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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 23.04.2002
Aktenzeichen: C-143/00
Rechtsgebiete: Richtlinie 89/104/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 89/104/EWG Art. 7 Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/104 über die Marken ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer Marke auf seine Rechte aus der Marke berufen kann, um einen Parallelimporteur am Umpacken von Arzneimitteln zu hindern, es sei denn, die Ausübung dieser Rechte trägt zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten bei. Zu einer solchen künstlichen Abschottung trägt der Inhaber einer Marke bei, der sich auf die Rechte aus seiner Marke beruft, um ein Umpacken zu verhindern, das zur Vermarktung der betreffenden Arzneimittel im Einfuhrstaat erforderlich ist.

Ein Umpacken von Arzneimitteln in neue Packungen anstelle des bloßen Anbringens von Etiketten auf den Packungen ist objektiv erforderlich, wenn ohne dieses Umpacken aufgrund des starken Widerstands eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen von einem Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum betreffenden Markt oder zu einem beträchtlichen Teil dieses Marktes auszugehen ist.

Der Parallelimporteur muss in jedem Fall die Voraussetzung der vorherigen Unterrichtung beachten, um zum Umpacken der mit einer Marke versehenen Arzneimittel berechtigt zu sein. Beachtet der Parallelimporteur diese Voraussetzung nicht, so kann sich der Markeninhaber der Vermarktung des umgepackten Arzneimittels widersetzen. Es ist Sache des Parallelimporteurs selbst, den Markeninhaber von dem beabsichtigten Umpacken zu unterrichten. Im Streitfall ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob der Markeninhaber über eine angemessene Frist zur Reaktion auf das Umpackvorhaben verfügte.

( vgl. Randnrn. 35, 45, 54, 68, Tenor 1-3 )


Urteil des Gerichtshofes vom 23. April 2002. - Boehringer Ingelheim KG, Boehringer Ingelheim Pharma KG, Glaxo Group Ltd, The Wellcome Foundation Ltd, SmithKline Beecham plc, Beecham Group plc, SmithKline & French Laboratories Ltd und Eli Lilly and Co. gegen Swingward Ltd und Dowelhurst Ltd. - Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division - Vereinigtes Königreich. - Marken - Richtlinie 89/104/EWG - Artikel 7 Absatz 2 - Erschöpfung des Rechts aus der Marke - Arzneimittel - Paralleleinfuhr - Umpacken der mit der Marke versehenen Ware. - Rechtssache C-143/00.

Parteien:

In der Rechtssache C-143/00

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division (Vereinigtes Königreich), in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten

Boehringer Ingelheim KG, Boehringer Ingelheim Pharma KG

gegen

Swingward Ltd,

Boehringer Ingelheim KG,

Boehringer Ingelheim Pharma KG

gegen

Dowelhurst Ltd,

Glaxo Group Ltd

gegen

Swingward Ltd,

Boehringer Ingelheim KG,

Boehringer Ingelheim Pharma KG

gegen

Dowelhurst Ltd,

Glaxo Group Ltd,

The Wellcome Foundation Ltd

gegen

Dowelhurst Ltd,

SmithKline Beecham plc,

Beecham Group plc,

SmithKline & French Laboratories Ltd gegen

Dowelhurst Ltd

und

Eli Lilly and Co.

gegen

Dowelhurst Ltd

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der Fassung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) sowie der Artikel 28 EG und 30 EG

erlässt DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter C. Gulmann (Berichterstatter), D. A. O. Edward, M. Wathelet, R. Schintgen, V. Skouris, J. N. Cunha Rodrigues und C. W. A. Timmermans,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Abteilungsleiterin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Boehringer Ingelheim KG und der Boehringer Ingelheim Pharma KG, vertreten durch Solicitor R. Subiotto und Rechtsanwältin C. Annacker,

- der SmithKline Beecham plc, der Beecham Group plc, der SmithKline & French Laboratories Ltd und von Eli Lilly and Co., vertreten durch S. Thorley, QC, und Barrister M. Brealey,

- der Glaxo Group Ltd, vertreten durch M. Silverleaf, QC, und Barrister R. Hacon,

- der Swingward Ltd und der Dowelhurst Ltd, vertreten durch N. Green und H. Carr, QC,

- der deutschen Regierung, vertreten durch B. Muttelsee-Schön und A. Dittrich als Bevollmächtigte,

- der norwegischen Regierung, vertreten durch B. Ekeberg als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Banks als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Boehringer Ingelheim KG und der Boehringer Ingelheim Pharma KG, vertreten durch R. Subiotto und C. Annacker, der SmithKline Beecham plc, der Beecham Group plc, der SmithKline & French Laboratories Ltd und von Eli Lilly and Co., vertreten durch S. Thorley und M. Brealey, der Glaxo Group Ltd, vertreten durch M. Silverleaf und R. Hacon, der Swingward Ltd und der Dowelhurst Ltd, vertreten durch N. Green und H. Carr, der deutschen Regierung, vertreten durch A. Dittrich, der norwegischen Regierung, vertreten durch B. Ekeberg, und der Kommission, vertreten durch K. Banks und durch S. Rating als Bevollmächtigten, in der Sitzung vom 3. April 2001,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. Juli 2001,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, hat mit Beschluss vom 7. März 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 17. April 2000, gemäß Artikel 234 EG acht Fragen nach der Auslegung von Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 1989, L 40, S. 1) in der Fassung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 (ABl. 1994, L 1, S. 3) (im Folgenden: Richtlinie) sowie der Artikel 28 EG und 30 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in Rechtsstreitigkeiten zwischen der Boehringer Ingelheim KG und der Boehringer Ingelheim Pharma KG (im Folgenden gemeinsam: Boehringer Ingelheim), der Glaxo Group Ltd (im Folgenden: Glaxo), der SmithKline Beecham plc, der Beecham Group plc und der SmithKline & French Laboratories Ltd (im Folgenden gemeinsam: SmithKline Beecham), The Wellcome Foundation Ltd (im Folgenden: Wellcome) und Eli Lilly and Co. (im Folgenden: Eli Lilly) einerseits sowie der Swingward Ltd (im Folgenden: Swingward) und der Dowelhurst Ltd (im Folgenden: Dowelhurst) andererseits wegen der Vermarktung von Arzneimitteln, die von Boehringer, Glaxo, SmithKline, Wellcome und Eli Lilly hergestellt und von Swingward und Dowelhurst parallel in das Vereinigte Königreich eingeführt wurden.

