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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.03.1993
Aktenzeichen: C-111/91
Rechtsgebiete: EWGV, Verordnung Nr. 1612/68, Verordnung Nr. 1408/71


Vorschriften:

EWGV Art. 52
Verordnung Nr. 1612/68 Art. 7 Abs. 2
Verordnung Nr. 1408/71 Art. 4 Abs. 1 Buchst. a
Verordnung Nr. 1408/71 Artikel 18 Absatz 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Mitgliedstaat diskriminiert die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten, wenn er die Zahlung einer Geburts- und einer Mutterschaftsbeihilfe davon abhängig macht, daß der Empfänger zuvor in seinem Hoheitsgebiet gewohnt hat, denn diese Voraussetzungen sind von Inländern leichter zu erfuellen. Diese Diskriminierung bei der Gewährung von Beihilfen, die für Arbeitnehmer soziale Vergünstigungen darstellen, verletzt Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Sie verletzt auch Artikel 52 des Vertrages, da sie zwar nicht im Bereich der besonderen Vorschriften über die Ausübung beruflicher Tätigkeiten erfolgt, gleichwohl aber für die Angehörigen der anderen Mitgliedstaaten eine Beeinträchtigung der Ausübung solcher Tätigkeiten darstellt.

Für die Mutterschaftsbeihilfe kann die Wohnortvoraussetzung nicht mit Erwägungen der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt werden, da die Pflicht, sich verschiedenen ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, deren Erfuellung ebenfalls Voraussetzung für die Zahlung der Beihilfe ist, von der Wohnortvoraussetzung getrennt werden kann.

2. Die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeschlossen sind, und solchen, die darunter fallen, hängt im wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird.

Eine Mutterschaftsbeihilfe ist als eine Leistung der sozialen Sicherheit anzusehen, die in den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fällt und auf die daher die Vorschriften des Artikels 18 dieser Verordnung über die Zusammenrechnung von Wohnzeiten anzuwenden sind, wenn sie unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich umschriebenen Stellung gewährt wird und sich auf eines der in Artikel 4 Absatz 1 dieser Verordnung ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht; letzteres ist bei Leistungen bei Mutterschaft der Fall. Daß es sich um eine beitragsfreie Leistung handelt, ist unerheblich, da die Anwendung der Verordnung auf beitragsfreie Systeme in Artikel 4 Absatz 2 vorgesehen ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 10. MAERZ 1993. - KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN GEGEN GROSSHERZOGTUM LUXEMBURG. - GEBURTS- UND MUTTERSCHAFTSBEIHILFE - WOHNORTVORAUSSETZUNG - GUELTIGKEIT. - RECHTSSACHE C-111/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 12. April 1991 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß das Großherzogtum Luxemburg dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2), aus Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der kodifizierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) sowie aus Artikel 52 EWG-Vertrag verletzt hat, daß es für die Gewährung der Geburtsbeihilfe und der Mutterschaftsbeihilfe Wohnortvoraussetzungen festgelegt hat.

2 Die luxemburgische Regelung wird von der Kommission mit der Begründung beanstandet, sie knüpfe die Gewährung der Geburtsbeihilfe und der Mutterschaftsbeihilfe an die Erfuellung von Wohnortvoraussetzungen, die für die verschiedenen Personengruppen, die im Großherzogtum Luxemburg Freizuegigkeit genössen, diskriminierenden Charakter hätten.

3 Die Geburtsbeihilfe wird in drei Teilen gewährt, nämlich zum Teil vor der Geburt, zum Teil als eigentliche Geburtsbeihilfe und zum Teil nach der Geburt. Die Kommission beanstandet nur die für die Gewährung der beiden ersten Teile geltenden Voraussetzungen. Der erste Teil wird gezahlt, nachdem sich die werdende Mutter der letzten der im Gesetz vorgesehenen ärztlichen Untersuchungen unterzogen hat. Seine Zahlung setzt voraus, daß die werdende Mutter während eines Jahres vor der Geburt des Kindes ihren "gesetzlichen Wohnsitz" im Großherzogtum gehabt hat und daß alle im Gesetz vorgesehenen Untersuchungen durchgeführt worden sind. Der zweite Teil der Geburtsbeihilfe wird nach der Geburt des Kindes gezahlt. Dafür sind drei Voraussetzungen zu erfuellen: Die Geburt muß auf luxemburgischen Hoheitsgebiet ° oder während einer begründeten Abwesenheit der Mutter im Ausland ° stattgefunden haben, ein Elternteil muß zum Zeitpunkt der Geburt seit einem Jahr seinen gesetzlichen Wohnsitz im Großherzogtum haben, und es muß die Untersuchung nach der Geburt durchgeführt worden sein.

