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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 16.12.1992
Aktenzeichen: C-114/91
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 12
EWGV Art. 13
EWGV Art. 92
EWGV Art. 93
EWGV Art. 95
EWGV Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Ein Pflichtbeitrag, der eine parafiskalische Abgabe darstellt, der unter den gleichen Voraussetzungen auf inländische und auf eingeführte Erzeugnisse erhoben wird und dessen Aufkommen nur zugunsten der inländischen Erzeugnisse verwandt wird, so daß die daraus entstehenden Vorteile die Belastung dieser Erzeugnisse vollständig ausgleichen, stellt eine nach Artikel 12 des Vertrages verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar. Gleichen die gewährten Vorteile nur einen Teil der Belastung der inländischen Erzeugnisse aus, so stellt eine solche Abgabe eine diskriminierende Abgabe im Sinne von Artikel 95 des Vertrages dar, deren Erhebung für den Teil ihres Betrages verboten ist, der für den Ausgleich verwendet wird, der den inländischen Erzeugnissen zugute kommt.

2. Die Artikel 12, 13 und 95 des Vertrages haben unmittelbare Wirkung und begründen Rechte der einzelnen, die die nationalen Gerichte zu schützen haben.

3. Ein Pflichtbeitrag, der eine parafiskalische Abgabe darstellt, der unter den gleichen Voraussetzungen auf inländische und auf eingeführte Erzeugnisse erhoben wird, und dessen Aufkommen nur zugunsten der inländischen Erzeugnisse verwandt wird, so daß die daraus entstehenden Vorteile die Belastung dieser Erzeugnisse ausgleichen, kann in Anbetracht der Verwendung seines Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 92 des Vertrages erfuellt sind, wobei für diese Beurteilung die Kommission nach dem hierfür vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 93 des Vertrages zuständig ist. In diesem Zusammenhang sind auch die Zuständigkeiten des nationalen Gerichts zu berücksichtigen, wenn der betroffene Mitgliedstaat bei der Einführung der Abgabe seine Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages verletzt hat und wenn die Kommission durch eine Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages festgestellt hat, daß die Erhebung der Abgabe als Methode der Finanzierung einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (SECHSTE KAMMER) VOM 16. DEZEMBER 1992. - STRAFVERFAHREN GEGEN GERARD CLAEYS. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: RECHTBANK VAN EERSTE AANLEG IEPER - BELGIEN. - PARAFISKALISCHE ABGABEN - PFLICHTBEITRAEGE ZUR UNTERSTUETZUNG EINES NATIONALEN DIENSTES FUER DEN ABSATZ VON LANDWIRTSCHAFTS- UND GARTENBAUERZEUGNISSEN. - RECHTSSACHE C-114/91.

Entscheidungsgründe:

1 Die Rechtbank van eerste aanleg des Arrondissements Ypern hat mit Urteil vom 22. März 1991, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 1991, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 9 und 12 EWG-Vertrag zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Verfahren des belgischen Staates gegen ein mit Schweinen handelndes Unternehmen, in dem es um die Rechtmässigkeit eines Pflichtbeitrags geht, der in Belgien bei der Schlachtung oder der Ausfuhr von Schweinen zugunsten des nationalen Amts für den Absatz von Landwirtschafts- und Gartenbauerzeugnissen erhoben wird.

3 Durch das belgische Gesetz vom 27. Dezember 1938 (Belgisch Staatsblad vom 26. Januar 1939) in der Fassung des Gesetzes vom 11. April 1983 (Belgisch Staatsblad vom 24. September 1983) wurde ein nationales Amt für den Absatz von Landwirtschafts- und Gartenbauerzeugnissen geschaffen (im folgenden: Amt), dessen Aufgabe darin besteht, die Entwicklung des inländischen und des ausländischen Absatzes von Landwirtschafts-, Gartenbau- und Seefischereierzeugnissen zu fördern.

4 Nach Artikel 4 dieses Gesetzes kann das Amt "einen Pflichtbeitrag je Erzeugnis oder je Erzeugnisgruppe... zu Lasten der natürlichen und juristischen Personen erheben, die Landwirtschafts-, Gartenbau- oder Seefischereierzeugnisse herstellen, verarbeiten, befördern, verkaufen oder in den Handel bringen".

