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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 05.06.2003
Aktenzeichen: C-145/01
Rechtsgebiete: Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen, Richtlinie 98/50/EG, G Nr. 428 vom 29. Dezember 1990


Vorschriften:

Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen Art. 3
Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen Art. 4
Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998
G Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 mit Bestimmungen über die Erfüllung der Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften (Gemeinschaftsgesetz für 1990) (Italien ) Art. 47
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 5. Juni 2003. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Italienische Republik. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Keine ordnungsgemäße Aufforderung zur Äußerung - Unzulässigkeit der Klage. - Rechtssache C-145/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-145/01

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch A. Aresu als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch U. Leanza als Bevollmächtigten im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

"wegen Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26), insbesondere aus deren Artikeln 3 und 4, verstoßen hat, dass sie Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 mit Bestimmungen über die Erfuellung der Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften (Gemeinschaftsgesetz für 1990) (GURI Nr. 10 vom 12. Januar 1991, supplemento ordinario, S. 5) aufrechterhalten hat, nach denen

- die Regelung über den automatischen Übergang aller Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse vom Veräußerer auf den Erwerber nicht auf Unternehmen angewandt werden muss, über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt sind, wenn diese Unternehmen ihre Tätigkeit nach dem Übergang fortsetzen, und

- der Übergang des Personals und der Verbindlichkeiten aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen vom Veräußerer auf den Erwerber dann nicht vorgesehen ist, wenn festgestellt worden ist, dass sich das Unternehmen in einer "schwierigen wirtschaftlichen Lage" befindet,

erlässt

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-P. Puissochet (Berichterstatter) sowie der Richter R. Schintgen, C. Gulmann, der Richterin F. Macken und des Richters J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission hat mit Klageschrift, die am 29. März 2001 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 226 EG Klage erhoben auf Feststellung, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. L 61, S. 26), insbesondere aus deren Artikeln 3 und 4, verstoßen hat, dass sie Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 mit Bestimmungen über die Erfuellung der Verpflichtungen aus der Zugehörigkeit Italiens zu den Europäischen Gemeinschaften (Gemeinschaftsgesetz für 1990) (GURI Nr. 10 vom 12. Januar 1991, supplemento ordinario, S. 5, im Folgenden: Gesetz Nr. 428/1990) aufrechterhalten hat, nach denen

- die Regelung, dass alle Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse automatisch vom Veräußerer auf den Erwerber übergehen, nicht auf Unternehmen angewandt werden muss, über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt sind, wenn diese Unternehmen ihre Tätigkeit nach dem Übergang fortsetzen, und

- der Übergang des Personals und der Verbindlichkeiten aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen vom Veräußerer auf den Erwerber dann nicht vorgesehen ist, wenn festgestellt worden ist, dass sich das Unternehmen in einer "schwierigen wirtschaftlichen Lage" befindet.

Rechtlicher Rahmen

2 Die Richtlinie 77/187 in der Fassung, die zu dem Zeitpunkt galt, als die Kommission die Italienische Republik aufforderte, sich zu der angeblichen Vertragsverletzung zu äußern, also am 16. Juli 1997, bestimmte in Teil II mit der Überschrift "Wahrung der Ansprüche der Arbeitnehmer":

"Artikel 3

(1) Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs... bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber über.

Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer auch nach dem Übergang... neben dem Erwerber für Pflichten aus einem Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis einzustehen hat.

(2) Nach dem Übergang... erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen bis zu der Kündigung oder dem Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum Inkrafttreten oder bis zu der Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.

Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen begrenzen, sofern dieser nicht weniger als ein Jahr beträgt.

...

Artikel 4

(1) Der Übergang eines Unternehmens, Betriebes oder Betriebsteils als solcher stellt für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung steht jedoch etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.

..."

3 Die Richtlinie 77/187 wurde durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 201, S. 88) geändert. Gemäß Artikel 3 der Richtlinie 98/50 trat diese am 17. Juli 1998 in Kraft und war daher am 4. August 1999, dem Zeitpunkt, als die Kommission ihre mit Gründen versehene Stellungnahme zur angeblichen Vertragsverletzung abgab, anwendbar.

