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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 18.11.1999
Aktenzeichen: C-151/98 P
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2377/90/EWG


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2377/90/EWG
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Aus dem Wortlaut, dem Kontext und den Zielen von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Hoechstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs folgt, daß diese Bestimmung nicht genau festlegt, innerhalb welcher Frist die Kommission dem Rat die zu treffenden Maßnahmen vorschlagen muß. Vielmehr gebietet der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Verwendung des Ausdrucks "unverzueglich" der Kommission zwar ein zuegiges Handeln, lässt ihr jedoch einen gewissen Spielraum.

Ausserdem ist der Kommission bei der Befassung mit einer komplexen und delikaten Angelegenheit das Recht, eine zusätzliche Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel einzuholen, auch dann zuzugestehen, wenn die Verordnung Nr. 2377/90 zu diesem Punkt schweigt.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 18. November 1999. - Pharos SA gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Rechtsmittel - Tierarzneimittel - Somatosalm - Verfahren zur Festsetzung von Höchstmengen an Rückständen - Regelungsausschuß - Fehlende Stellungnahme - Frist für die Befassung des Rates. - Rechtssache C-151/98 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Pharos SA (Klägerin und Rechtsmittelführerin) hat mit Schriftsatz, der am 17. April 1998 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 1998 in der Rechtssache T-105/96 (Pharos/Kommission, Slg. 1998, II-285; im folgenden: angefochtenes Urteil) eingelegt. Mit dem genannten Urteil hat das Gericht zum einen den Antrag der Klägerin, festzustellen, daß die Kommission rechtswidrig nicht das Verfahren fortgesetzt hat, durch das das von der Klägerin hergestellte Somatosalm in das Verzeichnis der Stoffe, für die keine Hoechstmengen für Rückstände gelten, nach Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 des Rates vom 26. Juni 1990 zur Schaffung eines Gemeinschaftsverfahrens für die Festsetzung von Hoechstmengen für Tierarzneimittelrückstände in Nahrungsmitteln tierischen Ursprungs (ABl. L 224, S. 1) aufgenommen werden sollte, für erledigt erklärt und zum anderen den Antrag als unbegründet zurückgewiesen, die Kommission zu verurteilen, der Klägerin den ihr durch diese Unterlassung angeblich entstandenen Schaden zu ersetzen.

2 Die Fédération européenne de la santé animale (Fedesa) hat beantragt, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin zugelassen zu werden. Mit Beschluß vom 28. September 1998 hat der Präsident des Gerichtshofes diese Streithilfe zugelassen.

Rechtlicher Rahmen

3 Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 definiert Hoechstmengen von Rückständen als die "Hoechstkonzentration von Rückständen aus der Verwendung von Tierarzneimitteln, bei der die Gemeinschaft akzeptieren kann, daß sie legal zugelassen wird, oder die als eine in oder auf einem Nahrungsmittel annehmbare Konzentration anerkannt wird".

4 In den Randnummern 3 bis 9 des angefochtenes Urteils hat das Gericht die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 2377/90 wie folgt beschrieben:

"3 Die Verordnung sieht die Schaffung von vier Anhängen vor, in die ein pharmakologisch wirksamer Stoff aufgenommen werden kann, der in Tierarzneimitteln verwendet werden soll, die für die Verabreichung an "zur Nahrungsmittelerzeugung genutzte Tiere" bestimmt sind:

- In Anhang I sind die Stoffe aufzuführen, für die nach einer Beurteilung ihrer Risiken für die menschliche Gesundheit eine Hoechstmenge von Rückständen festgelegt werden kann.

- In Anhang II sind die Stoffe aufzuführen, für die keine Hoechstmenge von Rückständen gilt.

- In Anhang III sind die Stoffe aufzuführen, für die die endgültige Festlegung einer Hoechstmenge von Rückständen nicht möglich ist, für die jedoch für einen bestimmten Zeitraum ohne Gefährdung der menschlichen Gesundheit eine vorläufige Hoechstmenge von Rückständen festgelegt werden kann; der genannte Zeitraum richtet sich danach, wieviel Zeit für die Durchführung der geeigneten wissenschaftlichen Untersuchungen erforderlich ist, und kann nur einmal verlängert werden.

