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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 14.12.1995
Aktenzeichen: C-106/94
Rechtsgebiete: Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985


Vorschriften:

Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Halspastillen, die im wesentlichen aus Zucker, Terpin, Menthol, Amylocainhydrochlorid, Glycyrrhizin sowie Träger-, Geschmacks- und Farbstoffen oder aus Zucker, Menthol, Pfefferminzöl und Eukalyptusöl sowie aus Träger-, Geschmacks- und Farbstoffen bestehen und als Mittel gegen Husten und Halsweh angeboten werden, fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 17.04 des Gemeinsamen Zolltarifs (Zuckerwaren ohne Kakaogehalt) und nicht unter die Tarifnummer 30.03, die Arzneiwaren betrifft.

Die therapeutische oder prophylaktische Wirkung, die die Zusätze in diesen Pastillen in geringerem Umfang insbesondere bei der Linderung von Halsschmerzen haben können, genügt nämlich, wie auch den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und des Ausschusses für das Harmonisierte System zu entnehmen ist, nicht, um ihre Einreihung in die Tarifnummer 17.04 in Frage zu stellen, da eine solche Wirkung nur dann zu einer Einreihung in die Tarifnummer 30.03 führt, wenn sie auf den medizinischen Eigenschaften von aromatisierenden Stoffen beruht, die in einer solchen Menge vorhanden sind, daß das Erzeugnis nur zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann.

2. Tonische Getränke, wie Elixiere, die neben Wasser Alkohol, Zucker, bestimmte Bitter- und Geschmacksstoffe, Brechnuß und glycerinphosphorsaures Calcium enthalten und bei Asthenie, Appetitlosigkeit und zur Förderung der Genesung angewandt werden oder solche, die destilliertes Wasser, Sirup und Alkohol enthalten und denen Natriumarsenat, nukleinsaures Natrium, Brechnuß, Kalbsleberextrakt sowie verschiedene Geschmacksstoffe zugesetzt sind, fallen unter die Tarifnummer 22.09 (Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 Vol.-%, unvergällt; Branntwein, Likör und andere Spirituosen) und nicht unter die Tarifnummer 30.03, die Arzneimittel betrifft.

Als Spirituosen, die zur Erhaltung der Gesundheit bestimmt sind, sind sie nämlich nach den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und des Ausschusses für das Harmonisierte System zu Kapitel 22 in die Tarifnummer 22.09 einzuordnen. Nach den Vorschriften zu Kapitel 30 sind sie ausdrücklich von der Tarifnummer 30.03 ausgenommen und können nach den Erläuterungen auch dann nicht unter Kapitel 30 fallen, wenn ihnen arzneiliche Wirkstoffe zugesetzt sind, sofern diese Wirkstoffe keinen anderen Zweck haben, als ein besseres diätetisches Gleichgewicht zu schaffen, den Energie- oder Nährwert des Erzeugnisses zu heben oder seinen Geschmack zu verbessern, ihm aber nicht den Charakter einer Lebensmittelzubereitung nehmen.

3. Die Verordnung Nr. 717/85 zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs (Zuckerwaren ohne Kakaogehalt: andere : kein Milchfett enthaltend oder mit einem Gehalt von Milchfett von weniger als 1,5 Gewichtshundertteilen) kann nicht dahin ausgelegt werden, daß sie Waren betrifft, deren Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen) sich von der in Artikel 1 der Verordnung genannten unterscheidet.

4. Die ° Arzneiwaren betreffende ° Tarifnummer 30.03 des Gemeinsamen Zolltarifs ist dahin auszulegen, daß sie ein Erzeugnis einschließt, das aus Zucker, vor allem aber zu einem so hohen Anteil aus aktiven Aromastoffen mit medizinischen Eigenschaften besteht, daß es nur zu therapeutischen und prophylaktischen Zwecken verwendet wird. Sind die Aromastoffe in dem jeweiligen Erzeugnis jedoch nicht in einer solchen Menge vorhanden, daß es nur zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann, so kann es nicht als ein unter diese Position fallendes pharmazeutisches Erzeugnis angesehen werden.


Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 14. Dezember 1995. - Strafverfahren gegen Patrick Colin und Daniel Dupré. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Cour d'appel de Bourges und Tribunal de grande instance de Paris - Frankreich. - Erstattung bei der Verwendung von Zucker zur Herstellung bestimmter chemischer Erzeugnisse - Halspastillen - Tonische Getränke - Tarifierung. - Verbundene Rechtssachen C-106/94 und C-139/94.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Bourges hat mit Urteil vom 3. Februar 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 29. März 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag vier Fragen nach der Auslegung des Gemeinsamen Zolltarifs (nachstehend: GZT) bezueglich der Tarifierung von tonischen Getränken und Halspastillen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Das Tribunal de grande instance Paris hat mit Zwischenurteil vom 2. März 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Mai 1994, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs (ABl. L 78, S. 13) und des Kapitels 30 des Gemeinsamen Zolltarifs sowie der Kombinierten Nomenklatur bezueglich der Tarifierung von Halspastillen zur Vorabentscheidung vorgelegt.

3 Diese Fragen stellen sich in zwei Strafverfahren, die die Administration des douanes et droits indirects gegen zwei französische Unternehmer eingeleitet hat, denen sie vorwirft, sich durch die Abgabe falscher Erklärungen oder durch Machenschaften Erstattungen erschlichen zu haben, die ihnen gemäß der Gemeinschaftsregelung über Produktionserstattungen bei der Verwendung bestimmter Erzeugnisse des Zuckersektors in der chemischen Industrie nicht zugestanden hätten.

4 Die Verordnung (EWG) Nr. 1010/86 des Rates vom 25. März 1986 zur Festlegung der Grundregeln für die Produktionserstattung bei der Verwendung von bestimmten Erzeugnissen des Zuckersektors in der chemischen Industrie (ABl. L 94, S. 9) in der nach der Einführung der Kombinierten Nomenklatur (nachstehend: KN) durch Artikel 9 der Verordnung (EWG) Nr. 1714/88 der Kommission vom 13. Juni 1988 (ABl. L 152, S. 23) geänderten Fassung regelt die Gewährung von Erstattungen für Unternehmen, die bei der Herstellung bestimmter chemischer Erzeugnisse Zucker verwenden.

5 Zur Förderung des Zuckermarktes und zum Ausgleich des Unterschieds zwischen den Gemeinschaftspreisen und den Weltmarktpreisen werden nach der Verordnung Nr. 1010/86 Produktionserstattungen für die Herstellung von saccharosehaltigen Erzeugnissen gewährt. Nach den Artikeln 1 und 2 Absatz 1 dieser Verordnung wird die Erstattung von dem Mitgliedstaat gewährt, auf dessen Gebiet die "Grunderzeugnisse" zu den im Anhang der Verordnung aufgeführten "chemischen Erzeugnissen" verarbeitet werden. Die pharmazeutischen Erzeugnisse des Kapitels 30 des GZT gehören zu diesen chemischen Erzeugnissen.

6 Die Firma Distrithera, die von Herrn Colin geleitet wird, bezog von 1986 bis 1989 gemäß den genannten Verordnungen Erstattungen für die Verwendung von Zucker in Höhe von 2 371 976,78 FF, da sie rote und grüne "Pulmoll"-Pastillen, "Sangart"-Elixier und "Quintonine" als pharmazeutische Erzeugnisse deklariert hatte.

7 Die Firma Laboratoires Valda, vertreten durch ihren Vorstandsvorsitzenden Dupré, bezog von 1987 bis 1990 gemäß den genannten Verordnungen Erstattungen für die Verwendung von Zucker in Höhe von 1 728 760 FF, da sie die auf der Grundlage von Gelatine und Gummi arabicum hergestellten "Valda"-Pastillen als pharmazeutische Erzeugnisse deklariert hatte.

8 Nachdem die Administration des douanes et droits indirects Proben dieser Erzeugnisse untersucht hatte, lehnte sie deren Einstufung als pharmazeutische Erzeugnisse ab und reihte die Pastillen unter Kapitel 17 des GZT ("Zucker und Zuckerwaren") und die Elixiere unter Kapitel 22 des GZT ("Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig") ein. Gleichzeitig forderte sie die ausgezahlten Erstattungen zurück. Daneben leitete sie strafrechtliche Schritte gegen die für die Leitung der beiden Gesellschaften zuständigen Personen ein.

9 Da die vorlegenden Gerichte der Ansicht sind, daß diese Verfahren Fragen nach der Auslegung des GZT aufwerfen, haben sie das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung über folgende Fragen ersucht:

Die Fragen der Cour d' appel Bourges:

1. Ist auf rote "Pulmoll"-Pastillen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung die Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985 zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs anzuwenden oder fallen sie unter das Kapitel 30 des Gemeinsamen Zolltarifs ("Pharmazeutische Erzeugnisse"), Tarifnummer 30.04?