4 Die Mutterschaftsbeihilfe wird jeder Schwangeren und jeder Wöchnerin gezahlt, wenn sie während des ganzen Jahres vor dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs ihren gesetzlichen Wohnsitz im Großherzogtum oder wenn ihr Ehegatte während der drei Jahre vor diesem Zeitpunkt seinen gesetzlichen Wohnsitz im Großherzogtum gehabt hat. Diese Beihilfe wird auf Antrag und höchstens sechzehn Wochen lang ab der achten Woche vor dem mutmaßlichen, in einem ärztlichen Attest bescheinigten Zeitpunkt der Niederkunft gezahlt.

5 Wegen weiterer Einzelheiten des Rechtsstreits, der einschlägigen Regelung, des Verfahrensablaufs sowie des Parteivorbringens wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur Geburtsbeihilfe

6 Diese Beihilfe ist, wie beide Parteien vorgetragen haben, eine soziale Vergünstigung im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68. Nach dieser Vorschrift muß sie einem Wanderarbeitnehmer also in gleicher Weise gewährt werden wie einem einheimischen Arbeitnehmer.

7 Die luxemburgische Regierung macht in erster Linie geltend, die streitige Wohnortvoraussetzung sei nicht diskriminierend, weil sie für luxemburgische Staatsbürger ebenso gelte wie für die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten.

8 Dem kann nicht gefolgt werden.

9 Die Gleichbehandlungsvorschriften sowohl des Vertrages als auch des Artikels 7 der Verordnung Nr. 1612/68 verbieten nämlich nicht nur offensichtliche Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit, sondern auch versteckte Formen der Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (Urteil vom 12. Februar 1974 in der Rechtssache 152/73, Sotgiu, Slg. 1974, 153, Randnr. 11).

10 Dies trifft für die Voraussetzung zu, daß die Mutter während eines Jahres vor der Geburt des Kindes im Großherzogtum Luxemburg gewohnt haben muß. Eine solche Voraussetzung kann nämlich leichter von einer luxemburgischen Staatsbürgerin erfuellt werden als von der Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats (vgl. hierzu Urteil vom 17. November 1992 in der Rechtssache C-279/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1992, I-5785, Randnr. 42).

11 Ferner macht die luxemburgische Regierung geltend, die streitige Wohnortvoraussetzung sei im Hinblick auf die öffentliche Gesundheit objektiv gerechtfertigt, denn sie hänge damit zusammen, daß die Geburtsbeihilfe nur gezahlt werde, wenn mehrere ärztliche Untersuchungen durchgeführt worden seien.

12 Diese Rechtfertigung ist nicht zulässig. Die Voraussetzung, zuvor im Großherzogtum Luxemburg gewohnt zu haben, ist unter den Umständen des vorliegenden Falles zur Erreichung des sich auf die öffentliche Gesundheit beziehenden Ziels weder notwendig noch angemessen. Zwar ist die Verpflichtung, sich im Großherzogtum bestimmten ärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, im Hinblick auf dieses Ziel angemessen, es erscheint aber unverhältnismässig, ärztliche Untersuchungen, die gegebenenfalls in einem anderen Mitgliedstaat stattgefunden haben, nicht zu berücksichtigen.

13 In Ansehung des zweiten Teils der Geburtsbeihilfe ist das von der luxemburgischen Regierung vorgetragene Argument im übrigen völlig ungeeignet, denn zum einen kann die Wohnortvoraussetzung insoweit auch vom Vater des Kindes erfuellt werden und zum anderen gibt es keinerlei Zusammenhang zwischen der zwingend vorgeschriebenen Untersuchung der Mutter nach der Geburt und der sich auf die Zeit vor der Geburt beziehenden Wohnortvoraussetzung.

