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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.06.1997
Aktenzeichen: C-151/96
Rechtsgebiete: EG-Vertrag, Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 vom 29. Juni 1970, Richtlinie 75/34/EWG vom 17. Dezember 1974


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 6
EG-Vertrag Art. 48
EG-Vertrag Art. 52
EG-Vertrag Art. 58
Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 vom 29. Juni 1970 Art. 7
Richtlinie 75/34/EWG vom 17. Dezember 1974 Art. 7
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Mitgliedstaat, der Rechts- und Verwaltungsvorschriften beibehält, die das Recht auf Eintragung von Schiffen, mit Ausnahme von Fischereifahrzeugen, im nationalen Register auf Schiffe beschränken, die ganz oder teilweise der Regierung, einem Staatsminister, einem Angehörigen dieses Staates oder einer juristischen Person nationalen Rechts gehören, verstösst gegen die ihm nach dem Gemeinschaftsrecht obliegenden Verpflichtungen.

Was insbesondere Schiffe angeht, die im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, verstossen solche Rechtsvorschriften gegen Artikel 52 des Vertrages, da sie deren Eintragung von einer Bedingung abhängig machen, nach der die natürlichen Personen, die Eigentümer oder Charterer eines Schiffes sind, oder im Falle einer Gesellschaft die Anteilseigner und Geschäftsführer eine bestimmte Staatsangehörigkeit besitzen müssen. Ferner verstösst es gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages, daß nach diesen Rechtsvorschriften juristische Personen, die Schiffseigner sind, nach nationalem Recht errichtet worden sein, den nationalen Rechtsvorschriften unterliegen und den Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in diesem Mitgliedstaat haben müssen, so daß die Registrierung oder die Führung eines Schiffes im Falle einer Zweitniederlassung wie einer Agentur, einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft ausgeschlossen ist.

Bei Schiffen, die nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, fällt die Registrierung im Aufnahmemitgliedstaat durch einen Angehörigen eines anderen Mitgliedstaats unter die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizuegigkeit, und solche Rechtsvorschriften verstossen dadurch, daß sie das Recht auf Registrierung eines Wasserfahrzeugs für Sport- und Freizeitzwecke Inländern vorbehalten, die Eigentümer des Fahrzeugs sind, gegen die Artikel 6, 48 und 52 des Vertrages sowie gegen Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben, und gegen Artikel 7 der Richtlinie 75/34 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 12. Juni 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Irland. - Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Registrierung von Schiffen mit Ausnahme von Fischereifahrzeugen - Staatsangehörigkeitserfordernis für Eigner. - Rechtssache C-151/96.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Klageschrift, die am 6. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 169 EG-Vertrag Klage erhoben auf Feststellung, daß Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52 und 58 EG-Vertrag, aus Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. L 142, S. 24), und aus Artikel 7 der Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben (ABl. 1975, L 14, S. 10), verstossen hat, daß es Rechts- und Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht auf Eintragung von Schiffen, mit Ausnahme von Fischereifahrzeugen, im nationalen irischen Register auf Schiffe beschränken, die ganz oder teilweise der Regierung, einem Staatsminister, einem irischen Staatsangehörigen oder einer juristischen Person irischen Rechts gehören.

2 In Section 2 des Irish Mercantile Marine Act 1955 (Gesetz über die Handelsmarine) heisst es u. a.:

"(1) Im Sinne dieses Gesetzes:

...

ist "juristische Person des irischen Rechts" eine juristische Person, die nach dem Recht dieses Staates errichtet worden ist, dessen Rechtsvorschriften unterliegt und den Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in diesem Staat hat..."

3 Section 9 des Gesetzes über die Handelsmarine lautet:

"Folgende Schiffe werden als irische Schiffe angesehen, haben vorbehaltlich Section 18 (3) dieses Gesetzes das Recht zum Führen der irischen Flagge und gelten als inländische Schiffe:

(a) Schiffe im Staatseigentum,

(b) Schiffe, die vollständig Personen, die Staatsangehörige Irlands sind (im folgenden: irische Staatsangehörige), oder irischen juristischen Personen gehören und nicht nach dem Recht eines anderen Staates registriert sind,

(c) andere Schiffe, die nach diesem Gesetz registriert sind oder als registriert gelten."

4 Section 16 des Gesetzes über die Handelsmarine lautet:

"Vorbehaltlich Section 19 dieses Gesetzes, die Staaten betrifft, die einander Gegenseitigkeit verbürgen, können Eigentümer eines registrierten Schiffes oder an einem solchen beteiligt nur sein:

(a) die Regierung,

(b) ein Staatsminister,

(c) ein irischer Staatsangehöriger,

(d) eine irische juristische Person."

