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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.11.1990
Aktenzeichen: C-105/89
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 1408/71 EWG, Verordnung Nr. 574/72 EWG


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 7
Verordnung Nr. 1408/71 EWG
Verordnung Nr. 574/72 EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Bei der Prüfung der in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 geforderten Eigenschaft eines "Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats" ist auf die Zeit abzustellen, in der der Erwerbstätige seinen Beruf ausgeuebt hat. Dieses Staatsangehörigkeitserfordernis kann nicht als erfuellt angesehen werden, wenn der betroffene Erwerbstätige in der Zeit, in der er seinen Beruf ausübte und Beiträge entrichtete, Angehöriger eines Staates war, der noch nicht Mitgliedstaat der Gemeinschaft war, und diese Staatsangehörigkeit verloren hat, bevor dieser Staat der Gemeinschaft beitrat.

Wenn daher dieses Staatsangehörigkeitserfordernis bei einem Empfänger von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Selbständiger in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, gewährleistet sind, nicht als erfuellt angesehen werden kann, so fällt seine Situation nicht in den Geltungsbereich der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72.

2. Das Diskriminierungsverbot des Artikels 7 Absatz 1 EWG-Vertrag, das auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 durchgeführt worden ist, ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht anwendbar, wenn der Empfänger einer Sozialleistung nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.

3. Artikel 51 Buchstabe b EWG-Vertrag, der durch Artikel 10 der Verordnung Nr. 1408/71 durchgeführt worden ist, gewährleistet auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts die Zahlung von Leistungen, auf die aufgrund des Systems der sozialen Sicherheit eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch erworben worden ist, nur für Berechtigte, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnen.

Demnach steht das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen eine Altersrente für Selbständige im Ausland nur an Berechtigte zu zahlen ist, die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine solche Rente gezahlt werden könnte, sofern diese Rechtsvorschriften Wirkungen nur ausserhalb der Gemeinschaft entfalten.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 14. NOVEMBER 1990. - IBRAHIM BUHARI HAJI GEGEN INSTITUT NATIONAL D'ASSURANCES SOCIALES POUR TRAVAILLEURS INDEPENDANTS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNAL DU TRAVAIL DE BRUXELLES - BELGIEN. - SOZIALE SICHERHEIT - VERORDNUNG NR. 1408/71 - ANWENDUNGSBEREICH - EHEMALIGER ANGEHOERIGER EINES STAATES, DER NICHT GRUENDUNGSMITGLIEDSTAAT IST - ZAHLUNG EINER ALTERSRENTE IN EINEM DRITTSTAAT. - RECHTSSACHE C-105/89.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunal du travail Brüssel hat mit Urteil vom 23. März 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 3. April 1989, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung einiger Vorschriften des EWG-Vertrags, der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern, und der Verordnung ( EWG ) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 ( ABl. L 230, S. 6 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Ibrahim Buhari Haji ( im folgenden : Kläger ) und dem Institut national d' assurances sociales pour travailleurs indépendants ( Staatliche Sozialversicherungsanstalt für Selbständige; im folgenden : Beklagter ).

3 Der Kläger, der 1914 in Nigeria geboren wurde, besaß bis zur Unabhängigkeit dieses Gebietes im Jahr 1960 die britische Staatsangehörigkeit. Seit diesem Zeitpunkt besitzt er die nigerianische Staatsangehörigkeit.

4 Von November 1937 bis Dezember 1986 arbeitete er als Kaufmann in Belgisch-Kongo ( seit dem 1. Juli 1960 Zaire ), wo er noch immer wohnt.

5 Er hatte bis zur Unabhängigkeit von Belgisch-Kongo Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung gezahlt und stellte im August 1986 beim Beklagten einen Antrag auf Altersrente für seine bis zum 30. Juni 1960 in Belgisch-Kongo ausgeuebte Berufstätigkeit.

6 Mit der Begründung, daß der Kläger die nigerianische Staatsangehörigkeit besitze und in Zaire wohne, wies der Beklagte mit Bescheid vom 10. November 1987 den Antrag des Klägers gemäß Artikel 144 Absatz 2 der königlichen Verordnung vom 22. Dezember 1967 über die allgemeine Regelung der Alters - und Hinterbliebenenrenten für Selbständige zurück; nach dieser Bestimmung ist die Altersrente im Ausland nur an Berechtigte zu zahlen, "die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine Arbeitnehmerrente gezahlt werden könnte ".

