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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: C-136/04
Rechtsgebiete: VO EWG Nr. 804/68


Vorschriften:

VO EWG Nr. 804/68 Art. 17 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In der Rechtssache C-136/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 3. Februar 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 15. März 2004, in dem Verfahren

Deutsches Milch-Kontor GmbH

gegen

Hauptzollamt Hamburg-Jonas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. Makarczyk sowie des Richters R. Schintgen und der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Deutsches Milch-Kontor GmbH, vertreten durch die Rechtsanwälte U. Schrömbges und O. Wenzlaff,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun als Bevollmächtigten,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnungen (EWG) Nr. 1706/89 der Kommission vom 15. Juni 1989 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 166, S. 36) und (EWG) Nr. 3445/89 der Kommission vom 15. November 1989 zur Festlegung der vollständigen Fassung der ab 1. Januar 1990 geltenden Nomenklatur der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. L 336, S. l).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Deutsches Milch-Kontor GmbH (im Folgenden: Milch-Kontor) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) über die Gewährung einer Ausfuhrerstattung für Käse für die Verarbeitung.

Rechtlicher Rahmen

3. Nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse (ABl. L 148, S. 13) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 3904/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 (ABl. L 370, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 804/68) kann der Unterschied zwischen den im internationalen Handel geltenden Preisen für bestimmte von Artikel 1 dieser Verordnung erfasste Erzeugnisse und den Preisen für diese Erzeugnisse in der Europäischen Gemeinschaft durch eine Erstattung bei der Ausfuhr ausgeglichen werden.

4. Für Milcherzeugnisse setzt die Verordnung Nr. 1706/89 die Beträge der in diesem Artikel 17 vorgesehenen Ausfuhrerstattungen fest.

5. Die zehnte Begründungserwägung dieser Verordnung lautet:

"Die Erstattung für Käse wird für zum unmittelbaren Verbrauch bestimmte Erzeugnisse berechnet. Käserinden und Käseabfälle sind keine Erzeugnisse, die dieser Verwendung entsprechen. Um etwaige Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden, ist zu präzisieren, dass für Käse mit einem Frei-Grenze-Wert von weniger als 140 ECU/100 kg keine Erstattung gewährt wird."

6. Die Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 156, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2886/89 der Kommission vom 2. August 1989 (ABl. L 282, S. 1) geänderten Fassung enthält die auf die Ereignisse des Ausgangsverfahrens anwendbare Fassung der Kombinierten Warennomenklatur (im Folgenden: Kombinierte Nomenklatur).

7. Die Position 0406 90 der Kombinierten Nomenklatur lautet: "andere Käse". Sie enthält eine Unterposition 0406 90 11 mit der Bezeichnung "andere Käse für die Verarbeitung".

8. Die Verordnung (EWG) Nr. 3846/87 der Kommission vom 17. Dezember 1987 zur Erstellung einer Nomenklatur der landwirtschaftlichen Erzeugnisse für Ausfuhrerstattungen (ABl. L 366, S. 1) führt auf der Grundlage der Kombinierten Nomenklatur eine Nomenklatur für erstattungsfähige landwirtschaftliche Erzeugnisse (im Folgenden: Erstattungsnomenklatur) ein.

9. Gemäß Artikel 1 Absatz 3 dieser Verordnung umfasst die Erstattungsnomenklatur neben den Unterteilungen der Kombinierten Nomenklatur die erforderlichen zusätzlichen Unterteilungen zur Bezeichnung der Erzeugnisse, die Gegenstand der die Ausfuhrerstattungen betreffenden Regelungen sind.

10. Die zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens geltende Fassung der Erstattungsnomenklatur war die der Verordnung Nr. 3445/89.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

11. Im Januar 1990 führte Milch-Kontor Käse nach Jugoslawien aus und erhielt antragsgemäß Ausfuhrerstattung. Die ausgeführte Ware war als Gouda angemeldet.

12. Mit Bescheid vom 14. August 1995 forderte das Hauptzollamt die zunächst gewährte Ausfuhrerstattung mit der Begründung zurück, dass es sich bei dem ausgeführten Erzeugnis nicht um handelsüblichen Gouda, sondern um zur Verarbeitung bestimmte Rohware handele.

13. Das Finanzgericht wies die Klage von Milch-Kontor gegen diesen Bescheid ab und führte aus, dass sie die Ausfuhrerstattung rechtswidrig erhalten habe, da die Erstattungsnomenklatur im Unterschied zur Kombinierten Nomenklatur keine Unterposition enthalte, die sich auf Käse für die Verarbeitung beziehe.