4 Die Richtlinie 98/50 hat insbesondere Artikel 3 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 77/187 geändert, der seither wie folgt lautet:

"Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum Zeitpunkt des Übergangs bestand."

5 Die Richtlinie 98/50 fügte auch einen Artikel 4a mit folgendem Wortlaut in die Richtlinie 77/187 ein:

"(1) Sofern die Mitgliedstaaten nichts anderes vorsehen, gelten die Artikel 3 und 4 nicht für Übergänge von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen, bei denen gegen den Veräußerer unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein von einer zuständigen Behörde ermächtigter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) ein Konkursverfahren oder ein entsprechendes Verfahren mit dem Ziel der Auflösung des Vermögens des Veräußerers eröffnet wurde.

(2) Wenn die Artikel 3 und 4 für einen Übergang während eines Insolvenzverfahrens gegen den Veräußerer (unabhängig davon, ob dieses Verfahren zur Auflösung seines Vermögens eingeleitet wurde) gelten und dieses Verfahren unter der Aufsicht einer zuständigen öffentlichen Stelle (worunter auch ein nach dem innerstaatlichen Recht bestimmter Insolvenzverwalter verstanden werden kann) steht, kann ein Mitgliedstaat vorsehen, dass

a) ungeachtet des Artikels 3 Absatz 1 die vor dem Übergang bzw. vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens fälligen Verbindlichkeiten des Veräußerers aufgrund von Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen nicht auf den Erwerber übergehen, sofern dieses Verfahren nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats einen Schutz gewährt, der dem von der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers vorgesehenen Schutz zumindest gleichwertig ist, und/oder

b) der Erwerber, der Veräußerer oder die seine Befugnisse ausübenden Personen auf der einen Seite und die Vertreter der Arbeitnehmer auf der anderen Seite Änderungen der Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer, insoweit das geltende Recht oder die geltende Praxis dies zulassen, vereinbaren können, die den Fortbestand des Unternehmens, Betriebes oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils sichern und dadurch der Erhaltung von Arbeitsplätzen dienen.

(3) Die Mitgliedstaaten können Absatz 2 Buchstabe b auf Übergänge anwenden, bei denen sich der Veräußerer nach dem einzelstaatlichen Recht in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage befindet, sofern das Bestehen einer solchen Notlage von einer zuständigen öffentlichen Stelle bescheinigt wird und die Möglichkeit einer gerichtlichen Aufsicht gegeben ist, falls das innerstaatliche Recht solche Bestimmungen am 17. Juli 1998 bereits enthält.

...

(4) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit Zahlungsunfähigkeitsverfahren nicht in missbräuchlicher Weise in Anspruch genommen werden, um den Arbeitnehmern die in dieser Richtlinie vorgesehenen Rechte vorzuenthalten."

6 Artikel 2112 des Codice civile (Zivilgesetzbuch, im Folgenden: ZGB) bestimmte in der für das Vorverfahren maßgeblichen Fassung Folgendes:

"Unternehmensübergang

1) Bei einem Unternehmensübergang wird das Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortgesetzt und der Arbeitnehmer behält alle sich daraus ergebenden Rechte.

2) Der Veräußerer und der Erwerber haften gesamtschuldnerisch für alle Forderungen, die dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Übergangs zustanden. Gemäß den Verfahren der Artikel 410 und 411 der Zivilprozessordnung kann der Arbeitnehmer einer Befreiung des Veräußerers von den Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis zustimmen.

3) Der Erwerber hat die in den Kollektivverträgen einschließlich der Betriebsvereinbarungen vorgesehenen wirtschaftlichen und normativen Maßnahmen, die zum Zeitpunkt des Übergangs in Kraft waren, bis zu deren Ablauf anzuwenden, sofern sie nicht durch andere auf das Unternehmen des Erwerbers anwendbare Kollektivverträge ersetzt werden.

4) Die Bestimmungen dieses Artikels finden auch im Fall des Nießbrauchs oder der Verpachtung des Unternehmens Anwendung."

