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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.07.1990
Aktenzeichen: C-16/89
Rechtsgebiete: VO Nr. 857/84


Vorschriften:

VO Nr. 857/84 Art. 3 Nr. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 ist dahin auszulegen, daß es im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, Erzeugern, die sich zur Durchführung eines Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung verpflichtet haben und deren Plan nach dem 1. Januar 1981 durchgeführt worden ist, spezifische von der zusätzlichen Abgabe für Milch befreite Referenzmengen zuzuweisen. Beschließt jedoch ein Mitgliedstaat, den in dieser Vorschrift genannten Situationen bestimmter Erzeuger Rechnung zu tragen, so hat er - obwohl die Durchführung eines Entwicklungsplans dem betreffenden Erzeuger keinesfalls das Recht auf Referenzmengen verleiht, die der nach Durchführung dieses Plans erreichten Produktionskapazität entsprechen, ohne daß seine Referenzmengen gegebenenfalls gekürzt werden könnten - zu berücksichtigen, wieviel Milch und wieviele Milcherzeugnisse diese Erzeuger im Jahr des Abschlusses ihres Entwicklungsplans geliefert haben, wobei die Mitgliedstaaten allerdings, wenn diese Mengen für die nach Abschluß dieses Plans erlangte Produktionskapazität nicht repräsentativ sind, dafür sorgen müssen, daß sie in einem gewissen Verhältnis zu der daraus resultierenden Produktionskapazität stehen und daß eine diskriminierende Unterscheidung zwischen den betroffenen Erzeugern verboten ist.

Die genannte Vorschrift steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die zur Durchführung der genannten Verordnung erlassen wurde und wie folgt ausgestaltet ist :

- Erzeuger, die im Rahmen oder ausserhalb eines Entwicklungsplans Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, können eine spezifische Referenzmenge erhalten;

- diese Menge berechnet sich auf der Grundlage einer pro neu geschaffenem Stellplatz zugewiesenen Pauschalmenge;

- bei dieser Berechnung wird die Zahl tatsächlich geschaffener Stellplätze je nachdem, ob es sich um Erzeuger handelt, die mit der Milcherzeugung erst begonnen haben oder nicht, um 10 % bzw. 20 % gekürzt;

- die aus der Anwendung der vorerwähnten Berechnungskriterien resultierende Menge wird je nach dem Zeitpunkt, in dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden, um ein Drittel oder die Hälfte gekürzt; hierbei wird klargestellt, daß diese Kürzung je nach dem Grad der Vorhersehbarkeit der Einführung der zusätzlichen Abgabe bei der Tätigung von Investitionen mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbar ist, der die Politik der Verringerung der strukturellen Milchüberschüsse zu beherrschen hat, und daß die Tätigung von Investitionen selbst im Rahmen eines Entwicklungsplans kein berechtigtes Vertrauen entstehen lassen kann, um spezifische Referenzmengen zu beanspruchen, die gerade wegen dieser Investitionen zugeteilt werden.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (DRITTE KAMMER) VOM 12. JULI 1990. - G. SPRONK GEGEN MINISTER VAN LANDBOUW EN VISSERIJ. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: COLLEGE VAN BEROEP VOOR HET BEDRIJFSLEVEN - NIEDERLANDE. - LANDWIRTSCHAFT - ZUSAETZLICHE ABGABE AUF MILCH. - RECHTSSACHE C-16/89.

Entscheidungsgründe:

1 Das College van Beroep voor het Bedrijfsleven, Den Haag, hat mit Beschluß vom 21. Dezember 1988, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar 1989, nach Artikel 177 EWG-Vertrag drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 90, S. 13 ) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Spronk, dem Inhaber eines milchwirtschaftlichen Betriebs, und dem niederländischen Ministerium für Landwirtschaft und Fischerei ( nachstehend : Landwirtschaftsministerium ).