14. Milch-Kontor legte gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Revision beim Bundesfinanzhof ein.

15. Der Bundesfinanzhof wirft in seinem Vorlagebeschluss die Frage auf, ob die Erstattungsnomenklatur ein selbständig neben die Kombinierte Nomenklatur tretendes Tarifschema darstellt oder ob es sich um einen Auszug aus der Kombinierten Nomenklatur handelt, der nur die Unterpositionen solcher Erzeugnisse enthält, für die die Gewährung von Ausfuhrerstattungen in Betracht kommt.

16. Dazu führt das vorlegende Gericht erstens aus, dass die Bestimmungen der Verordnung Nr. 3846/87 darauf hinzudeuten schienen, dass die Erstattungsnomenklatur nur eine Zusammenstellung der erheblichen Positionen und Unterpositionen der Kombinierten Nomenklatur sei.

17. Zweitens weist das Gericht darauf hin, dass nach Satz 1 der zehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1706/89 die Erstattung für Käse für zum unmittelbaren Verbrauch bestimmte Erzeugnisse berechnet werde. Dies könnte bedeuten, dass Käse für die Verarbeitung nicht erstattungsfähig sei.

18. Schließlich vertritt das Gericht die Ansicht, dass die Tatsache, dass die Zulassung zur Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur nur die Tarifierung von Waren für Zwecke der Erhebung von Einfuhrabgaben betreffe, es nicht ausschließe, dass für eine Ware, obwohl sie bei der Erhebung von Einfuhrabgaben in diese Unterposition eingereiht werde, trotzdem Ausfuhrerstattungen gewährt werden könnten.

19. Unter diesen Umständen hat der Bundesfinanzhof beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Verordnung (EWG) Nr. 3445/89 und die Verordnung (EWG) Nr. 1706/89 dahin auszulegen, dass Käse der Unterposition 0406 90 der Kombinierten Nomenklatur, der seiner Beschaffenheit nach zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt ist und daher zolltariflich in die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 2886/89 einzureihen wäre, von der Gewährung von Ausfuhrerstattung ausgeschlossen ist?

Zur Vorlagefrage

20. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob für die Ausfuhr einer Ware in ein Drittland, die als Käse definiert wird, der zur Verarbeitung in dem betreffenden Land bestimmt ist und in die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur einzureihen ist, eine Ausfuhrerstattung nach den Verordnungen Nrn. 3445/89 und 1706/89 gewährt werden kann.

21. Milch-Kontor und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften sind der Auffassung, dass die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur deshalb nicht in der Erstattungsnomenklatur erwähnt sei, weil sie nur auf die Erhebung von Einfuhrabgaben anwendbar sei.

22. Sie meinen aber, dass daraus nicht zu schließen sei, dass für die ausgeführte Ware keine Ausfuhrerstattung gewährt werden könne.

23. Nach Ansicht von Milch-Kontor stellt die Erstattungsnomenklatur ein eigenständiges Tarifschema dar, das von der Kombinierten Nomenklatur zu unterscheiden sei. Folglich könne ein Erzeugnis, das zolltariflich in eine Unterposition einzureihen sei, die in der Erstattungsnomenklatur nicht enthalten sei, ohne weiteres seiner Beschaffenheit entsprechend dem einschlägigen Erzeugniscode dieser Nomenklatur zugewiesen werden. Käse für die Verarbeitung, der unter die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur falle, sei daher unter Berücksichtigung seiner Beschaffenheit dem einschlägigen Erzeugniscode der Erstattungsnomenklatur, d. h. dem Erzeugniscode 0406 90 89 979, zuzuweisen. Jedenfalls sei diesem Erzeugniscode, da er genauer sei als die Unterposition 0406 90 11, der Vorzug zu geben.

24. Die Kommission trägt vor, da die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur Einfuhren vorbehalten sei, müsse Käse, der zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt sei, je nach Art und Zusammensetzung in eine andere Unterposition der Position 0406 90 dieser Nomenklatur eingereiht werden.

25. Folglich könne für die ausgeführte Ware, wenn sie keinem der Erzeugniscodes im Anhang der Verordnung Nr. 1706/89 zuzuordnen sei und sie die gemeinschaftsrechtlichen Voraussetzungen insbesondere bezüglich Qualität und Preis nicht erfülle, keine Ausfuhrerstattung gewährt werden.

