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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.06.2007
Aktenzeichen: C-158/06
Rechtsgebiete: Entscheidung C(95) 1753, EG


Vorschriften:

Entscheidung C(95) 1753 Art. 6
EG Art. 10
EG Art. 234
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

21. Juni 2007

"Strukturfonds - Rückzahlung einer Gemeinschaftsbeihilfe wegen einer Unregelmäßigkeit - Keine Veröffentlichung und Mitteilung der Bedingungen für die Gewährung der Beihilfe - Unkenntnis des Begünstigten - Redlichkeit - Rechtssicherheit - Wirksamkeit - Art. 10 EG"

Parteien:

In der Rechtssache C-158/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 16. März 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 23. März 2006, in dem Verfahren

Stichting ROM-projecten

gegen

Staatssecretaris van Economische Zaken

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer R. Schintgen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Tizzano, A. Borg Barthet, M. Ilesic (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Stichting ROM-projecten, vertreten durch J. Roeleveld, advocaat,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. ten Dam als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch L. Flynn und A. Weimar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 der Entscheidung C(95) 1753 der Kommission vom 16. Oktober 1995 über die Gewährung eines Zuschusses des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) für ein operationelles Programm im Rahmen der gemeinschaftlichen KMU-Initiative zugunsten von Gebieten, die für die Ziele Nrn. 1 und 2 in den Niederlanden in Betracht kommen (im Folgenden: Zuschussentscheidung), und des Art. 249 EG.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Stiftung nach niederländischem Recht Stichting ROM-projecten (im Folgenden: ROM-projecten) und dem Staatssecretaris van Economische Zaken (Staatssekretär für Wirtschaft, im Folgenden: Staatssecretaris) über die Streichung und Rückforderung eines im Rahmen der Initiative der Gemeinschaft zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen gewährten Zuschusses.

Rechtlicher Rahmen

3 Am 1. Juli 1994 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Mitteilung an die Mitgliedstaaten zur Festlegung von Leitlinien für die von ihnen vorzuschlagenden Operationellen Programme oder Globalzuschüsse im Rahmen einer Gemeinschaftsinitiative für die Anpassung kleiner und mittlerer Unternehmen an den Binnenmarkt (ABl. C 180, S. 10).

4 Die Zuschussentscheidung bestimmt:

"Artikel 1

Das für die Zeit vom 30. November 1994 bis zum 31. Dezember 1999 festgelegte und in den Anhängen beschriebene operationelle Programm MKB Nederland, das ein kohärentes Paket mehrjähriger Maßnahmen im Rahmen der KMU-Initiative der Gemeinschaft zugunsten der Gebiete, die in den Niederlanden für die Ziele Nrn. 1 und 2 in Betracht kommen, umfasst, wird genehmigt.

...

Artikel 6

Die Gemeinschaftsbeihilfen beziehen sich auf die Ausgaben im Zusammenhang mit den unter dieses Programm fallenden Tätigkeiten, für die bis spätestens 31. Dezember 1999 in dem Mitgliedstaat rechtlich bindende Vereinbarungen getroffen und die benötigten finanziellen Mittel eigens gebunden werden. Der Zeitpunkt, zu dem die Ausgaben für diese Tätigkeiten spätestens getätigt worden sein müssen, um in Betracht kommen zu können, wird auf den 31. Dezember 2001 festgesetzt.

...

Artikel 9

Diese Entscheidung ist an das Königreich der Niederlande gerichtet."

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

5 Mit Schreiben vom 31. August 1999 beantragte ROM-projecten die Gewährung einer Beihilfe im Rahmen des operationellen Programms MKB-Initiatief Nederland für das Projekt "Kenniskaart Medische Technologie en Life Sciences" (Datenblatt Medizinische Technologie und Life Sciences).