3 Aus den Akten geht hervor, daß das Landwirtschaftsministerium mit Schreiben vom 1. April 1985 den Einspruch von Herrn Spronk gegen den Bescheid zurückwies, mit dem der Direktor für Landwirtschaft und Ernährung der Provinz Overijssel den Anspruch von Herrn Spronk auf eine Referenzmenge, also die Lieferung einer von der - durch die Verordnung ( EWG ) Nr. 856/84 des Rates vom 31. März 1984 zur Änderung der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 über die gemeinsame Marktorganisation für Milch und Milcherzeugnisse ( ABl. L 90, S. 10 ) eingeführten - Zusatzabgabe auf Milch befreiten Milchmenge nur teilweise anerkannt hatte. Der streitige Bescheid war auf Artikel 11 der Verordnung des Landwirtschafsministeriums vom 18. April 1984 zur Durchführung der Zusatzabgabe in den Niederlanden gestützt.

4 Herr Spronk machte zur Begründung der Klage vor dem College van Beroep voor het Bedrijfsleven, Den Haag, auf Aufhebung dieses Bescheids geltend, daß ihm die zuständigen nationalen Behörden 1983 eine Zinsvergütung für die Investitionen gewährt hätten, die zur Verwirklichung des Entwicklungsplans für seinen Betrieb erforderlich gewesen seien, den er gemäß der Richtlinie 72/159/EWG des Rates vom 17. April 1972 über die Modernisierung der landwirtschaftlichen Betriebe ( ABl. L 96, S. 1 ) bei ihnen eingereicht habe; dadurch hätten sie die Erhöhung seiner Milcherzeugung in einem bestimmten Verhältnis anerkannt. Deshalb sei die genannte niederländische Verordnung vom 18. April 1984, wonach die zuständigen nationalen Behörden eine Referenzmenge zuteilen könnten, die niedriger sei als die im Rahmen des Entwicklungsplans des Betriebs verwirklichte Erzeugung, mit der Verordnung Nr. 857/84 des Rates unvereinbar, deren Artikel 3 gerade die Möglichkeit für die Mitgliedstaaten vorsehe, bei der Berechnung der individuellen Referenzmengen die Situation von Erzeugern zu berücksichtigen, die einen Entwicklungsplan im Sinne der Richtlinie 72/159 eingereicht hätten.

5 Unter diesen Umständen hat das College van Beroep voor het Bedrijfsleven das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt :

"1 ) Ist Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates dahin auszulegen, daß er den Mitgliedstaaten lediglich die Befugnis einräumt, bei der Festsetzung der individuellen Referenzmengen die Situation derjenigen Erzeuger zu berücksichtigen, die im Rahmen der Richtlinie 72/159/EWG vor dem 1. März 1984 einen Plan zur Entwicklung der Milcherzeugung vorgelegt haben, und daß es völlig im Ermessen des betreffenden Mitgliedstaats steht, ob und gegebenenfalls inwieweit von dieser Befugnis Gebrauch gemacht werden soll?

2 ) Wenn die erste Frage verneint wird und davon auszugehen ist, daß die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei der Festsetzung der individuellen Referenzmengen die Situation der betroffenen Erzeuger zu berücksichtigen, lassen sich dann aus dieser Verordnungsbestimmung nähere Angaben zu Art und Umfang dieser Verpflichtung herleiten?

3 ) Lässt es der in Beantwortung der ersten und der zweiten Frage vom Gerichtshof ausgelegte Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 857/84 zu, daß ein Mitgliedstaat für Erzeuger, die Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, eine Regelung der in den Gründen dieses Beschlusses beschriebenen Art erlässt, auch wenn die in dieser Regelung vorgesehenen Einschränkungen und Bedingungen bewirken, daß einige der in der ersten Frage erwähnten Erzeuger überhaupt keine spezifische Referenzmenge oder aber eine spezifische Referenzmenge zugeteilt erhalten, die die in dem Plan vorgesehene Menge - gegebenenfalls erheblich - unterschreitet?"

