse hat mit Beschluß vom 20. März 1987, beim Gerichtshof eingegangen am 24. März 1987, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Verordnung Nr. 2772/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über Vermarktungsnormen für Eier ( ABl. L 282, S. 56 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.
2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der deutschen Firma Erzeugergemeinschaft Gutshof-Ei GmbH ( im folgenden : Klägerin ), die Eier der Güteklasse A in Kleinpackungen mit dem Aufdruck : Güteklasse A "frisch" in den Verkehr bringt, und dem Land Rheinland-Pfalz ( im folgenden : Beklagter ). Die zuständigen Behörden des Beklagten waren aufgrund einer 1985 vorgenommenen Kontrolle der Auffassung, daß diese Kennzeichnung gegen die Verordnung Nr. 2772/75 verstosse und somit eine Ordnungswidrigkeit darstelle, da Artikel 6 Absatz 1 dieser Verordnung nur die alternative Verwendung der Angaben "Güteklasse A" oder "frisch" gestatte.
3 Das nationale Gericht, bei dem die Klägerin Klage auf Feststellung erhoben hat, daß die von ihr praktizierte Kennzeichnung, d. h. die kumulative Verwendung der beiden in Rede stehenden Angaben, mit den geltenden Vermarktungsnormen der Gemeinschaft in Einklang stehe, ist der Ansicht, daß die Verordnung Nr. 2772/75 insoweit eine Unklarheit enthalte. Das Gericht hat deshalb den Gerichtshof ersucht, im Wege der Vorabentscheidung über folgende Frage zu befinden :
Ist die Verordnung ( EWG ) Nr. 2772/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über Vermarktungsnormen für Eier ( ABl. L 282, S. 56 ) in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 1831/84 vom 19. Juni 1984 ( ABl. L 172, S. 2, ber. ABl. L 197, S. 66 ), in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 3341/84 vom 28. November 1984 ( ABl. L 312, S. 7 ) und der Verordnung ( EWG ) Nr. 3791/85 vom 20. Dezember 1985 ( ABl. L 367, S. 6 ) dahin auszulegen, daß nach deren Artikel 6 Absatz 1, Artikel 21 in Verbindung mit der der Verordnung vorangestellten Präambel Kleinpackungen mit Eiern der Güteklasse A nur entweder mit der Angabe Güteklasse A oder mit der Angabe "frisch" versehen werden dürfen, oder sind beide Bezeichnungen kumulativ zulässig?
4 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsverfahrens sowie des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.
5 Zu der Frage, welche Angaben zur Bezeichnung der Güteklasse auf einer Kleinpackung mit Eiern der Güteklasse A angebracht werden dürfen, ist zunächst zu bemerken, daß nach Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2772/75 auf Kleinpackungen "in deutlich sichtbarer und leicht lesbarer Schrift... die Güteklasse" der verpackten Eier angegeben werden muß. Ausserdem ist nach Artikel 21 Absatz 1 dieser Verordnung in der Fassung der Verordnung Nr. 1831/84 des Rates vom 19. Juni 1984 zur Änderung der Verordnung Nr. 2772/75 ( ABl. L 172, S. 2 ) die Wahl der möglichen Angaben über die Güteklasse insoweit streng begrenzt, als "die Verpackungen... nur mit den in dieser Verordnung vorgesehenen Angaben versehen werden (( dürfen ))". Schließlich bestimmt Artikel 6 Absatz 1 derselben Verordnung :
"Die Eier werden nach folgenden Güteklassen eingeteilt :
Klasse A oder 'frisch' ,
Klasse B oder '2. Qualität oder haltbar gemacht' ,
Klasse C oder 'aussortiert, für die Nahrungsmittelindustrie bestimmt'."
6 In diesem Zusammenhang vertritt die Klägerin die Auffassung, nirgends in der betreffenden Verordnung werde die kumulative Verwendung der beiden streitigen Angaben verboten, durch die die abstrakte Güteklassenbezeichnung zum besseren Verständnis für den Verbraucher zusätzlich durch das Merkmal konkretisiert werden solle, das die Eier auszeichne, nämlich mit dem Begriff "frisch ". Dies seien synonyme Bezeichnungen zur Beschreibung ein und desselben Sachverhalts, nämlich des Umstands, daß es sich um Eier erster Qualität handele.
7 Die Kommission führt dagegen im wesentlichen aus, die Verwendung der Konjunktion "oder" zwischen den Angaben "Klasse A" und "frisch" zeige, daß die Hersteller und der Handel zwar zwischen beiden Ausdrücken wählen, sie aber nicht gleichzeitig nebeneinander verwenden könnten. Im übrigen könne die kumulative Verwendung dieser Ausdrücke den Verbraucher irreführen; damit verstosse sie gegen den Zweck der Gemeinschaftsregelung. Der Verbraucher, der bei Eiern gleicher Güte - und Preisklasse einmal mit dem Aufdruck "Güteklasse A" allein, das andere Mal mit dem Aufdruck "Güteklasse A - frisch" konfrontiert werde, entscheide sich nämlich, bei völlig gleicher Qualität der Eier, in aller Regel für die Packung, die die Frische der Eier betone.
8 Hierzu ist vorab festzustellen, daß die beschriebenen Kennzeichnungspflichten der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer sanktionsbewehrt sind. Die Mitgliedstaaten müssen nämlich nach Artikel 29 der Verordnung Nr. 2772/75 geeignete Bestimmungen erlassen, damit Zuwiderhandlungen gegen diese Verordnung geahndet werden können. In einem solchen Bereich, in dem jede Ungewißheit über den Inhalt einer den einzelnen auferlegten Pflicht Sanktionen nach sich ziehen kann, verlangt der Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, daß sich der Gerichtshof bei der Auslegung der einschlägigen Vorschriften an deren Wortlaut und offensichtlichen Zielen orientiert.