26. Was die Auslegung von Satz 1 der zehnten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1706/89 angehe, so könne sie nicht von der Analyse dieser Begründungserwägung in ihrem Zusammenhang losgelöst werden. Die Begründungserwägung unterscheide bei der Berechnung der Erstattung für Käse zwischen den zum unmittelbaren Verbrauch bestimmten Erzeugnissen einerseits und Käserinden und Käseabfällen andererseits. Um etwaige Schwierigkeiten zu vermeiden, werde bei der Ausfuhr von Käse mit einem Frei-Grenze-Wert von weniger als 140 ECU pro 100 kg keine Erstattung gewährt. Werde diese Grenze überschritten, so werde logischerweise eine Erstattung gewährt, auch wenn das Erzeugnis für die Verarbeitung bestimmt sei. Folglich sei im vorliegenden Fall die Gewährung der Ausfuhrerstattung zumindest davon abhängig, ob der Frei-Grenze-Preis für den ausgeführten und zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmten Käse diesen Wert überschreite.

27. Wie das vorlegende Gericht, Milch-Kontor und die Kommission hervorheben, ist die Unterposition 0406 90 11 der Kombinierten Nomenklatur, die sich auf Käse für die Verarbeitung bezieht, nur für Zwecke der Erhebung von Einfuhrabgaben anwendbar.

28. Es ist daher logisch, dass diese Unterposition nicht zu den Unterpositionen der Erstattungsnomenklatur gehört, mit denen Erzeugnisse, die Gegenstand der Ausfuhrerstattungsregelung sind, bezeichnet werden.

29. Daraus folgt jedoch nicht, dass 1990 ausgeführter Käse, der zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt ist, von dieser Regelung ausgeschlossen ist.

30. Kann nämlich diese Ware unter Berücksichtigung ihrer Art und Zusammensetzung in eine andere Unterposition der Position 0406 90 der Kombinierten Nomenklatur eingereiht werden, für die einer der im Anhang der Verordnung Nr. 1706/89 genannten Erzeugniscodes besteht, so kommt eine Ausfuhrerstattung nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 in Betracht.

31. Im Ausgangsverfahren hat das vorlegende Gericht eine solche Prüfung vorzunehmen.

32. Was die zehnte Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1706/89 betrifft, so genügt die Feststellung, dass die Begründungserwägungen eines Gemeinschaftsrechtsakts rechtlich nicht verbindlich sind und weder herangezogen werden können, um von den Bestimmungen des betreffenden Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinne auszulegen, der ihrem Wortlaut offensichtlich widerspricht (Urteile vom 19. November 1998 in der Rechtssache C-162/97, Nilsson u. a., Slg. 1998, I-7477, Randnr. 54, und vom 25. November 1998 in der Rechtssache C-308/97, Manfredi, Slg. 1998, I-7685, Randnr. 30).

33. Nach alledem ist daher auf die Vorlagefrage zu antworten, dass für 1990 ausgeführten Käse, der seiner Beschaffenheit nach zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt ist, eine Ausfuhrerstattung nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung Nr. 804/68 gewährt werden kann, sofern er in einen der im Anhang der Verordnung Nr. 1706/89 genannten Erzeugniscodes eingereiht ist, wie sie in der Nomenklatur für erstattungsfähige landwirtschaftliche Erzeugnisse im Anhang der Verordnung Nr. 3445/89 definiert sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

34. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Für 1990 ausgeführten Käse, der seiner Beschaffenheit nach zur Verarbeitung in einem Drittland bestimmt ist, kann eine Ausfuhrerstattung nach Artikel 17 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 804/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 3904/87 des Rates vom 22. Dezember 1987 geänderten Fassung gewährt werden, sofern er in einen der im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 1706/89 der Kommission vom 15. Juni 1989 zur Festsetzung der Ausfuhrerstattungen für Milch und Milcherzeugnisse enthaltenen Erzeugniscodes eingereiht ist, wie sie in der Nomenklatur für erstattungsfähige landwirtschaftliche Erzeugnisse im Anhang der Verordnung (EWG) Nr. 3445/89 der Kommission vom 15. November 1989 zur Festlegung der vollständigen Fassung der ab 1. Januar 1990 geltenden Nomenklatur der Ausfuhrerstattungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse definiert sind.

Ende der Entscheidung

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