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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.1996
Aktenzeichen: C-11/95
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 03.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit
Vorschriften:
EG-Vertrag Art. 169 | |
EG-Vertrag Art. 5 | |
EG-Vertrag Art. 128 | |
Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 03.10.1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit Art. 2 Abs. 2 |
1. Die Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ist dahin auszulegen, daß sie für die Kabelweiterverbreitung gilt.
2. Die Richtlinie 89/552 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit ist in Anbetracht der durch ihre Artikel 2 Absätze 1 und 2 sowie 3 Absatz 2 vorgenommenen Aufgabenverteilung zwischen Sende- und Empfangsstaat dahin auszulegen, daß die Überprüfung der Anwendung des für die Fernsehsendungen geltenden Rechts des Sendemitgliedstaats und der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie ausschließlich dem Mitgliedstaat obliegt, in dem die Sendungen ihren Ursprung haben, und daß zweitens der Empfangsmitgliedstaat ausser in dem durch Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 geregelten Fall nicht befugt ist, insofern eine eigene Kontrolle auszuüben.
Folglich verstösst ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 2 der Richtlinie, wenn er
° eine Regelung beibehält, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,
° eine Regelung beibehält, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an seine Fernsehzuschauer gerichtete kommerzielle Werbung oder Teleshopping-Sendungen enthalten, vorher ausdrücklich genehmigt werden muß und diese Genehmigung an Bedingungen geknüpft ist.
3. Ein Mitgliedstaat ist nicht berechtigt, einseitig Korrektur- oder Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, um einer möglichen Missachtung der Bestimmungen des Vertrages durch einen anderen Mitgliedstaat entgegenzuwirken.
4. Zwar wird der Gegenstand der nach Artikel 169 des Vertrages erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen, jedoch kann dieses Erfordernis nicht so weit gehen, daß in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen den nationalen Vorschriften, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführt werden, und den Vorschriften zu verlangen ist, die in der Klageschrift genannt werden. Ist zwischen diesen beiden Phasen des Verfahrens eine Gesetzesänderung erfolgt, so genügt es, daß die Regelung, die mit den im vorprozessualen Verfahren beanstandeten Rechtsvorschriften eingeführt wurde, durch die neuen Maßnahmen, die der Mitgliedstaat nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme erlassen hat und die mit der Klage angegriffen werden, insgesamt aufrechterhalten worden ist.
Urteil des Gerichtshofes vom 10. September 1996. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Belgien. - Richtlinie 89/552/EWG - Kabelweiterverbreitung von Programmen. - Rechtssache C-11/95.
Entscheidungsgründe:
1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 13. Januar 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit (ABl. L 298, S. 23), insbesondere aus ihren Artikeln 2, 14 und 15, verstossen hat.
2 Sie rügt, daß das Königreich Belgien,
° was die Französische Gemeinschaft betreffe, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten habe, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden müsse,
° was die Französische Gemeinschaft betreffe, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten habe, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung oder Teleshopping-Sendungen enthielten, vorher ausdrücklich genehmigt werden müsse und diese Genehmigung an Bedingungen geknüpft sei,
° was die Flämische Gemeinschaft betreffe, im niederländischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten habe, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden müsse,
° was das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt betreffe, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 nachzukommen,
° was die Deutschsprachige Gemeinschaft betreffe, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 nachzukommen,
° was die Französische Gemeinschaft betreffe, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen habe, um den Artikeln 14 und 15 der Richtlinie 89/552 vollständig nachzukommen.
Die Richtlinie 89/552
3 Artikel 2 der Richtlinie 89/552 lautet:
"(1) Jeder Mitgliedstaat sorgt dafür, daß alle Fernsehsendungen, die
° von seiner Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstaltern gesendet werden
° oder von Fernsehveranstaltern gesendet werden, die eine von diesem Mitgliedstaat zugeteilte Frequenz oder Übertragungskapazität eines Satelliten oder eine in diesem Mitgliedstaat gelegene Erd-Satelliten-Sendestation benutzen, ohne jedoch der Rechtshoheit eines Mitgliedstaats unterworfen zu sein,
dem Recht entsprechen, das auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen anwendbar ist.
(2) Die Mitgliedstaaten gewährleisten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die in Bereiche fallen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind. Sie können die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend aussetzen, wenn die folgenden Bedingungen erfuellt sind:
a) mit einer Fernsehsendung aus einem anderen Mitgliedstaat wird in offensichtlicher, ernster und schwerwiegender Weise gegen Artikel 22 verstossen;
b) der Fernsehveranstalter hat während der vorangegangenen zwölf Monate bereits mindestens zweimal gegen diese Vorschrift verstossen;
c) der betreffende Mitgliedstaat hat dem Fernsehveranstalter und der Kommission schriftlich die behaupteten Verstösse sowie seine Absicht mitgeteilt, im Falle erneuter Verstösse die Weiterverbreitung einzuschränken;
d) die Konsultation mit dem Staat, der die Sendung verbreitet, und der Kommission haben innerhalb von 15 Tagen ab der in Buchstabe c) genannten Mitteilung zu keiner gütlichen Regelung geführt, und es kommt zu einem erneuten Verstoß.
Die Kommission achtet darauf, daß eine derartige Aussetzung mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist. Sie kann den betroffenen Mitgliedstaat auffordern, eine gemeinschaftsrechtswidrige Aussetzung unverzueglich zu beenden. Diese Vorschrift lässt die Anwendung entsprechender Verfahren, Rechtsmittel oder Sanktionen bezueglich der betreffenden Verstösse in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, unberührt.
(3) Diese Richtlinie gilt nicht für Fernsehsendungen, die ausschließlich zum Empfang in Nichtmitgliedstaaten bestimmt sind und die nicht unmittelbar oder mittelbar in einem oder mehreren Mitgliedstaaten empfangen werden."
4 Artikel 3 der Richtlinie 89/552 lautet:
"(1) Die Mitgliedstaaten können für Fernsehveranstalter, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, strengere oder ausführlichere Bestimmungen in den von in dieser Richtlinie erfassten Bereichen vorsehen.
(2) Die Mitgliedstaaten sorgen mit geeigneten Mitteln im Rahmen ihrer Rechtsvorschriften dafür, daß die jeweils ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser Richtlinie einhalten."
5 Artikel 14 der Richtlinie 89/552 lautet: "Fernsehwerbung ist untersagt für Arzneimittel und ärztliche Behandlungen, die in dem Mitgliedstaat, dessen Rechtshoheit der Fernsehveranstalter unterworfen ist, nur auf ärztliche Verordnung erhältlich sind."
6 Artikel 15 der Richtlinie 89/552 schreibt vor, daß die Fernsehwerbung für alkoholische Getränke bestimmten Kriterien entsprechen muß.
7 Artikel 22 der Richtlinie 89/552 lautet wie folgt:
"Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen, um zu gewährleisten, daß Sendungen von Fernsehveranstaltern, die ihrer Rechtshoheit unterworfen sind, keine Programme enthalten, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen schwer beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornographie oder grundlose Gewalttätigkeiten zeigen. Diese Bestimmung gilt auch für die anderen Programme, die die körperliche, geistige und sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, es sei denn, es wird durch die Wahl der Sendezeit oder durch sonstige technische Maßnahmen dafür gesorgt, daß diese Sendungen von Minderjährigen im Sendebereich üblicherweise nicht wahrgenommen werden.
