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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.10.1991
Aktenzeichen: C-16/90
Rechtsgebiete: Verordnung Nr. 2423/88, EWGV


Vorschriften:

Verordnung Nr. 2423/88 Art. 2 Abs. 5 Buchst. a
EWGV Art. 177
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Die Auswahl des Vergleichslandes bei der Feststellung des Normalwerts von Waren aus Ländern ohne Marktwirtschaft gemäß Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 erfolgt zwar im Rahmen des Ermessens, über das die Organe bei der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte verfügen, ist jedoch der Nachprüfung durch den Gerichtshof nicht entzogen.

Im Rahmen eines derartigen Ermessens ist Gegenstand dieser Nachprüfung, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist, ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts vorliegt und schließlich, ob kein Ermessensmißbrauch vorliegt; für die Auswahl des Vergleichslandes bedeutet dies, daß nachzuprüfen ist, ob die Organe bei der Ermittlung der Geeignetheit des ausgewählten Landes nicht wesentliche Umstände ausser acht gelassen haben und ob der Akteninhalt so sorgfältig geprüft worden ist, daß davon ausgegangen werden kann, daß der Normalwert auf angemessene und nicht unvertretbare Weise bestimmt worden ist.

2. Die Bestimmung des Normalwerts einer Ware aus einem Land ohne Marktwirtschaft durch Vergleich mit dem Preis eines Drittlandes mit Marktwirtschaft ist nicht auf "angemessene und nicht unvertretbare Weise" im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a der Antidumping-Grundverordnung Nr. 2423/88 erfolgt, sofern zum einen mehrere, der Kommission bekannte Tatsachen in bezug auf das Produktionsvolumen und die Produktionsmethoden, auf die Bedingungen des Zugangs zu den Rohstoffen und die üblichen Preise auf dem Binnenmarkt geeignet waren, Zweifel an der Angemessenheit des ausgewählten Drittlandes als Vergleichsland hervorzurufen, und zum anderen die Organe sich nicht ernsthaft und ausreichend bemüht haben, zu prüfen, ob das von einem der Verfahrensbeteiligten vorgeschlagene Drittland als angemessenes Vergleichsland angesehen werden kann. Deshalb ist die Verordnung Nr. 725/89 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf Bürsten und Pinsel mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung des auf diese Einfuhren erhobenen vorläufigen Antidumpingzolls als ungültig anzusehen.


URTEIL DES GERICHTSHOFES (FUENFTE KAMMER) VOM 22. OKTOBER 1991. - DETLEF NOELLE, UNTER DER FIRMA "EUGEN NOELLE" HANDELND, GEGEN HAUPTZOLLAMT BREMEN-FREIHAFEN. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: FINANZGERICHT BREMEN - DEUTSCHLAND. - DUMPING - BUERSTEN UND PINSEL - VERGLEICHSLAND. - RECHTSSACHE C-16/90.

Entscheidungsgründe:

1 Das Finanzgericht Bremen (II. Senat) hat mit Beschluß vom 12. Dezember 1989, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Januar 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Verordnung (EWG) Nr. 725/89 des Rates vom 20. März 1989 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Bürsten und Pinsel zum Auftragen von Anstrichfarben, Lack oder dergleichen mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung des auf diese Einfuhren erhobenen vorläufigen Antidumpingzolls (ABl. L 79, S. 24) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Kläger und dem Hauptzollamt Bremen-Freihafen (nachstehend: Hauptzollamt) über die endgültigen Antidumpingzölle, die dieses auf dessen Einfuhren von Pinseln aus China erhoben hatte.

3 Am 21. November 1988, 8. Februar 1989 und 14. Februar 1989 ließ der Kläger beim Hauptzollamt drei Partien Reinigungs- und Farbpinsel der Unterposition 9603 40 10 der Kombinierten Nomenklatur mit Ursprung in der Volksrepublik China zum freien Verkehr abfertigen. Das Hauptzollamt verlangte zunächst aufgrund des Artikels 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3052/88 der Kommission vom 29. September 1988 zur Einführung eines vorläufigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Bürsten zum Auftragen von Anstrichfarben, Lack oder dergleichen mit Ursprung in der Volksrepublik China (ABl. L 272, S. 16) einen vorläufigen Antidumpingzoll, für den der Kläger gemäß Artikel 1 Absatz 4 dieser Verordnung Sicherheit in Form einer selbstschuldnerischen Bankbürgschaft leistete, die sich auf 31 000 DM, 17 000 DM und 4 400 DM, für die drei Partien also auf insgesamt 52 400 DM belief.