5 Diese Pflichtbeiträge werden durch Artikel 3 der Königlichen Verordnung vom 31. Januar 1985 (Belgisch Staatsblad vom 1. März 1985) in der Fassung des Artikels 4 der Königlichen Verordnung vom 23. April 1986 (Belgisch Staatsblad vom 28. Mai 1986) konkret festgelegt; diese Vorschrift lautet wie folgt:

"Die Pflichtbeiträge für die Förderung des Absatzes der Erzeugnisse, für die die beratende Abteilung 'Schweine' zuständig ist, werden wie folgt festgelegt:

1) Wer in einem öffentlichen oder privaten Schlachthof Schweine schlachtet oder schlachten lässt, entrichtet einen Beitrag von fünf Franken je geschlachtetes Schwein.

2) Hiervon werden auf den Lieferer der Schweine zwei Franken 50 Centimes je geschlachtetes Schwein abgewälzt. Dieser Betrag wird in der Rechnung gesondert ausgewiesen.

...

4) Die Erhebung der in Absatz 1 aufgeführten Beiträge erfolgt durch die öffentlichen und privaten Schlachthöfe, die hierfür keine Kosten in Rechnung stellen. Die Beiträge werden dem nationalen Amt für den Absatz von Landwirtschafts- und Gartenbauerzeugnissen überwiesen.

...

5) Wer lebende Schweine ausführt, entrichtet einen Beitrag von 0,04 % des Ausfuhrwertes der ausgeführten Schweine.

..."

6 Nach den Artikeln 4c und 8 des oben genannten Gesetzes stellt ein Verstoß gegen Artikel 3 der Königlichen Verordnung eine strafbare Handlung dar.

7 Aus den Akten geht hervor, daß das Amt aufgrund des Gesetzes und der Königlichen Verordnung von der G. Cläys gehörenden Firma Westvlees einen Betrag von 2 011 425 BFR gefordert hat. Da dieser geltend machte, daß er diesen Betrag nicht schulde, weil der Betrag sich auf aus den Niederlanden eingeführte Schweine beziehe, wurde gegen ihn ein Verfahren bei der Rechtbank van eerste aanleg des Arrondissements Ypern eingeleitet; vor diesem Gericht vertrat er die Auffassung, daß die betroffenen nationalen Vorschriften gegen die Artikel 9 und 12 EWG-Vertrag verstießen.

8 Das nationale Gericht hat daraufhin das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Vorabentscheidung ersucht

"über die Auslegung der Artikel 9 und 12 EWG-Vertrag, insbesondere über die Frage, ob die Beiträge, die nach dem Gesetz vom 27. Dezember 1938, geändert durch das Gesetz vom 11. April 1983, und der Königlichen Verordnung vom 31. Januar 1985, geändert durch Königliche Verordnung vom 23. April 1986, für aus dem Ausland nach Belgien eingeführte Schweine erhoben werden, unter die Begriffe 'Einfuhrzölle' und/oder 'Abgaben gleicher Wirkung' fallen".

9 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der streitigen nationalen Regelung und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

10 In seiner Frage nimmt das vorlegende Gericht nur auf die Auslegung der Artikel 9 und 12 des Vertrages Bezug. Im Rahmen des durch Artikel 177 des Vertrages geschaffenen Systems ist es jedoch Sache des Gerichtshofes, unter Berücksichtigung des ihm vorliegenden Akteninhalts dem vorlegenden Gericht eine der Entscheidung des Ausgangsverfahrens dienliche Antwort zu geben.

11 Zu diesem Zweck und in Anbetracht dessen, daß es sich nach den Akten im vorliegenden Fall um einen Pflichtbeitrag handelt, der eine parafiskalische Abgabe darstellt, der nach den gleichen Erhebungsmodalitäten auf inländische Erzeugnisse und auf eingeführte Erzeugnisse angewendet wird und dessen Aufkommen grundsätzlich zugunsten der inländischen Erzeugnisse verwendet wird, sind zunächst die Artikel 12 ff. und 95 des Vertrages und dann Artikel 92 des Vertrages zu prüfen.