- In Anhang IV sind die Stoffe aufzuführen, für die keine Hoechstmenge von Rückständen festgelegt werden kann, da diese Stoffe ohne Rücksicht auf ihre Konzentration eine Gefahr für die Gesundheit des Verbrauchers darstellen.

4 Nach Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung muß der für die Vermarktung eines neuen pharmakologisch wirksamen Stoffes Verantwortliche, der die Aufnahme dieses Stoffes in Anhang I, II oder III begehrt, bei der Kommission einen entsprechenden Antrag stellen, der bestimmte Angaben und Einzelheiten enthalten muß.

5 Nach Artikel 6 Absatz 2 leitet die Kommission den Antrag nach der innerhalb von 30 Tagen vorzunehmenden Formalprüfung unverzueglich zur sachlichen Prüfung an den Ausschuß für Tierarzneimittel weiter.

6 Artikel 6 Absatz 3 bestimmt:

"Die Kommission erstellt innerhalb von 120 Tagen nach der Weiterleitung des Antrags an den Ausschuß für Tierarzneimittel und unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Mitglieder des Ausschusses einen Entwurf der zu ergreifenden Maßnahmen. Reichen die von dem für die Vermarktung Verantwortlichen übermittelten Angaben zur Ausarbeitung eines solchen Entwurfs nicht aus, so wird der Antragsteller aufgefordert, zusätzliche Angaben zwecks Prüfung durch den Ausschuß beizubringen..."

7 Nach Artikel 6 Absatz 5 legt die Kommission den Entwurf der Maßnahmen innerhalb einer weiteren Frist von 60 Tagen dem Ausschuß für die Anpassung der Richtlinien über Tierarzneimittel an den technischen Fortschritt (im folgenden: Regelungsausschuß) vor.

8 Nach Artikel 8 Absatz 2 nimmt der Regelungsausschuß zu dem Maßnahmenentwurf binnen einer Frist Stellung, die sein Vorsitzender entsprechend der Dringlichkeit der Angelegenheit festsetzen kann. Die Stellungnahme kommt mit qualifizierter Mehrheit zustande, wobei die Stimmen der Mitgliedstaaten nach Artikel 148 Absatz 2 des Vertrages gewogen werden.

9 Artikel 8 Absatz 3 lautet:

"a) Die Kommission erlässt die geplanten Maßnahmen, wenn sie der Stellungnahme des [Regelungs-]Ausschusses entsprechen.

b) Entsprechen die geplanten Maßnahmen der Stellungnahme des Ausschusses nicht oder ist keine Stellungnahme ergangen, so schlägt die Kommission dem Rat unverzueglich die zu treffenden Maßnahmen vor. Der Rat beschließt mit qualifizierter Mehrheit.

c) Hat der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten nach seiner Befassung keinen Beschluß gefasst, so werden die vorgeschlagenen Maßnahmen von der Kommission erlassen, es sei denn, daß sich der Rat mit einfacher Mehrheit gegen diese Maßnahmen ausgesprochen hat."

Sachverhalt und Verfahren vor dem Gericht

5 Der Sachverhalt ist im angefochtenen Urteil wie folgt dargestellt worden:

"10 Die Klägerin ist eine auf Biotechnologie spezialisierte Gesellschaft. Sie ist insbesondere auf dem pharmazeutischen Sektor tätig.

11 Ihre pharmazeutische Forschungstätigkeit führte 1994 zur Entwicklung eines Tierarzneimittels namens "Smoltine", das bei Lachsen den Wechsel aus dem Süßwasser ins Salzwasser erleichtern soll. Der pharmakologisch wirksame Stoff von Smoltine ist Somatosalm, der zur Gattung der Somatotropine gehört.

12 Am 17. Oktober 1994 reichte die Klägerin einen Antrag auf Aufnahme von Somatosalm in Anhang II der Verordnung Nr. 2377/90 (im folgenden: Anhang II) ein.

13 Nach Formalprüfung des Antrags leitete die Kommission diesen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2377/90 zur sachlichen Prüfung an den Ausschuß für Tierarzneimittel weiter.

14 Mit Schreiben vom 13. April 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß der Ausschuß für Tierarzneimittel ihr empfohlen habe, Somatosalm in Anhang II aufzunehmen. Ausserdem werde dem Regelungsausschuß gemäß Artikel 8 der Verordnung Nr. 2377/90 ein auf dem Vorschlag des Ausschusses für Tierarzneimittel beruhender Entwurf der zu treffenden Maßnahme übersandt.