7 Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Klage beim Tribunal du travail Brüssel, das mit Urteil vom 23. März 1989 für Recht erkannte, daß der Kläger aufgrund seiner Tätigkeit im früheren Belgisch-Kongo für die Zeit vom 1. Januar 1938 bis 30. Juni 1956 Anspruch auf eine Altersrente für Selbständige hat. Bezueglich der Zeit vom 1. Juli 1956 bis 30. Juni 1960 ordnete das Gericht die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung an, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Beweise beizubringen, die für die Anerkennung dieses Zeitraums im Hinblick auf die Gewährung einer Rente erforderlich sind.

8 Darüber hinaus stellte das Gericht fest, daß der Kläger nach dem belgischen Sozialrecht seine Rente in Zaire oder in Nigeria beziehen könnte, wenn er belgischer Staatsangehöriger oder Angehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft wäre, und die Rente als nigerianischer Staatsangehöriger beziehen könnte, wenn er in Belgien oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wohnte.

9 Aufgrund dessen hat das Tribunal du travail Brüssel mit diesem Urteil vom 23. März 1989 weiterhin entschieden, das Verfahren auszusetzen und über die effektive Feststellung der Rente erst zu befinden, nachdem der Gerichtshof folgende Fragen beantwortet hat :

"- Fällt die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Feststellung einer Altersrente ( hier : für Selbständige ) aufgrund einer früheren Berufstätigkeit ( hier : als Siedler ) 'in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt' , für eine Person, die zu jener Zeit die Staatsangehörigkeit eines zweiten, inzwischen zu einem Mitgliedstaat gewordenen Staates besaß und jetzt Angehöriger eines dritten Staates ist, der aber aus einem anderen Gebiet gebildet wurde, das seinerzeit mit diesem zweiten, inzwischen zum Mitgliedstaat gewordenen Staat ebenfalls besondere Beziehungen unterhielt, in den Geltungsbereich der Artikel 1 bis 4, 10 Absatz 1 Unterabsatz 1 und 44 bis 51 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern, und infolgedessen der Artikel 35 bis 59 der Verordnung ( EWG ) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung dieser Verordnung?

Wenn diese Frage verneint wird :

- Stellt es 'eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit' im Sinne des unveränderten Artikels 7 Absatz 1 sowie der Artikel 48 Absätze 2 und 3 Buchstaben c und d und 50 Buchstabe b ( 1 ) EWG-Vertrag dar - sei es nun eine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung oder eine solche aufgrund der Staatsangehörigkeit durch Anwendung formal neutraler Kriterien, die jedoch praktisch zum selben Ergebnis führen, nämlich zur Benachteiligung von Ausländern durch Errichtung eines unverhältnismässigen Hindernisses -, wenn sich ein Mitgliedstaat weigert, eine Leistung der sozialen Sicherheit ( hier : eine Altersrente für Selbständige aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Siedler im Gebiet seiner früheren Kolonie ) für eine Person festzustellen, die ihren Wohnort 'in diesem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt' , und ihren Wohnsitz in einem anderen Gebiet hat, das seinerzeit mit einem zweiten, inzwischen zum Mitgliedstaat gewordenen Staat ebenfalls besondere Beziehungen unterhielt, jetzt Drittstaat geworden ist und dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt, und wenn diese Weigerung nur auf das Zusammentreffen der gegenwärtigen Staatsangehörigkeit der Person und ihres gegenwärtigen Wohnorts gestützt wird?

- Sind Geist und Buchstabe dieser gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften mit der geltenden belgischen nationalen Regelung, nämlich Artikel 144 Absatz 2 der königlichen Verordnung vom 22. Dezember 1967 ( allgemeine Regelung der Alters - und Hinterbliebenenrenten für Selbständige ) in der durch Artikel 24 der königlichen Verordnung vom 17. Juli 1972 und Artikel 64 Absatz 1 der königlichen Verordnung vom 24. September 1984 geänderten Fassung, oder mit deren enger Auslegung durch den Beklagten vereinbar?"

10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

11 Mit der ersten Frage möchte das nationale Gericht wissen, ob die Situation eines Empfängers von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Selbständiger in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, gewährleistet sind, in den Geltungsbereich der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 fällt, wenn der Betroffene im fraglichen Zeitraum Angehöriger eines Staates war, der seinerzeit nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft war, sondern dieser erst beigetreten ist, nachdem der Betroffene diese Staatsangehörigkeit verloren hatte.

12 Der Geltungsbereich der Verordnungen Nr. 1408/71 und 574/72 wird durch Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 wie folgt festgelegt :

"Diese Verordnung gilt für Arbeitnehmer und Selbständige, für welche die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder galten, soweit sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen..."