Zu den Artikeln 12 ff. und 95 des Vertrages

12 Da die Vorschriften des Vertrages über Abgaben gleicher Wirkung und diejenigen über diskriminierende inländische Abgaben nicht kumulativ angewendet werden können (vgl. Urteile vom 18. Juni 1975 in der Rechtssache 94/74, IGAV, Slg. 1975, 699, und vom 11. Juni 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-149/91 und C-150/91, Sanders, Slg. 1992, I-3899), ist der jeweilige Anwendungsbereich dieser Vorschriften zu definieren.

13 Die Artikel 12 und 13 des Vertrages verbieten Einfuhr- und Ausfuhrzölle sowie Abgaben gleicher Wirkung im Handel zwischen den Mitgliedstaaten. Was Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung angeht, hat der Gerichtshof festgestellt (Urteile vom 19. Juni 1973 in der Rechtssache 77/72, Capolongo, Slg. 1973, 611, vom 11. März 1992 in den verbundenen Rechtssachen C-78/90 bis C-83/90, Compagnie Commerciale de l' Oüst, Slg. 1992, I-1847, sowie vom 11. Juni 1992, Sanders, a. a. O.), daß dieses Verbot sich grundsätzlich auf alle anläßlich und wegen der Einfuhr geforderten Abgaben bezieht, die eingeführte Waren, nicht aber gleichartige inländische Waren spezifisch treffen, und daß auch Geldlasten, die zur Finanzierung der Tätigkeit einer Körperschaft des öffentlichen Rechts bestimmt sind, Abgaben zollgleicher Wirkung darstellen können.

14 Der Gerichtshof hat in diesen Urteilen ausgeführt, daß es bei der Auslegung des Begriffs "Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll" gegebenenfalls angebracht ist, den Bestimmungszweck der auferlegten Geldlasten zu berücksichtigen. Wenn nämlich eine solche finanzielle Belastung oder ein solcher Beitrag ausschließlich dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die allein den belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen, dann kann sich daraus ergeben, daß der allgemeine Beitrag, der nach denselben Kriterien auf eingeführte und inländische Erzeugnisse erhoben wird, dennoch für die einen eine zusätzliche Nettobelastung bedeutet, während er für die anderen in Wirklichkeit eine Gegenleistung für erhaltene Vorteile oder Beihilfen darstellt. Folglich kann ein Beitrag, auch wenn er Bestandteil einer allgemeinen inländischen Abgabenregelung ist, die inländische und eingeführte Erzeugnisse nach denselben Kriterien erfasst, trotzdem eine Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Einfuhrzoll darstellen, sofern das Aufkommen aus diesem Beitrag ausschließlich dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die in spezifischer Weise den erfassten inländischen Erzeugnissen zugute kommen.

15 Artikel 95 verbietet es den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar höhere inländische Abgaben zu erheben, als gleichartige inländische Waren zu tragen haben, oder Abgaben, die geeignet sind, andere inländische Produktionen zu schützen. Das Kriterium für die Anwendung dieser Vorschrift besteht folglich darin, ob eine inländische Abgabe diskriminierenden oder schützenden Charakter hat (Urteil Compagnie Commerciale de l' Oüst, a. a. O., Randnr. 25).

16 In bezug auf eine Abgabe, die auf inländische und eingeführte Erzeugnisse nach denselben Kriterien erhoben wird, kann es jedoch nach ständiger Rechtsprechung angebracht sein, den Bestimmungszweck des Aufkommens aus der Abgabe zu berücksichtigen. Wenn nämlich das Aufkommen aus einer solchen Abgabe dazu bestimmt ist, Tätigkeiten zu fördern, die speziell den belasteten inländischen Erzeugnissen zugute kommen, dann kann sich daraus ergeben, daß der Beitrag, der nach denselben Kriterien erhoben wird, dennoch insoweit eine diskriminierende Besteuerung bedeutet, als die steuerliche Belastung der inländischen Erzeugnisse durch die Vorteile, zu deren Finanzierung sie dient, aufgehoben wird, während sie für die eingeführten Erzeugnisse eine Nettobelastung darstellt (Urteile vom 21. Mai 1980 in der Rechtssache 73/79, Kommission/Italien, Slg. 1980, 1533, Randnr. 15, und Compagnie Commerciale de l' Oüst, a. a. O., Randnr. 26).

