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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 11.12.2003
Aktenzeichen: C-122/03
Rechtsgebiete: EGV, Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 geänderten Fassung, Richtlinie 92/27/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, Code de la santé publique (Frankreich)


Vorschriften:

EGV Art. 28
EGV Art. 30
Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 geänderten Fassung Art. 3
Richtlinie 92/27/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln Art. 2 Abs. 1
Code de la santé publique (Frankreich) Art. R. 5142-15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 11. Dezember 2003. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Französische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Maßnahmen gleicher Wirkung - Importeure und Vertriebshändler von Arzneimitteln - Vorlage einer beglaubigten Abschrift oder einer Bescheinigung der Genehmigung für das Inverkehrbringen. - Rechtssache C-122/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-122/03

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch H. Støvlbæk und B. Stromsky als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues und C. Bergeot-Nunes als Bevollmächtigte,

Beklagte,

"wegen Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen hat, dass sie gemäß Artikel R. 5142-15 des Code de la santé publique diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die Arzneimittel nach Frankreich einführen oder dort vertreiben, für deren Inverkehrbringen bereits eine französische oder gemeinschaftliche Genehmigung erteilt wurde, verpflichtet, auf die erste Aufforderung der Kontrollbehörden entweder eine von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé erteilte beglaubigte Abschrift der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf dem französischen Markt oder der Eintragung des Arzneimittels oder aber ein von dieser Agentur ausgestelltes Dokument vorzulegen, mit dem bescheinigt wird, dass für das Inverkehrbringen des eingeführten Arzneimittels von der Europäischen Gemeinschaft eine Genehmigung erteilt wurde,

erlässt DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters C. Gulmann (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie des Richters J.-P. Puissochet und der Richterin F. Macken,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 19. März 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Französische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen hat, dass sie gemäß Artikel R. 5142-15 des Code de la santé publique diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die Arzneimittel nach Frankreich einführen oder dort vertreiben, für deren Inverkehrbringen bereits eine französische oder gemeinschaftliche Genehmigung erteilt wurde, verpflichtet, auf die erste Auffordernung der Kontrollbehörden entweder eine von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé erteilte beglaubigte Abschrift der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf dem französischen Markt oder der Eintragung des Arzneimittels oder aber ein von dieser Agentur ausgestelltes Dokument vorzulegen, mit dem bescheinigt wird, dass für das Inverkehrbringen des eingeführten Arzneimittels von der Europäischen Gemeinschaft eine Genehmigung erteilt wurde.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

2 Nach Artikel 28 EG sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten.

3 Nach Artikel 30 EG stehen die Bestimmungen des Artikels 28 Einfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die u. a. zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.

4 Die Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Januar 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel (ABl. 1965, Nr. 22, S. 369) in der durch die Richtlinie 93/39/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 (ABl. L 214, S. 22) geänderten Fassung bestimmt in Artikel 3, dass ein Arzneimittel in einem Mitgliedstaat erst dann in den Verkehr gebracht werden darf, wenn von der zuständigen Behörde dieses Mitgliedstaats eine Genehmigung für das Inverkehrbringen nach dieser Richtlinie erteilt wurde oder wenn eine solche Genehmigung nach der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 des Rates vom 22. Juli 1993 zur Festlegung von Gemeinschaftsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Human- und Tierarzneimitteln und zur Schaffung einer Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (ABl. L 214, S. 1) erteilt wurde.

5 Die Richtlinie 92/27/EWG des Rates vom 31. März 1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln (ABl. L 113, S. 8) bestimmt in Artikel 2 Absatz 1, dass die äußere Umhüllung oder - sofern nicht vorhanden - die Primärverpackung jedes Arzneimittels u. a. die Angabe der Nummer der Genehmigung für das Inverkehrbringen aufweisen muss.

Nationale Regelung

6 Artikel R. 5142-15 des Code de la santé publique in der durch das Dekret Nr. 99-144 vom 4. März 1999 (JORF vom 5. März 1999, S. 3294) geänderten Fassung (im Folgenden: streitige Vorschrift) lautet:

"Auf jede Aufforderung der Zollbeamten ist, wenn das Arzneimittel Gemeinschaftsstatus im Sinne von Artikel 4 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaft hat oder, wenn dies nicht der Fall ist, als Beleg für die Zollanmeldung vorzulegen:

1....