9 Zum Wortlaut der zitierten Bestimmungen ist zu bemerken, daß die kumulative Verwendung der beiden in Rede stehenden Angaben nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist : Nach Artikel 21 Absatz 1 dürfen die Verpackungen nur mit den "in dieser Verordnung vorgesehenen" Angaben versehen werden; in Artikel 6 Absatz 1 sind aber gerade diese beiden Angaben für die Bezeichnung von Eiern erster Qualität genannt, also "vorgesehen ".
10 Dem steht nicht entgegen, daß die genannten Angaben in Artikel 6 Absatz 1 durch die Konjunktion "oder" getrennt sind. Diese Vorschrift betrifft nämlich nicht die verschiedenen Kennzeichnungsarten, die die Wirtschaftsteilnehmer verwenden dürfen, sondern die abstrakte Einteilung der Eier in die drei vom Rat gewählten Güteklassen, wobei den Buchstaben A, B und C jeweils zum besseren Verständnis konkretere Erläuterungen beigefügt sind.
11 Dies wird durch einen Vergleich mit den Artikeln 11 Absatz 2 und 12 Absatz 2, die die Kennzeichnung der Eier betreffen, bestätigt. Diese Bestimmungen lassen zur Bezeichnung von Eiern der Klassen A und B nur ganz bestimmte Zeichen zu ( für die Klasse A : ein Kreis mit einem bestimmten Durchmesser und Ziffern von einer bestimmten Höhe; für die Klasse B : ein Kreis mit einem bestimmten Durchmesser, in dem der lateinische Buchstabe B enthalten ist, ein gleichseitiges Dreieck von einer bestimmten Seitenlänge oder ein Rhombus von einer bestimmten Höhe und bestimmten Breite ). Hieraus ergibt sich deutlich die Vorgehensweise des Rates in einem Fall, in dem er tatsächlich nur eine Kennzeichnungsart unter Ausschluß aller anderen für zulässig erklären wollte.
12 Zu den Zielen der fraglichen Regelung, wie sie aus der ersten, der zweiten und der sechzehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 2772/75 folgen, ist zu bemerken, daß die Anwendung der Vermarktungsnormen, die inbesondere die Einteilung der Eier nach Güteklassen sowie ihre Verpackung und Kennzeichnung betreffen, im Interesse der Erzeuger, Händler und Verbraucher zur Aufrechterhaltung oder Verbesserung der Qualität der Eier beitragen und dadurch deren Absatz sowie die Kontrolle der Einhaltung dieser Normen erleichtern soll. Es gibt in dieser Verordnung jedoch keine Bestimmung, die über den Anwendungsbereich des Artikels 21 Absatz 1 hinaus auf einen spezifischen Schutz des Verbrauchers vor der kumulativen Verwendung der streitigen Angaben auf Packungen mit Eiern ein und derselben Güteklasse gerichtet wäre.
13 Wie sich aus der dritten und der zwölften Begründungserwägung dieser Verordnung ergibt, hat es der Rat nämlich offensichtlich nur für erforderlich gehalten, "daß genießbare Eier leicht zu unterscheiden sind von ungenießbaren Eiern" und daß der Verbraucher die Möglichkeit hat, "die Eier verschiedener Güteklassen zu unterscheiden", wobei in der dreizehnten Begründungserwägung noch klargestellt wird, daß die Kennzeichnung 'frische Eier'... freigestellt werden (( kann )), da die Kennzeichnungspflicht für die übrigen Eier eine leichte Unterscheidung ermöglicht ".
14 Zum Vorbringen der Kommission schließlich, die kumulative Verwendung der beiden Angaben auf den Kleinpackungen könne beim Verbraucher die falsche Vorstellung hervorrufen, daß es innerhalb ein und derselben Güteklasse Eier unterschiedlicher Frische gebe, ist zu sagen, daß diese Angaben nach Artikel 6 Absatz 1 beide zutreffend dieselbe Qualität der verpackten Eier umschreiben. Folglich kann der Verbraucher gerade nicht über ein wesentliches Merkmal der betreffenden Eier irregeführt werden.
15 Im übrigen verlangt auch Artikel 20 der Verordnung Nr. 2772/75, wonach im Einzelhandel angebotene Eier nach Güteklassen getrennt ausgestellt werden müssen, keine unterschiedliche Kennzeichnung der Regale für Eier der Güteklasse A je nach deren unterschiedlicher Bezeichnung, wie es der Auffassung der Kommission zur Frage der Verwechslungsgefahr folgerichtig entsprechen würde.
16 Auf die Frage des vorlegenden Gerichts ist somit zu antworten, daß die Verordnung Nr. 2772/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über Vermarktungsnormen für Eier in der Fassung der Verordnung Nr. 1831/84 dahin auszulegen ist, daß nach ihrem Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 21 Absatz 1 die kumulative Verwendung der Angaben "Güteklasse A" und "frisch" auf Kleinpackungen mit Eiern der Güteklasse A zulässig ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
17 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF ( Zweite Kammer )
auf die ihm vom Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstrasse mit Beschluß vom 20. März 1987 vorgelegte Frage für Recht erkannt :
Die Verordnung Nr. 2772/75 des Rates vom 29. Oktober 1975 über Vermarktungsnormen für Eier in der Fassung der Verordnung Nr. 1831/84 ist dahin auszulegen, daß nach ihrem Artikel 6 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe c und Artikel 21 Absatz 1 die kumulative Verwendung der Angaben "Güteklasse A" und "frisch" auf Kleinpackungen mit Eiern der Güteklasse A zulässig ist.
Ende der Entscheidung
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