6 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts und der nationalen Vorschriften, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten und zur zweiten Frage

7 Unter Berücksichtigung des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens sind die erste und die zweite Frage, die gemeinsam zu prüfen sind, dahin zu verstehen, daß mit ihnen Auskunft darüber verlangt wird, ob Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 die Mitgliedstaaten verpflichtet, den in dieser Bestimmung genannten Erzeugern spezifische Referenzmengen zuzuteilen, oder ob diese Vorschrift den Mitgliedstaaten hierfür ein gewisses Ermessen einräumt und, wenn dies der Fall ist, welches die Grenzen dieses Ermessens sind.

8 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Rat mit der Verordnung Nr. 856/84 vom 31. März 1984 eine zusätzliche Abgabe eingeführt hat, die auf die gelieferten Milchmengen erhoben wird, die eine für jeden Mitgliedstaat zu bestimmende Referenzmenge überschreiten; sie wird entweder von den Milcherzeugern ( Formel A ) oder von den Käufern von Milch oder anderen Milcherzeugnissen gezahlt, die sie auf die Erzeuger, die ihre Lieferungen erhöht haben, im Verhältnis zu ihrem Beitrag an der Überschreitung der Referenzmenge des Käufers abwälzen ( Formel B ).

9 Die Einzelheiten der Berechnung der Referenzmenge sind in der Verordnung Nr. 857/84 des Rates festgelegt worden. Gemäß Artikel 2 Absatz 1 dieser Verordnung entspricht die Referenzmenge der Milch - oder Milchäquivalenzmenge, die im Kalenderjahr 1981 geliefert oder gekauft wurde, zuzueglich 1 %. Die Mitgliedstaaten können jedoch gemäß Absatz 2 dieses Artikels vorsehen, daß die Referenzmenge auf ihrem Gebiet der im Kalenderjahr 1982 oder 1983 gelieferten oder gekauften Milch - oder Milchäquivalenzmenge unter Anwendung eines Prozentsatzes entspricht, der so festgesetzt wird, daß die Garantiemenge für den betreffenden Mitgliedstaat nicht überschritten wird.

10 Ausnahmen von diesen Regeln sind für bestimmte besondere Situationen in den Artikeln 3, 4 und 4a dieser Verordnung vorgesehen. Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung Nr. 857/84 lautet wie folgt :

"Bei der Festlegung der Referenzmengen nach Artikel 2 und im Rahmen der Anwendung der Formeln A und B werden bestimmte besondere Situationen unter folgenden Bedingungen berücksichtigt.

1 ) Erzeuger, die sich zur Durchführung eines vor dem 1. März 1984 eingereichten Entwicklungsplans im Bereich der Milcherzeugung gemäß der Richtlinie 72/159/EWG verpflichtet haben, können entsprechend der Entscheidung des Mitgliedstaats,

- wenn der Entwicklungsplan in Durchführung befindlich ist, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten, die den im Entwicklungsplan vorgesehenen Milch - und Milcherzeugnismengen Rechnung trägt;

- wenn der Entwicklungsplan nach dem 1. Januar 1981 durchgeführt worden ist, eine spezifische Referenzmenge zugewiesen erhalten, die den Milch - und Milcherzeugnismengen Rechnung trägt, die sie im Jahr des Abschlusses des Entwicklungsplans geliefert haben.

Verfügt der Mitgliedstaat über ausreichende Informationen, so können auch ohne Entwicklungsplan getätigte Investitionen berücksichtigt werden."

11 Diese Vorschrift ist im Urteil des Gerichtshofes vom 11. Juli 1989 in den verbundenen Rechtssachen 196/88 bis 198/88 ( Cornée, Slg. 1989, 2309 ) bereits ausgelegt worden. In diesem Urteil hat der Gerichtshof Artikel 3 Nr. 1 erster Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84, der den Fall regelt, daß ein Entwicklungsplan in Durchführung befindlich ist, dahin ausgelegt, daß diese Bestimmung den Mitgliedstaaten ein Ermessen in der Frage einräumt, ob sie die Zuteilung spezifischer Referenzmengen an die darin genannten Erzeuger vorsehen und wie sie gegebenenfalls den Umfang dieser Zuteilungen festsetzen ( Randnr. 13 )

12 Die Mitgliedstaaten verfügen über das gleiche Ermessen in bezug auf den im zweiten Gedankenstrich dieser Bestimmung geregelten und hier zu beurteilenden Fall, daß der Entwicklungsplan nach dem 1. Januar 1981 durchgeführt wurde.

