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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 24.11.2005
Aktenzeichen: C-138/03
Rechtsgebiete: Verordnung (EG) Nr. 1260/1999, Verordnung (EG) Nr. 1685/2000, EG


Vorschriften:

Verordnung (EG) Nr. 1260/1999
Verordnung (EG) Nr. 1685/2000
EG Art. 253
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-138/03, C-324/03 und C-431/03

betreffend Nichtigkeitsklagen nach Artikel 230 EG, eingereicht am 27. März 2003 (C-138/03), 24. Juli 2003 (C-324/03) und 9. Oktober 2003 (C-431/03),

Italienische Republik , vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von A. Cingolo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch E. de March und L. Flynn als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dal Ferro, avvocato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann, des Richters K. Schiemann, der Richterin N. Colneric sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Juni 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Mit ihren Klageschriften beantragt die Italienische Republik die Nichtigerklärung

- des Schreibens der Kommission der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Januar 2003 betreffend den Abzug eines Teiles der für die Beihilferegelungen im Rahmen des operationellen Programms "Wissenschaftliche Forschung, technologische Entwicklung, Hochschulbildung" beantragten Beträge (im Folgenden: angefochtenes Schreiben vom 20. Januar 2003);

- des Schreibens der Kommission vom 3. März 2003, mit dem der endgültige Betrag des Abzugs festgelegt wurde (im Folgenden: angefochtenes Schreiben vom 3. März 2003);

- des Schreibens der Kommission vom 14. Mai 2003, das für die im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen nach dem 19. Februar 2003 geleisteten Vorauszahlungen die Zuschussfähigkeit nach der Regelung über die Strukturfonds (im Folgenden: Zuschussfähigkeit) verneint (im Folgenden: angefochtenes Schreiben vom 14. Mai 2003);

- des Schreibens der Kommission vom 29. Juli 2003, das die Zuschussfähigkeit der im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen nach dem 19. Februar 2003 geleisteten Vorauszahlungen verneint (im Folgenden: angefochtenes Schreiben vom 29. Juli 2003).

Rechtlicher Rahmen

2. In den Begründungserwägungen 42 und 43 der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates vom 21. Juni 1999 mit allgemeinen Bestimmungen über die Strukturfonds (ABl. L 161, S. 1) heißt es:

"(42) ... die Zahlungen [sind] in Form eines Vorschusses und anschließender Erstattungen der getätigten Ausgaben vorzunehmen; ...

(43) Die wirtschaftliche Haushaltsführung ist dadurch sicherzustellen, dass die Ausgaben belegt und bescheinigt werden ...".

3. Artikel 9 dieser Verordnung bestimmt:

"...

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

...

l) 'Endbegünstigte' die Stellen und öffentlichen oder privaten Unternehmen, die die Operationen in Auftrag geben. Bei den Beihilferegelungen gemäß Artikel 87 des Vertrags und bei der Gewährung von Beihilfen durch die von den Mitgliedstaaten benannten Stellen sind die Endbegünstigten die Stellen, die die Beihilfe gewähren;

...

o) 'Zahlstelle' eine oder mehrere von dem Mitgliedstaat benannte lokale, regionale oder nationale Behörde(n) oder Stelle(n), die beauftragt ist bzw. sind, Auszahlungsanträge zu erstellen und einzureichen und Zahlungen der Kommission zu empfangen. Der Mitgliedstaat legt die Einzelheiten seiner Beziehung zur Zahlstelle sowie die Einzelheiten der Beziehung der Zahlstelle zur Kommission fest."

4. Artikel 32 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verordnung sieht vor:

"Die Zahlungen können in Form von Vorauszahlungen, Zwischenzahlungen oder Restzahlungen geleistet werden. Die Zwischenzahlungen und Restzahlungen betreffen die tatsächlich getätigten Ausgaben, die sich auf die von den Endbegünstigten getätigten Zahlungen beziehen, welche durch quittierte Rechnungen oder gleichwertige Buchungsbelege belegt sind."