Die Mitgliedstaaten sorgen ferner dafür, daß die Sendungen nicht zu Haß aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion oder Nationalität aufreizen."
8 Gemäß Artikel 25 der Richtlinie 89/552 erlassen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 3. Oktober 1991 nachzukommen und setzen die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis.
Verfahren
9 Mit Schreiben vom 3. November 1992 forderte die Kommission die belgische Regierung auf, sich zu dem Vorwurf zu äussern, sie habe durch eine unzulängliche und unvollständige Umsetzung der Richtlinie 89/552 gegen ihre Verpflichtungen verstossen.
10 Mit Schreiben vom 5. und 21. April 1993 übermittelte die belgische Regierung die Erklärungen der Flämischen und der Französischen Gemeinschaft. Am 10. Januar 1994 gab die Kommission eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie das Königreich Belgien aufforderte, innerhalb einer Frist von zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu erlassen, um die Verletzung seiner Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/552 und aus Artikel 5 EWG-Vertrag abzustellen.
11 Was die Flämische Gemeinschaft anlangt, übermittelte das Königreich Belgien mit Schreiben vom 4. Februar 1994 eine Abschrift eines Dekretentwurfs und mit Schreiben vom 9. Juni 1994 eine Abschrift des Dekrets des Flämischen Rates vom 4. Mai 1994. Mit Schreiben vom 11. April 1994 übermittelte die belgische Regierung die Antwort der Französischen Gemeinschaft auf die mit Gründen versehene Stellungnahme. Mit Schreiben vom 7. April 1994 beantwortete der Minister für Wissenschaftspolitik die mit Gründen versehene Stellungnahme für das Gebiet Brüssel-Hauptstadt.
12 Mit Entscheidung vom 7. März 1995 hat der Gerichtshof der belgischen Regierung gestattet, den Teil ihrer Klagebeantwortung, der die Rechtsvorschriften der Flämischen Gemeinschaft betrifft, in niederländischer Sprache abzufassen.
Zur Beachtung von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 in der Französischen Gemeinschaft
Zur Rüge betreffend Artikel 22 des Dekrets vom 17. Juli 1987
13 Artikel 22 des Dekrets des Rates der Französischen Gemeinschaft vom 17. Juli 1987 betreffend den audiovisuellen Sektor (Moniteur belge vom 22. August 1987, S. 12505, im folgenden: Dekret von 1987) in der Fassung des Dekrets vom 19. Juli 1991 (Moniteur belge vom 2. Oktober 1991, S. 21671) enthält folgende Bestimmungen:
"...
§ 2 Der Verteiler kann mit vorheriger schriftlicher Genehmigung der Exekutive Fernsehprogramme jedes anderen Rundfunksenders, der in dem Staat, in dem er seinen Gesellschaftssitz hat, zugelassen worden ist und den Bedingungen entspricht, die die Exekutive in der Genehmigung festgelegt hat, zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung in vollem Umfang verbreiten. Diese Genehmigung kann widerrufen werden.
§ 2bis Der Verteiler kann mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung der Exekutive Fernsehprogramme von Rundfunkveranstaltern, die über die Genehmigung nach Artikel 26 Absatz 2 dieses Dekrets verfügen und den durch die Exekutive gemäß Artikel 26 Absatz 3 dieses Dekrets festgelegten Bedingungen entsprechen, zum Zeitpunkt ihrer Ausstrahlung vollständig verbreiten.
..."
14 Nach Auffassung der Kommission stellt das durch Artikel 22 des Dekrets von 1987 geschaffene System ein schwerwiegendes Hemmnis für die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten im französischen Sprachgebiet Belgiens dar. Dieses System verstosse daher gegen Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552.
Zum Geltungsbereich der Richtlinie 89/552
15 Nach Auffassung der belgischen Regierung betrifft diese Richtlinie nur die Fernseherstsendung, nicht die Weiterverbreitung über Kabel, die eine Zweitsendung, also eine Wiedergabe gesendeter Werke durch einen anderen als den ursprünglichen Veranstalter sei (Weiterverbreitung).
16 Die belgische Regierung führt hierfür drei Argumente an. Zunächst ergebe sich aus der Definition des Begriffes der "Fernsehsendung" in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/552, daß sich dieser Begriff nur auf die "Erstsendung von Fernsehprogrammen" beziehe.
17 Ferner erfasse der in Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 verwendete Begriff der "Weiterverbreitung" die Kabelweiterverbreitung nicht, wie im übrigen der Titel der Richtlinie 93/83/EWG des Rates vom 27. September 1993 zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung (ABl. L 248, S. 15) bestätige, in dem der Begriff der "Weiterverbreitung" durch das Wort "Kabel" ergänzt sei.
18 Schließlich sei der Umstand, daß die Kabelweiterverbreitung vom Anwendungsbereich der Richtlinie 89/522 ausgeschlossen sei, damit zu erklären, daß diese zur Zeit des Erlasses der Richtlinie noch nicht sehr verbreitet gewesen sei.
19 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
20 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, wird nämlich in der neunten Begründungserwägung der Richtlinie 89/552 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Tätigkeiten des Fernsehveranstalters und des Kabelbetreibers Unterschiede aufweisen, ohne daß zwischen Erstsendungen und Weiterverbreitungen im Fernsehen unterschieden wird. Nach der zehnten Begründungserwägung sind alle sich aus diesen Unterschieden ergebenden Beschränkungen der Freiheit, innerhalb der Gemeinschaft Sendungen auszustrahlen, aufzuheben.
21 Die Definition des Begriffes der "Fernsehsendung" in Artikel 1 Buchstabe a der Richtlinie 89/552 kann nicht als eine Beschränkung von deren Geltungsbereich ausgelegt werden. Insoweit bestimmt der zu Kapitel II der Richtlinie 89/552 "Allgemeine Bestimmungen" gehörende Artikel 2 Absatz 2 ° ohne die Weiterverbreitung über Kabel auszunehmen °, daß die Mitgliedstaaten den freien Empfang gewährleisten und die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet nicht beeinträchtigen.
22 Was die Richtlinie 93/83 anlangt, heisst es zunächst in ihrer dritten Begründungserwägung, daß grenzueberschreitende Rundfunksendungen innerhalb der Gemeinschaft, insbesondere über Satellit und Kabel, eines der wichtigsten Mittel zur Förderung der Ziele der Gemeinschaft sind. In der vierten Begründungserwägung wird auf die Ziele der Richtlinie 89/552 hingewiesen, in der fünften festgestellt, daß bei der grenzueberschreitenden Programmverbreitung über Satelliten ebenso wie bei der Kabelweiterverbreitung von Programmen aus anderen Mitgliedstaaten noch eine Reihe unterschiedlicher nationaler Urheberrechtsvorschriften bestehen. Nach der zwölften Begründungserwägung schließlich bedürfen die durch die Richtlinie 89/552 festgelegten rechtlichen Rahmenbedingungen für einen einheitlichen audiovisuellen Raum in bezug auf das Urheberrecht einer Ergänzung.