7 Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428/1990, der Gegenstand des Vertragsverletzungsverfahrens ist, bestimmt:

"Beim Übergang von Unternehmen oder Produktionsstätten, bei denen das CIPI [Comitato di ministri per il coordinamento della politica industriale, interministerieller Ausschuss zur Koordinierung der Industriepolitik] eine Krise im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe c des Gesetzes Nr. 675 vom 12. August 1977 festgestellt hat, oder von Unternehmen, die sich im Konkurs befinden oder über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist, oder von Unternehmen, deren behördliche Zwangsabwicklung bekannt gemacht worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt worden sind, findet in Fällen, in denen die Fortsetzung der Tätigkeit nicht vorgesehen oder diese Tätigkeit eingestellt worden ist und die Konsultation im Sinne der vorstehenden Absätze zu einer Vereinbarung über die auch nur teilweise Erhaltung der Arbeitsplätze geführt hat, Artikel 2112 ZGB keine Anwendung auf Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis mit dem Erwerber fortgesetzt wird, es sei denn, dass die Vereinbarung günstigere Bedingungen vorsieht. In der genannten Vereinbarung kann auch vorgesehen werden, dass der Übergang nicht das überzählige Personal betrifft und dass dieses ganz oder teilweise im Dienst des Veräußerers verbleibt.

Die Arbeitnehmer, die vom Erwerber, Käufer oder neuen Betreiber nicht übernommen werden, sind bei den von diesen vorgenommenen Einstellungen ab dem Übergang ein Jahr lang oder für einen längeren Zeitraum, wenn die Kollektivverträge dies vorsehen, bevorrechtigt. Artikel 2112 ZGB ist auf die genannten Arbeitnehmer, die vom Erwerber, Käufer oder neuen Betreiber nach dem Übergang des Unternehmens eingestellt werden, nicht anwendbar."

Vorverfahren

8 Im Aufforderungsschreiben der Kommission an die Italienische Republik vom 16. Juli 1997 wird geltend gemacht, dass die Artikel 3 Absatz 1 und 4 Absatz 1 der Richtlinie 77/187 durch Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428/1990 nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden seien. Zur Unterstützung ihrer Analyse berief sich die Kommission insbesondere auf die Auslegung der Richtlinie 77/187 durch den Gerichtshof, nämlich in seinem Urteil vom 7. Dezember 1995 in der Rechtssache C-472/93 (Spano u. a., Slg. 1995, I-4321). Die Kommission führte weiter Folgendes aus:

"Im Übrigen legte die Kommission am 24. Februar 1997 einen geänderten Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 77/187/EWG (Dokument KOM[97] 60 endg.) vor. Dieser Vorschlag sieht vor, mehr Flexibilität bei Übergängen zuzulassen, die im Rahmen von Insolvenzverfahren erfolgen, was in gewisser Weise dem italienischen Recht entspricht. Jedoch möchte ich für alle Zwecke klarstellen, dass das italienische Gesetz selbst dann angepasst werden müsste, wenn die von der Kommission vorgeschlagene Änderung der Richtlinie vorgenommen würde. Die einfache Feststellung einer Krise durch eine Verwaltungsbehörde wird nicht vom Richtlinienvorschlag erfasst, da die geänderten Bestimmungen das Vorliegen eines Insolvenzverfahrens voraussetzen."

9 Nach Prüfung der Antwort Italiens vom 16. September 1997 gab die Kommission am 4. August 1999 eine mit Gründen versehene Stellungnahme ab, die zu folgendem Ergebnis kommt:

"... die Italienische Republik [hat] dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Richtlinie 77/187... und insbesondere aus deren Artikeln 3 und 4 verstoßen..., dass sie Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428 vom 29. Dezember 1990 aufrechterhalten hat, nach denen

a) die Regelung über den automatischen Übergang aller Arbeitsverträge oder Arbeitsverhältnisse vom Veräußerer auf den Erwerber nicht auf Unternehmen angewandt werden muss, über die ein gerichtlich bestätigter Vergleich zur Vermögensabtretung geschlossen worden ist oder die der außerordentlichen Verwaltung unterstellt sind, wenn diese Unternehmen ihre Tätigkeit nach dem Übergang fortsetzen;

b) der Übergang des Personals und der Verbindlichkeiten aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen vom Veräußerer auf den Erwerber dann nicht vorgesehen ist, wenn festgestellt worden ist, dass sich das Unternehmen "in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage" befindet.