6 Mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 gewährte der Staatssecretaris ROM-projecten eine Beihilfe im Rahmen dieses Programms in Höhe von bis zu 200 000 NLG. Bedingung war u. a., dass das Projekt bis 31. Dezember 2000 durchgeführt sein musste und dass vor dem 1. Januar 2000 und nach dem 31. Dezember 2000 entstandene Kosten nicht beihilfefähig waren.

7 Auf Antrag von ROM-projecten gewährte der Staatssecretaris ihr sowohl 2000 als auch 2001 einen Vorschuss von 80 000 NLG.

8 Mit Bescheid vom 11. Juli 2002 teilte der Staatssecretaris ROM-projecten mit, sie habe die in Art. 6 der Zuschussentscheidung aufgestellte Bedingung, dass die Verpflichtungen durch den Beihilfeempfänger bis spätestens 31. Dezember 1999 eingegangen worden sein müssten (im Folgenden: Fristerfordernis), nicht erfüllt. Er legte die Frage, ob die Beihilfen deshalb auf null festgesetzt werden müssten, der Kommission vor; die Dienste der Kommission verneinten dies formlos. Bis zu einer förmlichen Bestätigung der Position der Kommission setzte er die Beihilfe unter allgemeinem Vorbehalt auf 69 788 NLG fest. Er forderte ROM-projecten auch auf, den Betrag von 90 212 NLG zurückzuzahlen.

9 Mit Bescheid vom 27. Februar 2003 setzte der Staatssecretaris die Beihilfe auf null fest und verlangte ferner die Rückzahlung eines Betrags von 69 788 NLG mit der Begründung, nach Ansicht der Kommission müsse der Beihilfeempfänger die Verpflichtungen bis spätestens 31. Dezember 1999 eingegangen sein.

10 Mit Bescheid vom 26. Mai 2003 wies der Staatssecretaris den Widerspruch gegen die Bescheide vom 11. Juli 2002 und vom 27. Februar 2003 zurück.

11 Mit Urteil vom 23. Januar 2004 erklärte die Rechtbank te Roermond den Bescheid vom 26. Mai 2003 für nichtig. Dem Staatssecretaris wurde aufgegeben, erneut über den Widerspruch zu entscheiden.

12 Mit Bescheid vom 16. August 2004 setzte der Staatssecretaris die Beihilfe auf null fest und forderte die Rückzahlung von 72 604,84 Euro, da ROM-projecten das Fristerfordernis nicht erfüllt habe.

13 Das College van Beroep voor het bedrijfsleven, bei dem die von ROM-projecten gegen diese Entscheidung erhobene Klage anhängig ist, hat Zweifel, ob der Staatssecretaris ROM-projecten habe entgegenhalten können, dass sie dieses Erfordernis nicht erfüllt habe. Dazu stellt es fest, dass eine solche Bedingung dem durch eine Beihilfe Begünstigten nur entgegengehalten werden könne, wenn sie ihm vorab zur Kenntnis gebracht worden sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit als auch aus den niederländischen Rechtsvorschriften. Im vorliegenden Fall sei das Fristerfordernis weder in dem vom Staatssecretaris erlassenen Bescheid vom 29. Dezember 1999 noch in den Bedingungen im Anhang zu diesem Bescheid enthalten gewesen. Auch im Antragsformblatt für die Beihilfe und der dazugehörigen Anleitung sei es nicht erwähnt.

14 Das vorlegende Gericht folgert daraus, dass das Fristerfordernis allein nach niederländischem Recht ROM-projecten nicht entgegengehalten werden könne. Fraglich sei jedoch, ob es ROM-projecten nach Gemeinschaftsrecht entgegengehalten werden könne.

15 Das College van Beroep voor het bedrijfsleven hat daraufhin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 6 der Zuschussentscheidung unbedingt und hinreichend genau, um in der nationalen Rechtsordnung unmittelbar Anwendung finden zu können?