15 Mit Schreiben vom 31. August 1995 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie dem Regelungsausschuß den Entwurf einer Verordnung vorgelegt habe, nach dem Somatosalm in Anhang II aufgenommen werde; auf der Sitzung dieses Ausschusses habe sie jedoch Somatosalm in diesem Entwurf wieder gestrichen.

16 Am 16. Oktober 1995 unterbreitete die Kommission dem Regelungsausschuß einen neuen Verordnungsentwurf, wonach Somatosalm in Anhang II aufgenommen werden sollte. Den in diesem Entwurf vorgeschlagenen Maßnahmen stimmte der Regelungsausschuß jedoch nicht mit qualifizierter Mehrheit zu.

17 Vier Mitgliedstaaten lehnten nämlich die vorgeschlagenen Maßnahmen ab, da sie der Auffassung waren, daß die mit der Entscheidung 90/218/EWG des Rates vom 25. April 1990 über die Verabreichung von Rindersomatotropin (BST) (ABl. L 116, S. 27), zuletzt geändert durch die Entscheidung 94/936/EG des Rates vom 20. Dezember 1994 (ABl. L 366, S. 19), getroffene Stillhaltevereinbarung bezueglich Rindersomatotropin mittelbar in Frage gestellt würde, wenn Somatosalm, das ebenfalls ein Somatotropin sei, in einen der Anhänge der Verordnung Nr. 2377/90 eingereiht würde. Im übrigen enthielten sich bei der fraglichen Abstimmung sechs Mitgliedstaaten der Stimme.

18 Mit Einschreiben vom 6. März 1996 forderte die Klägerin die Kommission ausdrücklich auf, tätig zu werden und "im Einklang mit Artikel 175 des Vertrages die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit das Verfahren zur Aufnahme von Somatosalm in... Anhang II... unverzueglich fortgesetzt wird".

19 Mit Schreiben vom 23. April 1996 unterrichtete die Kommission den Ausschuß für Tierarzneimittel über ihre Entscheidung, die Einreihung von Somatosalm in Anhang II bis zum Vorliegen weiterer wissenschaftlicher Erkenntnisse auszusetzen. Sie legte dar, Somatosalm sei im Regelungsausschuß auf Widerstand gestossen, da dieser Stoff als Wachstumsförderungsmittel eingesetzt werden könnte. Sie habe den Ausschuß für Tierarzneimittel daher um eine zusätzliche Stellungnahme zu der Frage ersucht, ob eine mißbräuchliche Verwendung dieses Erzeugnisses möglich sei.

20 Mit Schreiben vom 14. Mai 1996 teilte die Kommission der Klägerin mit, daß sie beschlossen habe, vor einer Fortsetzung des Verfahrens zur Einreihung von Somatosalm in einen der Anhänge der Verordnung Nr. 2377/90 diese zusätzliche Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel einzuholen.

21 Mit Schreiben vom 27. Juni 1996 antwortete der Ausschuß für Tierarzneimittel auf das Ersuchen um eine zusätzliche Stellungnahme, er sei aufgrund einer spezifischen Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, daß die Gefahr einer betrügerischen Verwendung von Somatosalm als Wachstumsförderungsmittel als inexistent angesehen werden könne.

22 Auf diese Antwort hin übermittelte die Kommission dem Rat am 25. September 1996 einen neuen Vorschlag für eine Verordnung, mit der Somatosalm in den Anhang II aufgenommen werden sollte.

23 Der Rat entschied über diesen Vorschlag nicht innerhalb der in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2377/90 vorgesehenen Dreimonatsfrist."

6 Daraufhin erhob die Klägerin am 8. Juli 1996 Klage auf Feststellung, daß die Kommission rechtswidrig nicht das Verfahren fortgesetzt hat, durch das das von ihr hergestellte Somatosalm in das Verzeichnis der Stoffe, für die keine Hoechstmengen für Rückstände gelten, nach Anhang II aufgenommen werden sollte, und auf Verurteilung der Kommission zum Ersatz des ihr durch diese Unterlassung angeblich entstandenen Schadens.