4 Mit drei Bescheiden vom 14. April 1989 forderte das Hauptzollamt sodann den Kläger auf, für die drei Einfuhren 29 937,04 DM, 16 972,57 DM und 4 307,79 DM, insgesamt also 51 217,40 DM endgültigen Antidumpingzoll zu zahlen, was gemäß Artikel 1 der Verordnung Nr. 725/89 (nachstehend: streitige Verordnung) 69 % des Nettostückpreises frei Grenze der Gemeinschaft, unverzollt, entsprach.

5 Am 3. Mai 1989 legte der Kläger beim Hauptzollamt Einspruch ein, mit dem er geltend machte, daß die Bescheide vom 14. April 1989 rechtswidrig seien, da die streitige Verordnung, auf die sie gestützt seien, in mehrfacher Hinsicht gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht verstosse. Nach Zurückweisung seines Einspruchs erhob er gegen die drei Bescheide beim Finanzgericht Bremen Anfechtungsklage.

6 In diesem Zusammenhang hat das nationale Gericht dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Verordnung (EWG) Nr. 725/89 des Rates vom 20. März 1989 unwirksam?

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens, des Verfahrensablaufs sowie der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

8 Das nationale Gericht stützt seine Zweifel hinsichtlich der Gültigkeit der streitigen Verordnung auf die vom Kläger geltend gemachten Gründe, nämlich insbesondere auf einen Verstoß gegen Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a der Verordnung (EWG) Nr. 2423/88 des Rates vom 11. Juli 1988 über den Schutz gegen gedumpte oder subventionierte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft gehörenden Ländern (ABl. L 209, S. 1, nachstehend: Grundverordnung).

9 Diese Bestimmung lautet:

"Im Falle von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft... wird der Normalwert auf angemessene und nicht unvertretbare Weise auf einer der folgenden Grundlagen bestimmt:

a) der Preise, zu denen die gleichartige Ware eines Drittlandes mit Marktwirtschaft

i) zum Verbrauch auf dem Inlandsmarkt dieses Landes

oder

ii) an andere Länder einschließlich der Gemeinschaft

tatsächlich verkauft wird,

..."

10 Vorab ist festzustellen, daß es das Ziel von Artikel 2 Absatz 5 der Grundverordnung ist, die Berücksichtigung der Preise und Kosten in einem Land ohne Marktwirtschaft zu verhindern, die normalerweise nicht das Ergebnis der auf den Markt einwirkenden Kräfte sind (vgl. Urteil vom 11. Juli 1990 in den verbundenen Rechtssachen C-305/86 und C-160/87, Neotype Techmashexport/Kommission und Rat, Slg. 1990, I-2945).

11 Ausserdem ist darauf hinzuweisen, daß die Auswahl des Vergleichslandes in den Spielraum fällt, über den die Organe bei der Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Sachverhalte verfügen.

12 Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch der gerichtlichen Nachprüfung nicht entzogen. Nach ständiger Rechtsprechung stellt nämlich der Gerichtshof im Rahmen dieser Prüfung fest, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob der Sachverhalt, der der umstrittenen Auswahl zugrunde gelegt wurde, zutreffend festgestellt worden ist und ob keine offensichtlich fehlerhafte Würdigung des Sachverhalts und kein Ermessensmißbrauch vorliegen (Urteile vom 7. Mai 1987 in den Rechtssachen 240/84, Toyo u. a./Rat, Slg. 1987, 1809, und 258/84, Nippon Seiko/Rat, Slg. 1987, 1923).

13 Was insbesondere die Wahl des Vergleichslandes angeht, so ist zu prüfen, ob die Organe bei der Ermittlung der Geeignetheit des ausgewählten Landes wesentliche Umstände ausser acht gelassen haben und ob der Akteninhalt so sorgfältig geprüft worden ist, daß davon ausgegangen werden kann, daß der Normalwert auf angemessene und nicht unvertretbare Weise bestimmt worden ist.

14 Der Kläger macht geltend, daß der Normalwert nicht auf diese Weise bestimmt worden sei, da das als Vergleichsland ausgewählte Sri Lanka keine der Bedingungen erfuelle, die die Kommission entsprechend ihrer üblichen Praxis bisher berücksichtigt habe; danach müsse in dem fraglichen Land folgendes gegeben sein: eine gleichartige Ware, ein ähnliches Produktionsvolumen und ähnliche Produktionsmethoden, ein vergleichbarer Zugang zu Rohmaterialien wie im betroffenen Exportland und auf der Grundlage marktwirtschaftlicher Verhältnisse gebildete Preise.

15 Der Kläger macht hierzu erstens geltend, daß China Ring-, Flach- und Heizkörperpinsel herstelle, während Sri Lanka nur Flachpinsel sowie andere von dem erhobenen Antidumpingzoll nicht betroffene Pinsel fertige.