2. Falls die erste Frage zu bejahen ist:

Ist Art. 249 EG so auszulegen, dass Art. 6 der genannten Entscheidung einen Bürger unmittelbar dazu verpflichtet, als Endbegünstigter bis spätestens 31. Dezember 1999 rechtlich bindende Vereinbarungen zu schließen und die benötigten Mittel konkret zu binden?

3. Falls die zweite Frage zu bejahen ist:

Lässt die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die infolge einer Unregelmäßigkeit verloren gegangenen Beträge zurückzufordern, im Licht der Grundsätze des Gemeinschaftsrechts den Mitgliedstaaten Raum, von der Rückforderung wegen Verstoßes gegen eine Vorschrift abzusehen, wenn dem betreffenden Beihilfeempfänger diese Vorschrift nicht bekannt war und ihm ihre mangelnde Kenntnis auch nicht zum Vorwurf gemacht werden kann?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

16 Im Rahmen des durch Art. 234 EG eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof ist es Aufgabe des Gerichtshofs, dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Dementsprechend hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 23. März 2006, FCE Bank, C-210/04, Slg. 2006, I-2803, Randnr. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17 Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht die dritte Frage hilfsweise, d. h. für den Fall gestellt, dass zunächst die erste und die zweite Frage geprüft und bejaht werden.

18 Es ist festzustellen, dass die dritte Frage auch selbständig geprüft werden kann und ihre Bejahung dazu führen würde, dass die erste und die zweite Frage ins Leere gingen. Könnten nämlich die Bedingungen für die Gewährung des Zuschusses, zu denen das Fristerfordernis zählt, dem Endbegünstigten auf keinen Fall entgegengehalten werden, weil sie ihm nicht mitgeteilt worden sind, ist nicht zu prüfen, ob dieses Fristerfordernis unbedingt und hinreichend genau ist und dem Endbegünstigten unmittelbar Pflichten auferlegen kann.

19 Folglich ist die dritte Frage zuerst zu prüfen und wie folgt umzuformulieren:

Wenn die Bedingungen für die Gewährung eines einem Mitgliedstaat von der Gemeinschaft gewährten Zuschusses in der Zuschussentscheidung genannt sind, jedoch weder veröffentlicht noch dem Endbegünstigten des Zuschusses von diesem Mitgliedstaat mitgeteilt wurden, steht dann das Gemeinschaftsrecht dem entgegen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit angewandt wird, um die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Beträgen vom Begünstigten auszuschließen?

Zur dritten Frage

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

20 ROM-projecten trägt vor, dass sie Art. 6 der Zuschussentscheidung nicht gekannt habe und dass ihr diese Unkenntnis nicht vorgeworfen werden könne. Folglich sei sie nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit nicht zur Rückzahlung des erhaltenen Zuschusses verpflichtet. Das Gemeinschaftsrecht stehe der Anwendung dieser Grundsätze zum Zweck des Ausschlusses einer Rückzahlung nicht entgegen, sofern dem Interesse der Gemeinschaft Rechnung getragen und der gute Glaube des Begünstigten nachgewiesen sei.

21 Die niederländische Regierung trägt vor, dass das Gemeinschaftsrecht den Einzelnen zur Kenntnis gebracht werden müsse und dass dessen Anwendung für sie vorhersehbar sein müsse. Folglich könne das Fristerfordernis ROM-projecten nicht entgegengehalten werden, da sie darüber nicht informiert gewesen sei.

22 Auch die Kommission ist der Ansicht, dass das Fristerfordernis ROM-projecten nicht entgegengehalten werden könne. Da das vorlegende Gericht festgestellt habe, dass diese Bedingung ROM-projecten nicht mitgeteilt worden sei und da ihr diese Unkenntnis nicht vorgeworfen werden könne, stehe der Grundsatz der Rechtssicherheit einer Berufung auf dieses Erfordernis gegenüber ROM-projecten entgegen.