5. In Artikel 32 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 heißt es: "Bei der ersten Mittelbindung leistet die Kommission eine Vorauszahlung an die Zahlstelle. Die Vorauszahlung beträgt 7 v. H. der Beteiligung der Fonds an der betreffenden Intervention. ..."

6. Im Anhang der Verordnung (EG) Nr. 1685/2000 der Kommission vom 28. Juli 2000 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 des Rates hinsichtlich der Zuschussfähigkeit der Ausgaben für von den Strukturfonds kofinanzierte Operationen (ABl. L 193, S. 39) ist bestimmt:

"Regel Nr. 1: Tatsächlich getätigte Zahlungen

1. VON DEN ENDBEGÜNSTIGTEN GETÄTIGTE ZAHLUNGEN

1.1. Die von den Endbegünstigten getätigten Zahlungen im Sinne von Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung ... Nr. 1260/1999 ... erfolgen vorbehaltlich der unter Ziffer 1.4 genannten Ausnahmen in Form von Geldleistungen.

1.2. Bei den Beihilferegelungen gemäß Artikel 87 EG-Vertrag und bei der Gewährung von Beihilfen durch die von den Mitgliedstaaten benannten Stellen sind mit dem Begriff 'von den Endbegünstigten getätigte Zahlungen' Beihilfezahlungen an die Einzelempfänger gemeint, die von den beihilfegewährenden Stellen geleistet werden. Die von den Endbegünstigten getätigten Beihilfezahlungen sind unter Bezug auf die Bedingungen und Ziele der Beihilfe nachzuweisen.

1.3. In den anderen als den unter Ziffer 1.2 genannten Fällen sind mit dem Begriff 'von den Endbegünstigten getätigte Zahlungen' Zahlungen der Stellen und öffentlichen oder privaten Unternehmen von der in der Ergänzung zur Programmplanung gemäß Artikel 18 Absatz 3 Buchstabe b) der ... Verordnung Nr. 1260/1999 genannten Art gemeint, die unmittelbar dafür zuständig sind, die spezifische Aktion in Auftrag zu geben.

...

2. AUSGABENBELEGE

In der Regel sind die von den Endbegünstigten getätigten Zahlungen durch quittierte Rechnungen zu belegen. In Fällen, in denen dies nicht möglich ist, sind diese Zahlungen durch gleichwertige Buchungsbelege zu belegen.

Ist die Durchführung der Aktionen nicht Gegenstand eines Ausschreibungsverfahrens, so sind außerdem die von den Endbegünstigten getätigten Zahlungen durch die von den betreffenden Stellen und öffentlichen oder privaten Unternehmen bei der Durchführung der Aktion tatsächlich getätigten Ausgaben (einschließlich der unter Ziffer 1.4. genannten Ausgaben) nachzuweisen.

..."

Sachverhalt

7. Am 8. August 2000 genehmigte die Kommission das operationelle Programm "Wissenschaftliche Forschung, technische Entwicklung, Hochschulbildung" (im Folgenden: Programm), das sich in den gemeinschaftlichen Rahmen der strukturellen Interventionen in den vom Ziel Nummer 1 der Verordnung Nr. 1260/1999 betroffenen italienischen Regionen einfügt.

8. Am 7. September 2001 übersandte die Kommission der Italienischen Republik einen Vermerk über die Auslegung von Artikel 32 Absatz 1 Unterabsatz 3 der Verordnung Nr. 1260/1999 (im Folgenden: Auslegungsvermerk). Im Übersendungsschreiben führte sie aus: "Zweck dieses Vermerks ist die Klarstellung einiger Fragen, die der Kommission in Bezug auf die Begriffe 'tatsächlich getätigte Ausgaben' und 'von den Endbegünstigten getätigte Zahlungen' gestellt worden sind." Für den Fall, dass der Endbegünstigte nicht gleichzeitig der Einzelempfänger der Gemeinschaftsmittel ist, untersucht der Auslegungsvermerk die Zuschussfähigkeit der "Vorauszahlungen von Subventionen", also der Vorauszahlungen auf die Beihilfen, die die Endbegünstigten den Einzelempfängern auszahlen. Die Kommission stellt fest, es müsse kontrolliert werden, dass die angemeldeten Ausgaben tatsächlich getätigt werden und durch Belege nachgewiesen seien, und gelangt zu dem Ergebnis, dass "die Vorauszahlungen durch den Endbegünstigten nicht in die bei der Kommission angemeldeten Ausgaben einbezogen werden können, sofern der Endbegünstigte nicht nachweisen kann, dass der Einzelempfänger diese Vorauszahlung für die Deckung tatsächlicher Kosten verwendet hat".

