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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.1998
Aktenzeichen: C-127/96
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/187/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 77/187/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, daß diese Richtlinie in einem Fall, in dem ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten beauftragt hat, den mit diesem Unternehmen geschlossenen Vertrag kündigt und fortan selbst für die Reinigung seiner Räumlichkeiten sorgt, anwendbar ist, sofern der Vorgang mit dem Übergang einer wirtschaftlichen Einheit zwischen den beiden Unternehmen verbunden ist. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Der blosse Umstand, daß die erst vom Reinigungsunternehmen und danach von dem Unternehmen, dem die Räumlichkeiten gehören, ausgeführten Reinigungsarbeiten ähnlich sind, lässt nicht auf den Übergang einer solchen Einheit schließen.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 10. Dezember 1998. - Francisco Hernández Vidal SA gegen Prudencia Gómez Pérez, María Gómez Pérez und Contratas y Limpiezas SL (C-127/96), Friedrich Santner gegen Hoechst AG (C-229/96), und Mercedes Gómez Montaña gegen Claro Sol SA und Red Nacional de Ferrocarriles Españoles (Renfe) (C-74/97). - Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunal Superior de Justicia de Murcia - Spanien, Arbeitsgericht Frankfurt am Main - Deutschland und Juzgado de la Social nº 1 de Pontevedra - Spanien. - Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen. - Verbundene Rechtssachen C-127/96, C-229/96 und C-74/97.

Entscheidungsgründe:

1 Mit Beschlüssen vom 22. Februar 1996 (C-127/96), vom 11. Juni 1996 (C-229/96) und vom 28. Januar 1997 (C-74/97), beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 1996, am 1. Juli 1996 und am 20. Februar 1997, haben das Tribunal Superior de Justicia Murcia, das Arbeitsgericht Frankfurt am Main und das Juzgado de lo Social Nr. 1 Pontevedra gemäß Artikel 177 EG-Vertrag Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in den Rechtsstreitigkeiten erstens Francisco Hernández Vidal SA (im folgenden: Hernández Vidal) gegen Prudencia Gómez Pérez, María Gómez Pérez und Contratas y Limpiezas SL (im folgenden: Contratas y Limpiezas), zweitens Friedrich Santner gegen Hoechst AG (im folgenden: Hoechst) und drittens Mercedes Gómez Montaña gegen Claro Sol SA (im folgenden: Claro Sol) und Red Nacional de Ferrocarriles Españoles (im folgenden: Renfe).

3 Im Anschluß an die Verkündung des Urteils vom 11. März 1997 in der Rechtssache C-13/95 (Süzen, Slg. 1997, I-1259) ist das Verfahren in den vorliegenden Rechtssachen jeweils durch Beschluß des Präsidenten des Gerichtshofes vom 18. März 1997 ausgesetzt worden; der Gerichtshof hat die vorlegenden Gerichte aufgefordert, ihm mitzuteilen, ob sie ihre Fragen im Licht dieses Urteils und des Urteils vom 14. April 1994 in der Rechtssache C-392/92 (Schmidt, Slg. 1994, I-1311) aufrechterhalten wollen. Die Gerichte haben dies mit Schreiben an den Gerichtshof vom 6. Mai 1997 (C-127/96), vom 24. Juli 1997 (C-229/96) und vom 22. April 1997 (C-74/97) bejaht. Das Verfahren in den vorliegenden Rechtssachen ist durch Beschlüsse des Präsidenten des Gerichtshofes vom 2. Juni 1997 (C-127/96), vom 27. August 1997 (C-229/96) und vom 5. Juni 1997 (C-74/97) wiederaufgenommen worden.

4 Die drei Rechtssachen sind durch Beschluß des Präsidenten der Fünften Kammer vom 31. März 1998 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Die Rechtssache C-127/96

5 Prudencia und María Gómez Pérez waren mehrere Jahre lang bei dem Reinigungsunternehmen Contratas y Limpiezas als Reinigungskräfte beschäftigt. Sie wurden im Rahmen eines zwischen Contratas y Limpiezas und Hernández Vidal - einem Unternehmen, das Kaugummi und Süßwaren herstellt - geschlossenen Reinigungsvertrags zur Reinigung der Räumlichkeiten von Hernández Vidal eingesetzt.