Antwort des Gerichtshofs

23 Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass die nationalen Gerichte Rechtsstreitigkeiten über die Wiedereinziehung von zu Unrecht aufgrund des Gemeinschaftsrechts geleisteten Zahlungen in Ermangelung gemeinschaftlicher Vorschriften nach ihrem nationalen Recht entscheiden müssen, jedoch vorbehaltlich der durch das Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen; danach dürfen die im nationalen Recht vorgesehenen Modalitäten nicht darauf hinauslaufen, dass die Verwirklichung der Gemeinschaftsregelung praktisch unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird, und das nationale Recht muss ohne Diskriminierung im Vergleich zu den Verfahren, in denen über gleichartige rein nationale Streitigkeiten entschieden wird, angewandt werden (Urteile vom 21. September 1983, Deutsche Milchkontor u. a., 205/82 bis 215/82, Slg. 1983, 2633, Randnr. 19, vom 12. Mai 1998, Steff-Houlberg Export u. a., C-366/95, Slg. 1998, I-2661, Randnr. 15, und vom 19. September 2002, Huber, C-336/00, Slg. 2002, I-7699, Randnr. 55).

24 Es kann daher nicht als dem Gemeinschaftsrecht zuwiderlaufend angesehen werden, wenn das nationale Recht im Bereich der Rücknahme von Verwaltungsakten und der Rückforderung von zu Unrecht gewährten öffentlichen Geldleistungen neben dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung auch den Grundsatz der Rechtssicherheit berücksichtigt, der Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist (vgl. Urteile Deutsche Milchkontor u. a., Randnr. 30, vom 9. Oktober 2001, Flemmer u. a., C-80/99 bis C-82/99, Slg. 2001, I-7211, Randnr. 60, und Huber, Randnr. 56).

25 Nach dem Grundsatz der Rechtssicherheit muss eine Gemeinschaftsregelung den Betroffenen ermöglichen, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (Urteile vom 1. Oktober 1998, Vereinigtes Königreich/Kommission, C-209/96, Slg. 1998, I-5655, Randnr. 35, vom 20. Mai 2003, Consorzio del Prosciutto di Parma und Salumificio S. Rita, C-108/01, Slg. 2003, I-5121, Randnr. 89, und vom 21. Februar 2006, Halifax u. a., C-255/02, Slg. 2006, I-1609, Randnr. 72). Denn die Einzelnen müssen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteile vom 13. Februar 1996, Van Es Douane Agenten, C-143/93, Slg. 1996, I-431, Randnr. 27, und vom 26. Oktober 2006, Koninklijke Coöperatie Cosun, C-248/04, Slg. 2006, I-10211, Randnr. 79).

26 Dieses Gebot der Rechtssicherheit gilt in besonderem Maße bei einer Regelung, die finanzielle Konsequenzen haben kann (Urteile vom 16. März 2006, Emsland-Stärke, C-94/05, Slg. 2006, I-2619, Randnr. 43, und Koninklijke Coöperatie Cosun, Randnr. 79).

27 Im vorliegenden Fall ist zunächst festzustellen, dass diese Entscheidung, wie sich aus Art. 9 der Zuschussentscheidung ergibt, nur an das Königreich der Niederlande gerichtet ist. Obwohl diese Entscheidung nicht veröffentlicht worden und daher nur den niederländischen Behörden bekannt war, haben diese die darin genannten Bedingungen für die Zuschussgewährung ROM-projecten nicht mitgeteilt.

28 Außerdem hat der Staatssecretaris dadurch, dass er ROM-projecten am 29. Dezember 1999, d. h. nur zwei Tage vor Ablauf der durch Art. 6 dieser Entscheidung festgelegten Frist, im Rahmen der Zuschussentscheidung eine Beihilfe gewährte, ohne ROM-projecten über diese Frist zu informieren, eine Situation geschaffen, die fast zwangsläufig zur Nichteinhaltung der Bedingungen für die Zuschussgewährung führte.