23 Die Richtlinie 93/83 bestätigt demnach, daß die Richtlinie 89/552 auch für die Kabelweiterübertragung von Fernsehprogrammen gilt.
24 Was schließlich die Entstehungsgeschichte der Richtlinie 89/552 anlangt, wird in ihrer vierten Begründungserwägung ausdrücklich auf die Annahme des Europäischen Übereinkommens über grenzueberschreitendes Fernsehen durch den Europarat Bezug genommen. Dieses Übereinkommen gilt nach seinem Artikel 3 auch für Fernsehprogramme, die über Kabel weiterverbreitet werden.
25 Aus dem geringen Ausmaß der Kabelweiterverbreitung zur Zeit des Erlasses der Richtlinie 89/552 kann daher nicht geschlossen werden, daß diese nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.
Zum Anwendungsbereich des Dekrets von 1987
26 Nach den Ausführungen der belgischen Regierung betrifft Artikel 22 Absatz 2 des Dekrets von 1987 nur die Leistungen der im Gebiet der Französischen Gemeinschaft ansässigen Kabelbetreiber. Das Dekret enthalte daher keine Beschränkung für den freien Verkehr von ausländischen Fernsehsendungen.
27 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes hat die Kabelweiterverbreitung ausländischer Sendungen grenzueberschreitenden Charakter (vgl. insbesondere Urteil vom 26. April 1988 in der Rechtssache 352/85, Bond van Adverteerders, Slg. 1988, 2085, Randnr. 15). Die Richtlinie 89/552 ist jedoch, wie sich aus ihrer sechsten, siebten und neunten Begründungserwägung ergibt, gerade auf die Beseitigung der Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit im Bereich der Fernsehsendungen gerichtet, die sich aus den unterschiedlichen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben.
28 Dieses Vorbringen ist daher zurückzuweisen.
Zur Vereinbarkeit von Artikel 22 des Dekrets von 1987 mit der Richtlinie 89/552
29 Die belgische Regierung führt zunächst aus, der belgische Kabelbetreiber bedürfe für die Weiterverbreitung von Programmen ausländischer Fernsehsender einer Genehmigung der Exekutive. Auf der Grundlage dieser Vorschrift träfen belgische und ausländische Fernsehsender mit der Exekutive eine kulturelle Vereinbarung, die sie verpflichte, einen Teil ihrer Mittel für den Kauf, die Produktion und die Koproduktion europäischer audiovisueller Programme zu verwenden.
30 Zur Vereinbarkeit von Artikel 22 des Dekrets von 1987 mit der Richtlinie 89/552 führt die belgische Regierung aus, daß gemäß den Begründungserwägungen und Artikel 2 Absatz 1 dieser Richtlinie nur Fernsehprogramme, die dem im Sendestaat geltenden Recht einschließlich der Richtlinie entsprächen, in der gesamten Gemeinschaft frei verkehren könnten. Aus diesem Grundsatz ergebe sich, daß der Empfangsstaat überprüfen können müsse, ob die ausländischen Fernsehsender, die ihre Programme im Hoheitsgebiet der Französischen Gemeinschaft Belgiens weiterverbreiten wollten, das Recht des Sendestaats einhielten und Anspruch auf die Anwendung von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie hätten.
31 In Anbetracht der durch die Richtlinie 89/552 vorgenommenen Aufgabenverteilung zwischen Sende- und Empfangsstaat ist diesem Vorbringen nicht zu folgen.
32 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie 89/552 sorgt nämlich jeder Mitgliedstaat dafür, daß die Fernsehveranstalter, die seiner Rechtshoheit unterworfen sind oder für die er nach Artikel 2 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich eine Zuständigkeit besitzt, das Recht beachten, das in seinem Gebiet auf für die Allgemeinheit bestimmte Sendungen anwendbar ist. Gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 sorgen die Mitgliedstaaten ferner dafür, daß die jeweils ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Bestimmungen dieser Richtlinie einhalten.
33 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 Richtlinie 89/552 gewährleisten die Mitgliedstaaten den freien Empfang und behindern nicht die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet aus Gründen, die in Bereiche fallen, die von der Richtlinie koordiniert werden.
34 Hieraus folgt erstens, daß die Überprüfung der Anwendung des für die Fernsehsendungen geltenden Rechts des Sendestaats und der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 89/552 ausschließlich dem Mitgliedstaat obliegt, in dem die Sendungen ihren Ursprung haben, und daß zweitens der Empfangsstaat nicht befugt ist, insofern eine eigene Kontrolle auszuüben.
35 Für diese Auslegung sprechen auch die Begründungserwägungen der Richtlinie 89/552. Nach der zehnten Begründungserwägung sind alle Beschränkungen der Sendefreiheit gemäß dem Vertrag aufzuheben. Nach der zwölften und der vierzehnten Begründungserwägung ist es hierfür notwendig und ausreichend, daß alle Fernsehsendungen dem Recht des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Ursprung haben, und den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen. Gemäß der fünfzehnten Begründungserwägung reicht die Verpflichtung des Sendestaats, die Einhaltung des durch die Richtlinie koordinierten nationalen Rechts sicherzustellen, nach dem Gemeinschaftsrecht aus, um den freien Verkehr von Fernsehsendungen zu gewährleisten, ohne daß eine zweite Kontrolle aus den gleichen Gründen in jedem der Empfangsstaaten stattfinden muß.
36 Nur in dem in Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 geregelten Fall, auf den sich der zweite Teil der fünfzehnten Begründungserwägung der Richtlinie 89/552 bezieht, kann der Empfangsstaat ausnahmsweise unter den in dieser Bestimmung geregelten Voraussetzungen die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend aussetzen. Einem Mitgliedstaat, der der Auffassung ist, ein anderer Mitgliedstaat habe gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie verstossen, steht es im übrigen, wie die Kommission zu Recht bemerkt, frei, eine Vertragsverletzungsklage gemäß Artikel 170 EG-Vertrag zu erheben oder die Kommission aufzufordern, gemäß Artikel 169 des Vertrages gegen diesen Mitgliedstaat vorzugehen.
37 Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Mitgliedstaat nicht berechtigt, einseitig Korrektur- oder Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, um einer möglichen Missachtung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften durch einen anderen Mitgliedstaat entgegenzuwirken (Urteile vom 13. November 1964 in den verbundenen Rechtssachen 90/63 und 91/63, Kommission/Luxemburg und Belgien, Slg. 1964, 1329, und 25. September 1979 in der Rechtssache 232/78, Kommission/Frankreich, Slg. 1979, 2729, Randnr. 9, und vom 23. Mai 1996 in der Rechtssache C-5/94, Hedley Lomas, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 20).
38 Die belgische Regierung macht ferner geltend, diese Verfahren könnten im vorliegenden Fall nicht sicherstellen, daß die Bestimmungen der Richtlinie 89/552 und des nationalen Rechts, das im Ursprungsmitgliedstaat auf die zum Empfang durch die Allgemeinheit bestimmten Fernsehsendungen anwendbar sei, eingehalten würden, da Fernsehsendungen ihrem Wesen nach Ereignisse von kurzer Dauer seien und der von ihnen verursachte Schaden nicht wiedergutgemacht werden könne.