Gemäß Artikel 226 Absatz 2 EG fordert die Kommission die Italienische Republik auf, innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser mit Gründen versehenen Stellungnahme die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um dieser nachzukommen."

10 In Nummer 4 der Begründung der mit Gründen versehenen Stellungnahme erinnert die Kommission an die im Aufforderungsschreiben genannte Rechtsprechung des Gerichtshofes und führt in Nummer 5 der genannten Begründung Folgendes aus:

"Die Kommission weist weiter darauf hin, dass die neue Richtlinie 98/50/EG zwar eine gewisse Flexibilität bei Übergängen von Unternehmen zulässt, die sich in Schwierigkeiten befinden, das italienische Recht aber doch nicht so weit angeglichen hat, dass es vollkommen mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist..."

11 Die mit Gründen versehene Stellungnahme enthält im weiteren Verlauf der Nummer 5 und in Nummer 6 eine Analyse zur Rechtfertigung dieses Ergebnisses in Bezug auf die Folgen der Einfügung von Artikel 4a in die Richtlinie 77/187 durch die Richtlinie 98/50.

Zur Zulässigkeit der Klage

12 Ohne förmlich eine prozesshindernde Einrede gemäß Artikel 91 der Verfahrensordnung zu erheben, macht die italienische Regierung in erster Linie geltend, dass die Klage unzulässig sei. Sie trägt vor, dass die Richtlinie 77/187 nach der Aufforderung zur Äußerung, aber vor der Zustellung der mit Gründen versehenen Stellungnahme durch die Richtlinie 98/50 wesentlich geändert worden sei, insbesondere was die Anwendung der Artikel 3 und 4 auf Übergänge betrifft, die anlässlich von Liquidationsverfahren, Insolvenzverfahren oder Verfahren zur Sanierung von sich in Schwierigkeiten befindenden Unternehmen erfolgten. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme habe die Kommission diese Änderungen jedoch berücksichtigt und die an die Italienische Republik gerichteten Rügen nicht zeitlich begrenzt. So sei der Inhalt der Rügen im Vergleich zum Inhalt des Aufforderungsschreibens, wenn nicht erweitert, so doch zumindest verändert worden.

13 Die Kommission erwidert, dass sie in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und dem Aufforderungsschreiben dieselben Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht vorgebracht habe. Es handele sich um die Verletzung der Artikel 3 und 4 der Richtlinie 77/187. Mit der Bezugnahme auf die Bestimmungen der Richtlinie 98/50 in der mit Gründen versehenen Stellungnahme und in der Klageschrift habe die Position der Kommission dadurch unterstrichen werden sollen, dass gezeigt worden sei, dass die Verstöße gegen die Richtlinie 77/187 durch das Inkrafttreten der Richtlinie 98/50 keineswegs weggefallen seien, sondern unverändert fortbestuenden. Im Übrigen sei es paradox, dass das Inkrafttreten einer Richtlinie zur Änderung einer früheren Richtlinie es einem Mitgliedstaat gestatten solle, weiterhin gegen die Bestimmungen der früheren Richtlinie zu verstoßen, obwohl ihr Sachgehalt von der Änderungsrichtlinie unberührt geblieben sei.

14 Diesem Vorbringen der Kommission kann hier nicht gefolgt werden.

15 Nach ständiger Rechtsprechung ist das Vorliegen einer Vertragsverletzung anhand der Lage zu beurteilen, in der sich der Mitgliedstaat bei Ablauf der Frist befand, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt wurde (siehe u. a. Urteile vom 27. November 1990 in der Rechtssache C-200/88, Kommission/Griechenland, Slg. 1990, I-4299, Randnr. 13, und vom 20. Juni 2002 in der Rechtssache C-299/01, Kommission/Luxemburg, Slg. 2002, I-5899, Randnr. 11). Gemäß Artikel 226 Absatz 2 EG kann die Kommission den Gerichtshof nicht mehr anrufen, wenn ein Mitgliedstaat die Vertragsverletzung vor Ablauf der Frist beendet hat.