6 Der am 1. Januar 1992 in Kraft getretene und jedes Jahr stillschweigend verlängerte Reinigungsvertrag wurde am 28. November 1994 von Hernández Vidal, die künftig selbst für die Reinigung ihrer Räumlichkeiten sorgen wollte, zum 31. Dezember 1994 gekündigt. Keines der beiden Unternehmen wollte vom 2. Januar 1995 an die Arbeitsverhältnisse von Prudencia und María Gómez Pérez fortsetzen.

7 Diese erhoben daher gegen die beiden Unternehmen beim Juzgado de lo Social Nr. 5 Murcia Klage wegen rechtswidriger Kündigung. Mit Urteil vom 23. März 1995 gab dieses Gericht ihrer Klage statt, jedoch nur in bezug auf Hernández Vidal. Diese wurde verurteilt, die Klägerinnen weiterzubeschäftigen oder ihnen Abfindungen zu zahlen sowie ihnen das Arbeitsentgelt für die Zeit von der Entlassung bis zur Zustellung des Urteils zu zahlen.

8 Hernández Vidal war der Ansicht, daß kein Übergang eines Unternehmens oder eines Betriebsteils vorliege, so daß sie nicht als Erwerber angesehen werden könne, und legte daher gegen das genannte Urteil beim Tribunal Superior de Justicia Murcia Rechtsmittel ein.

9 Dieses Gericht ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 77/187 abhängt, und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist die Arbeitstätigkeit, die im Reinigungsdienst für die Räumlichkeiten eines Unternehmens besteht, dessen hauptsächliche Tätigkeit im vorliegenden Fall nicht die Reinigung ist, sondern die Herstellung von Kaugummi und Süßwaren, das jedoch ständig der genannten Nebentätigkeit bedarf, ein "Betriebsteil"?

2. Kann ferner der Begriff "vertragliche Übertragung" die Auflösung eines handelsrechtlichen Vertrages über die Leistung des Reinigungsdienstes nach drei Jahren mit jährlicher Verlängerung nach Ablauf des dritten Jahres durch Entscheidung des dienstberechtigten Unternehmens umfassen, und falls diese Frage bejaht wird, kann dies davon abhängen, daß das dienstberechtigte Unternehmen die Reinigung durch seine eigenen Arbeitnehmer oder aufgrund eines neuen Vertragsabschlusses durch andere durchführen lässt?

Die Rechtssache C-229/96

10 Herr Santner war seit 1980 als Reinigungskraft beschäftigt, zunächst bei der Dörhöffer + Schmitt GmbH (im folgenden: Dörhöffer + Schmitt), dann bei der B + S GmbH (im folgenden: B + S), die durch eine Betriebsaufspaltung aus Dörhöffer + Schmitt hervorgegangen war. Er reinigte im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ausschließlich Badehäuser von Hoechst, die mit den beiden vorgenannten Unternehmen aufeinanderfolgende Reinigungsverträge geschlossen hatte.

11 Hoechst kündigte jedoch ihren Vertrag mit B + S und organisierte die Reinigungsarbeiten in ihren Badehäusern um. Sie werden nunmehr teils von ihren eigenen Arbeitnehmern, teils in Kooperation mit anderen Fremdfirmen geleistet.

12 B + S kündigte am 27. April 1995 den Arbeitsvertrag mit Herrn Santner.

13 Da nach dessen Ansicht ein Unternehmensübergang erfolgt ist und das Arbeitsverhältnis deshalb mit Hoechst fortgesetzt werden muß, erhob er beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main Klage gegen Hoechst.

14 Dieses Gericht ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 77/187 abhängt, und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Können die Reinigungsaufgaben einzelner Betriebsteile eines Betriebes, wenn sie nach Kündigung der vertraglichen Übertragung auf eine Fremdfirma wieder vom Unternehmer selbst ausgeführt werden, einem Betriebsteil im Sinne der Richtlinie 77/187/EWG gleichgestellt werden?

