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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 25.06.1997
Aktenzeichen: C-131/96
Rechtsgebiete: EWGV 1408/71, RVO,


Vorschriften:

EWGV 1408/71 Art. 3 Abs. 1
RVO § 1267 Abs. 1 S. 3
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 sind nur mittelbare Nutznießer der Gleichbehandlung, die dem Arbeitnehmer durch Artikel 7 dieser Verordnung zuerkannt wird.

Dem Kind eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, der nicht die Eigenschaft eines Arbeitnehmers im Sinne des Artikels 48 des Vertrages und dieser Verordnung besitzt, da er vor dem Beitritt seines Herkunftslands zur Gemeinschaft verstorben ist, kann daher der in dieser Vorschrift niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht in der Eigenschaft eines Familienangehörigen eines Gemeinschaftsarbeitnehmers zugute kommen.

4 Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung Nr. 2001/83 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

Der in dieser Vorschrift niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet nämlich nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der aus den Systemen der sozialen Sicherheit leistungsberechtigten Personen, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen. Die Ablehnung der Gleichstellung des in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienstes mit dem nationalen Wehrdienst kann aber tatsächlich zu dem Ergebnis führen, daß den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten das Recht, daß die Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus für einen der Dauer des Wehrdienstes entsprechenden Zeitraum weitergewährt wird, wenn die Ausbildung des Rentenempfängers durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, nicht in Anspruch nehmen können.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 25. Juni 1997. - Carlos Mora Romero gegen Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundessozialgericht - Deutschland. - Arbeitnehmer - Gleichbehandlung - Leistungen für Waisen - Wehrdienst. - Rechtssache C-131/96.

Entscheidungsgründe:

1 Das Bundessozialgericht hat dem Gerichtshof mit Beschluß vom 8. Februar 1996, beim Gerichtshof eingegangen am 24. April 1996, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung der Artikel 6, 48 und 51 EG-Vertrag sowie des Artikels 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Mora Romero (im folgenden: Kläger) und der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz (im folgenden: Beklagte) über die Gewährung einer Waisenrente nach der Reichsversicherungsordnung (RVO).

3 § 1267 Absatz 1 Sätze 2 und 3 RVO lautet wie folgt:

"Die Waisenrente wird längstens bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres für ein Kind gewährt, das sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet... Im Falle der Unterbrechung oder Verzögerung der Schul- oder Berufsausbildung durch Erfuellung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht des Kindes wird die Waisenrente auch für einen der Zeit dieses Dienstes entsprechenden Zeitraum über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt."

4 Aus den Akten geht hervor, daß der 1965 geborene Kläger spanischer Staatsangehöriger ist und in Spanien wohnt. Sein Vater, der in Deutschland als Arbeitnehmer beschäftigt war, starb 1969 an den Folgen eines Arbeitsunfalls.

5 Der Kläger erhielt vom Beginn seiner Schul- und Berufsausbildung an von der Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz eine Waisenrente. Für die Zeit seines Wehrdienstes in der spanischen Armee, d. h. vom 30. November 1987 bis zum 30. November 1988, wurde die Zahlung der Rente eingestellt. Als der Kläger nach seinem Wehrdienst seine Ausbildung fortsetzte, wurde ihm die Rente bis zum 1. März 1990 erneut gezahlt; zu diesem Datum stellte der deutsche Träger die Zahlung mit der Begründung ein, daß der Kläger im Laufe des vorhergehenden Monats das 25. Lebensjahr vollendet habe.

6 Der Kläger focht diesen Bescheid beim Sozialgericht Düsseldorf an und verlangte die Zahlung der Waisenrente über sein 25. Lebensjahr hinaus für einen seinem Wehrdienst in Spanien entsprechenden Zeitraum.

7 Nachdem seine Klage am 18. März 1993 vom Sozialgericht Düsseldorf abgewiesen worden war, legte er Berufung beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ein, das die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 17. Mai 1995 aufhob und die Beklagte zur Zahlung der Waisenrente für ein weiteres Jahr verurteilte. In seinem Urteil führte das Landessozialgericht aus, daß § 1267 Absatz 1 Satz 3 RVO im Lichte des Artikels 7 EWG-Vertrag, nunmehr Artikel 6 EG-Vertrag, enthaltenen Diskriminierungsverbots dahin auszulegen sei, daß der in einem anderen Mitgliedstaat geleistete Wehrdienst dem nach dem Wehrpflichtgesetz geleisteten Pflichtwehrdienst gleichzustellen sei.

8 Mit der Revision vor dem Bundessozialgericht wendet sich die Beklagte gegen die Gleichstellung des in den anderen Mitgliedstaaten geleisteten Wehrdienstes mit dem inländischen Wehrdienst.

9 Da das Bundessozialgericht der Ansicht ist, daß die Entscheidung des Rechtsstreits von einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:

Sind die Artikel 6, 48 und 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates über die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft dahin auszulegen, daß sie es dem Gesetzgeber eines Mitgliedstaats erlauben, Bezugszeiten für Waisenrenten nur für diejenigen über das 25. Lebensjahr hinaus zu verlängern, deren Ausbildung durch Erfuellung der Wehrpflicht nach den Gesetzen dieses Staates über das 25. Lebensjahr hinaus verzögert worden ist?

