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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 27.11.1997
Aktenzeichen: C-137/96
Rechtsgebiete: Richtlinie 91/414/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 91/414/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

3 Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine bereits bestehende nationalrechtliche Regelung die Umsetzung einer Richtlinie in das nationale Recht gewährleistet, wenn die Richtlinie die Mitgliedstaaten ausdrücklich verpflichtet, Vorschriften zu erlassen, in denen auf sie Bezug genommen wird oder bei deren amtlicher Veröffentlichung ein Hinweis erfolgt, der auf sie Bezug nimmt.

4 Die Richtlinie 91/414, die einheitliche Vorschriften für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und für die Zulassungsverfahren festlegen soll, die die Mitgliedstaaten anzuwenden haben, sieht im Interesse des freien Warenverkehrs die Erstellung einer gemeinschaftlichen Liste der zulässigen Wirkstoffe und die Einrichtung eines Systems der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten erteilten Genehmigungen vor. In diesem Zusammenhang kann der Umstand, daß noch kein Wirkstoff in diese Liste eingetragen worden ist, mangels einer ausdrücklichen entsprechenden Bestimmung die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung befreien, innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Richtlinie nachzukommen. Die Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen soll es nämlich gerade ermöglichen, daß mit dem Wirksamwerden der Eintragung eines Wirkstoffs die sofortige Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung gewährleistet ist.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 27. November 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Bundesrepublik Deutschland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Nichtumsetzung der Richtlinie 91/414/EWG. - Rechtssache C-137/96.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 24. April 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus dem EG-Vertrag verstossen hat, daß sie nicht innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um die Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln (ABl. L 230, S. 1; im folgenden: Richtlinie) in nationales Recht umzusetzen.

2 Die Richtlinie, die auf der Grundlage des Artikels 43 EWG-Vertrag erlassen wurde, soll einheitliche Vorschriften für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln und für die Zulassungsverfahren festlegen, die die Mitgliedstaaten anzuwenden haben. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten u. a., dafür Sorge zu tragen, daß ein Pflanzenschutzmittel nur zugelassen wird, wenn bestimmte, unter Buchstabe a geregelte Voraussetzungen erfuellt sind, insbesondere, wenn seine Wirkstoffe in Anhang I aufgeführt sind und wenn es den unter den Buchstaben b bis e aufgeführten Anforderungen unter Anwendung der einheitlichen Grundsätze gemäß Anhang VI entspricht. Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie stellt die Regeln auf, die sich aus dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der durch die Mitgliedstaaten erteilten Zulassungen ergeben.

3 Nach Artikel 23 Absatz 1 der Richtlinie müssen die Mitgliedstaaten alle erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen, um dieser Richtlinie innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen; in diesen Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei ihrer Veröffentlichung müssen sie auf die Richtlinie Bezug nehmen. Gemäß Artikel 23 Absatz 2 brauchen die Mitgliedstaaten jedoch die Vorschriften für die Durchführung von Artikel 10 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich erst ein Jahr nach der Verabschiedung der einheitlichen Grundsätze in Kraft zu setzen.

4 Da die Kommission keine Mitteilung über die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland erhalten hatte, übersandte sie der Bundesregierung gemäß Artikel 169 EG-Vertrag am 5. Oktober 1993 ein Aufforderungsschreiben, auf das die deutschen Behörden mit einer Mitteilung vom 1. Dezember 1993 antworteten. Die Kommission gab daraufhin am 3. Oktober 1994 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie zu dem Ergebnis gelangte, daß die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen verstossen habe, und sie aufforderte, binnen zwei Monaten die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Da die Kommission die Antwort der deutschen Regierung vom 10. November 1994 nicht als befriedigend erachtete, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zulässigkeit

5 Die deutsche Regierung macht geltend, die Klage sei unzulässig, soweit sie die Nichtumsetzung von Artikel 10 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie betreffe. Denn die einheitlichen Grundsätze im Sinne von Artikel 23 seien erst durch die Richtlinie 94/43/EG des Rates vom 27. Juli 1994 zur Festlegung des Anhangs VI der Richtlinie 91/414 (ABl. L 227, S. 31) geregelt worden, die mit dem Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1996 in der Rechtssache C-303/94 (Parlament/Rat, Slg. 1996, I-2943) für nichtig erklärt worden sei.