5 In ihren Rügen unterscheidet die Kommission danach, ob die Schiffe ein Mittel zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit sind oder nicht.

6 Im ersten Fall enthalten die Sections 9 und 16 des Gesetzes über die Handelsmarine nach Ansicht der Kommission eine gegen Artikel 52 des Vertrages verstossende Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, da sie das Recht auf Eintragung im irischen Register und auf Führung der irischen Flagge auf Schiffe beschränkten, die ganz oder teilweise der Regierung, einem Staatsminister, einem irischen Staatsangehörigen oder einer juristischen Person irischen Rechts gehören. Dies gelte auch für das in Section 2 in Verbindung mit Section 9 dieses Gesetzes geregelte Erfordernis, daß Gesellschaften nur dann Eigner in Irland registrierter Schiffe sein könnten, wenn sie nach irischem Recht errichtet worden sind, irischem Recht unterliegen und den Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in Irland haben. Die Kommission nimmt insoweit auf die Urteile vom 25. Juli 1991 in der Rechtssache C-221/89 (Factortame u. a., Slg. 1991, I-3905), vom 4. Oktober 1991 in der Rechtssache C-93/89 (Kommission/Irland, Slg. 1991, I-4569), in der Rechtssache C-246/89 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1991, I-4585) und vom 7. März 1996 in der Rechtssache C-334/94 (Kommission/Frankreich, Slg. 1996, I-1307) Bezug.

7 Zudem beschränkt nach Meinung der Kommission das sich aus Section 2 in Verbindung mit Section 9 des Gesetzes über die Handelsmarine ergebende Erfordernis die Niederlassungsfreiheit der Gesellschaften, die die Voraussetzungen von Artikel 58 des Vertrages erfuellen. Das Vorbringen, die Registrierung sei für die Ausübung des Niederlassungsrechts nicht erforderlich, sei in Randnummer 25 des erwähnten Urteils Factortame u. a. ausdrücklich zurückgewiesen worden.

8 Im Hinblick auf Schiffe, die nicht der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit dienen, führt die Kommission aus, daß die Registrierung eines für Sport- und Freizeitzwecke bestimmten Wasserfahrzeugs zwar nicht die Beschäftigungsbedingungen im eigentlichen Sinne betreffe, die Möglichkeit für die Gemeinschaftsangehörigen, im Aufnahmemitgliedstaat Freizeitbeschäftigungen nachzugehen, aber eine Folgeerscheinung ihres Rechts auf Freizuegigkeit nach Artikel 48 und 52 des Vertrages sei, die jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit untersagten. Gemäß den Artikeln 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und der Richtlinie 75/34 gelte das gleiche für Personen, die berechtigt seien, nach Beendigung einer Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben. Dies ergebe sich aus den Randnummern 20 bis 23 des erwähnten Urteils Kommission/Frankreich.

9 Irland räumt ein, daß es die Registrierung von Handelsschiffen und Wasserfahrzeugen für Sport- und Freizeitzwecke zulassen müsse, die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten oder juristischen Personen gehörten, die nach dem Recht anderer Mitgliedstaaten errichtet worden seien, deren Rechtsvorschriften unterlägen und den Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in einem Mitgliedstaat hätten. Beim gegenwärtigen Stand des irischen Rechts könne sich ein Gemeinschaftsangehöriger jedoch in Irland niederlassen und von diesem Staat aus ein in einem anderen Mitgliedstaat registriertes Schiff einsetzen; er habe das gleiche Recht auf Zugang zu den irischen Häfen wie ein irischer Staatsangehöriger, der Eigner eines in Irland registrierten Schiffes sei. Jedenfalls werde zur Zeit an einer Änderung des geltenden Rechts gearbeitet.

10 Zur Zulässigkeit der Klage, die von Irland im übrigen nicht in Abrede gestellt wird, ist festzustellen, daß die Kommission den Vorwurf, die irischen Vorschriften verstießen gegen die Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und der Richtlinie 75/34 erst in ihren mit Gründen versehenen Stellungnahmen erhoben hat. Wie der Generalanwalt in Nummer 4 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ging jedoch aus den Aufforderungsschreiben hinreichend deutlich hervor, daß Irland vorgeworfen wurde, durch die Beibehaltung bestimmter Vorschriften des Gesetzes über die Handelsmarine, die nicht mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über die Freizuegigkeit vereinbar seien, gegen den Vertrag verstossen zu haben. Diesen Schreiben konnte die irische Regierung also entnehmen, welche Vorwürfe gegen sie erhoben wurden, so daß sie die Möglichkeit hatte, sich dagegen zu verteidigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. September 1996 in der Rechtssache C-289/94, Kommission/Italien, Slg. 1996, I-4405, Randnr. 17). Die vorliegende Klage ist daher zulässig, soweit sie sich auf einen Verstoß gegen die Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und der Richtlinie 75/34 bezieht.