Zur Anwendbarkeit des Artikels 6 EG-Vertrag

10 Nach ständiger Rechtsprechung kann Artikel 6 EG-Vertrag, in dem das allgemeine Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit niedergelegt ist, autonom nur in durch das Gemeinschaftsrecht geregelten Fällen angewendet werden, für die der Vertrag kein besonderes Diskriminierungsverbot vorsieht (vgl. u. a. Urteil vom 29. Februar 1996 in der Rechtssache C-193/94, Skanavi und Chryssanthakopoulos, Slg. 1996, I-929, Randnr. 20).

11 Im Bereich der Freizuegigkeit der Arbeitnehmer ist das Diskriminierungsverbot durch die Artikel 48 bis 51 EG-Vertrag und die aufgrund dieser Vorschriften erlassenen Rechtsakte der Gemeinschaftsorgane, insbesondere durch die Verordnung Nr. 1612/68 und die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 149, S. 2), konkretisiert worden (Urteil vom 28. Juni 1978 in der Rechtssache 1/78, Kenny, Slg. 1978, 1489, Randnr. 9).

12 Wenn ein Fall wie der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende unter diese Artikel des Vertrages und die auf deren Grundlage erlassenen Gemeinschaftsverordnungen fällt, braucht folglich über die Auslegung des Artikels 6 EG-Vertrag nicht entschieden zu werden.

13 Die Vorabentscheidungsfrage ist daher zunächst im Lichte der Artikel 48 und 51 EG-Vertrag und insbesondere der Verordnungen Nrn. 1612/68 und 1408/71 zu prüfen.

Zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1612/68

14 Gemäß Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag umfasst die Freizuegigkeit der Arbeitnehmer die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen.

15 Nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1612/68 darf ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist, aufgrund seiner Staatsangehörigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung und, falls er arbeitslos geworden ist, im Hinblick auf berufliche Wiedereingliederung oder Wiedereinstellung, nicht anders behandelt werden als die inländischen Arbeitnehmer. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 genießt er dort die gleichen sozialen und steuerlichen Vergünstigungen wie die inländischen Arbeitnehmer.

16 Nach ständiger Rechtsprechung sind die Familienangehörigen eines Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 10 der Verordnung Nr. 1612/68 nur mittelbare Nutznießer der Gleichbehandlung, die dem Arbeitnehmer durch Artikel 7 dieser Verordnung zuerkannt wird (Urteil vom 18. Juni 1987 in der Rechtssache 316/85, Lebon, Slg. 1987, 2811, Randnr. 12).

17 Ist nun aber eine Person, die Staatsangehöriger eines späteren Mitgliedstaats war, vor dessen Beitritt zur Gemeinschaft verstorben, so ist sie nicht Arbeitnehmer im Sinne des Artikels 48 EG-Vertrag und der Verordnung Nr. 1612/68 geworden.

18 Wie sich aus den Akten des Ausgangsverfahrens ergibt, ist der Vater des Klägers, der in Deutschland beschäftigt war, dort 1969 und damit vor dem Beitritt seines Herkunftsstaats zur Gemeinschaft, verstorben.

19 Der in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1612/68 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz kann daher einer Person wie dem Kläger nicht in ihrer Eigenschaft als Familienangehöriger eines Gemeinschaftsarbeitnehmers im Sinne von Artikel 10 dieser Verordnung zugute kommen.

20 Ein Sachverhalt wie der im Vorlagebeschluß dargestellte fällt daher nicht in den Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1612/68.

Zur Anwendbarkeit der Verordnung Nr. 1408/71

21 Gemäß Artikel 2 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1408/71 in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 (ABl. L 230, S. 6) geänderten und aktualisierten Fassung (im folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) gilt diese Verordnung für Hinterbliebene von Arbeitnehmern oder Selbständigen, für die die Rechtsvorschriften eines oder mehrerer Mitgliedstaaten galten, und zwar ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit dieser Arbeitnehmer oder Selbständigen, wenn die Hinterbliebenen Staatsangehörige eines Mitgliedstaats sind oder als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen.

22 Ausserdem ist "Hinterbliebener" gemäß Artikel 1 Buchstabe g der Verordnung Nr. 1408/71 jede Person, die in den Rechtsvorschriften, nach denen die Leistungen gewährt werden, als Hinterbliebener bestimmt oder anerkannt ist.

23 Eine Person, die sich in einer Lage der von dem vorlegenden Gericht beschriebenen Art befindet, fällt folglich in den persönlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71.

24 Was den sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 angeht, bestimmt Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d, daß die Verordnung für Leistungen an Hinterbliebene gilt. In diesem Zusammenhang ist festzustellen, daß die aufgrund der RVO gewährten Waisenrenten nach der Erklärung der Bundesrepublik Deutschland gemäß Artikel 5 der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. 1980, C 139, S. 1) in ihrer später geänderten Fassung (ABl. 1983, C 351, S. 1) Leistungen im Sinne des die Waisenrenten betreffenden Artikels 78 der Verordnung Nr. 1408/71 sind.