7 Mit dem angefochtenen Urteil hat das Gericht zum einen den Antrag auf Feststellung einer Untätigkeit für erledigt erklärt, da insoweit der Rechtsstreit gegenstandslos geworden sei, weil die Kommission dem Rat am 25. September 1996 einen Verordnungsvorschlag zur Aufnahme von Somatosalm in Anhang II übermittelt habe; zum anderen hat das Gericht den Schadensersatzantrag als unbegründet zurückgewiesen.

Das Rechtsmittel

8 Die Rechtsmittelführerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit diesem ihr Schadensersatzantrag zurückgewiesen worden ist, und der Kommission die Kosten beider Instanzen aufzuerlegen, hilfsweise, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen.

9 Die Rechtsmittelführerin stützt ihr Rechtsmittel auf zwei Gründe, mit denen sie eine fehlerhafte Auslegung zum einen von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90, wonach "die Kommission dem Rat unverzueglich die zu treffenden Maßnahmen vor[schlägt]", und zum anderen der Verordnung insgesamt geltend macht, da diese die Kommission nicht ermächtige, eine zusätzliche Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel einzuholen.

10 Die Streithelferin beantragt, den Anträgen der Rechtsmittelführerin stattzugeben und der Kommission die Kosten ihrer Streithilfe aufzuerlegen.

11 Die Kommission beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen und der Streithelferin ihre eigenen Kosten aufzuerlegen.

Vorbringen der Beteiligten

12 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund rügt die Rechtsmittelführerin, das Gericht habe in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils festgestellt, daß der Ausdruck "unverzueglich" in Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 der Kommission zwar ein zuegiges Handeln gebiete, ihr jedoch einen gewissen Spielraum lasse.

13 Aus den verschiedenen sprachlichen Fassungen sowie aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Verordnung Nr. 2377/90 ergebe sich jedoch, daß der Kommission für die Unterbreitung eines Vorschlags an den Rat keine Frist zustehe.

14 Hilfsweise trägt die Rechtsmittelführerin vor, selbst wenn die Auslegung von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 durch das Gericht bestätigt werden sollte, gehe eine Zeitspanne von elf Monaten doch offensichtlich über den Begriff "unverzueglich" hinaus. Soweit in dem angefochtenen Urteil festgestellt werde, daß die Kommission die Verpflichtung, zuegig zu handeln, dadurch erfuellt habe, daß sie sechs Monate lang untätig geblieben sei und die Handlung, die sie habe vornehmen müssen, erst nach elf Monaten vorgenommen habe, fehle es an einer rechtlichen Begründung oder das Urteil sei rechtlich unzureichend begründet.

15 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Rechtsmittelführerin geltend, das Gericht habe in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils zu Unrecht angenommen, daß die Kommission bei einer wissenschaftlich und politisch sehr komplexen und delikaten Angelegenheit auch dann zur Einholung einer zusätzlichen Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel befugt sei, wenn die Verordnung Nr. 2377/90 zu diesem Punkt schweige. Das in den Artikeln 6 und 8 der Verordnung Nr. 2377/90 vorgesehene Verfahren sei vielmehr insoweit klar, genau und unbedingt, erfasse erschöpfend alle Fälle und erlaube der Kommission kein anderes Vorgehen.

16 Insoweit sei es unerheblich, daß die Kommission Randnummer 70 des angefochtenen Urteils zufolge aufgrund der zusätzlichen Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel "die Arbeiten des Rates erheblich erleichtert [hat], der sich nach Kenntnisnahme von der zusätzlichen Stellungnahme... der Einreihung von Somatosalm in Anhang II nicht widersetzt hat". Jedenfalls habe das Gericht den Sachverhalt offensichtlich unzutreffend gewürdigt. Die zusätzliche Stellungnahme habe in keiner Weise den Standpunkt der Mitgliedstaaten beeinflusst.

17 Die Streithelferin trägt ausserdem vor, aus dem Urteil des Gerichts vom 25. Juni 1998 in der Rechtssache T-120/96 (Lilly Industries/Kommission, Slg. 1998, II-2571, Randnr. 90) ergebe sich, daß die Kommission ihre ablehnende Entscheidung über den Antrag auf Aufnahme des Stoffes in Anhang II nicht rechtmässig auf das Bestehen des Moratoriums für Rindersomatotropin habe stützen können. Dies gelte um so mehr, als dieses Moratorium nicht aus gesundheitlichen, sondern aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen angeordnet worden sei. Nach Randnummer 91 des Urteils Lilly Industries/Kommission sei die Berücksichtigung solcher Erwägungen durch die Kommission nicht zulässig.

