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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 19.11.1998
Aktenzeichen: C-159/96
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 173
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Da nach Artikel 173 nicht die Nichtigerklärung einer bestimmten Praxis eines Gemeinschaftsorgans erwirkt werden kann, ist eine Klage unzulässig, die auf Nichtigerklärung der von der Kommission im Zusammenhang mit der Verwaltung der Hoechstmengen bei der Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung mit Ursprung in Drittländern in die Gemeinschaft angewandten Praxis der besonderen Flexibilität gerichtet ist.

2 Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang des Vertrages sowie aus den Anforderungen der Praxis ergibt, ist der Begriff "Durchführung" im Rahmen der vom Rat auf die Kommission übertragenen Befugnisse zur Durchführung der von ihm erlassenen Vorschriften weit auszulegen. Da nur die Kommission in der Lage ist, die internationale Marktentwicklung zu verfolgen und mit der durch die Situation gebotenen Schnelligkeit zu handeln, sind die Grenzen der vom Rat auf diesem Gebiet übertragenen Befugnisse nach den allgemeinen Hauptzielen der fraglichen Regelung zu beurteilen.

Artikel 8 der Verordnung Nr. 3030/93 über die gemeinsame Einfuhrregelung für bestimmte Textilwaren mit Ursprung in Drittländern muß restriktiv ausgelegt werden, da er es der Kommission erlaubt, als Ausnahme von dem durch die Verordnung eingeführten allgemeinen System zusätzliche Einfuhrmöglichkeiten zu eröffnen, wenn insbesondere Umstände vorliegen, die eine Genehmigung zusätzlicher Mengen rechtfertigen können. Der Umstand, daß die chinesischen Behörden im wesentlichen aufgrund einer Panne ihres EDV-Systems über die Hoechstmengen hinaus Ausfuhrlizenzen erteilten, rechtfertigt die durch einen Beschluß der Kommission genehmigten zusätzlichen Einfuhrmöglichkeiten nicht. Die Überschreitung der Hoechstmengen beruht nämlich auf der Verwaltung des durch das Abkommen EWG-China eingeführten Systems der doppelten Kontrolle und ist damit grundsätzlich nicht als aussergewöhnlich oder unvorhersehbar, sondern als ein dem Verfahren zur Kontrolle der Hoechstmengen innewohnendes Risiko anzusehen. Der von der Kommission erlassene Beschluß über die Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung mit Ursprung in der Volksrepublik China ist daher für nichtig zu erklären.


Urteil des Gerichtshofes (Sechste Kammer) vom 19. November 1998. - Portugiesische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Gemeinsame Handelspolitik - Höchstmengen bei der Einfuhr von Textilwaren - Waren aus China - Zusätzliche Einfuhren - Durchführungsbefugnisse der Kommission. - Rechtssache C-159/96.

Entscheidungsgründe:

1 Die Portugiesische Republik hat mit Klageschrift, die am 10. Mai 1996 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 173 EG-Vertrag Klage erhoben auf Nichtigerklärung der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Zusammenhang mit der Verwaltung der Hoechstmengen bei der Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung mit Ursprung in Drittländern in die Gemeinschaft angewandten Praxis der besonderen Flexibilität und insbesondere des im Anschluß an die Sitzung des Textilausschusses vom 6. März 1996 über Textilwaren aus der Volksrepublik China getroffenen Beschlusses der Kommission (nachstehend: angefochtener Beschluß).

Rechtlicher Rahmen

2 Auf der Grundlage von Artikel 4 der allgemein als Allfaserabkommen bezeichneten multilateralen Vereinbarung vom 20. Dezember 1973 über den internationalen Handel mit Textilien, der die Gemeinschaft durch den Beschluß 74/214/EWG des Rates vom 21. März 1974 (ABl. L 118, S. 1) beigetreten ist, unterzeichneten die Gemeinschaft und die Volksrepublik China (nachstehend: China) am 9. Dezember 1988 das Abkommen über den Handel mit Textilwaren, das durch den Beschluß 88/656/EWG des Rates vom 19. Dezember 1988 (ABl. L 380, S. 1; nachstehend: Abkommen EWG-China) vorläufig in Kraft gesetzt wurde.