9. Mit dem angefochtenen Schreiben vom 20. Januar 2003 an die Italienische Republik beschloss die Kommission, die Vorschussbeträge abzuziehen und das Verfahren der Zahlung auf Vorlage der Bescheinigungen über Ausgaben im Zusammenhang mit dem Programm einzustellen.

10. In dem angefochtenen Schreiben vom 3. März 2003 gab die Kommission an, sie habe unter Berücksichtigung insbesondere des Abzugs eines Betrages von 3 163 570,18 Euro für die erwähnten Vorauszahlungen die Zahlung eines geringeren als des beantragten Betrages angeordnet.

11. Parallel hierzu wurde im Ausschuss für die Entwicklung und Umstellung der Regionen (im Folgenden: Ausschuss) ein Anhörungsverfahren zu dem Zweck eingeleitet, die Einzelheiten der Vereinfachung der Verwaltung der Strukturfonds festzulegen. Für die Finanzverwaltung prüfte der Ausschuss des Näheren die Frage der Zuschussfähigkeit der Vorauszahlungen im Rahmen der Beihilferegelungen. Da nach Ansicht der Kommission die geltenden Verordnungsbestimmungen eine Zuschussfähigkeit ausschlossen, legte diese dem Ausschuss einen Entwurf zur Änderung der Verordnung Nr. 1685/2000 vor, in dem u. a. die Regel Nr. 1 betreffend tatsächlich getätigte Zahlungen im Anhang dieser Verordnung neu gefasst wurde. Nachdem in der dreiundsiebzigsten Sitzung des Ausschusses am 19. Februar 2003 keine Einigung mit den Mitgliedstaaten erzielt werden konnte, beschloss die Kommission, diesen Entwurf aufzugeben.

12. Mit dem angefochtenen Schreiben vom 14. Mai 2003 unterrichtete die Kommission die italienische Regierung vom Ausgang der Erörterungen des Ausschusses und hielt in Bezug auf die im Rahmen einer Beihilferegelung getätigten Vorauszahlungen an dem Standpunkt fest, den sie im Auslegungsvermerk zum Ausdruck gebracht hatte. Allerdings erklärte sich die Kommission im Hinblick auf mögliche Zweifel am genauen Status der geltenden Bestimmungen, und um durch die am 19. Februar 2003 beendeten Erörterungen etwa entstandenes berechtigtes Vertrauen nicht zu enttäuschen, bereit, die Vorauszahlungen als zuschussfähig zu betrachten, bei denen die Entscheidung über die Bewilligung oder der Abschluss des Vergabeverfahrens vor diesem Zeitpunkt erfolgt sei.

13. Demgemäß teilte die Kommission Italien mit Schreiben vom 23. Mai 2003 mit, dass sie das Verfahren zur Zahlung des Betrages eingeleitet habe, der mit den angefochtenen Schreiben vom 20. Januar 2003 und vom 3. März 2003, die infolgedessen hinfällig seien, abgezogen worden sei. Die Zahlung von 3 163 570,18 Euro erfolgte am 5. Juni 2003.

14. Schließlich übersandte die Kommission der italienischen Regierung das angefochtene Schreiben vom 29. Juli 2003, in dem sie ausführte, dass eine neue Fassung des angefochtenen Schreibens vom 14. Mai 2003 erstellt worden sei, um einige Übersetzungsfehler zu beseitigen. Diese neue Fassung unterschied sich von der vorherigen durch eine einzige Wendung und ersetzte diese.