Das Gemeinschaftsrecht

3 Nach Artikel 28 EG sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Nach Artikel 30 EG sind jedoch Einfuhrverbote und -beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten, die zum Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind, zulässig, sofern sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des innergemeinschaftlichen Handels darstellen.

4 Der mit "Erschöpfung des Rechts aus der Marke" überschriebene Artikel 7 der Richtlinie 89/104 lautet:

"(1) Die Marke gewährt ihrem Inhaber nicht das Recht, einem Dritten zu verbieten, die Marke für Waren zu benutzen, die unter dieser Marke von ihm oder mit seiner Zustimmung in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht worden sind.

(2) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn berechtigte Gründe es rechtfertigen, dass der Inhaber sich dem weiteren Vertrieb der Waren widersetzt, insbesondere wenn der Zustand der Waren nach ihrem Inverkehrbringen verändert oder verschlechtert ist."

5 Durch Artikel 65 Absatz 2 in Verbindung mit Anhang XVII Nummer 4 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum wurde Artikel 7 Absatz 1 der Richtlinie 89/104 für die Zwecke dieses Abkommens in der Weise geändert, dass der Ausdruck "in der Gemeinschaft" durch die Worte "in einem Vertragsstaat" ersetzt wurde.

Die Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

6 Alle Arzneimittel, auf die sich die Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren beziehen, wurden von einer der Klägerinnen der Ausgangsverfahren innerhalb der Gemeinschaft unter einer Marke vertrieben, dort von einer der Beklagten der Ausgangsverfahren gekauft und in das Vereinigte Königreich eingeführt. Zum Zweck dieser Einfuhren nahmen die Beklagten der Ausgangsverfahren in gewissem Umfang Veränderungen an der Verpackung der Arzneimittel und ihren Beipackzetteln vor.

7 Die Verpackung der einzelnen Arzneimittel wurde in unterschiedlicher Weise verändert. In einigen Fällen wurde auf der Originalpackung ein Etikett mit einigen wichtigen Informationen wie dem Namen des Parallelimporteurs und seiner Lizenznummer für den Parallelimport aufgeklebt. Dann blieben Angaben in anderen Sprachen als dem Englischen auf der Packung sichtbar, und die Marke wurde nicht verdeckt. In anderen Fällen wurde das Erzeugnis in vom Parallelimporteur gestaltete Packungen umgepackt, auf denen die Marke wiedergegeben wurde. In manchen Fällen wurde das Erzeugnis auch in Packungen umgepackt, die vom Parallelimporteur gestaltet wurden und nicht die Marke tragen. Stattdessen befindet sich der Gattungsname des Erzeugnisses auf der Packung. Der Inhalt der Packung trägt die Originalmarke, die aber mit einem Etikett überklebt ist, auf dem der Gattungsname des Erzeugnisses und Angaben zum Hersteller und zum Lizenzinhaber für den Parallelimport stehen. In allen Fällen des Umpackens enthalten die Packungen einen für die Patienten bestimmten Beipackzettel in englischer Sprache, auf dem sich die Marke befindet.

8 Boehringer, Glaxo, SmithKline, Wellcome und Eli Lilly wenden sich gegen diese Veränderungen der Verpackung und machen geltend, sie seien zur Vermarktung der betreffenden Arzneimittel im Vereinigten Königreich nicht erforderlich. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes seien die Parallelimporteure daher nicht berechtigt, solche Veränderungen vorzunehmen. Sie erhoben daher vor dem vorlegenden Gericht Klagen wegen Verletzung ihrer Marken.

9 Da der Ausgang der Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren nach Ansicht des High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, von der Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhängt, hat dieser das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann der Inhaber einer Marke seine Rechte aus der Marke dazu benutzen, die Einfuhr seiner eigenen Waren aus einem Mitgliedstaat in einen anderen zu untersagen oder zu behindern oder deren anschließende Vermarktung oder Absatzförderung zu behindern, wenn Einfuhr, Vermarktung oder Absatzförderung den spezifischen Gegenstand seiner Rechte nicht oder nicht wesentlich beeinträchtigen?

2. Ist die vorstehende Frage anders zu beantworten, wenn sich der Markeninhaber darauf beruft, dass der Importeur oder anschließend der Verkäufer seine Marke in einer Weise benutze, bei der zwar ihr spezifischer Gegenstand nicht beeinträchtigt werde, die aber nicht erforderlich sei?

3. Falls ein Importeur der Waren des Markeninhabers oder ein Händler mit solchen importierten Waren nachzuweisen hat, dass seine Benutzung der Marke "erforderlich" ist, ist diese Voraussetzung dann erfuellt, wenn nachgewiesen wird, dass eine Benutzung der Marke vernünftigerweise nötig ist, um ihm a) nur einen Teil des Marktes für die Waren oder b) den gesamten Markt für die Waren zu öffnen, oder bedeutet dies, dass die Benutzung der Marke für den Marktzugang dieser Waren wesentlich sein muss? Sollte dies alles nicht zutreffen, was bedeutet dann "erforderlich"?

4. Falls der Markeninhaber prima facie berechtigt ist, seine nationalen Markenrechte gegen jede nicht erforderliche Benutzung seiner Marke bei oder im Zusammenhang mit Waren durchzusetzen, stellt dann die Geltendmachung dieser Berechtigung zu dem Zweck, Parallelimporte seiner eigenen Waren, die den spezifischen Gegenstand oder die Hauptfunktion der Marke nicht gefährden, zu behindern oder auszuschließen, ein missbräuchliches Verhalten und eine verschleierte Handelsbeschränkung im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG dar?