3 Artikel 3 Absatz 1 dieses Abkommens sieht für Ausfuhren von Textilwaren mit Ursprung in China in die Gemeinschaft Hoechstmengen vor, die in Anhang III des Abkommens ausdrücklich aufgeführt sind. Die Einfuhr von Textilwaren in die Gemeinschaft unterliegt einer doppelten Kontrolle: Die chinesischen Behörden erteilen Ausfuhrlizenzen, und die zuständigen Stellen in der Gemeinschaft erteilen auf Vorlage des Originals der Ausfuhrlizenz durch den Importeur die entsprechenden Einfuhrgenehmigungen.

4 Um eine flexible Anwendung der Hoechstmengen zu ermöglichen, sieht Artikel 5 des Abkommens EWG-China in der geltenden Fassung ausserdem vor, daß die chinesischen Behörden bei Einhaltung bestimmter Obergrenzen im laufenden Jahr im Vorgriff die Hoechstmenge des Folgejahres ausnutzen, im laufenden Jahr nicht ausgenutzte Mengen auf die Hoechstmenge des Folgejahres übertragen und verfügbare Mengen einer Warenkategorie auf andere Kategorien übertragen können.

5 In der Verordnung (EWG) Nr. 3030/93 des Rates vom 12. Oktober 1993 über die gemeinsame Einfuhrregelung für bestimmte Textilwaren mit Ursprung in Drittländern (ABl. L 275, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 3289/94 des Rates vom 22. Dezember 1994 (ABl. L 349, S. 85) geänderten Fassung (nachstehend: Verordnung) ist die Einfuhr von Textilwaren mit Ursprung in Drittländern in die Gemeinschaft geregelt, die mit dieser durch Abkommen, Protokolle oder Vereinbarungen verbunden oder Mitglied der Welthandelsorganisation (nachstehend: WTO) sind.

6 Die Verordnung gilt gemäß Artikel 1 Absatz 1 für Einfuhren von in Anhang I aufgeführten Textilwaren mit Ursprung in den in Anhang II aufgeführten Drittländern, mit denen die Gemeinschaft bilaterale Abkommen, Protokolle oder sonstige Vereinbarungen geschlossen hat. China, das nicht Mitglied der WTO ist, ist in diesem Anhang aufgeführt.

7 Nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung gelten für die in Anhang V aufgeführten Textilwaren mit Ursprung in einem der im selben Anhang genannten Lieferländer bei der Einfuhr in die Gemeinschaft die in diesem Anhang festgesetzten jährlichen Hoechstmengen. Nach Artikel 2 Absatz 2 ist die Abfertigung zum freien Verkehr in der Gemeinschaft für Waren, für deren Einfuhr die in Anhang V aufgeführten Hoechstmengen gelten, von der Vorlage einer Einfuhrgenehmigung abhängig, die von den Behörden der Mitgliedstaaten nach Maßgabe des Artikels 12 erteilt wird.

8 Artikel 2 Absatz 7 der Verordnung bestimmt:

"Damit sichergestellt ist, daß die Mengen, für die Einfuhrgenehmigungen erteilt werden, die Gemeinschaftshöchstmenge für jede Textilwarenkategorie und für jedes Drittland zu keinem Zeitpunkt überschreiten, erteilen die zuständigen Behörden Einfuhrgenehmigungen erst, nachdem die Kommission bestätigt hat, daß für die betreffenden Textilwarenkategorien und die betreffenden Drittländer, für die ein Einführer bzw. Einführer bei diesen Behörden Anträge gestellt hat bzw. haben, noch Teilmengen der Gemeinschaftshöchstmenge verfügbar sind."

9 Das Verfahren zur Erteilung der Einfuhrgenehmigungen ist in Artikel 12 der Verordnung geregelt. Dort ist insbesondere vorgesehen:

"(1) Zur Anwendung von Artikel 2 Absatz 2 teilen die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten vor Ausstellung der Einfuhrgenehmigungen der Kommission die Mengen mit, für die bei ihnen durch Original-Ausfuhrbescheinigungen belegte Anträge auf Einfuhrgenehmigungen eingereicht worden sind. Die Kommission bestätigt umgehend in chronologischer Reihenfolge des Eingangs der Mitteilungen der Mitgliedstaaten ("Windhundverfahren"), daß die beantragten Einfuhrmengen verfügbar sind. In Ausnahmefällen, bei denen Anlaß zu der Annahme besteht, daß vorzeitige Anträge auf Einfuhrgenehmigungen die Hoechstmengen überschreiten, kann die Kommission jedoch nach dem Verfahren des Artikels 17 die nach dem "Windhundverfahren" zuzuteilende Einfuhrmenge auf 90 v. H. der entsprechenden Hoechstmengen begrenzen. In diesen Fällen wird, sobald die genannte Schwelle erreicht ist, die noch verbleibende Einfuhrmenge nach dem Verfahren des Artikels 17 zugeteilt.