Die Anträge der Parteien und das Verfahren vor dem Gerichtshof

Rechtssache C-138/03

15. Die Italienische Republik beantragt,

- die angefochtenen Schreiben vom 20. Januar 2003 und vom 3. März 2003 sowie sämtliche diesen zugrunde liegenden oder mit ihnen zusammenhängenden Rechtsakte für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

16. Die Kommission beantragt,

- die Rechtssache aus dem Register des Gerichtshofes zu streichen.

Rechtssache C-324/03

17. Die Italienische Republik beantragt,

- das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003, soweit es den nach dem 19. Februar 2003 im Zusammenhang mit staatlichen Beihilfen getätigten Vorauszahlungen die Zuschussfähigkeit abspricht, sowie alle damit verbundenen und diesem vorausgehenden Rechtsakte für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

18. Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtssache C-431/03

19. Die Italienische Republik beantragt,

- das angefochtene Schreiben vom 29. Juli 2003 sowie alle damit zusammenhängenden und diesem vorausgehenden Rechtsakte für nichtig zu erklären;

- der Kommission die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20. Die Kommission beantragt,

- die Klage als unzulässig, hilfsweise als unbegründet abzuweisen;

- der Klägerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21. Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 26. Januar 2004 sind die Rechtssachen C-138/03, C-324/03 und C-431/03 zu gemeinsamer mündlicher Verhandlung und Entscheidung verbunden worden.

Rechtssache C-138/03

22. Mit ihrer Klage beantragt die Italienische Republik die Nichtigerklärung der angefochtenen Schreiben vom 20. Januar 2003 und vom 3. März 2003, mit denen die Rückzahlung der von Italien im Rahmen des Programms getätigten Vorauszahlungen abgelehnt und der entsprechende Abzug auf 3 163 570,18 Euro festgesetzt wurde.

23. Fest steht jedoch, dass die Kommission die italienische Regierung mit Entscheidung vom 23. Mai 2003 davon unterrichtet hat, dass die Entscheidung über die Ablehnung der Erstattung der Vorauszahlungen hinfällig und das Verfahren über die Zahlung des entsprechenden Betrages eingeleitet worden sei.

24. Fest steht ebenfalls, dass die Zahlung von 3 163 570,18 Euro an die Italienische Republik am 5. Juni 2003 erfolgte.

25. Mit dem Wegfall der angefochtenen Schreiben vom 20. Januar 2003 und vom 3. März 2003 hat die Klägerin alles erreicht, was sie mit ihrer Klage hätte erreichen können; es gibt infolgedessen für den Gerichtshof nichts mehr zu entscheiden. Denn im Rahmen einer Klage nach Artikel 230 EG kann der Gerichtshof nur die Handlung für nichtig erklären, die Gegenstand der Klage ist (Beschluss vom 8. März 1993 in der Rechtssache C-123/92, Lezzi Pietro/Kommission, Slg. 1993, I-809, Randnr. 10).

26. Daher ist die Klage in der Rechtssache C-138/03 gegenstandslos geworden und der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt.

Rechtssache C-324/03

Zur Zulässigkeit der Klage

27. Die Kommission hat eine Einrede der Unzulässigkeit mit der Begründung erhoben, das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 sei keine anfechtbare Handlung im Sinne von Artikel 230 EG.

Vorbringen der Parteien

28. Die Kommission macht zum einen geltend, dass mit dem angefochtenen Schreiben vom 14. Mai 2003 nur eine Auslegung bestimmter Regeln über die Zuschussfähigkeit gegeben werde und dass dieses Schreiben daher gegenüber der Italienischen Republik keine Rechtswirkungen entfalte. Solche Wirkungen könnten nur Entscheidungen entfalten, die die Kommission später auf der Grundlage bestimmter Zahlungsanträge erlasse.

29. Zum anderen halte dieses Schreiben nur an dem Standpunkt fest, der im Auslegungsvermerk zum Ausdruck gebracht worden sei.