39 Wie in Randnummer 34 dieses Urteils ausgeführt, ist der Empfangsstaat gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 der Richtlinie 89/552 nur berechtigt, die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen vorübergehend auszusetzen, wenn die in dieser Bestimmung angeführten Voraussetzungen vorliegen. Hat der Empfangsstaat gemäß Artikel 170 EG-Vertrag Klage erhoben, so kann er ferner beantragen, daß der Gerichtshof gemäß Artikel 186 des Vertrages einstweilige Anordnungen erlässt.
40 Die belgische Regierung führt hilfsweise aus, das Dekret von 1987 behindere den freien Verkehr von Rundfunksendungen der anderen Mitgliedstaaten nicht, da die Vereinbarungen von den belgischen und den ausländischen Fernsehsendern frei mit der Exekutive ausgehandelt würden und damit ein geeignetes Mittel darstellten, um die in den Artikeln 4 und 5 der Richtlinie 89/552 genannte Entwicklung der europäischen audiovisuellen Produktion zu fördern. Die Exekutive verfüge hinsichtlich der Modalitäten und der Bedingungen der Vereinbarungen über kein Ermessen, da diese in einer Verordnung vom 22. Dezember 1988 (Moniteur belge, 1988, S. 1578; 1992, S. 6532) festgelegt und dem Conseil supérieur de l' audiovisül zur vorherigen Stellungnahme vorzulegen seien.
41 Zunächst ergibt sich aus der erwähnten Verordnung, daß diese Vereinbarungen nicht als "frei ausgehandelt" bezeichnet werden können, da die Verbreitung der Programme ausländischer Sender nur genehmigt wird, wenn die darin geregelten Bedingungen, deren Modalitäten in diesen Vereinbarungen festzulegen sind, eingehalten werden.
42 Soweit geltend gemacht wird, diese Vereinbarungen stellten ein geeignetes Mittel zur Durchführung der Artikel 4 und 5 der Richtlinie 89/552 dar, ist darauf hinzuweisen, daß es, wie in Randnummer 34 dieses Urteils festgestellt wurde, dem Mitgliedstaat obliegt, in dem die Sendungen ihren Ursprung haben, die Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie, darunter der Artikel 4 und 5, zu gewährleisten, und daß es folglich nicht zulässig ist, daß der Empfangsstaat auf Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten seine eigenen Kriterien in diesem Bereich anwendet.
Zu dem auf Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gestützten Vorbringen
43 Die belgische Regierung macht geltend, Artikel 10 Absatz 1 Satz 2 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sehe ausdrücklich vor, daß ein obligatorisches Genehmigungsverfahren für Rundfunkunternehmen und erst recht für Veranstalter von Kabelfernsehen eingeführt werden könne.
44 Diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
45 Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, verstösst ein obligatorisches Genehmigungsverfahren für den Fernsehsektor zwar nicht gegen Artikel 10 dieser Konvention, doch kann ein solches Verfahren gleichwohl mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar sein.
Zu dem auf Artikel 128 EG-Vertrag gestützten Vorbringen
46 Die belgische Regierung macht geltend, das durch das Dekret von 1987 eingeführte System, mit dem die Einhaltung bestimmter kultureller Ziele sichergestellt werden solle, sei gerechtfertigt, da die Richtlinie 89/552 und insbesondere ihre Artikel 4 und 5 im Lichte des ° durch den Vertrag über die Europäische Union in den EG-Vertrag eingefügten ° Artikels 128 des Vertrages betreffend die Kultur auszulegen seien.
47 Auch diesem Vorbringen ist nicht zu folgen.
48 Aus der siebzehnten und der achtzehnten Begründungserwägung der Richtlinie 89/552 ergibt sich nämlich, daß mit der Richtlinie 89/552, insbesondere mit der in ihren Artikeln 4 und 5 enthaltenen Regelung, auch kulturelle Ziele verfolgt werden.
49 Die Gemeinschaft leistet zwar gemäß Artikel 128 Absatz 1 des Vertrages einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen der Mitgliedstaaten unter Wahrung ihrer nationalen und regionalen Vielfalt sowie gleichzeitiger Hervorhebung des gemeinsamen kulturellen Erbes und trägt ferner gemäß Absatz 4 den kulturellen Aspekten bei ihrer Tätigkeit aufgrund anderer Bestimmungen des Vertrages Rechnung.
50 Dieser Artikel enthält jedoch keine Ermächtigung des Empfangsstaats, Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat in Abweichung von der Regelung der Richtlinie 89/552 einer erneuten Kontrolle zu unterwerfen.
Zu dem auf den Subsidiaritätsgrundsatz gestützten Vorbringen
51 Die belgische Regierung macht geltend, gemäß dem in Artikel 3b Absatz 2 EG-Vertrag verankerten Subsidiaritätsgrundsatz dürfe sie auf kulturellem Gebiet tätig werden, sofern sie sich nicht ihren Gemeinschaftsverpflichtungen entziehe.
52 Wie bereits in Randnummer 33 dieses Urteils ausgeführt wurde, sind die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 verpflichtet, den freien Empfang zu gewährleisten und die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten in ihrem Hoheitsgebiet in Bereichen, die mit dieser Richtlinie koordiniert sind, nicht zu behindern.
53 Wie im übrigen die belgische Regierung selbst eingeräumt hat, kann sich ein Mitgliedstaat demnach nicht unter Berufung auf Artikel 3b Absatz 2 des Vertrages dieser Verpflichtung aus der Richtlinie 89/552 entziehen.
Zu dem auf die Erhaltung des Pluralismus in den Medien gestützten Vorbringen
54 Die belgische Regierung macht ferner geltend, sofern die Kulturpolitik nicht in den mit der Richtlinie 89/552 koordinierten Bereich falle, werde das Verfahren des Artikels 22 Absatz 2 des Dekrets von 1987 durch Erwägungen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, da es der Exekutive ermögliche, durch den Abschluß von Vereinbarungen mit den belgischen und den ausländischen Sendern den Pluralismus in den Medien zu erhalten. Der Gerichtshof habe in den Urteilen vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-288/89 (Collectieve Antennevoorziening Gouda, Slg. 1991, I-4007) und in der Rechtssache C-353/89 (Kommission/Niederlande, Slg. 1991, I-4069) ausdrücklich festgestellt, daß eine Kulturpolitik, die die Meinungsfreiheit der verschiedenen gesellschaftlichen, kulturellen, religiösen und geistigen Strömungen in einem Staat, wie sie sich in der Presse, im Hörfunk und im Fernsehen müsse entfalten können, schützen solle, einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses darstellen könne, der eine Beschränkung des durch Artikel 59 EG-Vertrag gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertige.
55 Ohne daß geprüft zu werden braucht, ob die Artikel 10 ff. der Richtlinie 89/552 und insbesondere die Artikel 10 Absatz 1, 11 Absatz 1, 17 Absatz 1 Buchstabe a und 19, wie die Kommission vorträgt, diesen Bereich abschließend regeln, ist festzustellen, daß, wie der Generalanwalt in Nummer 65 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die belgische Regierung nicht in hinreichendem Masse und im einzelnen bewiesen hat, daß das Verfahren einer vorherigen Genehmigung erforderlich und verhältnismässig ist, um den Pluralismus im Fernsehbereich oder in den Medien allgemein zu schützen.