...

(4) Die Kommission bestätigt den Behörden nach Möglichkeit die volle beantragte Einfuhrmenge für jede Warenkategorie und jedes Drittland. Mitteilungen von Mitgliedstaaten, die nicht bestätigt werden können, weil die beantragten Einfuhrmengen im Rahmen der Gemeinschaftshöchstmengen nicht mehr verfügbar sind, werden von der Kommission in der chronologischen Reihenfolge ihres Eingangs registriert und in derselben Reihenfolge bestätigt, sobald weitere Mengen, z. B. infolge der Anwendung der Flexibilitätsbestimmungen nach Artikel 7, verfügbar werden. Ferner nimmt die Kommission in den Fällen, in denen die mitgeteilten Anträge die Hoechstmengen überschreiten, im Hinblick auf eine Klärung der Frage und rasche Abhilfe unverzueglich Kontakt mit den Behörden des betreffenden Lieferlandes auf.

...

(8) Die Kommission kann nach dem Verfahren des Artikels 17 alle zur Durchführung dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen treffen."

10 Die Artikel 7 und 8 der Verordnung regeln die Verwaltung der Flexibilität hinsichtlich der Einfuhrmengen.

11 Nach Artikel 7 können die Lieferländer, sofern sie dies der Kommission vorher mitteilen, Übertragungen zwischen den in Anhang V aufgeführten Hoechstmengen in dem in Anhang VIII angegebenen Umfang und unter den dort festgelegten Bedingungen vornehmen. Diese Flexibilität kann bei Einhaltung bestimmter in Anhang VIII definierter Obergrenzen in der Ausnutzung der für das folgende Quotenjahr festgelegten Hoechstmenge im Vorgriff, der Übertragung von nicht ausgenutzten Mengen auf die Hoechstmenge des Folgejahres und der Übertragung von Mengen zwischen Kategorien bestehen.

12 Artikel 8 der Verordnung bestimmt:

"Unbeschadet des Anhangs V kann die Kommission, wenn aufgrund besonderer Umstände zusätzlicher Einfuhrbedarf auftritt, zusätzliche Einfuhrmöglichkeiten während eines bestimmten Quotenjahres eröffnen. Diese zusätzlichen Einfuhrmöglichkeiten werden bei der Anwendung des Artikels 7 nicht berücksichtigt.

In dringenden Fällen leitet die Kommission Konsultationen im Ausschuß des Artikels 17 innerhalb von fünf Arbeitstagen nach dem Eingang des Antrags eines Mitgliedstaats ein und trifft innerhalb von fünfzehn Arbeitstagen nach dem gleichen Zeitpunkt eine Entscheidung.

Die in diesem Artikel vorgesehenen Maßnahmen werden nach dem Verfahren des Artikels 17 ergriffen."

13 Schließlich wird in Artikel 17 der Verordnung ein Textilausschuß eingesetzt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt. Nach Artikel 17 Absatz 4 unterbreitet der Vorsitzende dem Ausschuß einen Entwurf der zu treffenden Maßnahmen, zu dem der Ausschuß seine Stellungnahme abgibt. Die Kommission erlässt die beabsichtigten Maßnahmen, wenn sie mit der Stellungnahme des Ausschusses übereinstimmen.

Sachverhalt

14 Die portugiesische Republik trägt vor, die Kommission habe im Jahr 1995 wiederholt eine besondere Flexibilität eingeräumt, die zu einer Überschreitung der Hoechstmengen geführt habe, die in bilateralen Abkommen mit mehreren Drittstaaten, insbesondere China, Indien, dem früheren Jugoslawien, Pakistan, Sri Lanka, Vietnam und Weißrußland für die Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung vorgesehen seien.

