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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Beschluss verkündet am 21.11.1990
Aktenzeichen: C-12/90
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag, Verordnung Nr. 2950/83 vom 17.10.1983
Vorschriften:
EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 2 | |
EWG-Vertrag Art. 173 Abs. 3 | |
Verordnung Nr. 2950/83 vom 17.10.1983 Art. 6 |
1. Eine Entscheidung ist als dem Kläger ordnungsgemäß mitgeteilt im Sinne von Artikel 173 Absatz 3 EWG-Vertrag zu betrachten, wenn dieser ein klares, unzweideutiges Schreiben erhalten hat, das die Entscheidung einschließlich ihrer Begründung enthält.
2. Eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, durch die eine frühere, nicht fristgerecht angefochtene Entscheidung nur bestätigt wird, ist unzulässig.
3. Für die Klagefristen in den Verfahren vor dem Gerichtshof gilt nur das Gemeinschaftsrecht, so daß sich ein Kläger nicht auf eine im innerstaatlichen Recht vorgesehene Fristverlängerung berufen kann.
BESCHLUSS DES GERICHTSHOFES VOM 21. NOVEMBER 1990. - INFORTEC - PROJECTOS E CONSULTADORIA LDA GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - UNZULAESSIGKEIT. - RECHTSSACHE C-12/90.
Entscheidungsgründe:
1 Die Gesellschaft Infortec - Projectos e consultadoria, Lda., hat mit Klageschrift, die am 16. Januar 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 Absatz 2 EWG-Vertrag Klage erhoben auf Aufhebung der Entscheidung der Kommission vom 14. September 1989, wonach Ausgaben von 55 800 000 ESC, die den Antrag auf Zuschuß Nr. 870965/P1 betrafen, nicht zuschußfähig sind und folglich nicht in den Aufgabenbereich des Europäischen Sozialfonds fallen.
2 Die Kommission hat mit Schriftsatz, der am 2. März 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Artikel 91 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofes erhoben, weil die Klagefrist nicht eingehalten worden sei.
3 Die Verordnung ( EWG ) Nr. 2950/83 des Rates vom 17. Oktober 1983 zur Anwendung des Beschlusses 83/516/EWG über die Aufgaben des Europäischen Sozialfonds legt die Arten von Ausgaben fest, für die Zuschüsse des Fonds gewährt werden können. Artikel 5 dieser Verordnung sieht die Zahlung von Vorschüssen auf die gewährten Zuschüsse vor. Gemäß Artikel 6 kann die Kommission, nachdem sie dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat, einen Zuschuß des Fonds aussetzen, kürzen oder streichen, falls dieser nicht unter den Bedingungen der Entscheidung über die Genehmigung verwendet wird.
4 Die Abteilung für Angelegenheiten des Europäischen Sozialfonds ( Departamento para os Assuntos do Fundo Social Europeu; nachstehend : DAFSE ) in Lissabon stellte für die Portugiesische Republik und zugunsten der Klägerin Anträge auf Zuschüsse des Fonds für das Haushaltsjahr 1987. Die Kommission teilte am 30. April 1987 auf den Zuschussantrag Nr. 870965/P1 einen Betrag von 57 847 387 ESC zu. Die DAFSE zahlte einen Betrag von 47 329 650 ESC aus und gewährte der Klägerin am 7. August 1987 einen "aus den allgemeinen Einnahmen des Haushalts für soziale Sicherheit finanzierten" Vorschuß von 23 664 840 ESC und am 6. Juni 1987 einen "aus der Zuweisung des Europäischen Sozialfonds finanzierten" Vorschuß von 28 923 693 ESC.
5 Am 14. September 1989 erließ die Kommission auf den Zuschussantrag Nr. 870965/P1 folgende Entscheidung :
"Die Dienststellen des Europäischen Sozialfonds haben festgestellt, daß Ausgaben in Höhe von 55 800 000 ESC betreffend die Punkte 14.2, 14.3, 14.8 und 14.9 des Formulars nicht zuschußfähig waren, da die Kosten für die Planung der Lehrgänge, die Auswahl der Lehrgangsteilnehmer, die Ausgaben für das zur Vorbereitung eingesetzte Personal, das interne und externe Lehrpersonal für die theoretische Ausbildung, das interne und externe Lehrpersonal für die praktische Ausbildung, das nicht für Lehrzwecke eingesetzte Personal, das Verwaltungspersonal, die Fahrt -, Verpflegungs - und Aufenthaltskosten der Ausbilder, die Ausgaben für die fachliche und pädagogische Überwachung, die Miete von Räumen und von Ausrüstung, die nichtdauerhaften Gebrauchsgüter, die sonstigen Lieferungen, die Unterbringung, Verpflegung und die Fahrtkosten der Lehrgangsteilnehmer nicht belegt sind."