25 Sind aber derartige Leistungen in dieser Erklärung aufgeführt, so stellen sie nach ständiger Rechtsprechung Leistungen im Sinne von Artikel 78 der Verordnung dar (Urteile vom 12. Juli 1979 in der Rechtssache 237/78, Toia, Slg. 1979, 2645, Randnr. 8, und vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C-251/89, Athanasopoulos u. a., Slg. 1991, I-2797, Randnr. 28).

26 Ein Sachverhalt wie der von dem vorlegenden Gericht beschriebene fällt daher unter die Verordnung Nr. 1408/71.

Zur Auslegung des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71

27 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

28 Nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 haben die Personen, die im Gebiet eines Mitgliedstaats wohnen und für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates.

29 Diese Vorschrift soll gemäß Artikel 48 EG-Vertrag zugunsten der Personen, für die die Verordnung gilt, die Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit ohne Unterscheidung nach der Staatsangehörigkeit dadurch sicherstellen, daß sie alle Diskriminierungen beseitigt, die sich insoweit aus den nationalen Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten ergeben.

30 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß eine Waisenrente wie die vom Kläger bezogene ihrem Empfänger bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gewährt wird, wenn er sich in Schul- oder Berufsausbildung befindet. Die Zahlung der Rente wird jedoch während des Zeitraums, für den der Empfänger zum Wehrdienst einberufen ist, ausgesetzt. Für diese Aussetzung wird der in einem anderen Mitgliedstaat geleistete Wehrdienst dem bei den deutschen Streitkräften geleisteten Wehrdienst gleichgestellt. Wird die Schul- oder Berufsausbildung des Empfängers durch seine Einberufung zum Wehrdienst unterbrochen, so wird die Gewährung der Rente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus für einen der Dauer des Wehrdienstes entsprechenden Zeitraum verlängert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts wird diese Verlängerung jedoch nur Waisen zugestanden, die ihren Wehrdienst nach deutschem Recht geleistet haben.

31 Es ist daher festzustellen, daß nur den Waisen, die ihren Wehrdienst nach deutschem Recht geleistet haben, die Verlängerung der Gewährung der Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus für einen der Dauer des Wehrdienstes entsprechenden Zeitraum zugute kommen kann.

32 In diesem Zusammenhang ist ausserdem darauf hinzuweisen, daß der in Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 niedergelegte Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur offenkundige Diskriminierungen aufgrund der Staatsangehörigkeit der aus den Systemen der sozialen Sicherheit leistungsberechtigten Personen verbietet, sondern auch alle versteckten Formen der Diskriminierung, die durch Anwendung anderer Unterscheidungskriterien tatsächlich zum gleichen Ergebnis führen (Urteil Toia, a. a. O., Randnr. 12).

33 Die Ablehnung der Gleichstellung des in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienstes mit dem in dem betreffenden Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst kann aber tatsächlich zu dem Ergebnis führen, daß den Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten nicht das Recht zugute kommt, daß die Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus für einen der Dauer des Wehrdienstes entsprechenden Zeitraum weitergewährt wird, wenn die Ausbildung des Rentenempfängers durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist.

34 In seinem Vorlagebeschluß führt das nationale Gericht aus, die über die Altersgrenze hinaus gewährte Waisenrente sei zwar in das deutsche Sozialversicherungssystem eingegliedert, sie sei aber eine Leistung mit Entschädigungscharakter, die der Staat seinen eigenen Staatsangehörigen zum Ausgleich der Nachteile gewähre, die sich für sie aus der Ableistung des deutschen Wehrdienstes ergäben.

35 In diesem Zusammenhang genügt die Feststellung, daß es sich - wie der Generalanwalt in Nummer 34 seiner Schlussanträge bemerkt hat - auch dann, wenn die Gewährung der Waisenrente über die Altersgrenze hinaus einen gewissen Entschädigungscharakter aufweisen sollte, dennoch um die zeitlich versetzte Zahlung einer Rente handeln würde, die, wie das vorlegende Gericht im übrigen unterstrichen hat, zum deutschen Sozialversicherungssystem gehört und deren Gewährung deshalb nicht aus dem sachlichen Geltungsbereich der Verordnung Nr. 1408/71 herausfallen würde.

36 Es ist daher zu antworten, daß Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

37 Die Auslagen der spanischen Regierung und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

auf die ihm vom Bundessozialgericht mit Beschluß vom 8. Februar 1996 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in ihrer durch die Verordnung (EWG) Nr. 2001/83 des Rates vom 2. Juni 1983 geänderten und aktualisierten Fassung ist dahin auszulegen, daß ein Mitgliedstaat den in einem anderen Mitgliedstaat geleisteten Wehrdienst dem nach seinen eigenen Rechtsvorschriften geleisteten Wehrdienst gleichstellen muß, wenn seine Rechtsvorschriften für Rentenempfänger, deren Ausbildung durch die Ableistung des Wehrdienstes unterbrochen worden ist, die Verlängerung des Anspruchs auf eine Waisenrente über die Vollendung des 25. Lebensjahres hinaus vorsehen.

Ende der Entscheidung

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