15 In bezug auf China ergibt sich aus den Akten, daß die Kommission während der ersten Monate des Jahres 1996 festgestellt hat, daß die von den zuständigen chinesischen Behörden erteilten Ausfuhrlizenzen bei bestimmten Kategorien von Textilwaren die zwischen der Gemeinschaft und China für das Quotenjahr 1995 vereinbarten Hoechstmengen überschritten hätten. Daher durfte für die aus China versandten Waren keine Einfuhrgenehmigung erteilt werden; sie wurden beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft angehalten.

16 In einer Verbalnote vom 9. Februar 1996 und in einem Schreiben vom 4. März 1996 mißbilligte die Kommission diese Überschreitungen und ersuchte die chinesischen Behörden, diese unangemessene Verwaltung der im Abkommen EWG-China festgelegten Hoechstmengen abzustellen. Ausserdem ersuchte sie darum, das EDV-Netz, das das chinesische und das Gemeinschaftssystem zur Übermittlung von Daten über die Erteilung von Ausfuhrlizenzen und Einfuhrgenehmigungen verbindet, zu verstärken.

17 Mit Schreiben vom 5. März 1996 machten die chinesischen Behörden geltend, daß die Überschreitung der Quoten auf eine Panne im EDV-System der chinesischen Verwaltung zurückzuführen sei; allerdings sei die Kontrolle der Einhaltung der Hoechstmengen auch durch andere Faktoren erschwert worden, insbesondere die Fälschung von Ausfuhrlizenzen sowie Fehler bei Eingaben in das EDV-System der Gemeinschaft zur Verwaltung der Einfuhrgenehmigungen. Die chinesischen Behörden stimmten jedoch einer Verstärkung der Verbindung zwischen den EDV-Systemen zu. Sie ersuchten für bestimmte Warenkategorien um Anwendung der normalen im Abkommen EWG-China vorgesehenen Flexibilitätsbestimmungen und schlugen für andere Kategorien vor, ihnen im Vorgriff auf die als Quoten für 1996 vorgesehenen Mengen eine besondere Flexibilität einzuräumen.

18 Am selben Tag berief die Kommission für den 6. März 1996 eine Dringlichkeitssitzung des Textilausschusses ein. In dieser Sitzung wies die Kommission darauf hin, daß die chinesischen Behörden einer Verstärkung der Verbindung zwischen dem chinesischen und dem EDV-System der Gemeinschaft zugestimmt hätten. Sie schlug dem Ausschuß daher vor, die Überschreitungen nach Anwendung aller noch zur Verfügung stehenden normalen Flexibilitätsbestimmungen durch Verrechnung mit den Quoten von 1996 und, für bestimmte Warenkategorien, durch Übertragung auf das Folgejahr und Übertragungen zwischen Kategorien auszugleichen. Auf die Vorbehalte einiger Delegationen schlug die Kommission für sämtliche Kategorien, bei denen die Quoten am 6. März 1996 überschritten waren, die Verrechnung mit den Quoten des Jahres 1996 vor.

19 Der Textilausschuß befürwortete diesen Vorschlag. Das Königreich Belgien, die Griechische Republik und das Königreich Spanien erhoben Vorbehalte wegen des Umfangs und des Wiederholungscharakters der Überschreitungen. Die Portugiesische Republik stimmte gegen den Vorschlag der Kommission, "weil sie die besonderen Flexibilitätsbestimmungen und die eingetretene Schädigung des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft grundsätzlich ablehnt".

20 Im Anschluß an diese Sitzung vom 6. März 1996 erließ die Kommission den angefochtenen Beschluß, wobei sie sich auf die befürwortende Stellungnahme des Textilausschusses stützte. Damit genehmigte sie für das Quotenjahr 1995 die Einfuhr von Textilwaren mit Ursprung in China für eine Gesamthöchstmenge über derjenigen, die in dem Abkommen EWG-China und in der Verordnung vorgesehen war, und verringerte gleichzeitig entsprechend die Mengen, die im Quotenjahr 1996 eingeführt werden durften. Die Erhöhung der Quoten für das Quotenjahr 1995 betraf acht Warenkategorien und entsprach einem Satz von 1,1 % bis 11,7 % der Quoten, die für diese Kategorien für 1995 eröffnet worden waren.