17 Wenn die Vorteile, die sich aus der Verwendung des Aufkommens der betreffenden Abgabe ergeben, die Belastung des inländischen Erzeugnisses bei seinem Inverkehrbringen vollständig ausgleichen, stellt diese Abgabe somit eine gegen die Artikel 12 ff. des Vertrages verstossende Abgabe zollgleicher Wirkung dar. Wenn diese Vorteile dagegen nur einen Teil der Belastung des inländischen Erzeugnisses ausgleichen, fällt die betreffende Abgabe unter Artikel 95 des Vertrages. In diesem Fall wäre die Abgabe insoweit unvereinbar mit Artikel 95 des Vertrages und daher verboten, als sie zum Nachteil des eingeführten Erzeugnisses diskriminierend ist, also insoweit, als sie die Belastung des erfassten inländischen Erzeugnisses teilweise ausgleicht (vgl. zuletzt Urteil Sanders, a. a. O.).

18 Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Belastung des inländischen Erzeugnisses vollständig oder teilweise durch die Verwendung der Einnahmen aus der betreffenden Abgabe in der Weise ausgeglichen wird, daß sie den inländischen Erzeugnisses zugute kommt (Urteil Compagnie Commerciale de l' Oüst, a. a. O., Randnr. 28).

19 Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, daß ein Pflichtbeitrag, der eine parafiskalische Abgabe darstellt, der unter den gleichen Voraussetzungen auf inländische und auf eingeführte Erzeugnisse erhoben wird und dessen Aufkommen nur zugunsten der inländischen Erzeugnisse verwandt wird, so daß die daraus entstehenden Vorteile die Belastung dieser Erzeugnisse vollständig ausgleichen, eine nach Artikel 12 des Vertrages verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll darstellt. Gleichen diese Vorteile nur einen Teil der Belastung der inländischen Erzeugnisse aus, so stellt eine solche Abgabe eine nach Artikel 95 des Vertrages verbotene diskriminierende Abgabe dar.

20 Schließlich ist festzustellen, daß die Artikel 12, 13 und 95 des Vertrages nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes unmittelbare Wirkung haben und für die einzelnen Rechte begründen, die die nationalen Gerichte zu schützen haben (Urteil vom 5. Februar 1963 in der Rechtssache 26/62, Van Gend & Loos, Slg. 1963, 3, Urteil Capolongo, a. a. O., und Urteil vom 22. März 1977 in der Rechtssache 74/76, Ianelli, Slg. 1977, 557).

Zu den Artikeln 92 ff. des Vertrages

21 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort in bezug auf die Vorschriften des Vertrages über staatliche Beihilfen zu geben, ist folgendes festzustellen: Die streitige parafiskalische Abgabe kann zwar entweder nach den Artikeln 12 und 13 oder nach Artikel 95 des Vertrages verboten sein, doch kann die Verwendung des Aufkommens aus der Abgabe eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung des Artikels 92 des Vertrages, so wie sie in der Rechtsprechung des Gerichtshofes ausgelegt werden, erfuellt sind (siehe Urteile Compagnie Commerciale de l' Oüst und Sanders, a. a. O.).

22 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Unvereinbarkeit von staatlichen Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt jedoch weder absolut noch unbedingt. Der Vertrag regelt in Artikel 93 die fortlaufende Überprüfung und die Kontrolle der Beihilfen durch die Kommission und geht somit davon aus, daß die Feststellung der Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt in einem geeigneten Verfahren zu erfolgen hat, dessen Durchführung vorbehaltlich der Kontrolle durch den Gerichtshof Sache der Kommission ist. Dem einzelnen ist es daher verwehrt, sich auf Artikel 92 allein zu berufen, um die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinschaftsrecht vor einem nationalen Gericht geltend zu machen und zu beantragen, dieses Gericht möge eine solche Unvereinbarkeit unmittelbar oder inzidenter feststellen (Urteile vom 22. März 1977, Iannelli, a. a. O., und in der Rechtssache 78/76, Steinike und Weinlig, Slg. 1977, 595, sowie Urteile Compagnie Commerciale de l' Oüst und Sanders, a. a. O.).