5. Muss ein Importeur oder ein Händler mit importierten Waren, der die Marke bei oder im Zusammenhang mit diesen Waren benutzen will, ohne dass diese Benutzung den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen wird, gleichwohl dem Markeninhaber vorab die beabsichtigte Benutzung der Marke mitteilen?

6. Falls die vorstehende Frage zu bejahen ist: Bewirkt die Unterlassung dieser Mitteilung durch den Importeur oder Händler, dass der Markeninhaber die Befugnis erhält, die Einfuhr oder die weitere Vermarktung dieser Waren zu unterbinden oder zu behindern, obwohl diese den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigen?

7. Falls ein Importeur oder ein Händler mit importierten Waren den Markeninhaber vorab über die Benutzung der Marke zu unterrichten hat, auch wenn diese den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt,

a) gilt dieses Erfordernis für sämtliche Nutzungen der Marke einschließlich Werbung, Umetikettierung und Umpacken oder nur für bestimmte Nutzungen, und wenn ja, für welche,

b) hat der Importeur oder Händler den Markeninhaber zu unterrichten oder genügt es, dass dieser anderweitig davon erfährt,

c) welchen Umfang muss diese Unterrichtung haben?

8. Ist das nationale Gericht eines Mitgliedstaats befugt, auf Antrag des Inhabers von Markenrechten auf einstweilige Anordnungen, Schadensersatz, Herausgabe oder sonstige Rechtsbehelfe in Bezug auf importierte Waren, deren Verpackung oder die Werbung für sie zu erkennen, wenn eine solche Entscheidung a) den freien Verkehr von Waren, die vom Markeninhaber oder mit seiner Zustimmung in der EG in den Verkehr gebracht wurden, verhindert oder erschwert, aber b) nicht zu dem Zweck ergeht, eine Beeinträchtigung des spezifischen Gegenstands der Rechte zu verhindern, und zur Verhinderung einer solchen Beeinträchtigung nicht beiträgt?

Vorbemerkungen

10 Mit seinen Fragen ersucht das vorlegende Gericht um die Erläuterung bestimmter Aspekte der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Umpacken mit einer Marke versehener Arzneimittel durch Parallelimporteure ohne Zustimmung des Markeninhabers.

11 Daher sind die Grundzüge dieser Rechtsprechung darzustellen.

12 Zunächst ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere dem Urteil vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache 102/77 (Hoffmann-La Roche, Slg. 1978, 1139, Randnrn. 6 und 7), Folgendes:

- Artikel 30 EG lässt Ausnahmen von dem elementaren Grundsatz des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten nur zu, soweit sie zur Wahrung der Rechte gerechtfertigt sind, die den spezifischen Gegenstand des betroffenen gewerblichen Eigentums ausmachen.

- In diesem Zusammenhang ist die Hauptfunktion der Marke zu berücksichtigen, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der mit ihr versehenen Ware zu garantieren, indem ihm ermöglicht wird, diese Ware ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Herkunft zu unterscheiden.

- Diese Herkunftsgarantie schließt ein, dass der Verbraucher oder Endabnehmer sicher sein darf, dass an einer ihm angebotenen Markenware nicht auf einer früheren Vermarktungsstufe durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers ein Eingriff vorgenommen worden ist, der den Originalzustand der Ware beeinträchtigt hat.

13 Das Recht des Markeninhabers, jede Benutzung der Marke zu verhindern, die die so verstandene Herkunftsgarantie verfälschen könnte, gehört somit zum spezifischen Gegenstand des Markenrechts, und folglich ist der Inhaber einer Marke nach Artikel 30 Satz 1 EG berechtigt, den Importeur eines Markenerzeugnisses daran zu hindern, nach dessen Umpacken die Marke ohne Zustimmung ihres Inhabers auf der neuen Verpackung anzubringen (Urteil Hoffmann-La Roche, Randnrn. 7 und 8).

14 Nach Randnummer 14 des Urteils Hoffmann-La Roche ist es im Sinne von Artikel 30 Satz 1 EG gerechtfertigt, wenn sich der Inhaber eines in zwei Mitgliedstaaten gleichzeitig geschützten Markenrechts dagegen zur Wehr setzt, dass ein in einem dieser Staaten rechtmäßig mit der Marke versehenes Erzeugnis nach dem Umfuellen in eine neue Packung, auf der die Marke durch einen Dritten angebracht wurde, in dem anderen Mitgliedstaat auf den Markt gebracht wird. Weiter heißt es dort, dass dieses Vorgehen jedoch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG darstellt,

- wenn erwiesen ist, dass die Geltendmachung des Markenrechts durch dessen Inhaber unter Berücksichtigung des von ihm angewandten Vermarktungssystems zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beitragen würde,

- wenn dargetan ist, dass das Umpacken den Originalzustand des Erzeugnisses nicht beeinträchtigen kann,

- wenn der Markeninhaber vorher von dem Feilhalten des umgepackten Erzeugnisses unterrichtet wird und

- wenn auf der neuen Packung angegeben ist, von wem das Erzeugnis umgepackt wurde.

15 Sodann hat der Gerichtshof im Anschluss an das Urteil Hoffmann-La Roche in mehreren Entscheidungen, insbesondere in den Urteilen vom 11. Juli 1996 in den Rechtssachen C-427/93, C-429/93 und C-436/93 (Bristol-Myers Squibb u. a., Slg. 1996, I-3457) und vom 12. Oktober 1999 in der Rechtssache C-379/97 (Upjohn, Slg. 1999, I-6927), näher erläutert, wann eine künstliche Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten vorliegen kann. Als solche ist unter bestimmten Voraussetzungen der Widerstand des Inhabers einer Marke gegen das Umpacken von Arzneimitteln anzusehen, wenn dieses erforderlich ist, um das parallel importierte Erzeugnis im Einfuhrstaat vermarkten zu können.