21 Die Portugiesische Republik macht zur Begründung ihrer Klage geltend, daß die Kommission zur Einführung der Praxis der besonderen Flexibilitätsbestimmungen und zum Erlaß des angefochtenen Beschlusses nicht zuständig gewesen sei und daß gegen das Abkommen EWG-China und die Grundsätze der Zuständigkeit, des institutionellen Gleichgewichts und des Vertrauensschutzes verstossen worden sei.

Zur Zulässigkeit der Klage

22 Die Kommission macht geltend, die Klage sei unzulässig, soweit sie auf die Nichtigerklärung der "Praxis" der besonderen Flexibilität gerichtet sei, die im Zusammenhang mit der Verwaltung der Hoechstmengen bei der Einfuhr von Textilwaren aus mehreren Drittländern in die Gemeinschaft angewendet worden sei.

23 Dieser Einrede ist stattzugeben.

24 Nach Artikel 173 EG-Vertrag kann nämlich nicht die Nichtigerklärung einer bestimmten Praxis eines Gemeinschaftsorgans erwirkt werden. Folglich ist die Klage nur zulässig, soweit sie auf die Nichtigerklärung des von der Kommission im Anschluß an die Sitzung des Textilausschusses vom 6. März 1996 erlassenen Beschlusses über Textilwaren mit Ursprung in China gerichtet ist.

Zur Begründetheit

Zum Klagegrund der Unzuständigkeit der Kommission

25 Die Portugiesische Republik macht geltend, die Verordnung habe die Kommission nicht zum Erlaß des angefochtenen Beschlusses ermächtigt, durch den für das Quotenjahr 1995 über die in Anhang V der Verordnung festgelegten Mengen hinaus für bestimmte Kategorien von Waren aus China zusätzliche Einfuhrmöglichkeiten eröffnet worden seien, so daß die Kommission gegen die Verordnung verstossen habe.

26 Erstens könne der angefochtene Beschluß nicht auf Artikel 7 der Verordnung gestützt sein, da die durch diesen Beschluß eingeräumte besondere Flexibilität über den in Artikel 7 und Anhang VIII der Verordnung festgelegten Rahmen hinausgehe.

27 Zweitens könne auch Artikel 8 der Verordnung nicht als Rechtsgrundlage des angefochtenen Beschlusses herangezogen werden. Dieser Artikel stelle eine Ausnahmeregelung dar. Daher könne er nicht so weit ausgelegt werden, daß er zu einem beliebig einsetzbaren Mittel zur Verwaltung der in dieser Verordnung festgelegten Hoechstmengen werde. Die zusätzlichen Einfuhren im Sinne des Artikels 8 setzten die Feststellung besonderer Umstände voraus, die nicht schon in einer blossen Überschreitung der Hoechstmengen aus beliebigem Grund (Panne im EDV-System, Betrug oder nachlässige Verwaltung) lägen.

28 Drittens sei die Zuständigkeit der Kommission auf dem Gebiet der Verwaltung der Gemeinschaftshöchstmengen rein durchführender Natur. Sie müsse daher innerhalb der Grenzen und zu den Bedingungen ausgeuebt werden, die in den bilateralen Abkommen und in den Gemeinschaftsvorschriften, an die die Kommission gebunden sei, festgelegt seien. Die Kommission masse sich ausschließlich dem Rat vorbehaltene Befugnisse an, wenn sie Beschlüsse über eine besondere Flexibilität erlasse, durch die die in dem Abkommen EWG-China und der Verordnung für die Hoechstmengen vorgesehenen Grenzen geändert würden. Die Bestimmungen des Artikels 12 Absätze 4 und 8 der Verordnung, die den Durchführungsbefugnissen der Kommission entsprächen, dienten ausschließlich dazu, die Einhaltung der festgelegten Hoechstmengen durchzusetzen, nicht aber zusätzliche Einfuhren zu ermöglichen, um den Überschuß an nicht ordnungsgemäß erteilten Ausfuhrlizenzen abzudecken.