Diese Entscheidung wurde der Klägerin am 19. September 1989 von der DAFSE mit eingeschriebenem Brief mit Rückschein zugesandt. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1989 teilte die Klägerin der Kommission mit, daß sie am 25. September 1989 ein Schreiben der DAFSE mit der Entscheidung der Kommission erhalten habe und daß sie die vorgenommenen Kürzungen für unwirksam halte. Ferner focht sie diese Entscheidung mit einem Schreiben an die DAFSE vom 24. Oktober 1989 an.
6 Gemäß Artikel 92 § 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof, wenn er für eine bei ihm erhobene Klage offensichtlich unzuständig ist, die Klage durch begründeten Beschluß als unzulässig abweisen; er entscheidet hierüber gemäß Artikel 91 §§ 3 und 4 der Verfahrensordnung. In Anbetracht des vorliegenden Sachverhalts ist über die Zulässigkeit der Klage gemäß diesen Bestimmungen durch Beschluß gesondert zu entscheiden, ohne die mündliche Verhandlung zu eröffnen.
7 Gemäß Artikel 173 Absatz 3 EWG-Vertrag sind die in diesem Artikel vorgesehenen Klagen binnen zwei Monaten zu erheben; diese Frist läuft je nach Lage des Falles von der Bekanntgabe der betreffenden Handlung, ihrer Mitteilung an den Kläger oder in Ermangelung dessen von dem Zeitpunkt an, zu dem der Kläger von dieser Handlung Kenntnis erlangt hat. Gemäß Anlage II der Verfahrensordnung wird diese Frist um zehn Tage verlängert, wenn, wie im vorliegenden Fall, die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Portugal hat.
8 In ihrer schriftlichen Stellungnahme zur Einrede der Unzulässigkeit macht die Klägerin geltend, daß es ihr wegen der Unklarheit und Unvollständigkeit des Schreibens vom 19. September 1989 nicht möglich gewesen sei, die Bedeutung der ihr gegenüber erlassenen Entscheidung zu verstehen. Dieses Schreiben habe nur einen Teil der fraglichen Entscheidung wiedergegeben und habe einer Bestätigung bedurft, die die Kommission übrigens mit Schreiben vom 15. November 1989 gegeben habe. Ausserdem weist die Klägerin darauf hin, daß die DAFSE mit Schreiben vom 9. März 1990 die Wirkungen ihres Schreibens vom 19. September 1989 aufgehoben habe. Schließlich hätten die Mitteilungen vom 4. und 24. Oktober 1989, mit denen sie um Erläuterungen der ihr gegenüber erlassenen Entscheidung gebeten habe, gemäß portugiesischem Recht, und zwar nach dem Decreto-Lei Nr. 267/85 vom 16. Juli 1985 über das Verwaltungsgerichtsverfahren, eine Verlängerung der Klagefrist bewirkt.
9 Zu diesen Argumenten ist festzustellen, daß das Schreiben vom 19. September 1989 klar und unzweideutig war und die begründete Entscheidung der Kommission über den Antrag auf Zuschuß enthielt. Es ist daher als Mitteilung dieser Entscheidung im Sinne von Artikel 173 Absatz 3 EWG-Vertrag zu betrachten. Die Klägerin hat nicht bestritten, daß sie von diesem Schreiben am 25. September 1989 Kenntnis erlangt hat. Da die Klage am 16. Januar 1990 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, ist sie als nach Ablauf der in Artikel 173 Absatz 3 vorgesehenen Frist erhoben anzusehen.
10 Durch das Schreiben vom 15. November 1989 konnte keine neue Klagefrist in Gang gesetzt werden, da nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes ( siehe insbesondere das Urteil vom 15. Dezember 1988 in den verbundenen Rechtssachen 166/86 und 220/86, Irish Cement Limited, Slg. 1988, 6473 ) eine Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung, durch die eine frühere, nicht fristgerecht angefochtene Entscheidung nur bestätigt wird, unzulässig ist. Überdies konnte das Schreiben der DAFSE vom 9. März 1990 keine Auswirkung auf die von der Kommission am 14. September 1989 erlassene Entscheidung haben. Schließlich gilt für die Klagefristen in den Verfahren vor dem Gerichtshof nur das Gemeinschaftsrecht ( siehe das Urteil vom 12. Juni 1984 in der Rechtssache 209/83, Ferriera Valsabbia, Slg. 1984, 3089 ), so daß die Fristverlängerung, auf die die Klägerin nach portugiesischem Recht Anspruch hat, nicht gilt.
11 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Klage verspätet erhoben worden und daher als unzulässig abzuweisen ist, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Parteien eingegangen zu werden braucht.
Kostenentscheidung:
Kosten
12 Gemäß Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.
Tenor:
Aus diesen Gründen
hat
DER GERICHTSHOF
beschlossen :
1 ) Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2 ) Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Luxemburg, den 21. November 1990.
Ende der Entscheidung
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