2. oder eine von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé erteilte beglaubigte Abschrift der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder der Eintragung des Arzneimittels;

3. oder ein von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé ausgestelltes Dokument, mit dem bescheinigt wird, dass für das eingeführte Arzneimittel von der Europäischen Gemeinschaft eine Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt wurde."

Vorverfahren

7 Da die Kommission der Auffassung war, dass die streitige Vorschrift und ihre Durchführung durch die französischen Behörden eine nach Artikel 28 EG verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung darstellen könne, sandte sie der Französischen Republik am 3. Juni 1999 ein Mahnschreiben nach Artikel 226 EG.

8 Mit Schreiben vom 13. September 1999 antworteten die französischen Behörden auf dieses Mahnschreiben und kündigten u. a. ihre Absicht an, ein Dekret zur Aufhebung der streitigen Vorschrift zu erlassen und diese durch eine Kontrolle der Nummer der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf der Verpackung der Arzneimittel zu ersetzen.

9 Am 31. März 2000 teilten die französischen Behörden der Kommission den Entwurf eines Dekrets u. a. zur Änderung der streitigen Vorschrift mit, in dem es heißt: "Bei Arzneimitteln, für die die in Artikel L. 601 genannte Genehmigung für das Inverkehrbringen oder die in Artikel L. 601-3 genannte Eintragung vorliegt, kontrollieren die Zollbeamten die Nummer dieser Genehmigung oder Eintragung, die auf der Verpackung angegeben ist. Diese Kontrolle erfolgt, wenn das Arzneimittel Gemeinschaftsstatus hat, bei Stichproben oder, wenn das nicht der Fall ist, bei der Einreichung der Zollanmeldung."

10 In einem Schreiben vom 10. Juli 2000 an die französischen Behörden vertrat die Kommission die Auffassung, dass die streitige Vorschrift in ihrer durch den Dekretentwurf geänderten Fassung eine adäquate Antwort auf die in dem Mahnschreiben enthaltenen Rügen darstelle, und forderte die französischen Behörden auf, das Dekret schnellstmöglich zu erlassen.

11 In einem Schreiben vom 4. Dezember 2000 teilten die französischen Behörden mit, dass sie es nicht für erforderlich hielten, den neuen Artikel R. 5142-15 des Code de la santé publique unabhängig vom Erlass anderer in Vorbereitung befindlicher Vorschriften über den Parallelimport von Arzneimitteln zu erlassen.

12 Da die Kommission feststellte, dass der Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht andauere, richtete sie am 29. Dezember 2000 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Französische Republik, in der sie diese aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen.

13 Mit Schreiben vom 18. März 2001 antworteten die französischen Behörden, dass der Dekretentwurf über die Einfuhren von Humanarzneimitteln praktisch fertiggestellt sei und vom Conseil d'État geprüft werde, sobald der Conseil de la Concurrence Stellung genommen habe. Sie gaben erneut an, dass es ihnen unnötig und technisch schwierig erscheine, die neue Fassung der streitigen Vorschrift unabhängig vom Erlass anderer Vorschriften über den Parallelimport von Arzneimitteln zu erlassen.

14 Bei einer Zusammenkunft am 23. Januar 2002 informierten die französischen Behörden die Kommission, dass der Dekretentwurf über die Einfuhren von Humanarzneimitteln am 10. August 2001 den betreffenden Ministern zur Unterzeichnung übermittelt worden sei, dass er jedoch immer noch nicht unterzeichnet sei.

15 Unter diesen Umständen hat die Kommission beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

Begründetheit

16 Die Kommission macht geltend, die streitige Vorschrift sei geeignet, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, und stelle daher eine durch Artikel 28 EG verbotene Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung dar.