16 In dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof auch die weiteren Voraussetzungen aufgestellt und erläutert, die der Parallelimporteur erfuellen muss, um die mit einer Marke versehenen Arzneimittel umpacken zu dürfen. Er hat u. a. ausgeführt, dass die Aufmachung des umgepackten Erzeugnisses den Ruf der Marke nicht beeinträchtigen darf.

17 Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die vor dem Erlass der Richtlinie 89/104 ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofes zu dieser Problematik auf den Bestimmungen des EWG-Vertrags zum innergemeinschaftlichen Handel beruhte. Nach dem Erlass der Richtlinie, in deren Artikel 7 die Frage der Erschöpfung des Markenrechts für Waren, die in der Gemeinschaft in den Verkehr gebracht wurden, abschließend geregelt wird, hat der Gerichtshof entschieden, dass die nationalen Regelungen in diesem Bereich nach dieser Bestimmung zu beurteilen sind (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnr. 26).

18 Artikel 7 der Richtlinie hat jedoch ebenso wie Artikel 30 EG den Zweck, die grundlegenden Belange des Markenschutzes mit denen des freien Warenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen, so dass diese beiden Bestimmungen, da mit ihnen dasselbe Ergebnis angestrebt wird, gleich auszulegen sind. Daher ist zur Klärung der Frage, ob sich ein Markeninhaber gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie dem Vertrieb von Waren widersetzen kann, die umgepackt wurden und auf denen die Marke wieder angebracht wurde, auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Artikel 36 EWG-Vertrag (später Artikel 36 EG-Vertrag, nach Änderung jetzt Artikel 30 EG) zurückzugreifen (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnrn. 40 und 41).

Zum spezifischen Gegenstand der Marke

19 Mit seiner ersten, zweiten, vierten und achten Frage ersucht das vorlegende Gericht um Erläuterungen des Begriffes des spezifischen Gegenstands der Marke, der in der Rechtsprechung des Gerichtshofes verwendet wird, um festzulegen, unter welchen Voraussetzungen sich ein Markeninhaber auf seine Rechte aus der Marke berufen kann, um einen Parallelimporteur am Umpacken von Arzneimitteln zu hindern.

20 Das vorlegende Gericht möchte insbesondere wissen, ob - wie es einige Gerichte in anderen Mitgliedstaaten getan hätten - davon ausgegangen werden könne, dass das Umpacken den spezifischen Gegenstand der Marke im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes beeinträchtige, so dass sich der Markeninhaber einem Umpacken grundsätzlich widersetzen könne, auch wenn dieses Umpacken seine Interessen nicht bedrohe. Die Umpackvorgänge, um die es in den bei ihm anhängigen Fällen gehe, beträfen Originalwaren, die mit Zustimmung des Markeninhabers in den Verkehr gebracht worden seien, und beeinträchtigten den Originalzustand der Arzneimittel, ihren Ruf und die wesentlichen Funktionen der Marke nicht. Für den Fall, dass die Marke nicht in einer Weise benutzt werde, die die Verbraucher über Herkunft und Qualität der Waren irreführe, stelle sich die Frage, ob ein Umpacken zulässig sein müsse, auch wenn nicht nachgewiesen werde, dass das Umpacken erforderlich sei, um dem Parallelimporteur einen tatsächlichen Zugang zum Markt zu verschaffen.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

21 Boehringer trägt vor, der Markeninhaber sei immer dann berechtigt, sich dem weiteren Vertrieb eines Arzneimittels zu widersetzen, wenn der Parallelimporteur es umgepackt und die Marke auf oder in Verbindung mit ihm verwendet habe oder wenn er die Rechte des Markeninhabers in anderer Weise beeinträchtigt habe, es sei denn, diese Beeinträchtigung sei unter den zum Zeitpunkt der Vermarktung im Einfuhrmitgliedstaat bestehenden Umständen zwingend erforderlich, damit der Importeur das Erzeugnis in diesem Staat vermarkten könne, und sie füge den Rechten des Markeninhabers so wenig Schaden wie möglich zu.

22 Glaxo macht geltend, das Umpacken der Waren eines Markeninhabers ohne dessen Zustimmung sei ein Eingriff in den spezifischen Gegenstand der Marke. Schon ein solches Verhalten allein rechtfertige eine Klage wegen Markenverletzung, sofern nicht die vier in der Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten und in Randnummer 14 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfuellt seien. Es müsse nicht nachgewiesen werden, dass das Umpacken schädlich sei oder den spezifischen Gegenstand der Marke beeinträchtige.

23 SmithKline führt aus, im Vorlagebeschluss heiße es, der Markeninhaber müsse einen zusätzlichen "Schaden" dartun, um den Parallelimport von Waren seiner Marke zu verhindern. Dies stehe nicht im Einklang mit der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes.

24 Nach Ansicht von Swingward und Dowelhurst geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes hervor, dass die Berufung auf eine Marke nur zulässig sei, wenn eine spezielle und substanzielle Schädigung des spezifischen Gegenstands der Marke vorliege.

25 Die deutsche Regierung trägt vor, die Rechtsprechung des Gerichtshofes mache deutlich, dass das Umpacken oder Neukennzeichnen von Markenware die Rechte des Markeninhabers einschließlich derer, die den spezifischen Gegenstand des Markenrechts ausmachten, gefährden könne; es bestehe kein Anlass, von dieser gefestigten Rechtsprechung abzurücken.

26 Die norwegische Regierung macht geltend, der Wortlaut von Artikel 30 EG beruhe auf der Prämisse, dass Einfuhrbeschränkungen nur dann gerechtfertigt seien, wenn das gewerbliche oder kommerzielle Eigentum sonst gefährdet wäre. Der Rechtsprechung des Gerichtshofes könne nicht entnommen werden, dass sich der Markeninhaber der Einfuhr umgepackter Produkte widersetzen könne, bei der weder der Originalzustand des Produkts beeinträchtigt noch der Ruf der Marke und ihres Inhabers geschädigt werde.