2. Ist auf grüne "Pulmoll"-Pastillen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung die Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985 zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs anzuwenden oder fallen sie unter das Kapitel 30 des Gemeinsamen Zolltarifs ("Pharmazeutische Erzeugnisse"), Tarifnummer 30.04?

3. Fällt "Sangart"-Elixier angesichts seiner Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter das Kapitel 30 des Gemeinsamen Zolltarifs ("Pharmazeutische Erzeugnisse")?

4. Fällt "Quintonine" angesichts seiner Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter das Kapitel 30 des Gemeinsamen Zolltarifs ("Pharmazeutische Erzeugnisse")?

Die Fragen des Tribunal de grande instance Paris:

1. Betrifft die Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985 zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs Waren, deren Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen) sich von der in Artikel 1 dieser Verordnung genannten unterscheidet?

2. Schließt bei Verneinung der ersten Frage die Arzneiwaren betreffende Position 3004 der zolltariflichen Nomenklatur ein Erzeugnis ein, das aus Zucker, vor allem aber zu einem so hohen Anteil aus aktiven Aromastoffen mit medizinischen Eigenschaften besteht, daß es im wesentlichen für therapeutische und prophylaktische Zwecke verwendet wird?

10 Der Präsident der Vierten Kammer hat mit Beschluß vom 16. Dezember 1994 diese Rechtssachen zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden.

11 In beiden Verfahren sind die Handlungen sowohl vor als auch nach Einführung des Harmonisierten Systems und der KN begangen worden, durch die 1988 das Schema des GZT ersetzt wurde. Diese Änderung ist jedoch für die dem Gerichtshof vorgelegten Fälle sachlich ohne Bedeutung.

12 Es ist Aufgabe des Gerichtshofes, den GZT und die KN auszulegen, nicht aber, ein Gutachten über die Tarifierung eines bestimmten Erzeugnisses abzugeben. Deshalb sind die Fragen der Cour d' appel Bourges so zu verstehen, daß das Gericht wissen möchte, ob Erzeugnisse wie die in den vorgelegten Fragen beschriebenen unter die Tarifnummer 30.03 des GZT (Position 3004 der KN) oder unter die Tarifnummern 17.04 und 22.09 des GZT (Position 2208 der KN) fallen.

13 Nach den Akten enthalten die Hustenpastillen, um die es in den Ausgangsverfahren geht, folgende Bestandteile: Eine "Valda"-Pastille besteht im wesentlichen aus Zucker, Gelatine oder Gummi arabicum und in geringerem Masse aus Zusätzen wie Menthol, Eukalyptol, Thymol, Guajakol und Terpineol. Nach Angaben des Herstellers sind diese Pastillen ein Hustenmittel mit antiseptischen Eigenschaften, die Halsschmerzen und damit zusammenhängende Beschwerden beseitigen sollen.

14 Die roten "Pulmoll"-Pastillen bestehen im wesentlichen aus Zucker, Terpin, Menthol, Amylocainhydrochlorid, Glycyrrhizin sowie Träger-, Geschmacks- und Farbstoffen. Diese Pastillen sind bei Husten, Halsweh und Schnupfen indiziert.

15 Grüne "Pulmoll"-Pastillen bestehen gleichfalls aus Zucker, Menthol, Pfefferminzöl und Eukalyptusöl sowie aus Träger-, Geschmacks- und Farbstoffen. Sie werden angeboten als Mittel gegen Husten und Heiserkeit.

16 Quintonine-Elixier enthält neben Wasser Alkohol, Zucker, bestimmte Bitter- und Geschmacksstoffe, Brechnuß und glycerinphosphorsaures Calcium. Es wird bei Asthenie, Appetitlosigkeit und zur Förderung der Genesung angewandt.

17 Nach den Akten enthält "Sangart"-Elixier destilliertes Wasser, Sirup und Alkohol, denen Natriumarsenat, nukleinsaures Natrium, Brechnuß, Kalbsleberextrakt sowie verschiedene Geschmacksstoffe zugesetzt sind.

18 Die Tarifnummer 17.04 des GZT umfasst Zuckerwaren ohne Kakaogehalt. In der KN sind ausdrücklich die "Halspastillen und Hustenbonbons" in diese Position aufgenommen worden.

19 Die pharmazeutischen Erzeugnisse fallen dagegen unter das Kapitel 30 des GZT (und der KN). Nach den Vorschriften zu diesem Kapitel umfasst die Tarifnummer 30.03 des GZT (Position 3004 der KN) Arzneiwaren, die aus gemischten oder ungemischten Erzeugnissen zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken bestehen, dosiert oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf.