6 Die Kommission hat ihre Klage in ihrem letzten Schriftsatz auf alle Vorschriften der Richtlinie mit Ausnahme von Artikel 10 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich beschränkt. Mit dieser Beschränkung ist die Klage zulässig.

Begründetheit

7 Die deutsche Regierung bestreitet nicht, daß die Richtlinie noch nicht in nationales Recht umgesetzt ist; sie bemühe sich, die Verabschiedung des Entwurfs eines ersten Gesetzes zur Änderung des Pflanzenschutzgesetzes zu beschleunigen. Das Pflanzenschutzgesetz enthalte in seiner geltenden Fassung jedoch bereits Bestimmungen, die sich weitgehend mit denjenigen der Richtlinie deckten. Weiter gestalte sich die abschließende Fertigung des Entwurfs des Änderungsgesetzes wegen bestimmter Auslegungsprobleme schwierig. Zudem könne die Harmonisierung des Handels mit Pflanzenschutzmitteln im Sinne von Artikel 10 der Richtlinie nicht wirksam werden, da bis heute noch kein Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie aufgenommen worden sei.

8 Was den ersten Punkt betrifft, kann nicht davon ausgegangen werden, daß das geltende deutsche Recht die Umsetzung der Richtlinie gewährleistet, deren Artikel 23 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich die Mitgliedstaaten ausdrücklich verpflichtet, Vorschriften zu erlassen, in denen auf sie Bezug genommen wird oder bei deren amtlicher Veröffentlichung ein Hinweis erfolgt, der auf sie Bezug nimmt. Die Bundesregierung räumt im übrigen selbst die Notwendigkeit ein, zur Umsetzung der Richtlinie eine neue Regelung zu erlassen.

9 Zweitens führt die Kommission ohne Widerspruch der deutschen Regierung aus, ihr sei nur eine Anwendungsschwierigkeit gemeldet worden. Diese betreffe eine Regelung in Artikel 13 der Richtlinie und könne möglicherweise auf nationaler Ebene geregelt werden. Die Umsetzung dieser Bestimmung in den anderen Mitgliedstaaten habe sie jedenfalls weder verhindert noch verzögert.

10 Daß noch kein Wirkstoff in Anhang I der Richtlinie eingetragen worden ist, kann schließlich mangels einer ausdrücklichen entsprechenden Bestimmung die Mitgliedstaaten nicht von ihrer Verpflichtung befreien, innerhalb der festgesetzten Frist alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um der Richtlinie nachzukommen. Diese Verpflichtung besteht nämlich unabhängig davon, ob bereits alle Voraussetzungen für die Anwendung der Gemeinschaftsregelung erfuellt sind. Wie die Kommission zu Recht ausgeführt hat, soll es die Umsetzung der einschlägigen Bestimmungen gerade ermöglichen, daß mit dem Wirksamwerden der Eintragung eines Wirkstoffs in Anhang I der Richtlinie die sofortige Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung der Zulassung gewährleistet ist.

11 Daher hat die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtung aus der Richtlinie verstossen, die Vorschriften dieser Richtlinie mit Ausnahme von Artikel 10 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich in nationales Recht umzusetzen, daß sie nicht innerhalb der gesetzten Frist alle dazu erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat.

Kostenentscheidung:

Kosten

12 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Bundesrepublik Deutschland mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtung aus der Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln verstossen, die Vorschriften dieser Richtlinie mit Ausnahme von Artikel 10 Absatz 1 zweiter Gedankenstrich in nationales Recht umzusetzen, daß sie nicht innerhalb der gesetzten Frist alle dazu erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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