27 Die Kommission führt aus, die Kernfrage laute, ob die Voraussetzung der Erforderlichkeit mit den Voraussetzungen kombiniert werden müsse, die den Schutz des spezifischen Gegenstands einer Marke beträfen. Das Urteil Bristol-Myers Squibb u. a. sei insoweit nicht völlig eindeutig. Wenn der Gerichtshof das Wesen der im Urteil Hoffmann-La Roche aufgestellten Liste von Voraussetzungen hätte ändern und einige von ihnen als Alternativen hätte ausgestalten wollen, so hätte er dies jedoch ohne weiteres tun können. Daher sei davon auszugehen, dass die Voraussetzung der "Erforderlichkeit" zu den Kriterien hinzukomme, die den Schutz des spezifischen Gegenstands einer Marke beträfen.

Würdigung durch den Gerichtshof

28 Zwar sind Ausnahmen von dem elementaren Grundsatz des freien Warenverkehrs in Fällen möglich, in denen sich der Inhaber einer Marke unter Berufung auf die Marke dem Umpacken parallel importierter Arzneimittel widersetzt, doch gilt dies nur insoweit, als dem Markeninhaber dadurch die Wahrung der Rechte ermöglicht wird, die im Licht der Hauptfunktion der Marke zu deren spezifischem Gegenstand gehören.

29 Es ist unstreitig, dass der spezifische Gegenstand der Marke darin besteht, die Herkunft der mit ihr versehenen Ware zu garantieren, und dass ein Umpacken dieser Ware durch einen Dritten ohne Zustimmung des Markeninhabers tatsächliche Gefahren für diese Herkunftsgarantie begründen kann.

30 In den Randnummern 7 und 8 des Urteils Hoffmann-La Roche hat der Gerichtshof daher die Ansicht vertreten, dass das Recht des Markeninhabers, sich dem Umpacken mit seiner Marke versehener Arzneimittel zu widersetzen, angesichts dieser Gefahr für die Herkunftsgarantie zum spezifischen Gegenstand der Marke gehört. Nach diesem Urteil beeinträchtigt das Umpacken mit der Marke versehener Arzneimittel als solches den spezifischen Gegenstand der Marke, ohne dass in diesem Zusammenhang geprüft werden muss, welche konkreten Auswirkungen das Umpacken durch den Parallelimporteur hat.

31 Aus Randnummer 9 des Urteils Hoffmann-La Roche geht jedoch hervor, dass die Abweichung vom Grundsatz des freien Warenverkehrs infolge des Widerstands des Markeninhabers gegen das Umpacken nicht zulässig ist, wenn die Ausübung dieses Rechts durch den Markeninhaber eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Artikel 30 Satz 2 EG darstellt.

32 Eine solche verschleierte Beschränkung im Sinne der genannten Bestimmung liegt vor, wenn der Markeninhaber durch die Ausübung seines Rechts, sich dem Umpacken zu widersetzen, zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten beiträgt und wenn das Umpacken zudem unter Beachtung der berechtigten Interessen des Markeninhabers erfolgt; dies setzt insbesondere voraus, dass das Umpacken den Originalzustand des Arzneimittels nicht beeinträchtigt und den Ruf der Marke nicht schädigt.

33 Wie in Randnummer 15 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde, trägt es nach Ansicht des Gerichtshofes zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten bei, wenn sich der Inhaber einer Marke einem Umpacken von Arzneimitteln widersetzt, das erforderlich ist, um das parallel importierte Erzeugnis im Einfuhrstaat vermarkten zu können.

34 Nach ständiger Rechtsprechung kann der Markeninhaber somit die mit jedem Umpacken eines mit seiner Marke versehenen Arzneimittels verbundene Veränderung - die ihrem Wesen nach die Gefahr einer Beeinträchtigung des Originalzustands des Arzneimittels schafft - verbieten, es sei denn, das Umpacken ist erforderlich, um die Vermarktung der parallel importierten Ware zu ermöglichen, und die berechtigten Interessen des Markeninhabers sind überdies gewahrt (in diesem Sinne auch Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnr. 57).

35 Auf die erste, die zweite, die vierte und die achte Frage ist daher zu antworten, dass Artikel 7 Absatz 2 der Richtlinie dahin auszulegen ist, dass sich der Inhaber einer Markte auf seine Rechte aus der Marke berufen kann, um einen Parallelimporteur am Umpacken von Arzneimitteln zu hindern, es sei denn, die Ausübung dieser Rechte trägt zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten bei.

Zur Erforderlichkeit des Umpackens

36 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, unter welchen Voraussetzungen das von einem Parallelimporteur zum Zweck der Vermarktung von Arzneimitteln im Einfuhrstaat vorgenommene Umpacken im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes erforderlich ist. Es möchte insbesondere wissen, ob das Umpacken allein deshalb als erforderlich angesehen werden kann, weil sonst der erfolgreiche Absatz des Arzneimittels auf dem Markt des Einfuhrstaats wegen des Misstrauens eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher dieses Staates gegenüber ersichtlich für den Markt eines anderen Staates bestimmten Arzneimitteln gefährdet wäre.

37 Das vorlegende Gericht vertritt die Ansicht, das Umpacken sei als erforderlich anzusehen, wenn mit ihm ein tatsächliches oder potenzielles Hindernis für die Vermarktung von Arzneimitteln überwunden werden könne. Diese Frage sei wichtig, da die Klägerinnen der Ausgangsverfahren geltend machten, dass ein Umpacken der Arzneimittel in andere Packungen durch die Parallelimporteure nicht erforderlich sei, weil die Vermarktung durch das bloße Anbringen von Etiketten auf der Ware erfolgen könne. Auf dem Markt gebe es aber erheblichen Widerstand gegen mit Etiketten versehene Packungen, und die Ersetzung der Packungen sei erforderlich, um diesen Widerstand zu überwinden.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

38 Boehringer trägt vor, ein Eingriff in die Rechte des Markeninhabers sei nur dann erforderlich, wenn die im Einfuhrstaat bestehenden Rechtsvorschriften und Praktiken den Importeur sonst an der Vermarktung der Ware in diesem Staat hindern würden. Der Markeninhaber sei daher berechtigt, sich einem Umpacken, das deshalb erfolge, weil die Verbraucher in diesem Staat eine bestimmte Verpackung vorzögen, zu widersetzen, sofern die dort bestehenden Vorschriften und Praktiken es erlaubten, die Ware ohne einen solchen Eingriff zu vermarkten.