14 Das Vorbringen der luxemburgischen Regierung in diesem Zusammenhang, es müsse sichergestellt werden, daß alle ärztlichen Untersuchungen unter der Kontrolle desselben Arztes stattfänden, kann nicht überzeugen. Insoweit genügt der Hinweis darauf, daß das Luxemburger Recht in keiner Weise vorschreibt, daß die vorgesehenen ärztlichen Untersuchungen unter der Kontrolle ein und desselben Arztes durchgeführt werden müssten.

15 Demnach lässt sich die streitige Wohnortvoraussetzung nicht mit dem Hinweis auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit rechtfertigen. Sie ist folglich mit Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht vereinbar.

16 Die Aufstellung einer derartigen diskriminierenden Voraussetzung stellt auch eine Verletzung des Artikels 52 des Vertrages dar.

17 Diese Bestimmung soll nämlich gewährleisten, daß Angehörige eines Mitgliedstaats, die in einem anderen Mitgliedstaat eine selbständige Tätigkeit ausüben wollen, wie Inländer behandelt werden, und sie verbietet jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, die den Zugang zu einer solchen Tätigkeit oder ihre Ausübung behindert. Dieses Verbot bezieht sich nicht nur auf besondere Vorschriften über die Ausübung beruflicher Tätigkeiten, es gilt auch ° wie sich dem Allgemeinen Programm zur Aufhebung der Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit (ABl. 1962, Nr. 2, S. 36) entnehmen lässt ° für jede Beeinträchtigung der Ausübung selbständiger Tätigkeiten durch Angehörige anderer Mitgliedstaaten, die in einer unterschiedlichen Behandlung der Angehörigen anderer Mitgliedstaaten gegenüber Inländern besteht, wenn dies in einer Rechts- oder Verwaltungsvorschrift eines Mitgliedstaats vorgesehen ist oder sich aus der Anwendung einer solchen Vorschrift oder aus Verwaltungspraktiken ergibt.

18 Aus alledem folgt, daß ein Verstoß gegen Artikel 52 des Vertrages vorliegt, weil für die Zahlung der streitigen Beihilfe Wohnortvoraussetzungen gelten, die ° wie oben festgestellt worden ist ° eine Diskriminierung bewirken.

19 Die Klage der Kommission ist demnach, was die Geburtsbeihilfe angeht, begründet.

Zur Mutterschaftsbeihilfe

20 Diese Beihilfe ist anhand des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68, der Verordnung Nr. 1408/71 und des Artikels 52 des Vertrages zu untersuchen. Diese Vorschriften haben nämlich, wie Generalanwalt Jacobs in den Nummern 32 bis 34 seiner Schlussanträge dargelegt hat, nicht denselben persönlichen Geltungsbereich.

21 Da die Verordnung Nr. 1612/68 für die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer allgemeine Bedeutung hat, kann Artikel 7 Absatz 2 dieser Verordnung auf soziale Vergünstigungen Anwendung finden, die gleichzeitig in den besonderen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 fallen.

22 Wie die luxemburgische Regierung in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, stellt die umstrittene Beihilfe eine soziale Vergünstigung im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 dar. Einem Wanderarbeitnehmer muß diese Vergünstigung also nach dieser Vorschrift gewährt werden wie einem einheimischen Arbeitnehmer.

23 Die Ansicht der luxemburgischen Regierung, die streitige Wohnortvoraussetzung sei nicht diskriminierend, weil sie für luxemburgische Staatsbürger ebenso gelte wie für die Angehörigen anderer Mitgliedstaaten, ist aus den in den Randnummern 9 und 10 dieses Urteils angeführten Gründen zu verwerfen.

24 Die genannte Voraussetzung ist also mit Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 nicht vereinbar.

25 Nach Ansicht der Kommission ist sie auch mit Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 nicht vereinbar.

26 Nach dieser Vorschrift berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, nach dessen Rechtsvorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten abhängig ist, soweit erforderlich, die Versicherungs-, Beschäftigungs- oder Wohnzeiten nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats, als handelte es sich um Zeiten, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

27 Die luxemburgische Regierung ist jedoch der Auffassung, bei Ablauf der in der begründeten Stellungnahme gesetzten Frist sei die genannte Beihilfe vom sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfasst gewesen. Unter diese Verordnung falle die Beihilfe erst seit deren Änderung durch die am 1. Juni 1992 in Kraft getretene Verordnung (EWG) Nr. 1247/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 136, S. 1), denn durch diese Änderung sei die luxemburgische Mutterschaftsbeihilfe ausdrücklich in den neuen Text aufgenommen worden.