13 Beschließt jedoch ein Mitgliedstaat, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, in diesem Zusammenhang spezifische Referenzmengen zuzuteilen, so wird sein Ermessensspielraum bei der Festsetzung der Höhe der individuellen Mengen durch Erfordernisse begrenzt, die sich aus dem Wortlaut der fraglichen Bestimmung, dem mit ihr verfolgten Ziel und dem Diskriminierungsverbot ergeben.

14 Erstens muß der Mitgliedstaat nach dem zweiten Gedankenstrich der genannten Bestimmung den Milch - und Milcherzeugnismengen "Rechnung tragen", die die betroffenen Erzeuger im Jahr des Abschlusses des Entwicklungsplans geliefert haben; die zugeteilten spezifischen Referenzmengen müssen mit anderen Worten in einem Verhältnis zu diesen Lieferungen stehen. Wie der Gerichtshof in Randnummer 16 des Urteils vom 11. Juli 1989 ( Cornée, a. a. 0.) ausgeführt hat, verlangt das Erfordernis "Rechnung zu tragen" jedoch nicht, daß eine strikte Proportionalität zwischen den gelieferten Mengen und den zuzuteilenden spezifischen Referenzmengen gewahrt wird, so daß die Mitgliedstaaten, auch wenn sie das Ziel des Entwicklungsplans als Hauptanknüpfungspunkt heranziehen, auch andere objektive Kriterien berücksichtigen können.

15 Zweitens soll, wie der Gerichtshof ebenfalls im Urteil Cornée festgestellt hat ( a. a. 0., Randnr. 12 ), Artikel 3 Nr. 1 der Verordnung 857/84 sicherstellen, daß Erzeuger mit einem nach Maßgabe der Richtlinie 72/159 genehmigten Entwicklungsplan für die Milcherzeugung die Früchte der Investitionen, die sie im Rahmen der Durchführung eines solchen Plans getätigt haben, genießen können. Wenn also wie im Ausgangsfall die Milch - und Milcherzeugnismengen, die die betroffenen Erzeuger im Jahr des Abschlusses des Entwicklungsplans geliefert haben, nicht repräsentativ für die aufgrund der getätigten Investitionen erreichte Produktionskapazität sind, so sind die mit der Durchführung der Gemeinschaftsregelung betrauten Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die von ihnen zugeteilten spezifischen Referenzmengen im Verhältnis zu dieser neuen Produktionskapazität stehen.

16 In einem derartigen Fall erscheint es gerechtfertigt, die spezifischen Referenzmengen nicht entsprechend den tatsächlichen Lieferungen im Jahr des Abschlusses des Entwicklungsplans festzusetzen, sondern entsprechend der Produktionskapazität des Betriebs nach Abschluß des Plans, etwa durch eine Übertragung der nach Abschluß des Plans erreichten Liefermenge auf das gesamte betreffende Kalenderjahr. Keinesfalls verleiht jedoch die Durchführung eines Entwicklungsplans für die Milcherzeugung dem betreffenden Erzeuger das Recht auf Referenzmengen, die der nach der Durchführung dieses Plans erreichten Produktionskapazität entsprechen, ohne daß seine Referenzmengen gegebenenfalls gekürzt werden könnten. Diese Kürzungen müssen allerdings nach objektiven Kriterien und unter Wahrung der Zielsetzung der anwendbaren Gemeinschaftsregelung festgesetzt werden.

17 Schließlich sind die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die zuletzt durch das Urteil vom 11. Juli 1989 ( Cornée, a. a. 0., Randnr. 14 ) bestätigt worden ist, verpflichtet, bei der Durchführung einer gemeinsamen Organisation der Agrarmärkte das in Artikel 40 Absatz 3 EWG-Vertrag niedergelegte Verbot der Diskriminierung zwischen Erzeugern innerhalb der Gemeinschaft zu beachten. Wenn also ein Mitgliedstaat aufgrund der angeführten gemeinschaftsrechtlichen Regelung spezifische Referenzmengen zuteilt, müssen diese Zuteilungen so vorgenommen werden, daß keine Erzeuger innerhalb der Gemeinschaft diskriminiert werden.

