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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.04.1994
Aktenzeichen: C-150/93
Rechtsgebiete: EWG-Vertrag


Vorschriften:

EWG-Vertrag Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Für die Anwendung der Unterpositionen des Kapitels 42 der Kombinierten Nomenklatur sind Reiseartikel aus Zellkunststoff (PVC), innen mit Gewebe verstärkt, als Waren mit Aussenseite aus Kunststoff und nicht aus Spinnstoff anzusehen, wenn der Spinnstoff als blosse Unterlage dient. Als blosse Unterlage dienen ungemusterte, ungebleichte, gebleichte oder einheitlich gefärbte Spinnstoffwaren, wenn sie nur auf einer Seite von Zellkunststoffplatten, -blättern oder -streifen aufgebracht sind.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (VIERTE KAMMER) VOM 12. APRIL 1994. - DIRECTEUR GENERAL DES DOUANES ET DROITS INDIRECTS GEGEN SOCIETE SUPERIOR FRANCE SA UND DANZAS SA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COUR D'APPEL DE PARIS - FRANKREICH. - GEMEINSAMER ZOLLTARIF - KAPITEL 42 - REISEARTIKEL MIT AUSSENSEITE AUS KUNSTSTOFF, INNEN VERSTAERKT MIT SPINNSTOFF - EINFACHE UNTERLAGE. - RECHTSSACHE C-150/93.

Entscheidungsgründe:

1 Die Cour d' appel Paris hat mit Urteil vom 18. Januar 1993, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 1993, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung bestimmter Unterpositionen des Kapitels 42 des Anhangs I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1, im folgenden: GZT) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Zwischen dem 20. Oktober 1988 und dem 6. März 1989 kontrollierten die französischen Zollbehörden bestimmte Einfuhren von Reiseartikeln, insbesondere von Aktenkoffern, Taschen und Koffern. Diese Einfuhren, die die Firma Superior SA France mittels der Firma Danzas als Zollspediteur zwischen dem 22. Januar 1988 und dem 16. Dezember 1988 durchführte, betrafen Waren aus Südkorea, Taiwan und Bulgarien. Die Waren waren für die Unterpositionen 4202 12 91, 4202 12 99 und 4202 92 91 des GZT angemeldet worden, nach denen Zoll zum Zollsatz von 5,1 % zu entrichten war.

3 Die Zollbehörden stellten fest, daß es sich bei den überprüften Erzeugnissen um Gepäck aus Zellkunststoff (PVC) handelte, der innen durch ein Gewebe (Viskose-Polyester, Baumwolle-Polyester) oder ein Gewirke (Baumwolle) verstärkt war; den Spinnstoff sahen sie im Hinblick auf die Tarifierung als blosse Unterlage an. Die Waren fielen danach unter die Tarifpositionen für Artikel mit Aussenseite aus Kunststoffolien, und zwar die Unterpositionen 4202 22 10, 4202 12 19 und 4202 12 11, und unterlagen einem Zollsatz von 12 %.

4 Die mit dem Berufungsverfahren befasste Cour d' appel Paris hat den Gerichtshof mit Urteil vom 18. Januar 1993 um Entscheidung über folgende Frage ersucht:

Fallen nach der Anmerkung 2 a 5 zu Kapitel 59 und der Anmerkung 3 c zu Kapitel 56 die zwischen dem 22. Januar und dem 16. Dezember 1988 eingeführten Reiseartikel aus Zellkunststoff (PVC), innen mit Gewebe (Viskose-Polyester, Baumwolle-Polyester oder Baumwolle) verstärkt, unter die Tarifpositionen 4202 22 10, 4202 92 91 oder 4201 12 11, und welcher Tarif war im maßgeblichen Zeitraum anwendbar?

5 Vorab ist darauf hinzuweisen, daß die Frage im Hinblick auf die letztgenannte Position, wie sich aus den in den Akten enthaltenen Angaben ergibt, einen Schreibfehler enthält. Diese Position muß richtig 4202 12 11 heissen.

6 Mit seiner Frage möchte das nationale Gericht im wesentlichen wissen, ob für die Anwendung der Unterpositionen des Kapitels 42 des GZT Reiseartikel aus Zellkunststoff (PVC), innen mit Gewebe verstärkt, als Waren mit Aussenseite aus Kunststoff oder aber als solche mit Aussenseite aus Spinnstoff anzusehen sind.