13 Was die erste Voraussetzung betrifft, daß für einen Erwerbstätigen die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gelten oder gegolten haben müssen, so ergibt sich aus dem Vorlageurteil, daß Herr Buhari unter anderem aufgrund der königlichen Verordnung Nr. 72 vom 10. November 1967 über die allgemeine Regelung der Alters - und Hinterbliebenenrenten für Selbständige Anspruch auf eine belgische Altersrente für Selbständige hat.

14 Zum einen fällt eine solche nationale Regelung unter den Begriff "Rechtsvorschriften", der nach Artikel 1 Buchstabe j der Verordnung Nr. 1408/71 "in jedem Mitgliedstaat die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in bezug auf die in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit" bezeichnet. Zu diesen Zweigen und Systemen der sozialen Sicherheit gehören insbesondere die Alters - und Hinterbliebenenrenten, die Gegenstand des klägerischen Antrags sind.

15 Zum anderen ist für die Festlegung des Geltungsbereichs dieser Verordnung nicht der Ort, an dem die Berufstätigkeit ausgeuebt worden ist, ausschlaggebend, sondern die Beziehung, die den Arbeitnehmer unabhängig von dem Ort, an dem er seine Berufstätigkeit ausgeuebt hat oder ausübt, mit einem System der sozialen Sicherheit eines Mitgliedstaats verbindet, in dessen Rahmen er Versicherungszeiten zurückgelegt hat ( Urteil vom 9. Juli 1987 in den verbundenen Rechtssachen 82/86 und 103/86, Laborero und Sabato, Slg. 1987, 3401 ).

16 Somit fällt eine Regelung wie die belgische königliche Verordnung Nr. 72 in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71.

17 Die zweite Voraussetzung des Artikels 2 Absatz 1 der Verordnung, daß der betroffene Arbeitnehmer oder Selbständige Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein muß, hat der Gerichtshof in seinem Urteil Belbouab vom 12. Oktober 1978 in der Rechtssache 10/78 ( Slg. 1978, 1915 ) dahin ausgelegt, daß der Betroffene zur Zeit der Ausübung der Tätigkeit, der Zahlung der den Zeiten der Mitgliedschaft entsprechenden Beiträge und des Erwerbs der entsprechenden Ansprüche Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein muß.

18 Demzufolge ist bei der Prüfung des in Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 geforderten Merkmals der Eigenschaft eines "Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats" auf die Zeit abzustellen, in der der Erwerbstätige seinen Beruf ausgeuebt hat.

19 Dieses Staatsangehörigkeitserfordernis kann nicht als erfuellt angesehen werden, wenn der betroffene Erwerbstätige in der Zeit, in der er seinen Beruf ausübte und Beiträge entrichtete, Angehöriger eines Staates war, der noch nicht Mitgliedstaat der Gemeinschaft war, und diese Staatsangehörigkeit verloren hat, bevor dieser Staat der Gemeinschaft beitrat.

20 Wie der Gerichtshof unter anderem im Urteil Belbouab festgestellt hat, sind die zur Durchführung des Artikels 51 EWG-Vertrag erlassenen Verordnungen von dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel her auszulegen, nämlich der Herstellung grösstmöglicher Freizuegigkeit der Wanderarbeitnehmer innerhalb des Gemeinsamen Marktes.

21 Die Situation von Erwerbstätigen, die die Staatsangehörigkeit eines Staates besassen, der später der Europäischen Gemeinschaft beigetreten ist, sie aber vor diesem Beitritt verloren haben, steht in keinem Zusammenhang mit der Verwirklichung der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer und Selbständigen innerhalb der Gemeinschaft. Etwas anderes gilt nur für diejenigen unter ihnen, die die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates behalten haben, nachdem dieser Staat der Gemeinschaft beigetreten ist, und deren Rechte im Rahmen der Gemeinschaftsregelung über die soziale Sicherheit durch die Übergangsbestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 - Artikel 94 für die Arbeitnehmer und Artikel 96 für die Selbständigen - anerkannt und geschützt werden; nach diesen Vorschriften werden für die Feststellung des Anspruchs auf Leistungen nach dieser Verordnung sämtliche Versicherungs -, Beschäftigungs - und Wohnzeiten berücksichtigt, die vor dem Beitritt zurückgelegt worden sind.

22 Da diese Vorschriften nicht für Personen gelten, die wie der Kläger ihre Staatsangehörigkeit vor dem Beitritt des betreffenden Mitgliedstaats verloren haben, sind die Rechte, die diese Personen erworben haben, nur dann gewährleistet, wenn es in der Beitrittsakte eine besondere Vorschrift zu ihren Gunsten gibt. Die Akte über den Beitritt des Vereinigten Königreichs enthält eine solche Vorschrift nicht.