2. Gilt dies auch dann, wenn diese Reinigungsaufgaben einzelner Betriebsteile des Betriebes nach Rückübertragung auf den Unternehmer wieder in den Reinigungsaufgaben des gesamten Betriebes aufgehen?

Die Rechtssache C-74/97

15 Die Renfe hatte das Reinigungsunternehmen Claro Sol für die Zeit vom 16. Oktober 1994 bis 15. Oktober 1996 mit der Reinigung und dem Unterhalt des Bahnhofs Pontevedra beauftragt.

16 Claro Sol übernahm aufgrund des Vertrages Frau Gómez Montaña und beschäftigte sie mit der Reinigung und dem Unterhalt des genannten Bahnhofs. Vorher hatte Frau Gómez Montaña mehrere Jahre lang dieselbe Arbeit als Arbeitnehmerin der verschiedenen Dienstleistungsunternehmen ausgeuebt, die den Reinigungsauftrag vor Claro Sol übernommen hatten.

17 Nach Ablauf des Vertrages entschloß sich die Renfe, ihren Vertrag mit Claro Sol nicht zu erneuern und künftig selbst für die Reinigung und den Unterhalt des Bahnhofs von Pontevedra zu sorgen. Am 1. Oktober 1996 teilte Claro Sol Frau Gómez Montaña mit, daß ihr Arbeitsvertrag aufgrund dieses Auftragsverlustes am 15. Oktober 1996 ablaufe.

18 Frau Gómez Montaña erhob daraufhin gegen Claro Sol und die Renfe beim Juzgado de lo Social Nr. 1 Pontevedra Klage wegen rechtswidriger Kündigung.

19 Dieses Gericht ist der Ansicht, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung der Richtlinie 77/187 abhängt, und hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Wird die Beendigung eines Subunternehmervertrags mit einem Reinigungsunternehmen, die Grund für die Entlassung der vom Subunternehmen beschäftigten Arbeitnehmerin war, und die Übernahme der Reinigungstätigkeit durch das Hauptunternehmen, ein Eisenbahntransportunternehmen, mit seinen eigenen Beschäftigten vom Geltungsbereich der Richtlinie 77/187/EWG vom 14. Februar 1977 erfasst?

Die Vorabentscheidungsfragen

20 Die vorlegenden Gerichte möchten mit ihren zweckmässigerweise gemeinsam zu untersuchenden Fragen wissen, ob und unter welchen Voraussetzungen die Richtlinie 77/187 auf einen Fall anwendbar ist, in dem ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten oder eines Teils derselben beauftragt hat, beschließt, den Vertrag mit diesem Unternehmen zu kündigen und fortan selbst für die Durchführung der fraglichen Arbeiten zu sorgen.

21 Nach ihrem Artikel 1 Absatz 1 ist die Richtlinie 77/187 auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.

22 Die Richtlinie 77/187 soll gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofes die Kontinuität der im Rahmen einer wirtschaftlichen Einheit bestehenden Arbeitsverhältnisse unabhängig von einem Inhaberwechsel gewährleisten. Entscheidend für einen Übergang im Sinne der Richtlinie ist daher, ob die fragliche Einheit ihre Identität bewahrt, was namentlich dann zu bejahen ist, wenn der Betrieb tatsächlich weitergeführt oder wiederaufgenommen wird (Urteil vom 18. März 1986 in der Rechtssache 24/85, Spijkers, Slg. 1986, 1119, Randnrn. 11 f., und zuletzt Urteil Süzen, Randnr. 10).

23 Was die Modalitäten einer solchen Übertragung angeht, ist es unstreitig, daß die Richtlinie 77/187 in allen Fällen anwendbar ist, in denen die natürliche oder juristische Person, die die Arbeitgeberverpflichtungen gegenüber den Beschäftigten des Unternehmens eingeht, im Rahmen vertraglicher Beziehungen wechselt (vgl. insbesondere Urteil vom 7. März 1996 in den Rechtssachen C-171/94 und C-172/94, Merckx und Neuhuys, Slg. 1996, I-1253, Randnr. 28).