16 Hier hat der Gerichtshof die Situation zu beurteilen, wie sie sich im Oktober 1999 darstellte, also zwei Monate nachdem der Italienischen Republik die mit Gründen versehene Stellungnahme zugestellt worden war. Zu diesem Zeitpunkt war die Richtlinie 98/50 jedoch bereits seit mehr als einem Jahr in Kraft getreten. Wie jedoch bereits in Randnummer 5 dieses Urteils erwähnt worden ist, ist durch diese Richtlinie ein Artikel 4a in die Richtlinie 77/187 eingefügt worden, der es einem Mitgliedstaat in gewissem Umfang und unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, die Bestimmungen der Artikel 3 und 4 der Richtlinie 77/187 nicht anzuwenden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Bestimmungen von Artikel 47 Absätze 5 und 6 des Gesetzes Nr. 428/1990, gegen die sich die Klage der Kommission richtet, zumindest teilweise den Fällen des genannten Artikels 4a entsprechen. Die mit Gründen versehene Stellungnahme enthält im Übrigen auch zwei komplette Nummern, die zeigen sollen, dass das Gesetz Nr. 428/1990 trotz der Einfügung von Artikel 4a weiterhin gegen die Artikel 3 und 4 der Richtlinie 77/187 verstößt (vgl. Randnrn. 10 und 11 dieses Urteils). Das Aufforderungsschreiben der Kommission vom Juli 1997 enthält dagegen keine Kriterien für die Prüfung dieses Gesetzes im Hinblick auf den noch gar nicht existierenden Artikel 4a der Richtlinie 77/187 und könnte im Übrigen auch keine solchen Kriterien enthalten. Die Kommission hat sich, wie in Randnummer 8 dieses Urteils ausgeführt worden ist, in dem genannten Schreiben darauf beschränkt, auf ihren geänderten Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 77/187 hinzuweisen, der übrigens nicht unverändert vom Rat übernommen wurde, als er die Richtlinie 98/50 erließ. Die italienischen Behörden, die im September 1997 unverzüglich auf das Aufforderungsschreiben der Kommission reagierten, konnten folglich im Laufe dieser Phase des Vorverfahrens Artikel 4a der Richtlinie 77/187 nicht für die Verteidigung der Italienischen Republik berücksichtigen, obwohl diese die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten abschwächende Vorschrift im Oktober 1999 beim Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzt worden war, bereits in Kraft war und sich auf die Beurteilung der Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften mit der Richtlinie hätte auswirken können.

17 Das Vorverfahren soll dem betroffenen Mitgliedstaat die Möglichkeit geben, seinen gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen nachzukommen oder seine Verteidigungsmittel gegenüber den Rügen der Kommission sachdienlich geltend zu machen (Urteil vom 2. Februar 1988 in der Rechtssache 293/85, Kommission/Belgien, Slg. 1988, 305, Randnr. 13, und Beschluss vom 11. Juli 1995 in der Rechtssache C-266/94, Kommission/Spanien, Slg. 1995, I-1975, Randnr. 16). Der ordnungsgemäße Ablauf des Vorverfahrens stellt somit eine durch den Vertrag vorgeschriebene wesentliche Garantie für den Schutz der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats dar. Nur wenn diese Garantie beachtet wird, kann der Gerichtshof im kontradiktorischen Verfahren entscheiden, ob der Mitgliedstaat tatsächlich gegen die Verpflichtungen verstoßen hat, deren Verletzung die Kommission geltend macht (Beschluss in der genannten Rechtssache Kommission/Spanien, Randnrn. 17 und 18). Insbesondere soll das Aufforderungsschreiben im Vorverfahren den Gegenstand des Rechtsstreits eingrenzen und dem Mitgliedstaat, der zur Äußerung aufgefordert wird, die notwendigen Angaben zur Vorbereitung seiner Verteidigung an die Hand geben.

18 Folglich sind die mit Gründen versehene Stellungnahme und die Anrufung des Gerichtshofes gemäß Artikel 226 Absatz 2 EG im Hinblick auf die Verteidigungsrechte nicht rechtmäßig, da sie sich auf andere als die im Aufforderungsschreiben genannten Normen des Gemeinschaftsrechts beziehen und die Änderung der Rechtslage sich auf die Beurteilung der Vereinbarkeit der streitigen nationalen Rechtsvorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht hätte auswirken können.

19 Nach alledem ist die Klage als unzulässig abzuweisen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Italienischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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