Würdigung durch den Gerichtshof

18 Die beiden Rechtsmittelgründe sind zusammen zu prüfen.

19 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sowohl der Wortlaut als auch der Kontext und die Ziele dieser Vorschrift zu berücksichtigen sind (vgl. Urteile vom 21. Februar 1984 in der Rechtssache 337/82, St. Nikolaus Brennerei, Slg. 1984, 1051, Randnr. 10, und vom 30. Juli 1996 in der Rechtssache C-84/95, Bosphorus, Slg. 1996, I-3953, Randnr. 11).

20 Dem Wortlaut von Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 ist über die Feststellung hinaus, daß zwar eine gewisse Zuegigkeit verlangt wird, die Entscheidung der Kommission aber weder innerhalb einer genau festgelegten Frist noch - entgegen der Auffassung der Rechtsmittelführerin - ohne eine dafür zur Verfügung stehende Frist zu treffen ist, nichts darüber zu entnehmen, auf welchen Zeitraum sich der Ausdruck "unverzueglich" erstreckt.

21 Zu Kontext und Zielen ist festzustellen, daß der Rat nach Artikel 8 der Verordnung Nr. 2377/90 in Übereinstimmung mit den Artikeln 1 und 2 Verfahren III Variante b seines Beschlusses 87/373/EWG vom 13. Juli 1987 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse (ABl. L 197, S. 33) der Kommission Durchführungsbefugnisse übertragen hat.

22 Aus Artikel 8 Absatz 3 der Verordnung Nr. 2377/90 geht hervor, daß der Rat von dem Zeitpunkt an, zu dem ihm die Kommission einen Vorschlag über die zu treffenden Maßnahmen unterbreitet hat, seine Rechtsetzungsbefugnisse einschließlich des Rechts nach Artikel 189a EG-Vertrag (jetzt Artikel 250 EG), den Vorschlag der Kommission durch einstimmigen Beschluß zu ändern, in vollem Umfang zurückerhält. Nach Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe c der Verordnung Nr. 2377/90 erlangt jedoch wiederum die Kommission die Befugnis zum Erlaß der vorgeschlagenen Maßnahmen zurück, wenn der Rat nach Ablauf einer Frist von drei Monaten keinen Beschluß gefasst hat, es sei denn, daß sich der Rat mit einfacher Mehrheit gegen diese Maßnahmen ausgesprochen hat.

23 Daher ist die Kommission, wenn die von ihr vorgeschlagenen Maßnahmen nicht der Stellungnahme des Regelungsausschusses entsprechen oder wenn keine Stellungnahme vorliegt, nicht verpflichtet, dieselben Maßnahmen ohne Änderung dem Rat vorzuschlagen.

24 Wenn die Kommission also befugt ist, den von ihr dem Rat vorgelegten Vorschlag über die zu treffenden Maßnahmen zu ändern, muß ihr auch eine ausreichende Frist dafür zur Verfügung stehen, die ihr offenstehenden verschiedenen Vorgehensweisen zu prüfen.

25 Daraus folgt, daß das Gericht in Randnummer 65 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt hat, daß Artikel 8 Absatz 3 Buchstabe b der Verordnung Nr. 2377/90 nicht genau festlegt, innerhalb welcher Frist die Kommission dem Rat die zu treffenden Maßnahmen vorschlagen muß, und daß vielmehr der Gemeinschaftsgesetzgeber mit der Verwendung des Ausdrucks "unverzueglich" der Kommission zwar ein zuegiges Handeln gebietet, ihr jedoch einen gewissen Spielraum lässt.

26 Weiter folgt daraus, daß das Gericht in Randnummer 69 des angefochtenen Urteils ebenfalls zu Recht festgestellt hat, daß der Kommission bei der Befassung mit einer komplexen und delikaten Angelegenheit das Recht, eine zusätzliche Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel einzuholen, auch dann zuzugestehen ist, wenn die Verordnung Nr. 2377/90 zu diesem Punkt schweigt.

27 Bei einer Sachlage wie derjenigen des vorliegenden Falles, bei der sich im Regelungsausschuß vier Mitgliedstaaten, die befürchteten, daß Somatosalm als Wachstumsförderungsmittel verwendet werden könnte, dem Entwurf der zu treffenden Maßnahmen widersetzt und sechs weitere der Stimme enthalten haben, kann nämlich der Kommission nicht vorgeworfen werden, sich um eine wissenschaftliche Stellungnahme bemüht zu haben, um zu verhindern, daß ihr Vorschlag vom Rat mit einfacher Mehrheit zurückgewiesen wird.