30. Die Italienische Republik entgegnet, dass das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 in Wirklichkeit eine Maßnahme darstelle, mit der ein neues Element in die geltende Regelung über die Zuschussfähigkeit der Ausgaben eingeführt werde, nämlich die mangelnde Zuschussfähigkeit von im Rahmen der Beihilferegelungen geleisteten Vorauszahlungen für die Kofinanzierung durch die Gemeinschaft, und dieses Element sei gerade wegen seiner gestaltenden Wirkung geeignet, unmittelbare Wirkungen in der Rechtssphäre der Klägerin zu entfalten.

31. Auch stelle das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 kein bloßes Festhalten an dem von der Kommission im Auslegungsvermerk zum Ausdruck gebrachten Standpunkt dar, da es das Ergebnis einer institutionellen Erörterung im Ausschuss über die Änderung der Verordnung Nr. 1685/2000 darstelle.

Würdigung durch den Gerichtshof

32. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Nichtigkeitsklage gegen alle Handlungen der Organe gegeben, die dazu bestimmt sind, Rechtswirkungen zu erzeugen, ohne dass es auf ihre Rechtsnatur oder -form ankäme (Urteile vom 31. März 1971 in der Rechtssache 22/70, Kommission/Rat, Slg. 1971, 263, Randnr. 42, und vom 16. Juni 1993 in der Rechtssache C-325/91, Frankreich/Kommission, Slg. 1993, I-3283, Randnr. 9).

33. Im vorliegenden Fall handelt es sich um ein Schreiben der Kommission an die Italienische Republik, das den Standpunkt dieses Organs bekannt geben soll, dass bestimmte von den Mitgliedstaaten getätigte Vorauszahlungen nicht zuschussfähig seien.

34. Ob dieses Schreiben nur eine Meinung der Kommission wiedergibt, ohne den Geltungsbereich der Gemeinschaftsregelung zu verändern, oder ob es Rechtswirkungen erzeugen kann, indem es neue Verpflichtungen der Mitgliedstaaten schafft, richtet sich nach dem Inhalt dieser Maßnahme.

35. Folglich ist die Begründetheit des Vorbringens der Kommission zusammen mit den durch den Rechtsstreit aufgeworfenen materiell-rechtlichen Fragen zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 1997 in der Rechtssache C-57/95, Frankreich/Kommission, Slg. 1997, I-1627, Randnrn. 9 und 10).

36. Im Übrigen hält die Kommission zwar im ersten Teil des angefochtenen Schreibens vom 14. Mai 2003 an ihrem Standpunkt im Auslegungsvermerk fest, von den Mitgliedstaaten geleistete Vorauszahlungen seien nicht zuschussfähig, doch nimmt sie zur Begründung der Erstattung der bis zum 19. Februar 2003 getätigten Vorauszahlungen aus Gründen des Schutzes des berechtigten Vertrauens der Mitgliedstaaten im zweiten Teil ausdrücklich auch auf mögliche Zweifel am genauen Status der geltenden Bestimmungen Bezug.

37. Da das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 also nicht lediglich eine wiederholende Verfügung darstellt, ist es als das abschließende Ergebnis einer erneuten Prüfung des Sachverhalts anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. März 1978 in der Rechtssache 54/77, Herpels/Kommission, Slg. 1978, 585, Randnr. 14).

38. Nach allem ist die Klage in der Rechtssache C-324/03 zulässig.

Zur Begründetheit

Zum ersten Klagegrund: Verstoß gegen Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999 sowie Regel Nr. 1 Nummern 1 und 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 1685/2000

- Vorbringen der Parteien

39. Die Italienische Republik ist der Ansicht, dass nach den Verordnungen Nrn. 1260/1999 und 1685/2000 die Tätigkeiten der Einzelempfänger der Finanzierung für die Zuschussfähigkeit der vom Endbegünstigten im Rahmen der staatlichen Beihilferegelung getätigten Ausgaben unerheblich seien.