18 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, daß Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 dahin auszulegen ist, daß es im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, den in dieser Vorschrift bezeichneten Erzeugern spezifische Referenzmengen zuzuweisen. Beschließt jedoch ein Mitgliedstaat, den in dieser Vorschrift genannten Situationen bestimmter Erzeuger Rechnung zu tragen, so hat er zu berücksichtigen,

- wieviel Milch und wieviele Milcherzeugnisse diese Erzeuger im Jahr des Abschlusses ihres Entwicklungsplans geliefert haben, wobei die Mitgliedstaaten allerdings, wenn diese Mengen für die nach Abschluß dieses Plans erlangte Produktionskapazität nicht repräsentativ sind, dafür sorgen müssen, daß sie in einem gewissen Verhältnis zu der daraus resultierenden Produktionskapazität stehen, und

- daß eine diskriminierende Unterscheidung zwischen den betroffenen Erzeugern verboten ist.

Zur dritten Frage

19 Mit der dritten Frage möchte das nationale Gericht wissen, anhand welcher Kriterien es die Vereinbarkeit der niederländischen Regelung, die zur Durchführung von Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 857/84 erlassen wurde, mit dieser Vorschrift beurteilen kann.

20 Aus den Akten geht hervor, daß die in Rede stehende niederländische Regelung, nämlich Artikel 11 der Verordnung des Ministeriums für Landwirtschaft und Fischerei vom 18. April 1984 in ihrer geänderten Fassung, im wesentlichen vorsieht, daß eine spezifische Menge Erzeugern, die im Rahmen eines Entwicklungsplans Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, und Erzeugern, die solche Verpflichtungen ohne Vorlage eines Entwicklungsplans eingegangen sind, zugewiesen werden kann, wobei zwischen diesen beiden Gruppen von Erzeugern kein Unterschied gemacht wird. In beiden Fällen wird die spezifische Menge zusätzlich zu den im Kalenderjahr vor der Übernahme der Investitionsverpflichtungen durchgeführten Lieferungen dergestalt berechnet, daß grundsätzlich eine Pauschalmenge von 5 500 kg Milch für jeden neugeschaffenen Stellplatz zugewiesen wird. Bei dieser Berechnung wird die Anzahl tatsächlich errichteter Stellplätze um 20 % gekürzt, ausser bei Erzeugern, die mit der Milcherzeugung beginnen : Bei ihnen beträgt die Kürzung 10 %. Die so errechnete Menge wird mit dem Faktor 1/2 oder gegebenenfalls 2/3 multipliziert, je nach dem Zeitpunkt, zu dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden.

21 Unter diesen Umständen ist die Vorabentscheidungsfrage dahin zu verstehen, daß mit ihr Auskunft darüber begehrt wird, ob Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 857/84 einer nationalen Durchführungsregelung entgegensteht, die wie folgt ausgestaltet ist :

- Erzeuger, die im Rahmen oder ausserhalb eines Entwicklungsplans Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, können eine spezifische Referenzmenge erhalten;

- diese Menge berechnet sich auf der Grundlage einer pro neugeschaffenem Stellplatz zugewiesenen Pauschalmenge;

- bei dieser Berechnung wird die Zahl tatsächlich geschaffener Stellplätze je nachdem, ob es sich um Erzeuger handelt, die mit der Milcherzeugung erst begonnen haben oder nicht, um 10 % bzw. 20 % gekürzt;

- die aus der Anwendung der vorerwähnten Berechnungskriterien resultierende Menge wird je nach dem Zeitpunkt, in dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden, um ein Drittel oder die Hälfte gekürzt.