24 Nach Ansicht des Gerichtshofes können daher ein Fall, in dem ein Unternehmen durch Vertrag einem anderen Unternehmen die Verantwortung für die Durchführung der Reinigungsarbeiten überträgt, die es vorher unmittelbar ausgeführt hatte (Urteil Schmidt, Randnr. 14), und ein Fall, in dem ein Auftraggeber, der die Reinigung seiner Räumlichkeiten einem ersten Unternehmer anvertraut hatte, den Vertrag mit diesem Unternehmer kündigt und zur Durchführung ähnlicher Arbeiten einen neuen Vertrag mit einem zweiten Unternehmer schließt (Urteil Süzen, Randnrn. 11 f.), unter die Richtlinie 77/187 fallen.

25 Die Richtlinie 77/187 muß ausserdem in dem Fall angewendet werden können, daß ein Unternehmen - wie in den vorliegenden Fällen - ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten oder eines Teils derselben beauftragt hat und beschließt, den Vertrag mit diesem Unternehmen zu kündigen und fortan selbst für die Durchführung dieser Arbeiten zu sorgen.

26 Die Anwendbarkeit der Richtlinie 77/187 setzt jedoch voraus, daß es um den Übergang einer auf Dauer angelegten wirtschaftlichen Einheit geht, deren Tätigkeit nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt ist (Urteil vom 19. September 1995 in der Rechtssache C-48/94, Rygaard, Slg. 1995, I-2745, Randnr. 20). Der Begriff "Einheit" bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung (Urteil Süzen, Randnr. 13).

27 Eine solche Einheit muß zwar hinreichend strukturiert und selbständig sein, umfasst aber nicht notwendigerweise bedeutsame materielle oder immaterielle Betriebsmittel. In bestimmten Wirtschaftszweigen wie dem Reinigungsgewerbe treten diese Betriebsmittel nämlich oft nur in ihrer einfachsten Form in Erscheinung, und es kommt dort im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft an. Daher kann eine organisierte Gesamtheit von Arbeitnehmern, denen eine gemeinsame Aufgabe eigens auf Dauer zugewiesen ist, eine wirtschaftliche Einheit darstellen, ohne daß weitere Betriebsmittel vorhanden sind.

28 Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, anhand der vorstehenden Auslegungskriterien festzustellen, ob der Unterhalt der Räumlichkeiten des auftraggebenden Unternehmens bis zur Übernahme dieser Tätigkeit durch das auftraggebende Unternehmen selbst in Form einer wirtschaftlichen Einheit in den aussenstehenden Reinigungsunternehmen organisiert war.

29 Bei der anschließenden Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Übergang einer Einheit erfuellt sind, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebes, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeiten. Diese Umstände sind jedoch nur Teilaspekte der vorzunehmenden Gesamtbewertung und dürfen deshalb nicht isoliert betrachtet werden (u. a. Urteile Spijkers, Randnr. 13, und Süzen, Randnr. 14).

30 Der blosse Umstand, daß die vom Reinigungsunternehmen und danach von dem Unternehmen, dem die Räumlichkeiten gehören, selbst ausgeführten Reinigungsarbeiten einander ähnlich sind, lässt somit nicht auf den Übergang einer wirtschaftlichen Einheit vom ersten auf das zweite Unternehmen schließen. Eine Einheit darf nämlich nicht als blosse Tätigkeit verstanden werden. Ihre Identität ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und gegebenenfalls den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (Urteil Süzen, Randnr. 15).

31 Wie in Randnummer 29 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat das innerstaatliche Gericht bei der Bewertung der maßgeblichen Tatsachen u. a. die Art des betroffenen Unternehmens oder Betriebes zu berücksichtigen. Den für das Vorliegen eines Übergangs im Sinne der Richtlinie 77/187 maßgeblichen Kriterien kommt notwendigerweise je nach der ausgeuebten Tätigkeit und selbst nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht zu. Da eine wirtschaftliche Einheit insoweit in bestimmten Branchen ohne relevante materielle oder immaterielle Betriebsmittel tätig sein kann, kann die Wahrung der Identität einer solchen Einheit über ihren Übergang hinaus nicht von der Übertragung von Betriebsmitteln abhängen (Urteil Süzen, Randnr. 18).