11 Zur Begründetheit genügt die Feststellung, daß der Gerichtshof bereits in dem erwähnten Urteil Kommission/Frankreich geprüft hat, ob Rechtsvorschriften, die mit den in Rede stehenden irischen Rechtsvorschriften vergleichbar sind, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind.

12 Bezueglich der im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzten Schiffe hat der Gerichtshof ausgeführt, daß jeder Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner Befugnis zur Festlegung der Bedingungen, unter denen er einem Schiff seine "Staatszugehörigkeit" gewährt, das Verbot der Diskriminierung von Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit zu beachten hat und daß Artikel 52 des Vertrages einer Bedingung entgegensteht, nach der die natürlichen Personen, die Eigentümer oder Charterer eines Schiffes sind, oder im Falle einer Gesellschaft die Anteilseigner und Geschäftsführer eine bestimmte Staatsangehörigkeit besitzen müssen (Urteil Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 14, unter Bezugnahme auf das Urteil Factortame u. a., a. a. O., Randnrn. 29 und 30). Ferner verstösst es gegen die Artikel 52 und 58 des Vertrages, daß nach der irischen Regelung juristische Personen, die Schiffseigner sind, nach irischem Recht errichtet worden sein, den irischen Rechtsvorschriften unterliegen und den Mittelpunkt ihrer Geschäftstätigkeit in Irland haben müssen, so daß die Registrierung oder die Führung eines Schiffes im Falle einer Zweitniederlassung wie einer Agentur, einer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft ausgeschlossen ist (Urteil Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 19).

13 Wie der Gerichtshof in dem erwähnten Urteil Kommission/Frankreich im Hinblick auf Schiffe ausgeführt hat, die nicht im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzt werden, gewährleistet das Gemeinschaftsrecht dem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats sowohl die Freiheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, um dort einer selbständigen oder nichtselbständigen Tätigkeit nachzugehen, als auch die Freiheit, dort zu wohnen, nachdem er dort eine solche Tätigkeit ausgeuebt hat. Daher stellt der Zugang zu den in diesem Staat gebotenen Freizeitbeschäftigungen eine Folgeerscheinung der Freizuegigkeit dar (Randnr. 21).

14 Somit fällt die Registrierung eines Schiffes, das für Sport- und Freizeitzwecke bestimmt ist, im Aufnahmemitgliedstaat durch einen solchen Staatsangehörigen unter die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Freizuegigkeit (Urteil Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 22).

15 Daher verstösst die irische Regelung, die das Recht auf Registrierung eines Wasserfahrzeugs für Sport- und Freizeitzwecke in Irland Inländern vorbehält, die Eigentümer des Fahrzeugs sind, gegen die Artikel 6, 48 und 52 EG-Vertrag sowie gegen die Artikel 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und der Richtlinie 75/34 (Urteil Kommission/Frankreich, a. a. O., Randnr. 23).

16 Daher ist festzustellen, daß Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52 und 58 des Vertrages sowie aus den Artikeln 7 der Verordnung Nr. 1251/70 und der Richtlinie 75/34 verstossen hat, daß es Rechts- und Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht auf Eintragung von Schiffen, mit Ausnahme von Fischereifahrzeugen, im nationalen irischen Register auf Schiffe beschränken, die ganz oder teilweise der Regierung, einem Staatsminister, einem irischen Staatsangehörigen oder einer juristischen Person irischen Rechts gehören.

Kostenentscheidung:

Kosten

17 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da Irland mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus den Artikeln 6, 48, 52 und 58 EG-Vertrag, aus Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 1251/70 der Kommission vom 29. Juni 1970 über das Recht der Arbeitnehmer, nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben und aus Artikel 7 der Richtlinie 75/34/EWG des Rates vom 17. Dezember 1974 über das Recht der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats, nach Beendigung der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats zu verbleiben, verstossen, daß es Rechts- und Verwaltungsvorschriften beibehalten hat, die das Recht auf Eintragung von Schiffen, mit Ausnahme von Fischereifahrzeugen, im nationalen irischen Register auf Schiffe beschränken, die ganz oder teilweise der Regierung, einem Staatsminister, einem irischen Staatsangehörigen oder einer juristischen Person irischen Rechts gehören.

2. Irland trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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