22 Erstens ist festzustellen, daß Artikel 3 Nr. 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 857/84 ausdrücklich vorsieht, daß die Mitgliedstaaten ohne Entwicklungsplan getätigte Investitionen berücksichtigen können, sofern der betreffende Mitgliedstaat insoweit über ausreichende Informationen verfügt.

23 Diese Vorschrift steht deshalb einer nationalen Regelung nicht entgegen, die für die Zuweisung einer spezifischen Referenzmenge Erzeuger, die ohne Entwicklungsplan investiert haben, Erzeugern gleichstellt, die im Rahmen eines solchen Plans investiert haben, sofern sichergestellt ist, daß die Zuweisung einer spezifischen Referenzmenge an die erste Gruppe von Erzeugern aufgrund ausreichender Beurteilungskriterien erfolgt.

24 Zweitens kann die Anzahl von Stellplätzen als repräsentativ für die Produktionskapazitäten des jeweiligen Betriebs angesehen werden. Es kann deshalb den Mitgliedstaaten nicht untersagt werden, aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung den Umfang der zugewiesenen spezifischen Mengen an die Anzahl der Stellplätze zu binden, ohne die tatsächliche Erzeugung zu berücksichtigen, sofern die Pauschalmenge je Stellplatz anhand objektiver Kriterien wie etwa der durchschnittlichen nationalen Erzeugung je Stellplatz festgesetzt wird.

25 Drittens ist darauf hinzuweisen, daß die niederländische Regierung vor dem Gerichtshof erklärt hat, die Kürzungen um 10 % und 20 % für die mit der Milcherzeugung beginnenden Erzeuger bzw. für die übrigen Erzeuger seien eingeführt worden, weil die Erzeugung auf dem 1983 erreichten Niveau habe eingefroren werden sollen, und zwar unter Berücksichtigung des begrenzten Umfangs der innerhalb der nationalen Gesamtquote festgelegten Reserve.

26 In einer derartigen Regelung kann keine Überschreitung der Grenzen des Ermessens gesehen werden, über das die Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet verfügen. Wie bei der Prüfung der ersten und der zweiten Frage festgestellt worden ist, verfügen diese über ein Ermessen nicht nur in bezug darauf, ob sie Zuteilungen im Sinne von Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 857/84 vorsehen, sondern auch bei der Festsetzung des Umfangs dieser Zuteilungen im Rahmen ihrer Gesamtgarantiemenge.

27 Was schließlich eine nationale Regelung angeht, wonach die aus der Anwendung der beschriebenen Berechnungskriterien resultierende Menge je nach dem Zeitpunkt, zu dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden, um ein Drittel oder die Hälfte gekürzt wird, so hat die niederländische Regierung vor dem Gerichtshof erklärt, daß diese Kürzungen deshalb in die niederländische Regelung aufgenommen worden seien, weil die Einführung der zusätzlichen Abgabe immer wahrscheinlicher geworden sei, wobei im übrigen der begrenzten Menge Rechnung getragen worden sei, die für die Zuweisung spezifischer Referenzmengen zur Verfügung gestanden habe.

28 Hierzu ist festzustellen, daß eine nationale Regelung der beschriebenen Art, die Kürzungen je nach dem Zeitraum zwischen den getätigten Investitionen, die zur Zuteilung einer spezifischen Referenzmenge führen, und dem Inkrafttreten der Zusatzabgabenregelung, also je nach dem Grad der Vorhersehbarkeit der Einführung dieser Regelung, vorsieht, als mit dem Verhältnismässigkeitsgrundsatz vereinbar anzusehen ist, dem zufolge das angestrebte Ziel - im vorliegenden Fall die Regulierung des Wachstums der Milcherzeugung auf einem durch bedeutende strukturelle Überschüsse gekennzeichneten Markt - in der am wenigsten einschneidenden Weise verfolgt werden muß.