23 Es ist jedoch Sache der nationalen Gerichte, die Rechte des einzelnen gegen eine mögliche Verletzung des in Artikel 93 Absatz 3 letzter Satz des Vertrages ausgesprochenen Verbots der Durchführung der Beihilfen, das unmittelbare Wirkung hat, durch die staatlichen Stellen zu schützen. Wird eine solche Verletzung von einem einzelnen, der hierzu berechtigt ist, geltend gemacht und von den nationalen Gerichten festgestellt, so müssen diese entsprechend ihrem nationalen Recht daraus alle Folgerungen sowohl für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen als auch für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützungen ziehen. Wenn diese Gerichte insoweit eine Entscheidung treffen, äussern sie sich dabei nicht zur Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt, da für diese abschließende Einschätzung ausschließlich die Kommission ° unter der Kontrolle des Gerichtshofes ° zuständig ist (Urteile vom 21. November 1991 in der Rechtssache C-354/90, Fédération nationale du commerce extérieur, Slg. 1991, I-5505, und Sanders, a. a. O.).

24 Es ist auch Sache der nationalen Gerichte, die Rechte der einzelnen dadurch zu schützen, daß sie entsprechend ihrem nationalen Recht alle Folgerungen für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der Beihilfemaßnahmen und für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützungen ziehen, wenn die Kommission durch Entscheidung gemäß Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages die Unvereinbarkeit einer Beihilfemaßnahme mit dem Gemeinsamen Markt feststellen sollte (Urteil Steinike und Weinlig, a. a. O.).

25 Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, daß eine parafiskalische Abgabe wie die im Ausgangsverfahren betroffene entsprechend der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 92 des Vertrages erfuellt sind, wobei für diese Beurteilung die Kommission nach dem hierfür vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 93 des Vertrages zuständig ist. In diesem Zusammenhang sind auch die Zuständigkeiten des nationalen Gerichts zu berücksichtigen, wenn der betroffene Mitgliedstaat bei der Einführung der Abgabe seine Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages verletzt hat und wenn die Kommission durch eine Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages festgestellt hat, daß die Erhebung der Abgabe als Methode der Finanzierung einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

26 Die Auslagen der belgischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

auf die ihm von der Rechtbank van eerste aanleg des Arrondissements Ypern mit Urteil vom 22. März 1991 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

1) Ein Pflichtbeitrag, der eine parafiskalische Abgabe darstellt, der unter den gleichen Voraussetzungen auf inländische und auf eingeführte Erzeugnisse erhoben wird und dessen Aufkommen nur zugunsten der inländischen Erzeugnisse verwandt wird, so daß die daraus entstehenden Vorteile die Belastung dieser Erzeugnisse vollständig ausgleichen, stellt eine nach Artikel 12 des Vertrages verbotene Abgabe mit gleicher Wirkung wie ein Zoll dar. Gleichen die gewährten Vorteile nur einen Teil der Belastung der inländischen Erzeugnisse aus, so stellt eine solche Abgabe eine nach Artikel 95 des Vertrages verbotene diskriminierende Abgabe dar.

2) Die Artikel 12, 13 und 95 des Vertrages begründen Rechte der einzelnen, die die nationalen Gerichte zu schützen haben.

3) Eine solche parafiskalische Abgabe kann entsprechend der Verwendung ihres Aufkommens eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen, wenn die Voraussetzungen für die Anwendung von Artikel 92 des Vertrages erfuellt sind, wobei für diese Beurteilung die Kommission nach dem hierfür vorgesehenen Verfahren gemäß Artikel 93 des Vertrages zuständig ist. In diesem Zusammenhang sind auch die Zuständigkeiten des nationalen Gerichts zu berücksichtigen, wenn der betroffene Mitgliedstaat bei der Einführung der Abgabe seine Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 des Vertrages verletzt hat und wenn die Kommission durch eine Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 des Vertrages festgestellt hat, daß die Erhebung der Abgabe als Methode der Finanzierung einer staatlichen Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist.

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