Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 15.07.2004
Aktenzeichen: C-139/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 zur Änderung von Kapitel Va (Pharmakovigilanz) der Richtlinie 75/319/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten


Vorschriften:

Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 zur Änderung von Kapitel Va (Pharmakovigilanz) der Richtlinie 75/319/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten Art. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

15. Juli 2004(1)

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Nichtumsetzung der Richtlinie 2000/38/EG"

Parteien:

In der Rechtssache C-139/03

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. C. Schieferer und H. Støvlbæk als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch A. Tiemann als Bevollmächtigte,

Beklagte,

wegen Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 zur Änderung von Kapitel Va (Pharmakovigilanz) der Richtlinie 75/319/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 139, S. 28) verstoßen hat, dass sie die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie nicht erlassen bzw. der Kommission diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, E. Juhász und M. Ilesic,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed, Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 27. März 2003 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 zur Änderung von Kapitel Va (Pharmakovigilanz) der Richtlinie 75/319/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (ABl. L 139, S. 28) verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen bzw. der Kommission diese Vorschriften nicht mitgeteilt hat.

2 Die Richtlinie 2000/38 sieht in Artikel 2 vor, dass die Mitgliedstaaten die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um dieser Richtlinie spätestens bis 5. Dezember 2001 nachzukommen, und die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis setzen.

3 Da die Kommission nicht von den Maßnahmen unterrichtet worden war, die getroffen wurden, um die Richtlinie 2000/38 innerhalb der darin vorgesehenen Frist in deutsches Recht umzusetzen, leitete sie das Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 226 EG ein. Nachdem sie der Bundesrepublik Deutschland Gelegenheit zur Äußerung gegeben hatte, gab sie am 1. Juli 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, in der sie den Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Stellungnahme innerhalb von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen. Die Bundesrepublik Deutschland antwortete mit Schreiben vom 3. September 2002, dass die zur Umsetzung der Richtlinie 2000/38 in innerstaatliches Recht erforderlichen Maßnahmen in Vorbereitung seien.

4 Da die Kommission seitdem von der deutschen Regierung keine weiteren Informationen erhielt, die darauf schließen ließen, dass die Bundesrepublik Deutschland inzwischen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/38 erfüllt hatte, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

5 Die Kommission macht geltend, die Bundesrepublik Deutschland habe dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um der Richtlinie nachzukommen.

6 Die Bundesrepublik Deutschland bestreitet nicht, dass die zur Umsetzung der Richtlinie 2000/38 erforderlichen Maßnahmen bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist noch nicht getroffen worden waren. Sie macht jedoch erstens geltend, die Richtlinie sei nichtig, weil die Kommission für den Erlass die darin getroffenen Maßnahmen nicht zuständig sei. Zweitens hätten der bei der Errichtung einer europäischen Datenbank für Humanarzneimittel aufgetretenen Schwierigkeiten zu einer Situation geführt, in der eine sofortige Umsetzung der Richtlinie die Sicherheit und Effizienz der Pharmakovigilanz in Deutschland einschränken und die öffentliche Gesundheit gefährden würde. Drittens dürfte das Verfahren zur Umsetzung der Richtlinie Ende des Jahres 2003 abgeschlossen sein.

7 Was erstens die von der Bundesrepublik Deutschland erhobene Einrede der Nichtigkeit der Richtlinie 2000/38 betrifft, so genügt der Hinweis, dass das Klagesystem des Vertrages zwischen den in den Artikeln 226 EG und 227 EG vorgesehenen Klagen, die auf die Feststellung gerichtet sind, dass ein Mitgliedstaat gegen seine Verpflichtungen verstoßen hat, und den in den Artikeln 230 EG und 232 EG vorgesehenen Klagen, mit denen die Rechtmäßigkeit von Handlungen oder Unterlassungen der Gemeinschaftsorgane überprüft werden soll, unterscheidet. Diese Klagemöglichkeiten verfolgen verschiedene Ziele und unterliegen unterschiedlichen Voraussetzungen. Ein Mitgliedstaat kann sich daher mangels einer Vorschrift des Vertrages, die ihn dazu ausdrücklich ermächtigen würde, zur Verteidigung gegenüber einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtdurchführung einer an ihn gerichteten Entscheidung nicht mit Erfolg auf die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung berufen. Ebenso wenig kann er sich auf die Rechtswidrigkeit einer Richtlinie berufen, deren Verletzung die Kommission ihm vorwirft (Urteile vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C-74/91, Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I-5437, Randnr. 10, und vom 25. April 2002 in den Rechtssachen C-52/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2002, I-3827, Randnr. 28, und C-154/00, Kommission/Griechenland, Slg. 2002, I-3879, Randnr. 28).

8 Was zweitens das Argument der Bundesrepublik Deutschland bezüglich der bei der Errichtung der europäischen Datenbanken für Humanarzneimittel aufgetretenen Schwierigkeiten angeht, so ist festzustellen, dass, auch wenn die Kommission einräumt, dass das fragliche System noch nicht voll einsatzbereit sei, keine Bestimmung der Richtlinie 2000/38 erkennen lässt, dass dies eine Voraussetzung für die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Richtlinie 2000/38 wäre. In Ermangelung eines solchen Vorbehalts ist die in Artikel 2 der Richtlinie vorgesehene Umsetzungsfrist daher als zwingend anzusehen. Soweit im Übrigen die Funktionsschwierigkeiten mit der Verspätung anderer Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen in Zusammenhang stehen, ist daran zu erinnern, dass ein Mitgliedstaat die Nichterfüllung seiner Verpflichtungen nicht damit rechtfertigen kann, dass andere Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen ebenfalls nicht erfüllten (vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1976 in der Rechtssache 52/75, Kommission/Italien, Slg. 1976, 277, Randnr. 11, und vom 9. Juli 1991 in der Rechtssache C-146/89, Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-3533, Randnr. 47).

9 Soweit es drittens um die von der deutschen Regierung erteilten Informationen über den Stand des Verfahrens zur Umsetzung der in Rede stehenden Richtlinie geht, ist festzustellen, dass das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen ist, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist befand, und dass später eingetretene Änderungen vom Gerichtshof nicht berücksichtigt werden können (vgl. u. a. Urteile vom 19. Februar 2004 in den Rechtssachen C-310/03, Kommission/Luxemburg, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7, und C-312/03, Kommission/Belgien, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 7).

10 Im vorliegenden Fall steht fest, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die Maßnahmen zur Umsetzung der Richtlinie 2000/38 in die deutsche Rechtsordnung noch nicht getroffen worden waren.

11 Die Klage der Kommission ist daher als begründet anzusehen.

12 Folglich ist festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/38 verstoßen hat, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

Kostenentscheidung:

Kosten

13 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 2000/38/EG der Kommission vom 5. Juni 2000 zur Änderung von Kapitel Va (Pharmakovigilanz) der Richtlinie 75/319/EWG des Rates zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten verstoßen, dass sie nicht die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erlassen hat, um dieser Richtlinie nachzukommen.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

Zurück