20 Kapitel 22 des GZT betrifft Getränke, alkoholhaltige Flüssigkeiten und Essig. Die Tarifnummer 22.09 des GZT (Position 2208 der KN) umfasst "Ethylalkohol mit einem Alkoholgehalt von weniger als 80 % vol, unvergällt; Branntwein, Likör und andere Spirituosen; zusammengesetzte alkoholhaltige Zubereitungen der zum Herstellen von Getränken verwendeten Art".

21 Dazu gibt es auch Erläuterungen, die vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (bezueglich des Schemas des GZT) beziehungsweise vom Ausschuß für das Harmonisierte System (bezueglich der KN) ausgearbeitet worden sind und nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ein wichtiges, wenn auch nicht verbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen darstellen (Urteile vom 10. Oktober 1985 in der Rechtssache 200/84, Daiber, Slg. 1985, 3363, und vom 16. Juni 1994 in der Rechtssache C-35/83, Develop Dr. Eisbein, Slg. 1994, I-2655).

Zu den Fragen der Cour d' appel Bourges

22 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichteren Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Tarifpositionen des Gemeinsamen Zolltarifs und der Vorschriften zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (siehe u. a. Urteil vom 1. Juni 1995 in der Rechtssache C-459/93, Thyssen Haniel Logistic, Slg. 1995, I-1381, Randnr. 8).

Halspastillen

23 Nach den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und des Ausschusses für das Harmonisierte System zu Tarifnummer 17.04 des GZT gehören zu dieser Position die meisten Lebensmittelzubereitungen aus Zucker, fest oder halbfest, die im allgemeinen zum unmittelbaren Verzehr geeignet sind und gemeinhin als "Zuckerwaren" oder "Süßwaren" bezeichnet werden. Unter diesen Erzeugnissen sind Zubereitungen aufgeführt, die, als Halspastillen oder Hustenbonbons aufgemacht, im wesentlichen aus Zucker und aromatisierenden Stoffen bestehen.

24 Nach diesen Erläuterungen ist den als Halspastillen oder Hustenbonbons aufgemachten Zubereitungen, die zu Tarifnummer 17.04 gehören, gemeinsam, daß sie aus Zucker mit Zusatz geringer Mengen verschiedener Stoffe wie Menthol, Eukalyptol und Tolubalsam bestehen. Daß diese aromatisierenden Stoffe in geringerem Maß medizinische Eigenschaften haben, genügt nicht, um ihre Einreihung in die Tarifnummer 17.04 in Frage zu stellen.

25 Diese Auslegung steht im Einklang mit den Bestimmungen der Tarifnummern 17.04 und 30.03 des GZT (3004 der KN). Unter die erste Tarifnummer fallen Zuckerwaren ohne Kakaogehalt. Zur zweiten Tarifnummer gehören dagegen gemischte oder ungemischte Erzeugnisse zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken, dosiert oder in Aufmachungen für den Einzelverkauf, die deshalb als Arzneiwaren angesehen werden.

26 Nach den Erläuterungen sowohl des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens als auch des Ausschusses für das Harmonisierte System gehören zu Tarifnummer 30.03 des GZT (30.04 der KN) Pastillen, Tabletten usw., die nach ihrer Beschaffenheit ausschließlich zu medizinischen Zwecken gebraucht werden. Dagegen gehören nach diesen Erläuterungen Zubereitungen, als Halspastillen oder Hustenbonbons aufgemacht, die im wesentlichen aus Zucker (auch mit anderen Nährstoffen wie Gelatine, Stärke oder Mehl) und aromatisierenden Stoffen (einschließlich solcher Substanzen wie Benzylalkohol, Menthol, Eukalyptol und Tolubalsam) bestehen, zu Tarifnummer 17.04, wenn ein aromatisierender Stoff, der auch medizinische Eigenschaften aufweist, in jeder Pastille oder in jedem Bonbon nur in einer solchen Menge enthalten ist, daß die Ware dadurch noch nicht zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann.

27 Die Auslegung aufgrund der Erläuterungen zu Tarifnummer 30.03 des GZT (3004 der KN) steht auch im Einklang mit den Bestimmungen des GZT und der KN. Zu Tarifnummer 17.04 gehören Zuckerwaren ohne Kakaogehalt mit Ausnahme der Zubereitungen, die einen gewissen Anteil an aromatisierenden Stoffen enthalten, die in einem solchen Maß medizinische Eigenschaften besitzen, daß sie der Tarifnummer 30.03 des GZT (3004 der KN) zuzuweisen sind.