29 Die Kommission erkennt an, daß der angefochtene Beschluß nicht auf Artikel 7 der Verordnung gestützt sei. Sie habe jedoch mit der Einräumung zusätzlicher Einfuhrmengen für das Quotenjahr 1995 - durch Verrechnung dieser Mengen mit den Quoten für das Jahr 1996 - die ihr vom Rat in den Artikeln 8 beziehungsweise 12 Absätze 4 und 8 der Verordnung verliehenen Durchführungsbefugnisse ausgeuebt.

30 Alle Voraussetzungen für eine Ausübung der in Artikel 8 der Verordnung übertragenen Zuständigkeit seien gegeben. Der Eingang von Waren, die unter chinesische Ausfuhrlizenzen fielen, im Zollgebiet der Gemeinschaft, die Gutgläubigkeit der betroffenen Wirtschaftsteilnehmer und die Anträge bestimmter Mitgliedstaaten zur Freigabe der an der Grenze angehaltenen Waren seien alles Umstände, die die Einfuhr zusätzlicher Mengen erforderten, um eine Benachteiligung von Wirtschaftsteilnehmern zu vermeiden und zu verhindern, daß einzelne Mitgliedstaaten Maßnahmen erließen, durch die der Zusammenhalt des gesamten Systems der mengenmässigen Beschränkungen auf Ebene der Gemeinschaft hätte beeinträchtigt werden können. Dabei handle es sich insofern um besondere Umstände, als die Überschreitung der Hoechstmengen auf eine Panne des chinesischen EDV-Systems zurückzuführen und so plötzlich eingetreten sei, daß die Kommission keine Vorkehrungen habe treffen können.

31 Ausserdem sei der Erlaß des angefochtenen Beschlusses im Hinblick auf die Zuständigkeit zur Durchführung nach Artikel 12 Absätze 4 und 8 der Verordnung gerechtfertigt. Aufgrund dieser Bestimmung sei die Kommission befugt, für ein bestimmtes Quotenjahr zusätzliche Mengen einzuräumen, da dies im Fall einer Überschreitung der Mengen eine "Abhilfe" darstelle. Die im angefochtenen Beschluß gewählte Abhilfemaßnahme trage den Belangen des Wirtschaftszweigs der Gemeinschaft Rechnung und schütze gleichzeitig die Rechtsstellung gutgläubiger Wirtschaftsteilnehmer. Überdies liefe Artikel 12 Absatz 8 der Verordnung leer, wenn die für eine Überschreitung der Quoten mögliche Abhilfe nicht über die blosse Anwendung der normalen Flexibilitätsbestimmung des Artikels 7 hinausgehen könne.

32 Die Parteien stimmen zu Recht darin überein, daß der angefochtene Beschluß nicht gemäß Artikel 7 der Verordnung ergangen ist.

33 Ob die Kommission auf der Grundlage der Artikel 8 oder 12 Absätze 4 und 8 der Verordnung zum Erlaß des angefochtenen Beschlusses zuständig war, richtet sich nach ihren Befugnissen auf dem Gebiet der Verwaltung der Einfuhrquoten für Textilwaren.

34 Artikel 113 EG-Vertrag weist zwar die Zuständigkeit zur Durchführung der gemeinsamen Handelspolitik auf der Grundlage von Vorschlägen der Kommission dem Rat zu, doch kann der Rat nach den Artikeln 145 und 155 EG-Vertrag in den von ihm erlassenen Rechtsakten die Befugnisse zu deren Durchführung der Kommission übertragen.

35 Der Rat hat durch die Verordnung ein System von Gemeinschaftshöchstmengen eingeführt, das für Einfuhren von Textilwaren aus Lieferländern gilt, bei denen die Ausfuhr Hoechstmengen unterliegt. Um sicherzustellen, daß die Gemeinschaftshöchstmengen nicht überschritten werden, ist in Artikel 12 ein besonderes Verwaltungsverfahren vorgesehen, nach dem die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten der Kommission die Mengen mitteilen, für die bei ihnen Anträge auf Einfuhrgenehmigungen eingereicht worden sind.

36 Damit hat der Rat der Kommission die Aufgabe übertragen, die Einhaltung der Gemeinschaftshöchstmengen zu kontrollieren.