29 Unter solchen Umständen ist der Endbegünstigte eines Gemeinschaftszuschusses nicht in der Lage, seine Rechte und Pflichten eindeutig zu erkennen und sich darauf einzustellen.

30 Wie ROM-projecten, die niederländische Regierung und die Kommission geltend machen, lässt es in einer solchen Situation, in der der Endbegünstigte keine Kenntnis der in der Zuschussentscheidung genannten Bedingungen hatte, der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht zu, dass diese Bedingungen ihm gegenüber eingewandt werden.

31 Der Begünstigte kann sich der Streichung und der Rückforderung jedoch nur widersetzen, wenn er hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zuschussgewährung gutgläubig war. Das nationale Gericht hat zu prüfen, ob diese Bedingung erfüllt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Juli 1998, Oelmühle und Schmidt Söhne, C-298/96, Slg. 1998, I-4767, Randnr. 29, und Huber, Randnr. 58).

32 Schließlich ist daran zu erinnern, dass, wenn der Grundsatz der Rechtssicherheit der Rückforderung eines Gemeinschaftszuschusses vom Begünstigten entgegensteht, gleichwohl dem Interesse der Gemeinschaft an der Rückforderung dieses Zuschusses Rechnung getragen werden muss (Urteil Huber, Randnr. 57).

33 In einer Situation wie im Ausgangsverfahren, in der es auf ein Versäumnis der nationalen Behörden zurückzuführen ist, dass der Begünstigte den Zuschuss nicht zurückgezahlt hat, ergibt sich aus dem in Art. 10 EG aufgestellten Grundsatz der Zusammenarbeit, dass der betroffene Mitgliedstaat für die nicht wieder eingezogenen Beträge haftbar gemacht werden kann, damit das Recht der Gemeinschaft auf Rückzahlung des Beihilfebetrags effektiv wird.

34 Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass, wenn die Bedingungen für die Gewährung eines einem Mitgliedstaat von der Gemeinschaft gewährten Zuschusses in der Zuschussentscheidung genannt sind, jedoch weder veröffentlicht noch dem Endbegünstigten des Zuschusses von diesem Mitgliedstaat mitgeteilt wurden, das Gemeinschaftsrecht dem nicht entgegensteht, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit angewandt wird, um die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Beträgen vom Begünstigten auszuschließen, wenn dessen guter Glaube nachgewiesen ist. In einem solchen Fall kann der betroffene Mitgliedstaat für die nicht wieder eingezogenen Beträge haftbar gemacht werden, damit das Recht der Gemeinschaft auf Rückzahlung des Beihilfebetrags effektiv wird. Zur ersten und zur zweiten Frage

35 Angesichts der Antwort auf die dritte Frage ist weder die Frage, ob das Fristerfordernis unbedingt und hinreichend genau ist, um in der nationalen Rechtsordnung unmittelbar Anwendung finden zu können, noch die Frage, ob das genannte Erfordernis den Endbegünstigten der Beihilfe unmittelbar verpflichten kann, zu beantworten.

Kostenentscheidung:

Kosten

36 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit. Die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

Wenn die Bedingungen für die Gewährung eines einem Mitgliedstaat von der Gemeinschaft gewährten Zuschusses in der Zuschussentscheidung genannt sind, jedoch weder veröffentlicht noch dem Endbegünstigten des Zuschusses von diesem Mitgliedstaat mitgeteilt wurden, steht das Gemeinschaftsrecht dem nicht entgegen, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit angewandt wird, um die Rückforderung von zu Unrecht gezahlten Beträgen vom Begünstigten auszuschließen, wenn dessen guter Glaube nachgewiesen ist. In einem solchen Fall kann der betroffene Mitgliedstaat für die nicht wieder eingezogenen Beträge haftbar gemacht werden, damit das Recht der Gemeinschaft auf Rückzahlung des Beihilfebetrags effektiv wird.



Ende der Entscheidung

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