40. Diese Auslegung werde, erstens, durch Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999 gestützt, wonach die Zahlungen der Endbegünstigten, wenn möglich, durch quittierte Rechnungen und in allen anderen Fällen durch gleichwertige Buchungsbelege zu belegen seien. Zweitens sei in Regel Nr. 1 Nummer 1.2 im Anhang der Verordnung Nr. 1685/2000 vorgesehen, dass die von den Endbegünstigten getätigten Zahlungen unter Bezug auf die Bedingungen und Ziele der erwähnten Beihilfen nachzuweisen seien. Dies schließe jede weitere Bedingung in Bezug auf den Beleg der vom Einzelempfänger getätigten entsprechenden Zahlungen aus. Drittens werde in Regel Nr. 1 Nummer 2 zugelassen, dass dann, wenn keine quittierten Rechnungen vorgelegt werden könnten, die Zahlungen durch gleichwertige Buchungsbelege belegt werden könnten.

41. Nach Ansicht der Kommission sind unter "gleichwertigen Buchungsbelegen" im Sinne der Verordnung Nr. 1260/1999 die Zahlungsbelege zu verstehen, die die Kommission dann anerkenne, wenn auf der Grundlage der steuerlichen und buchhalterischen Bestimmungen des betroffenen Mitgliedstaats eine Geldausgabe ohne Rechnung möglich sei. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass sich diese Unterlagen besonders auf die Beihilferegelungen bezögen, und selbst im Rahmen dieser Regelungen könnten quittierte Rechnungen für verschiedene Ausführungsvorgänge vorhanden sein.

42. Was im Übrigen den Umstand angehe, dass Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999 nicht die Einzelempfänger der Finanzierung erwähne, so übersehe die italienische Regierung, dass die Kommission nach Artikel 30 dieser Verordnung für den Erlass gemeinsamer Regelungen über die Zuschussfähigkeit der Ausgaben zuständig sei. Der Verordnung Nr. 1260/1999 lasse sich keine erschöpfende Regelung der Bedingungen für die Zuschussfähigkeit dieser Ausgaben entnehmen.

43. Nummer 1.2 der Regel Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 1685/2000 sei so zu verstehen, dass diese Bestimmung den Nachweis der tatsächlichen Verwendung der Finanzierungen für die Verwirklichung von Projekten verlange, die den Zielen entsprächen, für die die Beihilfe gewährt werde. Diese Bedingung könne von ihr erst im letzten Abschnitt der Verwendung der Beihilfe, also dem Abschnitt, der die Einzelempfänger der Finanzierung betreffe, die die verschiedenen Interventionen oder Vorgänge an Ort und Stelle durchführten, wirksam überprüft werden.

- Würdigung durch den Gerichtshof

44. Nach der Begründungserwägung 43 der Verordnung Nr. 1260/1999 besteht eines von deren Zielen darin, die wirtschaftliche Haushaltsführung dadurch sicherzustellen, dass die Ausgaben belegt und bescheinigt werden.

45. Zu diesem Zweck beruht die durch Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999 sowie durch Regel Nr. 1 des Anhangs der Verordnung Nr. 1685/2000 eingeführte Regelung auf dem Grundsatz der Kostenerstattung.

46. Dies bedeutet, dass die von den nationalen Stellen getätigten Ausgaben grundsätzlich nur dann zuschussfähig sind, wenn den Stellen der Kommission ihre Verwendung im Rahmen des von der Europäischen Union finanzierten Projekts nachgewiesen wird. Ein solcher Nachweis kann durch quittierte Rechnungen oder, wenn dies nicht möglich ist, durch gleichwertige Buchungsbelege erbracht werden.

47. Nur im Fall einer Vorauszahlung in Höhe von 7 v. H. der Beteiligung der Strukturfonds an der betreffenden Intervention durch die Kommission im Sinne von Artikel 32 Absatz 2 der Verordnung Nr. 1260/1999 sind die nationalen Behörden nicht verpflichtet, bereits in dieser Phase Belege für die getätigten Ausgaben vorzulegen.