32 Soweit in bestimmten Branchen, in denen es im wesentlichen auf die menschliche Arbeitskraft ankommt, eine Gesamtheit von Arbeitnehmern, die durch eine gemeinsame Tätigkeit dauerhaft miteinander verbunden sind, eine wirtschaftliche Einheit darstellt, kann eine solche Einheit ihre Identität über ihren Übergang hinaus bewahren, wenn der neue Unternehmensinhaber nicht nur die betreffende Tätigkeit weiterführt, sondern auch einen nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teil des Personals übernimmt, das sein Vorgänger gezielt bei dieser Tätigkeit eingesetzt hatte. Denn in diesem Fall erwirbt der neue Unternehmensinhaber eine organisierte Gesamtheit von Faktoren, die ihm die Fortsetzung der Tätigkeiten oder bestimmter Tätigkeiten des übertragenden Unternehmens auf Dauer erlaubt (Urteil Süzen, Randnr. 21).

33 Der Umstand schließlich, daß die Reinigungstätigkeit für das Unternehmen, das für deren Durchführung fortan selbst sorgen will, nur von untergeordneter Bedeutung ist und nicht in einem notwendigen Zusammenhang mit dem Unternehmenszweck steht, kann nicht zum Ausschluß dieses Vorgangs aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 77/187 führen (Urteil vom 12. November 1992 in den Rechtssachen C-209/91, Watson Rask und Christensen, Slg. 1992, I-5755, Randnr. 17, und Urteil Schmidt, Randnr. 14).

34 Es ist Sache der vorlegenden Gerichte, anhand aller vorstehenden Auslegungskriterien festzustellen, ob in den Ausgangsverfahren ein Übergang stattgefunden hat.

35 Somit ist auf die vorgelegten Fragen zu antworten, daß Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 dahin auszulegen ist, daß diese Richtlinie auf einen Fall, in dem ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten beauftragt hat, beschließt, den Vertrag mit diesem Unternehmen zu kündigen und fortan selbst für die Durchführung der fraglichen Arbeiten zu sorgen, anwendbar ist, sofern der Vorgang mit dem Übergang einer wirtschaftlichen Einheit zwischen den beiden Unternehmen einhergeht. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Der blosse Umstand, daß die erst vom Reinigungsunternehmen und danach von dem Unternehmen, dem die Räumlichkeiten gehören, ausgeführten Wartungsarbeiten einander ähnlich sind, lässt nicht auf den Übergang einer solchen Einheit schließen.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Die Auslagen der spanischen, der deutschen, der belgischen und der französischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs und der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem jeweils bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Tribunal Superior de Justicia Murcia, vom Arbeitsgericht Frankfurt am Main und vom Juzgado de lo Social Nr. 1 Pontevedra mit Beschlüssen vom 22. Februar 1996, vom 11. Juni 1996 und vom 28. Januar 1997 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen ist dahin auszulegen, daß diese Richtlinie auf einen Fall, in dem ein Unternehmen, das ein anderes Unternehmen mit der Reinigung seiner Räumlichkeiten beauftragt hat, beschließt, den Vertrag mit diesem Unternehmen zu kündigen und fortan selbst für die Durchführung der fraglichen Arbeiten zu sorgen, anwendbar ist, sofern der Vorgang mit dem Übergang einer wirtschaftlichen Einheit zwischen den beiden Unternehmen einhergeht. Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit bezieht sich dabei auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Der blosse Umstand, daß die erst vom Reinigungsunternehmen und danach von dem Unternehmen, dem die Räumlichkeiten gehören, ausgeführten Wartungsarbeiten einander ähnlich sind, lässt nicht auf den Übergang einer solchen Einheit schließen.

Ende der Entscheidung

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