17 Insoweit weist die Kommission zunächst darauf hin, dass in Bezug auf den Zeitraum vor der Einfuhr das in der streitigen Vorschrift aufgestellte Erfordernis der Vorlage von Dokumenten bedeute, dass administrative Schritte bei den zuständigen französischen Behörden zu unternehmen seien, was folglich die Arzneimitteleinfuhr nach Frankreich komplizierter mache.

18 Was sodann den eigentlichen Einfuhrvorgang angeht, so trägt die Kommission erstens vor, dass die Verpflichtung, "auf jede Aufforderung der Zollbeamten" entweder eine beglaubigte Abschrift der Genehmigung für das Inverkehrbringen oder der Eintragung des Arzneimittels oder aber ein Dokument vorzulegen, mit dem bescheinigt werde, dass für das eingeführte Arzneimittel von der Europäischen Gemeinschaft eine solche Genehmigung erteilt worden sei, für die Importeure und Vertriebshändler eine konkrete Verpflichtung begründe, die verlangten Dokumente ständig bereitzuhalten. Zweitens könnten die Vielzahl und der Umfang der nach der streitigen Vorschrift verlangten Dokumente deren Mitführung in allen Stadien der Einfuhr und des Vertriebs erschweren.

19 Die Kommission erklärt schließlich, dass die französischen Behörden keinerlei Rechtfertigung für die streitige Vorschrift vorgebracht hätten. Auch wenn man annehme, dass diese Vorschrift vom Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen inspiriert worden sei, so erfuelle sie doch nicht die Voraussetzungen des Artikels 30 EG. Falls es nämlich das Ziel der Vorschrift sei, den zuständigen Behörden die Feststellung zu ermöglichen, dass für die eingeführten Erzeugnisse tatsächlich eine französische oder gemeinschaftliche Genehmigung für das Inverkehrbringen erteilt worden sei, könne ein solches Ziel ebenso wirksam durch Maßnahmen erreicht werden, die den innergemeinschaftlichen Handel weniger beschränkten, z. B. durch eine Kontrolle der auf der äußeren Verpackung des Arzneimittels angebrachten Nummer, wie in dem Dekretentwurf zur Änderung der streitigen Vorschrift vorgesehen.

20 Die französische Regierung entgegnet, der Dekretentwurf zur Änderung der streitigen Vorschrift sei letztlich nicht verabschiedet worden. Dieser Entwurf sei anlässlich des Regierungswechsels Gegenstand einer neuen Abstimmung mit den berufsständischen Kreisen geworden. Infolge dieser Abstimmung sei ein neuer Dekretentwurf ausgearbeitet worden. Dieser enthalte zwar einige Unterschiede zum vorherigen Entwurf, ändere jedoch nicht den Sinn der Änderung der streitigen Vorschrift.

21 Der neue Dekretentwurf müsse, bevor er unterzeichnet und veröffentlicht werde, erneut vom Conseil d'État geprüft werden, der im Juni 2003 befasst werde. Die französische Regierung versichert, dass sie Anstrengungen unternehmen werde, um einen möglichst raschen Erlass dieses Dekrets zu fördern.

22 Die französische Regierung bestreitet die vorgeworfene Vertragsverletzung nicht; die Klage der Kommission ist daher als begründet anzusehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

23 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Französischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Dritte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Französische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 28 EG verstoßen, dass sie gemäß Artikel R. 5142-15 des Code de la santé publique diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die Arzneimittel nach Frankreich einführen oder dort vertreiben, für deren Inverkehrbringen eine französische oder gemeinschaftliche Genehmigung erteilt wurde, verpflichtet, auf die erste Aufforderung der Kontrollbehörden entweder eine von der Agence française de sécurité sanitaire des produits de santé erteilte beglaubigte Abschrift der Genehmigung für das Inverkehrbringen auf dem französischen Markt oder der Eintragung des Arzneimittels oder aber ein von dieser Agentur ausgestelltes Dokument vorzulegen, mit dem bescheinigt wird, dass für das Inverkehrbringen des eingeführten Arzneimittels von der Europäischen Gemeinschaft eine Genehmigung erteilt wurde.

2. Die Französische Republik trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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