48. Die von den nationalen Einrichtungen getätigten Vorauszahlungen, die 7 v. H. der Beteiligung dieser Fonds nicht übersteigen, können daher ohne Nachweis ihrer Verwendung erfolgen. Übersteigen wie im vorliegenden Fall hingegen die Vorauszahlungen diesen Betrag, so hängt ihre spätere Erstattung durch die Kommission davon ab, dass die in Randnummer 46 dieses Urteils aufgeführten Förmlichkeiten erfüllt werden.

49. In diesem letztgenannten Fall tätigt die Kommission die Zahlung nicht als Vorauszahlung, sondern als Zwischen- oder Restzahlung im Sinne von Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999, was daher die Vorlage von Belegen für die Verwendung der in Rede stehenden Beträge erfordert.

50. Das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003, wonach die von den Mitgliedstaaten im Rahmen einer Beihilferegelung getätigten Vorauszahlungen nicht zuschussfähig sind, sofern keine Belege vorgelegt werden, entspricht somit Artikel 32 der Verordnung Nr. 1260/1999 sowie Regel Nr. 1 Nummern 1 und 2 des Anhangs der Verordnung Nr. 1685/2000.

51. Daher ist der erste Klagegrund der Italienischen Republik unbegründet und zurückzuweisen.

Zum zweiten Klagegrund: Verletzung wesentlicher Formvorschriften

- Vorbringen der Parteien

52. Nach Ansicht der italienischen Regierung enthält das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 keine Begründung, die die darin vertretene Auffassung rechtfertigen könnte. Die Begründung dieses Schreibens sei unzulänglich und widersprüchlich.

53. Die Kommission hält diesen Klagegrund für unbegründet, da die im angefochtenen Schreiben vom 14. Mai 2003 dargestellte Chronologie der Ereignisse alle für das Verständnis der beiden Standpunkte der Kommission erforderlichen Angaben enthalte. Im Übrigen enthalte der Umstand, dass dieses Schreiben die Regel der fehlenden Zuschussfähigkeit der Vorauszahlungen bestätige und gleichzeitig die vor dem 19. Februar 2003 geleisteten Vorauszahlungen für zuschussfähig erkläre, keinen Widerspruch. Diese beiden Aussagen stünden im Verhältnis von Regel und Ausnahme.

- Würdigung durch den Gerichtshof

54. Nach ständiger Rechtsprechung muss die in Artikel 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts entsprechen und die Überlegung des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. insbesondere Urteile vom 11. September 2003 in der Rechtssache C-445/00, Österreich/Rat, Slg. 2003, I-8549, Randnr. 49, und vom 9. September 2004 in der Rechtssache C-304/01, Spanien/Kommission, Slg. 2004, I-7655, Randnr. 50).

55. Dieses Erfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Artikels 253 EG genügt, nicht nur anhand ihres Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand ihres Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. Urteile vom 22. März 2001 in der Rechtssache C-17/99, Frankreich/Kommission, Slg. 2001, I-2481, Randnr. 36, und vom 7. März 2002 in der Rechtssache C-310/99, Italien/Kommission, Slg. 2002, I-2289, Randnr. 48).

56. Dieser Rechtsprechung wird das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 gerecht.

57. In diesem Schreiben erläutert die Kommission klar und unzweideutig sowohl, warum sie an ihrem Standpunkt festhält, bestimmte von den Mitgliedstaaten geleistete Vorauszahlungen seien nicht zuschussfähig, wie auch, warum sie bis zum 19. Februar 2003 geleistete Vorauszahlungen gleichwohl erstatte, nämlich:

- fehlende Einigung im Ausschuss im Hinblick auf die Änderung der Verordnung Nr. 1685/2000;

- Schutz der berechtigten Erwartungen der Mitgliedstaaten.

58. Daher ist der Klagegrund einer Verletzung wesentlicher Formvorschriften unbegründet.

59. Da keiner der von der Italienischen Republik geltend gemachten Klagegründe Erfolg hat, ist die Klage in der Rechtssache C-324/03 insgesamt abzuweisen.

Rechtssache C-431/03

Zur Zulässigkeit der Klage

60. Die Kommission wendet die Unzulässigkeit der Klage in der Rechtssache C-431/03 ein, da sie mit der Klage in der Rechtssache C-324/03 identisch sei.