7 Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten die Grundsätze, die in den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur in Titel I des Anhangs I des GZT festgelegt sind.

8 In der Allgemeinen Vorschrift 2 b heisst es: "Jede Anführung eines Stoffes in einer Position gilt für diesen Stoff sowohl in reinem Zustand als auch gemischt oder in Verbindung mit anderen Stoffen.... Solche Mischungen oder aus mehr als einem Stoff bestehende Waren werden nach den Grundsätzen der Allgemeinen Vorschrift 3 eingereiht."

9 Die Allgemeine Vorschrift 3 b sieht vor, daß "Mischungen [und] Waren, die aus verschiedenen Stoffen... bestehen... nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht [werden], der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann".

10 Anhand dieser Kriterien ist festzustellen, ob der Stoff, der den Reiseartikeln ihren wesentlichen Charakter verleiht, der Kunststoff oder der Spinnstoff ist (vgl. Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 253/87, Sportex, Slg. 1988, 3351, Randnr. 8).

11 Aus den Erläuterungen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens zum Harmonisierten System (im folgenden: Erläuterungen) - insbesondere den Erläuterungen zu den Kapiteln 39 und 40 des GZT - sowie den Anmerkungen 2 a 5 zu Kapitel 59 und 3 c zu Kapitel 56 des GZT, die zur Auslegung der Positionen des GZT heranzuziehen sind, geht hervor, daß dann, wenn eine Ware aus Kunststoff in Verbindung mit einem als einfache Unterlage bzw. Verstärkung dienenden Spinnstoff hergestellt ist, die Verwendung des Gewebes ohne Einfluß auf die Tarifierung ist.

12 Im Rahmen des GZT ist somit danach zu unterscheiden, ob der Spinnstoffbestandteil eine einfache Unterlage bzw. Verstärkung des Kunststoffes ist oder nicht.

13 Der Begriff der "Unterlage" ist in den Erläuterungen zu Kapitel 40 des GZT definiert, die ähnliche Zusammensetzungen aus Kautschuk und Spinnstoff betreffen. Nach diesen Erläuterungen sind als einfache Unterlage ungemusterte, ungebleichte, gebleichte oder einheitlich gefärbte Spinnstoffwaren anzusehen, wenn sie nur auf einer Seite von Zellkautschukplatten, -blättern oder -streifen aufgebracht sind.

14 Nach diesen objektiven Kriterien lässt sich auch im Hinblick auf die Anwendung des Kapitels 42 bestimmen, ob die Aussenseite der Reiseartikel aus Kunststoff oder aus Spinnstoff besteht.

15 Auf die vom vorlegenden Gericht gestellte Frage ist daher zu antworten, daß für die Anwendung der Unterpositionen des Kapitels 42 des GZT Reiseartikel aus Zellkunststoff (PVC), innen mit Gewebe verstärkt, als Waren mit Aussenseite aus Kunststoff und nicht aus Spinnstoff anzusehen sind, wenn der Spinnstoff als blosse Unterlage dient. Als blosse Unterlage dienen ungemusterte, ungebleichte, gebleichte oder einheitlich gefärbte Spinnstoffwaren, wenn sie nur auf einer Seite von Zellkunststoffplatten, -blättern oder -streifen aufgebracht sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

16 Die Auslagen der französischen Regierung und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

auf die ihm von der Cour d' appel Paris mit Urteil vom 18. Januar 1993 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Für die Anwendung der Unterpositionen des Kapitels 42 des GZT sind Reiseartikel aus Zellkunststoff (PVC), innen mit Gewebe verstärkt, als Waren mit Aussenseite aus Kunststoff und nicht aus Spinnstoff anzusehen, wenn der Spinnstoff als blosse Unterlage dient. Als blosse Unterlage dienen ungemusterte, ungebleichte, gebleichte oder einheitlich gefärbte Spinnstoffwaren, wenn sie nur auf einer Seite von Zellkunststoffplatten, -blättern oder -streifen aufgebracht sind.

Ende der Entscheidung

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