28 Nach ständiger Rechtsprechung hängt die Unterscheidung zwischen Leistungen, die vom Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeschlossen sind, und solchen, die darunter fallen, im wesentlichen von den grundlegenden Merkmalen der jeweiligen Leistung ab, insbesondere von ihrem Zweck und den Voraussetzungen ihrer Gewährung, nicht dagegen davon, ob eine Leistung von den nationalen Rechtsvorschriften als eine Leistung der sozialen Sicherheit eingestuft wird (Urteil vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C-78/91, Hughes, Slg. 1992, I-4839, Randnr. 14).

29 Wie der Gerichtshof in zahlreichen Fällen festgestellt hat, kann eine Leistung dann als Sozialversicherungsleistung angesehen werden, wenn sie den Empfängern unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit aufgrund einer gesetzlich umschriebenen Stellung gewährt wird und sich auf eines der in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 ausdrücklich aufgezählten Risiken bezieht (vgl. insbesondere Urteil in der Rechtssache Hughes, a. a. O., Randnr. 15; Urteile vom 20. Juni 1991 in der Rechtssache C-356/89, Newton, Slg. 1991, I-3017; vom 24. Februar 1987 in den Rechtssachen 379/85 bis 381/85 und 93/86, Giletti u. a., Slg. 1987, 955, Randnr. 11, und vom 27. März 1985 in der Rechtssache 249/83, Höckx, Slg. 1985, 973, Randnrn. 12 bis 14).

30 Im vorliegenden Fall ist zum einen festzustellen, daß den Empfängern nach den Vorschriften über die streitige Mutterschaftsbeihilfe unabhängig von jeder auf Ermessensausübung beruhenden Einzelfallbeurteilung der persönlichen Bedürftigkeit ein gesetzlich umschriebenes Recht zusteht (Urteil Hughes), und zum anderen, daß Leistungen bei Mutterschaft ausdrücklich in Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1408/71 erwähnt werden.

31 Der Ansicht der luxemburgischen Regierung, beitragsfreie Leistungen würden von der Verordnung Nr. 1408/71 nicht erfasst, kann nicht gefolgt werden. Hierzu genügt der Hinweis, daß die Verordnung gemäß Artikel 4 Absatz 1 ausdrücklich für beitragsfreie Systeme gilt.

32 Daraus folgt, daß die Mutterschaftsbeihilfe schon vor Inkrafttreten der Verordnung Nr. 1247/92 von der Verordnung Nr. 1408/71 und insbesondere ihrem Artikel 18 erfasst wurde. Das Großherzogtum war also verpflichtet, Wohnzeiten, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt worden sind, zu berücksichtigen, als handelte es sich um Zeiten, die nach den luxemburgischen Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.

33 Aus den in den Randnummern 17 und 18 dieses Urteils genannten Gründen ist schließlich noch festzustellen, daß die Wohnortvoraussetzung, die in der von der Kommission beanstandeten Regelung festgelegt worden ist, auch Artikel 52 des Vertrages verletzt.

34 Aus alledem folgt, daß der Klage in vollem Umfang stattzugeben und demgemäß festzustellen ist, daß das Großherzogtum Luxemburg durch die Festlegung der für die Gewährung der Geburts- und der Mutterschaftsbeihilfe geltenden Wohnortvoraussetzungen seine Verpflichtungen aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68, aus Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 sowie aus Artikel 52 EWG-Vertrag verletzt hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das Großherzogtum Luxemburg mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

für Recht erkannt und entschieden:

1) Das Großherzogtum Luxemburg hat dadurch seine Verpflichtungen aus Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft, aus Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der kodifizierten Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 sowie aus Artikel 52 EWG-Vertrag verletzt, daß es für die Gewährung der Geburtsbeihilfe und der Mutterschaftsbeihilfe Wohnortvoraussetzungen festgelegt hat.

2) Das Großherzogtum Luxemburg trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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