37 Gemäß Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung hat die Kommission zu bestätigen, daß die beantragten Einfuhrmengen verfügbar sind. Nach Artikel 2 Absatz 7 soll durch dieses Bestätigungsverfahren sichergestellt werden, daß die Mengen, für die Einfuhrgenehmigungen erteilt werden, die Gemeinschaftshöchstmengen zu keinem Zeitpunkt überschreiten. Nach Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung kann die Kommission in Ausnahmefällen, bei denen Anlaß zu der Annahme besteht, daß vorzeitige Anträge auf Einfuhrgenehmigungen die Hoechstmengen überschreiten, die Einfuhrmenge auf 90 v. H. der entsprechenden Hoechstmengen begrenzen.

38 Gemäß Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung werden Mitteilungen von Mitgliedstaaten, die nicht bestätigt werden können, weil die beantragten Einfuhrmengen im Rahmen der Gemeinschaftshöchstmengen nicht mehr verfügbar sind, von der Kommission in der chronologischen Reihenfolge ihres Eingangs registriert und in derselben Reihenfolge bestätigt, sobald weitere Mengen, z. B. infolge der Anwendung der Flexibilitätsbestimmungen nach Artikel 7, verfügbar werden. Ferner nimmt die Kommission in den Fällen, in denen die mitgeteilten Anträge die Hoechstmengen überschreiten, im Hinblick auf eine Klärung der Frage und rasche Abhilfe unverzueglich Kontakt mit den Behörden des betreffenden Lieferlandes auf. Gemäß Artikel 12 Absatz 8 kann die Kommission nach dem Verfahren des Artikels 17 alle zur Durchführung dieses Artikels erforderlichen Maßnahmen treffen.

39 Im übrigen hat der Rat der Kommission in Artikel 8 der Verordnung neben diesen Befugnissen zur Kontrolle der Einhaltung der Gemeinschaftshöchstmengen die Befugnis verliehen, Einfuhren über diese Hoechstmengen und normalen Flexibilitätsbestimmungen nach Artikel 7 der Verordnung hinaus zu genehmigen, "wenn aufgrund besonderer Umstände zusätzlicher Einfuhrbedarf auftritt".

40 Nach Artikel 145 EG-Vertrag "überträgt der Rat der Kommission in den von ihm angenommenen Rechtsakten die Befugnisse zur Durchführung der Vorschriften, die er erlässt". Aus dem Gesamtzusammenhang des EG-Vertrags, in den dieser Artikel gestellt werden muß, sowie aus den Anforderungen der Praxis ergibt sich, daß der Begriff "Durchführung" weit auszulegen ist (vgl. sinngemäß Urteil vom 30. Oktober 1975 in der Rechtssache 23/75, Rey Soda u. a., Slg. 1975, 1279, Randnr. 10).

41 Da nur die Kommission in der Lage ist, die internationale Marktentwicklung ständig und aufmerksam zu verfolgen und mit der durch die Situation gebotenen Schnelligkeit zu handeln, kann sich der Rat veranlasst sehen, ihr auf diesem Gebiet weitgehende Befugnisse zu übertragen. Daher sind die Grenzen dieser Befugnisse nach den allgemeinen Hauptzielen der fraglichen Regelung zu beurteilen. So ist die Kommission befugt, alle für die Durchführung der Grundverordnung erforderlichen oder zweckmässigen Maßnahmen zu ergreifen, soweit diese nicht gegen die Grundverordnung oder die Anwendungsregeln des Rates verstossen (vgl. für das Gebiet der Landwirtschaft Urteil vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-478/93, Niederlande/Kommission, Slg. 1995, I-3081, Randnrn. 30 und 31).

42 In der vorliegenden Rechtssache ergibt sich aus dem durch die Verordnung festgelegten Gesamtzusammenhang, wie der Generalanwalt in Nummer 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, daß Artikel 12 der Verordnung nur das Verfahren zur Kontrolle der Einhaltung der Gemeinschaftshöchstmengen betrifft und daher der Kommission nicht die Befugnis überträgt, diese Mengen zu ändern.

43 Daher darf der Kontakt, den die Kommission gemäß Artikel 12 Absatz 4 der Verordnung in den Fällen, in denen die mitgeteilten Anträge die verfügbaren Quoten überschreiten, mit den Behörden des betreffenden Lieferlandes aufzunehmen hat, nicht zu einem Abkommen mit den Behörden dieses Drittlandes führen, das eine Ausnahme von den durch den Rat festgelegten Gemeinschaftshöchstmengen vorsieht. Auch dienen die Maßnahmen des Artikels 12 Absatz 8 ausschließlich zur Durchführung des Verfahrens zur Verwaltung der verfügbaren Quoten.