28 Somit genügt es nicht, daß die aromatisierenden Stoffe eines Erzeugnisses eine therapeutische oder prophylaktische Wirkung haben. Um unter die Tarifnummer 30.03 des GZT zu fallen, muß diese Wirkung auf den medizinischen Eigenschaften von aromatisierenden Stoffen beruhen, die in einer solchen Menge vorhanden sind, daß das Erzeugnis nur zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann. Obwohl die Zusätze der in Rede stehenden Erzeugnisse eine schmerzstillende Wirkung haben können, insbesondere bei der Linderung von Halsschmerzen, kann diese Wirkung anscheinend von den nichtmedizinischen Zusätzen der Erzeugnisse ausgehen.

29 Wie sich aus den Akten ergibt, ist nicht bewiesen, daß die therapeutische Wirkung der betreffenden Erzeugnisse auf aromatisierenden Stoffen mit medizinischen Eigenschaften beruht. Ausserdem ist nicht dargetan worden, daß diese aromatisierenden Stoffe in einer Menge vorhanden sind, daß die Zubereitung zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann.

30 Somit sind die betreffenden Erzeugnisse in die Tarifnummer 17.04 einzureihen.

Tonische Getränke

31 Wie bereits ausgeführt, gilt die Tarifnummer 30.03 des GZT sowohl für Mischungen, die zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken hergestellt worden sind, als auch für zu den gleichen Zwecken geeignete ungemischte Erzeugnisse, die dosiert oder für den Einzelverkauf zu diesen Zwecken aufgemacht sind. Nach den Vorschriften zu Beginn des Kapitels sind jedoch von der Tarifnummer 30.03 des GZT Nahrungsmittel oder Getränke wie diätetische, diabetische oder angereicherte Lebensmittel, Ergänzungslebensmittel, tonische Getränke und Mineralwasser ausgeschlossen.

32 Nach den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens und des Ausschusses für das Harmonisierte System zu Kapitel 22 gehören Spirituosen, die allgemein zur Erhaltung der Gesundheit bestimmt sind, zu Tarifnummer 22.09 des GZT (Position 2208 der KN). Nach den Akten erfuellen "Quintonin" und das "Sangart"-Elixier aufgrund ihrer Bestandteile, ihres Alkoholgehalts und ihrer Wirkung diesen Zweck. Solche tonischen Getränke sind ausdrücklich von Kapitel 30 des GZT ausgenommen. Dies gilt nach den Erläuterungen auch dann, wenn ihnen arzneiliche Wirkstoffe zugesetzt sind, sofern diese Wirkstoffe keinen anderen Zweck haben, als ein besseres diätetisches Gleichgewicht zu schaffen, den Energie- oder Nährwert des Erzeugnisses zu heben oder seinen Geschmack zu verbessern, ihm aber nicht den Charakter einer Lebensmittelzubereitung nehmen.

33 Es ist nicht dargetan worden, daß die arzneilichen Wirkstoffe in den tonischen Getränken in einer solchen Menge vorhanden sind, daß diese Getränke zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden können. Deshalb fallen die tonischen Getränke nicht unter die Tarifnummer 30.03 des GZT (Position 3004 der KN) und sind folglich in die Tarifnummer 22.09 des GZT (Position 2208 der KN) einzureihen.

34 Somit ist auf die von der Cour d' appel Bourges vorgelegten Fragen zu antworten:

1. Pastillen wie die roten "Pulmoll"-Pastillen fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 17.04 des GZT.

2. Pastillen wie die grünen "Pulmoll"-Pastillen fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 17.04 des GZT.

3. Getränke wie das "Sangart"-Elixier fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 22.09 des GZT.

4. Getränke wie "Quintonine" fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 22.09 des GZT.

Zu den Fragen des Tribunal de grande instance Paris

35 Mit seiner ersten Frage möchte das Tribunal de grande instance Paris wissen, ob die Verordnung Nr. 717/85 dahin ausgelegt werden kann, daß sie Waren betrifft, deren Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen) sich von der in Artikel 1 dieser Verordnung genannten unterscheidet.

36 Nach der Verordnung Nr. 717/85 sind bestimmte Bonbons gegen Husten und Heiserkeit, die bestimmte Stoffe enthalten, die in bestimmten Mengen eine gewisse arzneiliche Wirkung haben können, in die Tarifstelle 17.04 D I einzureihen.