29 An dieser Einschätzung ändert der Umstand nichts, daß eine derartige nationale Regelung dazu führen kann, daß einer Reihe von Erzeugern, die Investitionen getätigt haben, überhaupt keine spezifische Referenzmenge zugewiesen wird, oder zumindest, daß die ihnen zugewiesene spezifische Referenzmenge bedeutend geringer ist als die aufgrund der getätigten Investitionen erlangte Produktionskapazität. Ein Erzeuger, der Investitionen getätigt hat, kann sich nämlich, selbst wenn dies im Rahmen eines Entwicklungsplans geschehen ist, nicht auf irgendein auf die Durchführung dieser Investitionen gestütztes berechtigtes Vertrauen berufen, um eine spezifische Referenzmenge zu beanspruchen, die gerade wegen dieser Investitionen zugeteilt wird ( siehe das Urteil vom 11. Juli 1989, Cornée, a. a. 0., Randnr. 27 ).

30 Auf die dritte Frage ist somit zu antworten, daß Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die zur Durchführung dieser Verordnung erlassen wurde und wie folgt ausgestaltet ist :

- Erzeuger, die im Rahmen oder ausserhalb eines Entwicklungsplans Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, können eine spezifische Referenzmenge erhalten;

- diese Menge berechnet sich auf der Grundlage einer pro neugeschaffenem Stellplatz zugewiesenen Pauschalmenge;

- bei dieser Berechnung wird die Zahl tatsächlich geschaffener Stellplätze je nachdem, ob es sich um Erzeuger handelt, die mit der Milcherzeugung erst begonnen haben oder nicht, um 10 % bzw. 20 % gekürzt;

- die aus der Anwendung der vorerwähnten Berechnungskriterien resultierende Menge wird je nach dem Zeitpunkt, zu dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden, um ein Drittel oder die Hälfte gekürzt.

Kostenentscheidung:

Kosten

31 Die Auslagen der niederländischen und der französischen Regierung sowie der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF ( Dritte Kammer )

auf die ihm vom College van Beroep voor het Bedrijfsleven, Den Haag, mit Beschluß vom 21. Dezember 1988 vorgelegten Fragen für Recht erkannt :

1 ) Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 über Grundregeln für die Anwendung der Abgabe gemäß Artikel 5c der Verordnung ( EWG ) Nr. 804/68 im Sektor Milch und Milcherzeugnisse ist dahin auszulegen, daß es im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, den in dieser Vorschrift bezeichneten Erzeugern spezifische Referenzmengen zuzuweisen. Beschließt jedoch ein Mitgliedstaat, den in dieser Vorschrift genannten Situationen bestimmter Erzeuger Rechnung zu tragen, so hat er zu berücksichtigen,

- wieviel Milch und wieviele Milcherzeugnisse diese Erzeuger im Jahr des Abschlusses ihres Entwicklungsplans geliefert haben, wobei die Mitgliedstaaten allerdings, wenn diese Mengen für die nach Abschluß dieses Plans erlangte Produktionskapazität nicht repräsentativ sind, dafür sorgen müssen, daß sie in einem gewissen Verhältnis zu der daraus resultierenden Produktionskapazität stehen, und

- daß eine diskriminierende Unterscheidung zwischen den betroffenen Erzeugern verboten ist.

2 ) Artikel 3 Nr. 1 Satz 1 der Verordnung ( EWG ) Nr. 857/84 des Rates vom 31. März 1984 steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die zur Durchführung dieser Verordnung erlassen wurde und wie folgt ausgestaltet ist :

- Erzeuger, die im Rahmen oder ausserhalb eines Entwicklungsplans Investitionsverpflichtungen eingegangen sind, können eine spezifische Referenzmenge erhalten;

- diese Menge berechnet sich auf der Grundlage einer pro neugeschaffenem Stellplatz zugewiesenen Pauschalmenge;

- bei dieser Berechnung wird die Zahl tatsächlich geschaffener Stellplätze je nachdem, ob es sich um Erzeuger handelt, die mit der Milcherzeugung erst begonnen haben oder nicht, um 10 % bzw. 20 % gekürzt;

- die aus der Anwendung der vorerwähnten Berechnungskriterien resultierende Menge wird je nach dem Zeitpunkt, in dem die neuen Stellplätze in Gebrauch genommen wurden, um ein Drittel oder die Hälfte gekürzt.

Ende der Entscheidung

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