44 Dagegen ermächtigt Artikel 8 der Verordnung die Kommission bereits nach seinem Wortlaut, höhere Einfuhrmöglichkeiten einzuräumen als sie den im Rahmen der Gemeinschaftshöchstmengen verfügbaren Mengen und den normalen Flexibilitätsbestimmungen des Artikels 7 der Verordnung entsprechen.

45 Daher ist zu prüfen, ob die Kommission nach Artikel 8 der Verordnung zum Erlaß des angefochtenen Beschlusses zuständig war, insbesondere, ob Umstände im Sinne dieses Artikels vorlagen, die eine Genehmigung zusätzlicher Einfuhrmengen für das Quotenjahr 1995 rechtfertigen konnten.

46 Artikel 8 muß restriktiv ausgelegt werden, da er es der Kommission erlaubt, als Ausnahme von dem durch die Verordnung eingeführten allgemeinen System zusätzliche Einfuhrmöglichkeiten zu eröffnen.

47 In der vorliegenden Rechtssache rechtfertigt der Umstand, daß die chinesischen Behörden im wesentlichen aufgrund einer Panne ihres EDV-Systems über die Hoechstmengen hinaus Ausfuhrlizenzen erteilten, die durch den angefochtenen Beschluß genehmigten zusätzlichen Einfuhrmöglichkeiten nicht.

48 Die Überschreitung der Hoechstmengen beruht nämlich auf der Verwaltung des durch das Abkommen EWG-China eingeführten Systems der doppelten Kontrolle und ist damit grundsätzlich nicht als aussergewöhnlich oder unvorhersehbar, sondern als ein dem Verfahren zur Kontrolle der Hoechstmengen innewohnendes Risiko anzusehen. Die Kommission hat nicht nachgewiesen, daß die Überschußsituation bei den Ausfuhrlizenzen 1995 so plötzlich und unvermittelt eintrat, daß sie nicht in der Lage gewesen wäre, geeignete Maßnahmen zu treffen, wie sie insbesondere in Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung vorgesehen sind, um einer Überschreitung der Hoechstmengen vorzubeugen.

49 Die Kommission kann sich nicht auf eine Benachteiligung gutgläubiger Einfuhrunternehmen berufen, da sie nicht nachgewiesen hat, daß es unmöglich war, solche Maßnahmen zu erlassen und damit zu verhindern, daß die betroffenen Waren beim Eingang in das Zollgebiet der Gemeinschaft angehalten werden.

50 Daher ist der angefochtene Beschluß für nichtig zu erklären, ohne daß über die sonstigen von der Portugiesischen Republik erhobenen Klagegründe befunden zu werden bräuchte.

Zur zeitlichen Begrenzung der Wirkungen der Nichtigerklärung

51 Die Kommission hat beantragt, die Wirkungen einer etwaigen Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses zu begrenzen.

52 Eine schlichte Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses könnte die Ausübung der sich aus diesem ergebenden Rechte beeinträchtigen.

53 Daher ist es im Interesse der Rechtssicherheit gerechtfertigt, von der Befugnis des Gerichtshofes nach Artikel 174 Absatz 2 EG-Vertrag Gebrauch zu machen und die Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses aufrechtzuerhalten.

Kostenentscheidung:

Kosten

54 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Sechste Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Klage ist unzulässig, soweit die Nichtigerklärung der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften im Zusammenhang mit der Verwaltung der Hoechstmengen bei der Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung mit Ursprung in Drittländern in die Gemeinschaft angewandten Praxis der besonderen Flexibilität beantragt wird.

2. Der von der Kommission der Europäischen Gemeinschaften nach Befürwortung durch den Textilausschuß in dessen Sitzung vom 6. März 1996 erlassene Beschluß über die Einfuhr von Textilwaren und Bekleidung mit Ursprung in der Volksrepublik China wird für nichtig erklärt.

3. Die Wirkungen des für nichtig erklärten Beschlusses werden aufrechterhalten.

4. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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