23 Somit ist auf die erste Frage zu antworten, daß die Situation eines Empfängers von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Selbständiger in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, gewährleistet sind, nicht in den Geltungsbereich der Verordnungen Nrn. 1408/71 und 574/72 fällt, wenn der Betroffene im fraglichen Zeitraum Angehöriger eines Staates war, der seinerzeit nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft war, sondern dieser erst beigetreten ist, nachdem der Betroffene diese Staatsangehörigkeit verloren hatte.

Zur zweiten Frage

24 Die zweite Frage des Tribunal du travail Brüssel geht dahin, ob die Weigerung, eine Rente festzustellen, auf die eine Person, die die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats hat und in einem weiteren Drittstaat wohnt, nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats Anspruch hat, eine nach dem EWG-Vertrag verbotene Diskriminierung ist.

25 Das vorlegende Gericht stellt dazu fest, daß der Kläger nach dem belgischen Sozialrecht seine Rente in Zaire oder in Nigeria beziehen könnte, wenn er belgischer Staatsangehöriger oder Angehöriger eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft wäre; als nigerianischer Staatsangehöriger könnte er die Rente ebenfalls beziehen, wenn er in Belgien oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft wohnte.

26 Das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, das Artikel 7 EWG-Vertrag für den Anwendungsbereich des Vertrages aufstellt, ist auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 durchgeführt worden, wonach die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

27 Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, daß das Diskriminierungsverbot auf einen Fall wie den vorliegenden nicht anwendbar ist, in dem der Empfänger einer Sozialleistung nicht in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.

28 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß das Diskriminierungsverbot des Artikels 7 Absatz 1 EWG-Vertrag, das auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 durchgeführt worden ist, nicht anwendbar ist, wenn der Empfänger einer Sozialleistung nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung fällt.

Zur dritten Frage

29 Die dritte Frage geht dahin, ob die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nationalen Rechtsvorschriften entgegenstehen, nach denen eine Altersrente für Selbständige im Ausland nur an Berechtigte zu zahlen ist, die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine Arbeitnehmerrente gezahlt werden könnte.

30 Nach Artikel 51 Buchstabe b EWG-Vertrag, der durch Artikel 10 der Verordnung Nr. 1408/71 durchgeführt worden ist, wird die Zahlung von Leistungen, auf die aufgrund des Systems der sozialen Sicherheit eines oder mehrerer Mitgliedstaaten ein Anspruch erworben worden ist, auf der Ebene des Gemeinschaftsrechts nur für Berechtigte gewährleistet, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnen.

31 Demnach steht das Gemeinschaftsrecht nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, die die Feststellung von Leistungen der sozialen Sicherheit zugunsten einer Person, die in einem Drittstaat wohnt, nicht zulassen.

32 Somit ist auf die dritte Vorabentscheidungsfrage zu antworten, daß die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, nach denen eine Altersrente für Selbständige im Ausland nur an Berechtigte zu zahlen ist, die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine Arbeitnehmerrente gezahlt werden könnte, sofern diese Rechtsvorschriften Wirkungen nur ausserhalb der Gemeinschaft entfalten.

Kostenentscheidung:

Kosten

33 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem nationalen Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Fünfte Kammer )

auf die ihm vom Tribunal du travail Brüssel mit Urteil vom 23. März 1989 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Die Situation eines Empfängers von Sozialleistungen, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats aufgrund einer früheren Berufstätigkeit als Selbständiger in einem Gebiet, das seinerzeit mit diesem Mitgliedstaat besondere Beziehungen unterhielt, gewährleistet sind, fällt nicht in den Geltungsbereich der Verordnungen ( EWG ) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu - und abwandern, und ( EWG ) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 in der Fassung der Verordnung ( EWG ) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983, wenn der Betroffene im fraglichen Zeitraum Angehöriger eines Staates war, der seinerzeit nicht Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft war, sondern dieser erst beigetreten ist, nachdem der Betroffene diese Staatsangehörigkeit verloren hatte.

2 ) Das Diskriminierungsverbot des Artikels 7 Absatz 1 EWG-Vertrag, das auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit durch Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 durchgeführt worden ist, ist nicht anwendbar, wenn der Empfänger einer Sozialleistung nicht in den Geltungsbereich der Verordnung ( EWG ) Nr. 1408/71 fällt.

3 ) Die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stehen nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegen, nach denen eine Altersrente für Selbständige im Ausland nur an Berechtigte zu zahlen ist, die ihren Wohnort in einem Land haben, in dem ihnen aufgrund eines Abkommens auf Gegenseitigkeit eine Arbeitnehmerrente gezahlt werden könnte, sofern diese Rechtsvorschriften Wirkungen nur ausserhalb der Gemeinschaft entfalten.

Ende der Entscheidung

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