39 Glaxo führt aus, der Gerichtshof habe zwischen Änderungen der Verpackung, die nötig seien, damit die Waren in den Verkehr gebracht werden könnten, und Änderungen differenzieren wollen, die dazu dienten, die Akzeptanz der Ware auf dem Markt zu maximieren. Zur zweiten Gruppe gehörten Änderungen, die es den Parallelimporteuren ermöglichen sollten, höhere Preise zu verlangen, die Waren in anderer Weise für die Verbraucher attraktiver zu machen oder den Absatz zu steigern. Da nicht dargetan worden sei, dass das Umpacken erforderlich sei, um die Ware im Einfuhrmitgliedstaat zu vermarkten, stelle der Widerstand des Markeninhabers gegen das Umpacken keine künstliche Abschottung des Marktes dar. Der Grundsatz des freien Warenverkehrs werde eingehalten, wenn der Importeur die Ware umpacken dürfe, falls dies für deren Vermarktung erforderlich sei.

40 SmithKline trägt vor, ein Umpacken sei "erforderlich", wenn die Ware sonst nicht in den Verkehr gebracht werden könnte. Die Überwindung der Abneigung der Verbraucher gegen überklebte Produkte sei kein berechtigter Grund für das Umpacken.

41 Nach Ansicht von Swingward und Dowelhurst gibt es nur einen Fall, in dem ein Umpacken nicht als erforderlich angesehen werden könne, und zwar dann, wenn es allein mit dem Bestreben des Parallelimporteurs zu erklären sei, sich einen wirtschaftlichen Vorteil im Sinne des Urteils Upjohn, d. h. einen unfairen oder missbräuchlichen wirtschaftlichen Vorteil, zu sichern.

42 Die deutsche Regierung trägt vor, der Gerichtshof habe klare Leitlinien zu den Umständen geschaffen, unter denen das Umpacken markenrechtlich geschützter Arzneimittel zulässig sei, und dabei auf die Erforderlichkeit abgestellt. Bloße wirtschaftliche Vorteile wie eine Steigerung des Absatzes reichten nicht aus, um das Umpacken als erforderlich anzusehen. Eine objektive Zwangslage zum Umpacken bestehe daher beispielsweise nicht, wenn die Akzeptanz für überklebte oder fremdsprachige Packungen geringer sei. Falls die Merkmale des Marktes jedoch den Absatz der nicht umgepackten Ware erheblich erschwerten, müsse das Umpacken als erforderlich angesehen werden.

43 Die norwegische Regierung führt aus, der Rechtsprechung des Gerichtshofes lasse sich die Voraussetzung der Erforderlichkeit nicht entnehmen. Sollte eine solche Voraussetzung jedoch bestehen, dann müsse sie als erfuellt angesehen werden, wenn der Parallelimporteur das Umpacken für erforderlich halte, um das Produkt zu vermarkten.

44 Die Kommission ist der Auffassung, die Ablehnung durch die Verbraucher schaffe keine "Erforderlichkeit" im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes, sofern sie nicht so stark sei, dass sie durch niedrigere Preise und bessere Information nicht überwunden werden könne.

Würdigung durch den Gerichtshof

45 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes trägt der Inhaber einer Marke, der sich auf die Rechte aus seiner Marke beruft, um einen Parallelimporteur an einem Umpacken zu hindern, das zur Vermarktung der betreffenden Arzneimittel im Einfuhrstaat erforderlich ist, zu einer gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten bei.

46 Der Gerichtshof hat hierzu festgestellt, dass die zum Zeitpunkt der Vermarktung im Einfuhrmitgliedstaat bestehenden Umstände zu berücksichtigen sind, die das Umpacken objektiv erforderlich machen, damit das Arzneimittel vom Parallelimporteur in diesem Staat in den Verkehr gebracht werden kann. Der Widerstand des Markeninhabers gegen das Umpacken ist nicht gerechtfertigt, wenn er den tatsächlichen Zugang des eingeführten Erzeugnisses zum Markt dieses Staates behindert (in diesem Sinne auch Urteil Upjohn, Randnr. 43).

47 Ein solches Hindernis liegt z. B. dann vor, wenn die vom Parallelimporteur erworbenen Arzneimittel im Einfuhrmitgliedstaat nicht in ihrer Originalpackung vertrieben werden können, weil es nationale Vorschriften oder Praktiken in Bezug auf die Verpackung gibt, weil Krankenversicherungsvorschriften die Erstattung der Krankheitskosten von einer bestimmten Verpackung abhängig machen oder weil feste ärztliche Verschreibungsgewohnheiten bestehen, die u. a. auf durch Berufsverbände und Krankenversicherungsträger empfohlenen Normgrößen beruhen. Dabei reicht es aus, wenn das Hindernis für eine der vom Markeninhaber im Einfuhrmitgliedstaat verwendeten Packungen besteht (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnrn. 53 und 54).

48 Der Markeninhaber kann sich aber gegen das Umpacken wehren, wenn es seinen Grund ausschließlich darin hat, dass der Parallelimporteur einen wirtschaftlichen Vorteil erlangen möchte (in diesem Sinne auch Urteil Upjohn, Randnr. 44).

49 In diesem Zusammenhang ist ferner festgestellt worden, dass sich der Markeninhaber dem Umpacken in eine neue Verpackung widersetzen kann, wenn es dem Parallelimporteur möglich ist, die Originalpackung für den Vertrieb im Einfuhrmitgliedstaat zu verwenden, indem er auf dieser Packung Etiketten anbringt (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnr. 55).

50 Somit kann sich der Inhaber einer Marke gegen das Umpacken in eine neue Verpackung durch den Parallelimporteur zur Wehr setzen, sofern mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen tatsächlich Zugang zum betreffenden Markt erlangen können.