Vorbringen der Parteien

61. Nach Ansicht der Kommission ist eine weitere, später eingereichte Klage, die dieselben Parteien betrifft, denselben Gegenstand hat und auf dieselben Gründe gestützt wird, unzulässig.

62. Die Italienische Regierung erwidert, dass die angefochtenen Schreiben vom 14. Mai 2003 und vom 29. Juli 2003 zwar offenkundig nach Inhalt und Zweck Bezüge aufwiesen, jedoch förmlich getrennte Maßnahmen darstellten.

Würdigung durch den Gerichtshof

63. Mit ihrer Klage begehrt die Italienische Republik die Nichtigerklärung des angefochtenen Schreibens vom 29. Juli 2003, das das angefochtene Schreiben vom 14. Mai 2003 ersetzt hat, mit Wirkung vom Tag seiner Abfassung.

64. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine weitere, später eingereichte Klage, die dieselben Parteien betrifft und, gestützt auf dieselben Klagegründe, auf die Nichtigerklärung desselben Rechtsakts abzielt, wegen Rechtshängigkeit unzulässig (vgl. insbesondere Urteil vom 22. September 1988 in den Rechtssachen 358/85 und 51/86, Frankreich/Parlament, Slg. 1988, 4821, Randnr. 12).

65. Die Klage in der Rechtssache C-431/03 betrifft dieselben Parteien wie die Klage in der Rechtssache C-324/03 und wird auf dieselben Klagegründe gestützt wie diese.

66. Im Übrigen geht, wie die Generalanwältin in Nummer 15 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, aus dem Schreiben vom 29. Juli 2003 hervor, dass dieses nur der Berichtigung bestimmter Übersetzungsfehler im angefochtenen Schreiben vom 14. Mai 2003 dient, das nicht zurückgenommen worden ist und nach wie vor seit seiner Abfassung Rechtswirkungen zeitigt. Zudem hat die Italienische Republik diese Berichtigung als solche nicht angefochten.

67. Das Ziel der vorliegenden Klage ist damit genau dasselbe wie das der Rechtssache C-324/03, also die Nichtigerklärung des angefochtenen Schreibens vom 14. Mai 2003, in dem die Kommission zwar an ihrer Auffassung festhält, Vorauszahlungen, die von den Mitgliedstaaten benannte Einrichtungen geleistet hätten, seien nicht zuschussfähig, jedoch die Zuschussfähigkeit dieser Vorauszahlungen zugesteht, wenn die endgültige Entscheidung über die Gewährung der Beihilfe an die betroffenen Empfänger bis zum 19. Februar 2003 erlassen wurde.

68. Daher ist die Klage der Rechtssache C-431/03 als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

69. Nach Artikel 69 § 6 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof, wenn er die Hauptsache für erledigt erklärt, über die Kosten nach freiem Ermessen. Im vorliegenden Fall ist der Gerichtshof zwar zu dem Ergebnis gelangt, dass in der Rechtssache C-138/03 die Hauptsache wegen des Wegfalls der Entscheidungen der Kommission, deren Rücknahme die Italienische Republik begehrt hat, erledigt ist, doch ist zu berücksichtigen, dass dieser Wegfall erst nach Klageerhebung erfolgt ist und damit der Klägerin vermeidbare Kosten verursacht hat. Es erscheint daher angezeigt, die Kommission in die Kosten zu verurteilen.

70. Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Italienischen Republik in den Rechtssachen C-324/03 und C-431/03 beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. In der Rechtssache C-138/03 ist die Hauptsache erledigt.

2. Die Klage in der Rechtssache C-324/03 wird abgewiesen.

3. Die Klage in der Rechtssache C-431/03 wird als unzulässig abgewiesen.

4. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens in der Rechtssache C-138/03.

5. Die Italienische Republik trägt die Kosten des Verfahrens in den Rechtssachen C-324/03 und C-431/03.

Ende der Entscheidung

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