Zu dem auf die Richtlinie 93/83 gestützten Vorbringen
56 Die belgische Regierung macht schließlich geltend, da die Mitgliedstaaten nach der Richtlinie 93/83 verpflichtet seien, dafür Sorge zu tragen, daß bei Kabelweiterverbreitungen von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten Urheberrechte und verwandte Schutzrechte beachtet würden, könne die Richtlinie 89/552 nicht dazu führen, daß der freie Verkehr von Fernsehprogrammen, die urheberrechtliche Vorschriften verletzten, begünstigt werde.
57 Wie der Generalanwalt in Nummer 57 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, hat die belgische Regierung nichts dafür vorgetragen, daß die Urheberrechte nicht durch ein weniger restriktives Mittel als eine vorherige Genehmigung der Weiterverbreitung geschützt werden könnten.
58 Die erste Rüge der Kommission ist demnach begründet.
Zur zweiten Rüge, betreffend die Artikel 26 und 26ter des Dekrets von 1987
59 In Artikel 26 des Dekrets heisst es:
"...
§ 2 Rundfunkveranstalter, die die von der Exekutive gemäß Artikel 22 Absatz 2 festgelegten Bedingungen erfuellen, können besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung senden, sofern ihnen die Exekutive zuvor eine ausdrückliche Genehmigung erteilt hat.
§ 3 Die Exekutive legt fest, unter welchen Bedingungen die RTBF und die in den Absätzen 1 und 2 genannten Rundfunkveranstalter kommerzielle Werbung in ihre Programme aufnehmen dürfen.
Diese Bedingungen sehen insbesondere die Verfahren vor, mit denen sich diese Rundfunkveranstalter an der Förderung der audiovisuellen kulturellen Produktion der Französischen Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften, der Erhaltung und Weiterentwicklung des audiovisuellen Pluralismus der Sender der Französischen Gemeinschaft sowie der Erhaltung und Weiterentwicklung des Pluralismus der allgemeinen Meinungs- oder Informationspresse der Französischen Gemeinschaft beteiligen dürfen.
§ 4 Die kommerzielle Werbung darf nicht gegen die Gesetze, Dekrete oder Verordnungen, die die Werbung allgemein oder die Werbung für bestimmte Arten von Erzeugnissen oder Dienstleistungen regeln, oder gegen die Artikel 27 bis 27octies verstossen.
Den in § 2 dieser Vorschrift genannten Veranstaltern wird eine Sendegenehmigung für besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung nur erteilt, sofern sie sich verpflichten, die in Unterabsatz 1 dieses Absatzes aufgeführten Vorschriften und Regeln für die Werbung einzuhalten."
60 Artikel 26ter des Dekrets bestimmt:
"§ 1 Die [RTBF] und die in Artikel 26 Absätze 1 und 2 genannten Rundfunkveranstalter können Teleshopping-Sendungen verbreiten, sofern ihnen die Exekutive zuvor eine ausdrückliche Genehmigung erteilt hat.
§ 2 Die [RTBF] und die Rundfunkveranstalter, denen eine Genehmigung erteilt worden ist, tragen die volle Verantwortung für die Verbreitung der Teleshopping-Sendungen und die Einhaltung der durch dieses Dekret und die dazu erlassenen Durchführungsverordnungen festgelegten Bedingungen.
[§§ 3 bis 7, Bestimmungen betreffend Teleshopping]
[§ 8, Jahresberichte der Rundfunkveranstalter, denen eine Genehmigung erteilt worden ist, betreffend Teleshopping]."
61 Nach Auffassung der Kommission ist die Regelung der Artikel 26 und 26ter des Dekrets von 1987 über die Erteilung einer Genehmigung für die Verbreitung von kommerzieller Werbung oder Teleshopping-Sendungen, die von Fernsehveranstaltern anderer Mitgliedstaaten besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtet werden, ° nach der die Genehmigung insbesondere an die Bedingung geknüpft sei, daß diese Veranstalter sich an der Förderung der Fernsehsender und der Presse der Französischen Gemeinschaft beteiligten ° noch restriktiver als die allgemeine Regelung des Artikels 22 des Dekrets. Diese Regelung verstosse daher erst recht gegen Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552.
62 Die belgische Regierung führt aus, alle Sender, die von einem anderen Mitgliedstaat aus besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung verbreiteten, unterlägen ihrer Rechtshoheit oder umgingen tatsächlich die für die Französische Gemeinschaft geltende Regelung. Die Artikel 26 und 26ter regelten speziell den Fall der Umgehung der nationalen Vorschriften des Empfangsstaats. Ausländische Fernsehsender, die sich besonders an die Fernsehzuschauer der französischen Gemeinschaft wendeten, könnten sich nicht auf Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 berufen. Nach den Urteilen vom 3. Dezember 1974 in der Rechtssache 33/74 (Van Binsbergen, Slg. 1974, 1299) und vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-23/93 (TV10, Slg. 1994, I-4795) könnten die Mitgliedstaaten Maßnahmen im Hinblick auf Veranstalter erlassen, die die nationalen Vorschriften umgingen.
63 Die Artikel 26 und 26ter des Dekrets von 1987 betreffen allgemein die Umgehung der Rechtsvorschriften des Empfangsstaats durch Rundfunkveranstalter anderer Mitgliedstaaten. Die belgische Regierung selbst hat ausgeführt, daß diese Regelung auf der Erwägung beruhe, daß die Sendung von kommerzieller Werbung und von Teleshopping-Sendungen, die von den Rundfunkveranstaltern anderer Mitgliedstaaten an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtet würden, als solche eine Umgehung der Rechtsvorschriften des Empfangsstaats darstelle.
64 Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
65 Es braucht nicht geprüft zu werden, ob ein Mitgliedstaat angesichts der Richtlinie 89/552 noch das Recht hat, unter Berufung auf Artikel 59 des Vertrages Vorschriften zu erlassen, die verhindern sollen, daß der Erbringer einer Leistung, dessen Tätigkeit ganz oder vorwiegend auf das Gebiet dieses Staates ausgerichtet ist, sich die durch den Vertrag garantierten Freiheiten zunutze macht, um sich den Berufsregelungen zu entziehen, die auf ihn Anwendung fänden, wenn er im Gebiet dieses Staates niedergelassen wäre (Urteile Van Binsbergen, a. a. O., Randnr. 13; vom 16. Dezember 1992 in der Rechtssache C-211/91, Kommission/Belgien, Slg. 1992, I-6757, Randnr. 12, und TV10, a. a. O., Randnr. 20); vielmehr genügt die Feststellung, daß ein Mitgliedstaat nach dieser Rechtsprechung jedenfalls nicht berechtigt ist, ein allgemeines Verbot der Erbringung bestimmter Dienstleistungen durch in anderen Mitgliedstaaten ansässige Marktteilnehmer zu erlassen, da dies auf die Beseitigung des freien Dienstleistungsverkehrs hinausliefe (vgl. Urteil Kommission/Belgien, a. a. O., Randnr. 12).