51 Eine Abneigung gegen mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen stellt nicht stets ein Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum Markt dar, das ein Umpacken in eine neue Verpackung erforderlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes macht.

52 Auf einem Markt oder einem beträchtlichen Teil dieses Marktes kann aber ein so starker Widerstand eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen bestehen, dass von einem Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum Markt auszugehen ist. Unter diesen Umständen würde mit dem Umpacken der Arzneimittel nicht ausschließlich ein wirtschaftlicher Vorteil angestrebt, sondern es diente zur Erlangung des tatsächlichen Zugangs zum Markt.

53 Ob dies der Fall ist, hat das nationale Gericht zu beurteilen.

54 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass ein Umpacken von Arzneimitteln in neue Packungen objektiv erforderlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes ist, wenn ohne dieses Umpacken aufgrund des starken Widerstands eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen von einem Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum betreffenden Markt oder zu einem beträchtlichen Teil dieses Marktes auszugehen ist.

Zur vorherigen Unterrichtung des Markeninhabers

55 Mit seiner fünften, sechsten und siebten Frage ersucht das vorlegende Gericht um nähere Erläuterungen zu der Voraussetzung, dass der Parallelimporteur den Markeninhaber vorab vom Feilhalten der umgepackten Ware unterrichten muss. Es möchte insbesondere wissen, ob eine Unterrichtung auch dann erfolgen muss, wenn das beabsichtigte Umpacken im konkreten Fall den spezifischen Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt, ob sie durch den Importeur selbst erfolgen muss oder ob es genügt, dass der Markeninhaber von anderer Seite unterrichtet wird, binnen welcher Frist sie zu erfolgen hat und welche Folgen eine fehlende Unterrichtung hat.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

56 Boehringer trägt vor, es gebe keinen stichhaltigen Grund für ein Überdenken des vom Gerichtshof aufgestellten Erfordernisses vorheriger Unterrichtung. Dieses Erfordernis stelle für den Parallelimporteur keine unzumutbare Belastung dar und behindere weder den freien Warenverkehr, noch verzögere es die Vermarktung der importierten Waren oder erschwere diese spürbar. Da das Erfordernis nicht von einer Benutzung der Marke abhänge, die deren spezifischen Gegenstand beeinträchtige, könne sich der Markeninhaber jeder Benutzung seiner Marke durch einen Parallelimporteur widersetzen, sofern dieser ihn nicht davon unterrichtet habe.

57 Glaxo ist der Ansicht, das Erfordernis vorheriger Unterrichtung sei keine Belastung und sei sinnvoll. Es müsse gemäß den im Urteil Hoffmann-La Roche aufgestellten und vom Gerichtshof ständig angewandten Grundsätzen durchgesetzt werden. Der Parallelimporteur selbst müsse den Markeninhaber so frühzeitig vor dem Inverkehrbringen unterrichten, dass Einwände berücksichtigt werden könnten. Unterbleibe eine Unterrichtung durch den Parallelimporteur, so müsse dies geahndet werden, da sonst kein Anreiz für die Einhaltung dieses Erfordernisses bestuende. Eine Frist von 28 Tagen sei angebracht.

58 Swingward und Dowelhurst tragen vor, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes sei das Erfordernis, dass ein Importeur den Markeninhaber vorab unterrichten müsse, verfahrensrechtlicher Art und solle den Markeninhaber in die Lage versetzen, seine Rechte zu wahren. Wenn der spezifische Gegenstand der Marke nicht beeinträchtigt werde, werde der Markeninhaber durch die fehlende Unterrichtung in keiner Weise geschädigt. Es würde daher gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, wenn durch das Unterbleiben der Unterrichtung aus einer rechtmäßigen Benutzung der Marke eine Markenverletzung würde. Eine Frist von zwei Tagen vor dem Inverkehrbringen des umgepackten Erzeugnisses sei angemessen. Der Unterrichtungspflicht sei Genüge getan, wenn der Markeninhaber die Unterrichtung erhalte, gleichgültig ob vom Importeur oder von einem Dritten. Da die mit der Kontrolle von Arzneimitteln betrauten Behörden des Vereinigten Königreichs den Markeninhaber unterrichteten, wenn sie eine Lizenz für den Parallelimport erteilten, werde er über beabsichtigte Parallelimporte ausreichend informiert.

59 Die deutsche Regierung macht geltend, wenn der Markeninhaber vor dem Inverkehrbringen der umgepackten Waren nicht ausreichend über den geplanten Umpackvorgang informiert worden sei, damit er in angemessener Zeit prüfen könne, ob die vom Gerichtshof aufgestellten Anforderungen an das Umpacken erfuellt seien, liege ein berechtigter Grund vor, der der Berufung des Parallelimporteurs auf die Erschöpfung der Markenrechte entgegenstehe. Die Unterrichtung müsse vom Parallelimporteur vorgenommen werden.

60 Die Kommission trägt vor, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes folge, dass sich ein Markeninhaber der Vermarktung durch einen Parallelimporteur widersetzen könne, wenn er nicht zuvor über die beabsichtigte Nutzung seiner Marke unterrichtet worden sei. Die Unterrichtungsfrist müsse dem Markeninhaber ausreichend Gelegenheit geben, die erforderliche Prüfung vorzunehmen und zu klären, ob er Einwände erheben wolle. Sie verlängere sich, wenn der Parallelimporteur die Unterrichtung ohne gleichzeitige Übersendung eines Musters vornehme. In diesem Fall müsse dem Markeninhaber zusätzlich Zeit gegeben werden, sich zur Anforderung eines Musters zu entschließen und es zu erhalten.