37 Auch wenn die Pastillen, um die es im Ausgangsverfahren geht, eine ähnliche Zusammensetzung wie die in der Verordnung genannte aufweisen, entsprechen sie dieser doch nicht völlig. Da die Verordnung Nr. 717/85 keine grössere Tragweite haben kann als die, die sich aus ihrem Wortlaut ergibt, kann sie nicht dahin ausgelegt werden, daß sie für die Erzeugnisse des vorliegenden Falles gilt.

38 Somit ist auf die Frage des vorlegenden Gerichts zu antworten, daß die Verordnung Nr. 717/85 nicht dahin ausgelegt werden kann, daß sie Waren betrifft, deren Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen) sich von der in Artikel 1 der Verordnung genannten unterscheidet.

39 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Tarifnummer 30.03 des GZT dahin auszulegen ist, daß sie ein Erzeugnis einschließt, das aus Zucker, vor allem aber zu einem so hohen Anteil aus aktiven Aromastoffen mit medizinischen Eigenschaften besteht, daß es im wesentlichen für therapeutische und prophylaktische Zwecke verwendet wird.

40 Aus den Antworten auf die von der Cour d' appel Bourges vorgelegten Fragen ergibt sich, daß ein Erzeugnis unter Kapitel 30 des GZT fällt, wenn in ihm aktive Aromastoffe mit medizinischen Eigenschaften in einer solchen Menge enthalten sind, daß es nur zu therapeutischen und prophylaktischen Zwecken verwendet wird. Sind solche Bestandteile nicht in dieser Menge vorhanden, kann das Erzeugnis nicht als ein zu diesem Kapitel gehörendes pharmazeutisches Erzeugnis angesehen werden.

41 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß die ° Arzneiwaren betreffende ° Tarifnummer 30.03 des GZT dahin auszulegen ist, daß sie ein Erzeugnis einschließt, das aus Zucker, vor allem aber zu einem so hohen Anteil aus aktiven Aromastoffen mit medizinischen Eigenschaften besteht, daß es nur zu therapeutischen und prophylaktischen Zwecken verwendet wird. Sind die Aromastoffe in dem jeweiligen Erzeugnis nicht in einer solchen Menge vorhanden, daß es nur zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann, so kann es nicht als ein unter diese Position fallendes pharmazeutisches Erzeugnis angesehen werden.

Kostenentscheidung:

Kosten

42 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren Teil der bei den vorlegenden Gerichten anhängigen Verfahren; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieser Gerichte.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm von der Cour d' appel Bourges mit Urteil vom 3. Februar 1994 und die ihm vom Tribunal de grande instance Paris mit Zwischenurteil vom 2. März 1994 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Pastillen wie die roten "Pulmoll"-Pastillen fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 17.04 des Gemeinsamen Zolltarifs.

2. Pastillen wie die grünen "Pulmoll"-Pastillen fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 17.04 des Gemeinsamen Zolltarifs.

3. Getränke wie das "Sangart"-Elixier fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 22.09 des Gemeinsamen Zolltarifs.

4. Getränke wie "Quintonine" fallen angesichts ihrer Zusammensetzung, Aufmachung und Wirkung unter die Tarifnummer 22.09 des Gemeinsamen Zolltarifs.

5. Die Verordnung (EWG) Nr. 717/85 der Kommission vom 19. März 1985 zur Einreihung von Waren in die Tarifstelle 17.04 D I des Gemeinsamen Zolltarifs kann nicht dahin ausgelegt werden, daß sie Waren betrifft, deren Zusammensetzung (in Gewichtshundertteilen) sich von der in Artikel 1 der Verordnung genannten unterscheidet.

6. Die ° Arzneiwaren betreffende ° Tarifnummer 30.03 des Gemeinsamen Zolltarifs ist dahin auszulegen, daß sie ein Erzeugnis einschließt, das aus Zucker, vor allem aber zu einem so hohen Anteil aus aktiven Aromastoffen mit medizinischen Eigenschaften besteht, daß es nur zu therapeutischen und prophylaktischen Zwecken verwendet wird. Sind die Aromastoffe in dem jeweiligen Erzeugnis jedoch nicht in einer solchen Menge vorhanden, daß es nur zu therapeutischen oder prophylaktischen Zwecken verwendet werden kann, so kann es nicht als ein unter diese Position fallendes pharmazeutisches Erzeugnis angesehen werden.

Ende der Entscheidung

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