66 Die zweite Rüge der Kommission ist demnach begründet.
Zur Beachtung von Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 in der Flämischen Gemeinschaft
Zur dritten Rüge betreffend die Artikel 3, 5 und 10 des Dekrets vom 4. Mai 1994
67 Der Gerichtshof hat im Urteil vom 16. Dezember 1992 (Kommission/Belgien, a. a. O.), das eine Vertragsverletzungsklage wegen der Artikel 3 und 4 des Dekrets der Flämischen Gemeinschaft vom 28. Januar 1987 betreffend die Übertragung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen über die Rundfunk- und Kabelfernsehnetze sowie die Zulassung von nichtöffentlichen Fernsehgesellschaften (Belgisch Staatsblad vom 19. März 1987, S. 4196, im folgenden: Dekret vom 28. Januar 1987) zum Gegenstand hatte, entschieden, daß das Königreich Belgien gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 59 und 60 des Vertrages verstossen hat, indem es die Übertragung von Fernsehprogrammen der nichtöffentlichen Rundfunksender anderer Mitgliedstaaten über ein Verteilernetz von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht, die an Bedingungen geknüpft werden kann.
68 Am 4. Mai 1994 hat die Flämische Gemeinschaft das Dekret betreffend die Rundfunk- und Kabelfernsehnetze, die zur Errichtung und zum Betrieb dieser Netze erforderliche Genehmigung sowie über die Förderung der Sendung und Produktion von Fernsehprogrammen (Belgisch Staatsblad vom 4. Juni 1994, S. 15434/15440, im folgenden: Dekret vom 4. Mai 1994) erlassen.
69 Die Artikel 3, 5 und 10 dieses Dekrets lauten wie folgt:
"Artikel 3
Ein Rundfunk- oder Kabelfernsehnetz dürfen nur Personen errichten oder betreiben, denen die flämische Regierung gemäß den in diesem Dekret aufgeführten Bedingungen die Genehmigung erteilt hat. Die flämische Regierung kann weitere Bedingungen festlegen.
Die Genehmigung kann im Fall der Verletzung dieses Dekrets oder seiner Durchführungsverordnungen unter den von der flämischen Regierung festgelegten Voraussetzungen widerrufen oder suspendiert werden.
Artikel 5
§ 1 Die Genehmigung gemäß Artikel 3 kann nur juristischen Personen erteilt werden.
§ 2 In der Genehmigung werden das Betriebsgebiet, die Sendungen, die verbreitet, und die Leistungen, die angeboten werden dürfen, angegeben.
Jede Änderung, die die Weiterverbreitung einer neuen Rundfunksendung oder das Angebot einer neuen Leistung betrifft, ist der flämischen Regierung zur Genehmigung zu unterbreiten. Diese prüft, ob alle in diesem Dekret festgelegten Voraussetzungen beachtet worden sind.
Die Entscheidung über die Erteilung oder die Versagung der Genehmigung wird dem Kabelbetreiber innerhalb von vier Monaten nach Antragstellung mitgeteilt. Im Fall der Genehmigung kann der Kabelbetreiber die Änderung vornehmen, sobald ihm die Genehmigung mitgeteilt worden oder die in der Entscheidung festgesetzte Frist abgelaufen ist.
...
§ 6 Kabelbetreiber, die beim Inkrafttreten dieses Dekrets eine Genehmigung gemäß dem Königlichen Dekret vom 24. Dezember 1966 betreffend die Netze zur Verbreitung von Rundfunksendungen in Wohnungen Dritter besitzen, behalten diese Genehmigung bis zu ihrem Ablauf, sofern sie die Bedingungen dieses Dekrets und seiner Durchführungsverordnungen erfuellen.
Artikel 10
§ 1 Der Kabelbetreiber muß folgende Sendungen simultan und in voller Länge über sein Rundfunk- oder Kabelfernsehnetz verbreiten:
[betrifft belgische Sendungen]
§ 2 Unbeschadet des § 1 kann der Kabelbetreiber folgende Sendungen über sein Rundfunk- oder Kabelfernsehnetz verbreiten:
[1 bis 3 betreffen belgische Sendungen]
4 Hörfunk- und Fernsehsendungen von Rundfunkveranstaltern, denen von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union als Belgien eine Genehmigung erteilt worden ist, sofern der betreffende Rundfunkveranstalter in diesem Mitgliedstaat der Kontrolle unterliegt, die dort für Rundfunkveranstalter gilt, die sich an das Publikum dieses Mitgliedstaats wenden, und sich diese Kontrolle tatsächlich auf die Einhaltung der Vorschriften des europäischen Rechts, und zwar insbesondere des Urheberrechts, verwandter Schutzrechte und der internationalen Verpflichtungen der Europäischen Union bezieht, und sofern der betreffende Rundfunkveranstalter und die von ihm verbreiteten Sendungen die öffentliche Ordnung und Sicherheit sowie die guten Sitten der Flämischen Gemeinschaft nicht gefährden;
[5 betrifft Sendungen aus Drittländern]
[6 und 7 betreffen Hörfunksendungen]".
70 Artikel 3 des Dekrets vom 28. Januar 1987 wurde durch Artikel 25 § 1 des Dekrets vom 4. Mai 1994 aufgehoben.
Zur Zulässigkeit
71 Nach Auffassung der belgischen Regierung ist die Klage, soweit sie die Rechtsvorschriften der Flämischen Gemeinschaft betrifft, unzulässig, da die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 10. Januar 1994 das Dekret vom 28. Januar 1987, die Klage dagegen das neue Dekret vom 4. Mai 1994 betreffe. Die belgische Regierung macht insoweit geltend, entgegen Artikel 169 des Vertrages habe ihr die Kommission vor der Klageerhebung nicht Gelegenheit gegeben, sich zu den in der Klageschrift angeführten Rügen zu äussern, sie habe ferner die Rechtslage zur Zeit des Erlasses ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht berücksichtigt, und schließlich beruhten die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Klage nicht auf denselben Erwägungen und Gründen.
72 Die Kommission entgegnet, der Streitgegenstand ° Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 ° sei der gleiche geblieben, da auch die neue Regelung eine vorherige Genehmigung vorsehe und die Gründe, aus denen diese Regelung gegen Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 verstosse, sich nicht geändert hätten. Die Kommission verweist insoweit auf das Urteil vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-105/91 (Kommission/Griechenland, Slg. 1992, I-5871).
73 Zwar wird nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes der Gegenstand der nach Artikel 169 des Vertrages erhobenen Klage durch das in dieser Vorschrift vorgesehene vorprozessuale Verfahren umschrieben, weshalb die mit Gründen versehene Stellungnahme der Kommission und die Klage auf dieselben Rügen gestützt werden müssen (vgl. Urteil Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 12).
74 Dieses Erfordernis kann jedoch nicht so weit gehen, daß in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen den nationalen Vorschriften, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführt werden, und den Vorschriften zu verlangen ist, die in der Klageschrift genannt werden. Ist zwischen diesen beiden Phasen dieses Verfahrens eine Gesetzesänderung erfolgt, so genügt es, daß die Regelung, die mit den im vorprozessualen Verfahren beanstandeten Rechtsvorschriften eingeführt wurde, durch die neuen Maßnahmen, die der Mitgliedstaat nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme erlassen hat und die mit der Klage angegriffen werden, insgesamt aufrechterhalten worden ist (vgl. Urteile vom 1. Dezember 1965 in der Rechtssache 45/64, Kommission/Italien, Slg. 1965, 1236, vom 5. Juli 1990 in der Rechtssache 42/89, Kommission/Belgien, Slg. 1990, I-2821, und Kommission/Griechenland, a. a. O., Randnr. 13).