28 Zu der Rüge der Rechtsmittelführerin, das Gericht habe zu Unrecht angenommen, daß sich die zusätzliche Stellungnahme des Ausschusses für Tierarzneimittel auf den Standpunkt der Mitgliedstaaten im Rat ausgewirkt habe, genügt die Feststellung, daß mit dieser Rüge die Würdigung der Tatsachen durch das Gericht in Frage gestellt wird, zu deren Nachprüfung der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht befugt ist (vgl. Urteil vom 28. Mai 1998 in der Rechtssache C-7/95 P, Deere/Kommission, Slg. 1998, I-3111, Randnr. 21).

29 Das Vorbringen der Streithelferin zur angeblichen Berücksichtigung des Moratoriums für Rindersomatotropin durch die Kommission ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens unerheblich. Wie nämlich der Generalanwalt in Nummer 68 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist zum einen die Kommission nicht vom Gericht ermächtigt worden, die Aufnahme von Somatosalm in Anhang II unter Hinweis auf dieses Moratorium abzulehnen, und ist zum anderen dieses Moratorium von den Vertretern der Mitgliedstaaten im Regelungsausschuß angeführt worden und nicht von der Kommission, die eine wissenschaftliche Stellungnahme angefordert hat, um auf die dadurch geäusserten Befürchtungen eingehen zu können.

30 Zum Hilfsvorbringen der Rechtsmittelführerin, daß das angefochtene Urteil nicht oder nur unzureichend begründet sei, soweit das Gericht festgestellt habe, daß die Kommission die Verpflichtung zu zuegigem Handeln erfuellt habe, ist schließlich festzustellen, daß die Frist, über die die Kommission zur Prüfung der ihr offenstehenden verschiedenen Vorgehensweisen verfügt (siehe Randnr. 24 dieses Urteils), nach der Komplexität der betreffenden Angelegenheit zu bemessen ist.

31 Im vorliegenden Fall ist die Gefahr, daß Somatosalm als Wachstumsförderungsmittel eingesetzt und das Moratorium für Rindersomatotropin durch die Aufnahme von Somatosalm in Anhang II mittelbar in Frage gestellt werden könnte, unstreitig erstmals im Regelungsausschuß zur Sprache gekommen, in dem sich vier Delegationen dem Entwurf der Kommission widersetzten und sechs sich der Stimme enthielten.

32 Angesichts dessen kann eine Zeitspanne von elf Monaten, während deren die Kommission zunächst die Angelegenheit sechs Monate lang überprüfte und sodann eine zweite wissenschaftliche Stellungnahme einholte, nicht als übermässig lang angesehen werden.

33 Daher hat das Gericht mit der Feststellung in Randnummer 68 des angefochtenen Urteils, daß der Kommission kein Vorwurf daraus gemacht werden könne, daß sie die Angelegenheit eine bestimmte Zeit lang überprüft und anschließend den Ausschuß für Tierarzneimittel um eine zusätzliche Stellungnahme ersucht habe, weil sich einige Mitgliedstaaten angesichts der erwähnten Befürchtungen der Aufnahme von Somatosalm in Anhang II widersetzt hätten, seine Beurteilung der Frage, ob die Kommission die Verpflichtung zu zuegigem Handeln erfuellt hat, hinreichend begründet.

34 Nach alledem sind die Rechtsmittelgründe nicht stichhaltig, so daß das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

35 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung, der gemäß Artikel 118 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission einen entsprechenden Antrag gestellt hat und die Rechtsmittelführerin mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind dieser die Kosten aufzuerlegen. Der Streithelferin, die dem Rechtsstreit zur Unterstützung der Anträge der Rechtsmittelführerin beigetreten ist, sind gemäß Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung ihre eigenen Kosten sowie die der Kommission aufgrund der Streithilfe entstandenen Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

2. Die Pharos SA trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Fédération européene de la santé animale (Fedesa) trägt ihre eigenen Kosten sowie die der Kommission durch die Streithilfe entstandenen Kosten.

Ende der Entscheidung

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