Würdigung durch den Gerichtshof

61 Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes muss der Parallelimporteur, der ein mit einer Marke versehenes Arzneimittel umpackt, den Markeninhaber vorab vom Inverkehrbringen der umgepackten Ware unterrichten (vgl. Urteil Hoffmann-La Roche, Randnr. 12). Außerdem muss er auf Verlangen des Markeninhabers vor dem Inverkehrbringen ein Muster der umgepackten Ware liefern. Dies ermöglicht dem Markeninhaber die Prüfung, ob das Umpacken nicht in einer Weise vorgenommen wird, die den Originalzustand der Ware unmittelbar oder mittelbar beeinträchtigt, und ob deren Aufmachung nach dem Umpacken nicht den Ruf der Marke schädigt. Zudem erleichtert dieses Erfordernis es dem Markeninhaber, sich vor den Aktivitäten von Fälschern zu schützen (vgl. Urteil Bristol-Myers Squibb u. a., Randnr. 78).

62 Die in der vorstehenden Randnummer genannten Voraussetzungen dienen zum Schutz der berechtigten Interessen der Markeninhaber. Wie die Klägerinnen der Ausgangsverfahren ausgeführt haben, bringt die Beachtung dieser Voraussetzungen für die Parallelimporteure kaum tatsächliche praktische Schwierigkeiten mit sich, sofern die Markeninhaber innerhalb angemessener Frist auf die Unterrichtung reagieren. Das System der Unterrichtung kann nämlich nur dann angemessen funktionieren, wenn alle Beteiligten sich in redlicher Weise bemühen, die berechtigten Interessen des anderen zu achten.

63 In Beantwortung der Fragen des vorlegenden Gerichts nach Erläuterung dieser Voraussetzungen ist erstens festzustellen, dass der Parallelimporteur, wie sich aus der Antwort auf die erste, die zweite, die vierte und die achte Frage ergibt, in jedem Fall die Voraussetzung der vorherigen Unterrichtung beachten muss, um zum Umpacken der mit einer Marke versehenen Arzneimittel berechtigt zu sein. Beachtet der Parallelimporteur diese Voraussetzung nicht, so kann sich der Markeninhaber der Vermarktung des umgepackten Arzneimittels widersetzen.

64 Zweitens ist es Sache des Parallelimporteurs, den Markeninhaber selbst von dem beabsichtigten Umpacken zu unterrichten. Es genügt nicht, dass der Markeninhaber von anderer Seite unterrichtet wird, z. B. von der Behörde, die den Parallelimport genehmigt.

65 Drittens hat sich der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung noch nicht zu der Frist geäußert, die dem Markeninhaber eingeräumt werden muss, um auf das vorgesehene Umpacken des mit seiner Marke versehenen Arzneimittels zu reagieren.

66 Insoweit versteht es sich von selbst, dass zwar dem Markeninhaber, dessen Unterrichtung bezweckt ist, eine angemessene Frist zur Reaktion auf das Umpackvorhaben einzuräumen ist, dass aber auch dem Interesse des Parallelimporteurs an einer möglichst schnellen Vermarktung des Arzneimittels nach Erhalt der dafür erforderlichen Genehmigung der zuständigen Behörde Rechnung zu tragen ist.

67 Im Streitfall ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob der Markeninhaber über eine angemessene Frist zur Reaktion auf das Umpackvorhaben verfügte. Nach den in den Akten enthaltenen Angaben erscheint eine Frist von 15 Arbeitstagen angemessen, wenn der Parallelimporteur dem Markeninhaber zusammen mit der Unterrichtung ein Muster des umgepackten Arzneimittels übersandt hat. Da diese Frist Hinweischarakter hat, steht es dem Parallelimporteur frei, eine kürzere Frist zu gewähren, und dem Markeninhaber, eine längere als die vom Parallelimporteur eingeräumte Frist für die Reaktion in Anspruch zu nehmen.

68 Nach dem Vorstehenden ist auf die fünfte, die sechste und die siebte Frage zu antworten, dass der Parallelimporteur in jedem Fall die Voraussetzung der vorherigen Unterrichtung beachten muss, um zum Umpacken der mit einer Marke versehenen Arzneimittel berechtigt zu sein. Beachtet der Parallelimporteur diese Voraussetzung nicht, so kann sich der Markeninhaber der Vermarktung des umgepackten Arzneimittels widersetzen. Es ist Sache des Parallelimporteurs selbst, den Markeninhaber von dem beabsichtigten Umpacken zu unterrichten. Im Streitfall ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob der Markeninhaber über eine angemessene Frist zur Reaktion auf das Umpackvorhaben verfügte.

Kostenentscheidung:

Kosten

69 Die Auslagen der deutschen und der norwegischen Regierung sowie der Kommission, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Beteiligten der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom High Court of Justice (England & Wales), Chancery Division, mit Beschluss vom 7. März 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Artikel 7 Absatz 2 der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken in der Fassung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2. Mai 1992 ist dahin auszulegen, dass sich der Inhaber einer Markte auf seine Rechte aus der Marke berufen kann, um einen Parallelimporteur am Umpacken von Arzneimitteln zu hindern, es sei denn, die Ausübung dieser Rechte trägt zur künstlichen Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten bei.

2. Ein Umpacken von Arzneimitteln in neue Packungen ist objektiv erforderlich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes, wenn ohne dieses Umpacken aufgrund des starken Widerstands eines nicht unerheblichen Teils der Verbraucher gegen mit Etiketten überklebte Arzneimittelpackungen von einem Hindernis für den tatsächlichen Zugang zum betreffenden Markt oder zu einem beträchtlichen Teil dieses Marktes auszugehen ist.

3. Der Parallelimporteur muss in jedem Fall die Voraussetzung der vorherigen Unterrichtung beachten, um zum Umpacken der mit einer Marke versehenen Arzneimittel berechtigt zu sein. Beachtet der Parallelimporteur diese Voraussetzung nicht, so kann sich der Markeninhaber der Vermarktung des umgepackten Arzneimittels widersetzen. Es ist Sache des Parallelimporteurs selbst, den Markeninhaber von dem beabsichtigten Umpacken zu unterrichten. Im Streitfall ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu prüfen, ob der Markeninhaber über eine angemessene Frist zur Reaktion auf das Umpackvorhaben verfügte.

Ende der Entscheidung

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