75 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der mit Gründen versehenen Stellungnahme, daß sich die Beanstandungen der Kommission in der vorprozessualen Phase auf das Erfordernis der vorherigen Genehmigung bezogen, das nach dem Dekret vom 28. Januar 1987 für die Weiterverbreitung von Sendungen von Rundfunkveranstaltern anderer Mitgliedstaaten galt. Aus den Klageanträgen ergibt sich, daß die Kommission mit der vorliegenden Klage ebenfalls diese Regelung beanstandet. Im übrigen hatte die Kommission bereits in der mit Gründen versehenen Stellungnahme darauf hingewiesen, daß der am 5. Juli 1991 eingereichte Entwurf eines neuen Dekrets insoweit nicht als ausreichend angesehen werden könne.
76 Die Kommission hat folglich dadurch, daß sie in ihrer Klageschrift die Bestimmungen des Dekret vom 4. Mai 1994 beanstandet, den Gegenstand der Klage nicht geändert und nicht gegen Artikel 169 des Vertrages verstossen. Die Klage ist daher für zulässig zu erklären.
77 Die belgische Regierung macht ferner geltend, durch das Dekret vom 4. Mai 1994 sei das Genehmigungserfordernis durch eine blosse Notifizierungsverpflichtung ersetzt worden und es bestehe folglich keine Übereinstimmung zwischen der mit Gründen versehenen Stellungnahme und der Klage.
78 Insoweit genügt der Hinweis, daß sich dieses Vorbringen auf die Begründetheit der Klage bezieht, da es nur auf der Grundlage einer Untersuchung des durch das Dekret vom 4. Mai 1994 eingeführten Notifizierungsverfahrens beurteilt werden kann.
Zur Begründetheit
79 Nach Auffassung der Kommission wird durch das Dekret vom 4. Mai 1994 das Verfahren der vorherigen Genehmigung beibehalten, da Artikel 10 Absatz 2 Nr. 4 die Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten an drei Voraussetzungen knüpfe. Erstens müssten diese Sendungen von der Regierung eines anderen Mitgliedstaats genehmigt worden sein; zweitens müsse der Rundfunkveranstalter, der der Urheber der Sendungen sei, der Rechtshoheit dieses Mitgliedstaats unterliegen, und drittens dürften die Sendungen die öffentliche Ordnung und Sicherheit und die guten Sitten nicht gefährden. Gemäß Artikel 5 Absatz 2 des Dekrets vom 4. Mai 1994 obliege es der flämischen Regierung, die Einhaltung dieser Voraussetzungen zu überwachen und die Weiterverbreitung zu gestatten oder zu verbieten.
80 Diese Genehmigungsregelung sei mit Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 unvereinbar, da Empfangsstaaten danach nicht berechtigt seien, zu überprüfen, ob der Sendestaat die ihm nach der Richtlinie obliegenden Verpflichtungen ordnungsgemäß erfuelle.
81 Dagegen führt die belgische Regierung erstens aus, das Dekret vom 4. Mai 1994 sehe lediglich ein Notifizierungsverfahren vor, mit dem geklärt werden solle, ob es sich um ein Rundfunkprogramm der Gemeinschaft handele, so daß für dieses Programm der durch die Richtlinie 89/552 gewährleistete freie Dienstleistungsverkehr beansprucht werden.
82 Die Artikel 3 und 5 des Dekrets vom 4. Mai 1994 führen ausdrücklich eine Genehmigung als Voraussetzung für die Errichtung oder den Betrieb eines Rundfunk- oder Kabelfernsehnetzes an. Gemäß Artikel 3 dieses Dekrets wird diese Genehmigung unter den im Dekret, u. a. in seinem Artikel 10 Absatz 2 Nr. 4 betreffend Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten, geregelten Bedingungen erteilt. Artikel 5 Absatz 2 bestimmt, daß in dieser Genehmigung die Sendungen, die weiterverbreitet werden dürfen, besonders aufgeführt werden.
83 Die belgische Regierung macht zweitens geltend, die Richtlinie 89/552 koordiniere nur bestimmte Bereiche des Fernsehrechts der Mitgliedstaaten, so daß diese noch befugt seien, zu überprüfen, ob tatsächlich ein Zusammenhang zwischen den Sendungen und dem Sendestaat bestehe und diese dort tatsächlich einer Kontrolle unterlägen. Sie ermögliche es damit, zu verhindern, daß Rundfunkveranstalter, bei denen eine tatsächliche Bindung an einen Mitgliedstaat fehle, sich mißbräuchlich auf den freien Dienstleistungsverkehr berufen könnten.
84 Die Genehmigung nach Artikel 10 Absatz 2 Nr. 4 des Dekrets vom 4. Mai 1994 setze keine genaue Kontrolle voraus. Jedesmal wenn ein Kabelbetreiber den Behörden die Weiterverbreitung einer neuen ausländischen Sendung mitteile, müssten diese jedenfalls klären, welches der Sendestaat sei und ob der Rundfunkveranstalter der "Rechtshoheit" dieses Staates unterliege. Nur für diese Veranstalter gelte nämlich der durch die Richtlinie 89/552 gewährleistete grenzueberschreitende freie Verkehr.
85 Dieses Vorbringen ist zurückzuweisen.
86 Wie bereits in Randnummer 34 dieses Urteils festgestellt worden ist, obliegt es allein den Mitgliedstaaten, aus denen die Sendungen stammen, dafür zu sorgen, daß die ihrer Rechtshoheit unterworfenen Fernsehveranstalter die Rechtsvorschriften der Richtlinie 89/552 einhalten. Selbst wenn mit den fraglichen Bestimmungen des Dekrets vom 4. Mai 1994 lediglich ein Überprüfungsverfahren eingeführt werden sollte, würde das Erfordernis einer vorherigen Genehmigung, das eine schwerwiegende Behinderung des durch die Richtlinie durchgeführten freien Verkehrs von Sendungen in der Gemeinschaft darstellt, über das hinausgehen, was für die Feststellung erforderlich ist, daß die Sendungen aus einem anderen Mitgliedstaat stammen.
87 Die belgische Regierung macht drittens geltend, da mit der Richtlinie eine so weitgehende Koordinierung erfolgen solle, daß zwischen den Mitgliedstaaten das für den grenzueberschreitenden Verkehr von Fernsehsendungen erforderliche gegenseitige Vertrauen geschaffen werde, obliege es dem Empfangsstaat, innerhalb bestimmter Grenzen zu überprüfen, ob der Sendestaat eine effektive Kontrolle im Hinblick auf die Einhaltung der Richtlinie ausübe.
88 Die Mitgliedstaaten müssen sich hinsichtlich der in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet durchgeführten Kontrollen gegenseitig Vertrauen entgegenbringen (vgl. Urteile vom 25. Januar 1977 in der Rechtssache 46/76, Bauhuis, Slg. 1977, 5, Randnr. 22, und Hedley Lomas, a. a. O., Randnr. 19).
89 Wie der Gerichtshof bereits in Randnummer 36 dieses Urteils ausgeführt hat, steht es einem Mitgliedstaat frei, eine Vertragsverletzungsklage gemäß Artikel 170 des Vertrages zu erheben oder die Kommission aufzufordern, selbst gemäß Artikel 169 des Vertrages gegen diesen Mitgliedstaat vorzugehen, wenn er der Auffassung ist, daß ein anderer Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/552 verstossen habe.
90 Soweit die belgische Regierung unter Berufung auf die Richtlinie 93/83 geltend macht, die Richtlinie 89/552 könne nicht dazu führen, daß der freie Verkehr von urheberrechtliche Vorschriften verletzenden Fernsehsendungen begünstigt werde, ist auf Randnummer 57 dieses Urteils zu verweisen.
91 Die belgische Regierung macht schließlich geltend, da der Vertrag Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs zulasse, wenn sie durch den Schutz der guten Sitten sowie der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt seien, und mit der Richtlinie 89/552 insoweit keine Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten erfolgt sei, könne der Empfangsstaat überprüfen, ob Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten diese legitimen Ziele gefährdeten.
92 Wie der Generalanwalt in den Nummern 100 und 101 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft die Richtlinie 89/552 Materien, die dem Bereich der öffentlichen Ordnung, der guten Sitten oder der öffentlichen Sicherheit zuzurechnen sind. Obwohl diese Regelung nicht abschließend ist, kann der Schutz dieser Interessen jedoch jedenfalls kein allgemeines vorheriges Genehmigungsverfahren für Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten rechtfertigen, da dies auf die Beseitigung des freien Dienstleistungsverkehrs hinauslaufen würde (vgl. Urteil vom 16. Dezember 1992, Kommission/Belgien, a. a. O., Randnr. 12).
93 Die dritte Rüge der Kommission ist daher begründet.
Zum Fehlen der Umsetzung im zweisprachigen Gebiet Brüssel-Hauptstadt (vierte Rüge)
94 Nach Auffassung der Kommission hat das Königreich Belgien, was das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt angeht, nicht die erforderlichen Vorschriften erlassen, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 innerhalb der festgesetzten Fristen nachzukommen.
95 Die belgische Regierung hat insoweit in ihrer Klagebeantwortung darauf hingewiesen, daß die Richtlinie 89/552 für dieses Gebiet durch das Gesetz vom 30. März 1995 umgesetzt worden sei.
96 Gemäß Artikel 25 der Richtlinie 89/552 haben die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zu erlassen, um dieser Richtlinie spätestens am 3. Oktober 1991 nachzukommen, und die Kommission unverzueglich davon in Kenntnis zu setzen.
97 Da die Umsetzung nicht innerhalb der in Artikel 25 der Richtlinie 89/552 festgesetzten Frist erfolgt ist, greift diese Rüge durch.
Zum Fehlen der Umsetzung in der Deutschsprachigen Gemeinschaft (fünfte Rüge)
98 Nach Auffassung der Kommission hat das Königreich Belgien, was die Deutschsprachige Gemeinschaft angeht, nicht die erforderlichen Vorschriften erlassen, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 innerhalb der festgesetzten Fristen nachzukommen.
99 Die belgische Regierung entgegnet, die Weiterverbreitung von Fernsehsendungen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft sei unabhängig vom Ursprung und vom Inhalt der Sendung völlig frei, da in dieser Gemeinschaft keine Vorschriften bestuenden, die dort eine Verhinderung des freien Verkehrs der Sendungen ermöglichten. Die Königliche Verordnung vom 24. Dezember 1966 gelte nicht mehr, da ihre Rechtsgrundlage, Artikel 13 des Gesetzes vom 26. Januar 1960, durch Artikel 30 des Gesetzes vom 13. Juli 1987 aufgehoben worden sei.
100 Selbst wenn Rechtsvorschriften fehlen sollten, die der Deutschsprachigen Gemeinschaft eine Verhinderung des freien Verkehrs von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten ermöglichen, wäre jedoch nach Auffassung der Kommission zu berücksichtigen, daß eine Richtlinie mit solcher Eindeutigkeit und Klarheit umgesetzt werden müsse, daß die Begünstigten in der Lage seien, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen, und somit dem Erfordernis der Rechtssicherheit genügt werde.
101 Diese Rüge ist nicht begründet.
102 Insoweit genügt der Hinweis, daß die Kommission weder eine Regelung noch einen tatsächlichen Anhaltspunkt angeführt hat, aufgrund dessen festgestellt werden könnte, daß die durch Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 vorgeschriebene Freiheit des Empfangs und der Weiterverbreitung von Sendungen aus anderen Mitgliedstaaten in der Deutschsprachigen Gemeinschaft nicht gewährleistet ist.
Zum Fehlen einer ordnungsgemässen Umsetzung der Artikel 14 und 15 der Richtlinie 89/552 in der Französischen Gemeinschaft (sechste Rüge)
103 Nach Auffassung der Kommission hat das Königreich Belgien, was die Französische Gemeinschaft angeht, die Artikel 14 und 15 der Richtlinie 89/552 nicht ordnungsgemäß umgesetzt.
104 Die belgische Regierung bestreitet die Begründetheit dieser Rügen nicht.
105 Es ist daher festzustellen, daß die sechste Rüge der Kommission begründet ist.
106 Nach alledem hat das Königreich Belgien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/552, insbesondere aus ihren Artikeln 2, 14 und 15, verstossen, daß es,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Fernsehzuschauer der Französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung oder Teleshopping-Sendungen enthalten, vorher ausdrücklich genehmigt werden muß und diese Genehmigung an Bedingungen geknüpft ist,
° was die Flämische Gemeinschaft betrifft, im niederländischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,
° was das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie nachzukommen,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um den Artikeln 14 und 15 der Richtlinie vollständig nachzukommen.
Kostenentscheidung:
Kosten
107 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Königreich Belgien mit seinem Vorbringen im wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Königreich Belgien hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 89/552/EWG des Rates vom 3. Oktober 1989 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Ausübung der Fernsehtätigkeit, insbesondere aus ihren Artikeln 2, 14 und 15, verstossen, daß es,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, im französischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten, die besonders an die Fernsehzuschauer der französischen Gemeinschaft gerichtete kommerzielle Werbung oder Teleshopping-Sendungen enthalten, vorher genehmigt werden muß und diese Genehmigung an Bedingungen geknüpft ist,
° was die Flämische Gemeinschaft betrifft, im niederländischen Sprachgebiet eine Regelung beibehalten hat, nach der die Kabelweiterverbreitung von Fernsehsendungen aus anderen Mitgliedstaaten vorher genehmigt werden muß,
° was das zweisprachige Gebiet Brüssel-Hauptstadt betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 89/552 nachzukommen,
° was die Französische Gemeinschaft betrifft, nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um den Artikeln 14 und 15 der Richtlinie 89/552 vollständig nachzukommen.
2. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Das Königreich Belgien trägt die Kosten des Verfahrens.
Ende der Entscheidung
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