16 Nach Auffassung der Kommission sind die Pinsel aus Sri Lanka dagegen mit den chinesischen Pinseln vergleichbar, da sie in erster Linie aus Tierhaar hergestellt würden und Stiele aus Holz in gleicher Dicke, einen gleichen Ring und eine entsprechende Menge und ein entsprechendes Gewicht an Haaren und Borsten aufwiesen wie die chinesischen Pinsel. Es sei daher unerheblich, daß Sri Lanka nur Flachpinsel herstelle.

17 Es ist festzustellen, daß sich weder aus den vom vorlegenden Gericht übersandten Akten noch aus den in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vorgelegten Schriftstücken und abgegebenen Erklärungen eindeutig ergibt, ob die fraglichen Waren vergleichbar sind oder nicht. Es ist daher nicht erwiesen, daß die Organe insoweit einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen haben.

18 Zweitens macht der Kläger geltend, daß das Produktionsvolumen nicht vergleichbar sei, da es in Sri Lanka nur zwei bedeutende Hersteller gebe, von denen der eine die in Rede stehende Ware praktisch nicht herstelle, während es in China mindestens 150 kleinere und mittlere Unternehmen gebe und das Produktionsvolumen dort daher mindestens 200 mal so groß wie in Sri Lanka sei.

19 Nach Auffassung der Kommission kommt der Tatsache, daß das Produktionsvolumen in der Volksrepublik China höher als in Sri Lanka ist, keine Bedeutung zu, da das entscheidende Kriterium für die Berechnung des Normalwerts die Produktionskosten der einzelnen Betriebe seien. In beiden Ländern handele es sich aber um kleinere oder mittlere Unternehmen mit einer arbeitsintensiven Fertigung in handwerklichen Betrieben und mit niedrigem Lohnniveau.

20 Es ist darauf hinzuweisen, daß insbesondere gemäß dem Urteil vom 11. Juli 1990 (Neotype Techmashexport/Kommission und Rat, a. a. O., Randnr. 10) die Grösse des Binnenmarktes grundsätzlich kein Faktor ist, der bei der Auswahl eines Vergleichslandes im Sinne des Artikels 2 Absatz 5 der Grundverordnung Berücksichtigung finden kann, sofern während des Untersuchungszeitraums eine ausreichende Zahl von Umsätzen stattfindet, um die Repräsentativität dieses Marktes im Hinblick auf die betreffenden Ausfuhren sicherzustellen. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß der Gerichtshof in seinem Urteil vom 5. Oktober 1988 in der Rechtssache 250/85 (Brother/Rat, Slg. 1988, 5683, Randnrn. 12 und 13) die Rüge zurückgewiesen hat, die gegen die Praxis der Organe gerichtet war, die Schwelle der Repräsentativität des Binnenmarktes für die Zwecke der Berechnung des Normalwerts auf 5 % der betreffenden Ausfuhren festzusetzen.

21 In der mündlichen Verhandlung haben der Kläger und die Kommission sich darauf verständigt, daß das Volumen der Ausfuhr chinesischer Bürsten und Pinsel nach der Gemeinschaft etwa 60 Mio. Stück beträgt, während die gesamte Produktion von Sri Lanka bei 750 000 Stück pro Jahr liegt, was 1,25 % des fraglichen Ausfuhrvolumens darstellt.

22 Es ist festzustellen, daß zwar die blosse Tatsache, daß das Produktionsvolumen des Vergleichslandes unterhalb der Schwelle von 5 % liegt, nicht notwendig bedeutet, daß die Wahl dieses Landes nicht als angemessen und vertretbar angesehen werden kann, daß ein Wert von 1,25 % jedoch ein Anzeichen für die geringe Repräsentativität des berücksichtigten Marktes ist.

23 Ausserdem ist festzustellen, daß die Kommission und der Rat während des schriftlichen und des mündlichen Verfahrens keine Tatsachen vorgetragen oder Erläuterungen gegeben haben, die geeignet gewesen wären, darzutun, daß die Produktionsmethoden in Sri Lanka, wie von ihnen behauptet, in einer arbeitsintensiven Fertigung in handwerklichen Betrieben und mit niedrigem Lohnniveau bestehen und folglich mit den Produktionsmethoden in China vergleichbar sind.

24 Drittens trägt der Kläger vor, daß die Industrie Sri Lankas sowohl die Schweineborsten als auch das Holz für die Stiele sowie die Pinselbleche importieren müsse, während China bei Schweineborsten praktisch über einen Weltmarktanteil von 85 % verfüge.

25 Die Kommission macht geltend, daß der behauptete Vorteil des Zugangs zu den Rohstoffen sich in einem Land ohne Marktwirtschaft nicht in zufriedenstellender Weise beziffern lasse und daß ein solcher Vorteil jedenfalls durch andere Wettbewerbsvorteile, die in einem Land mit Marktwirtschaft bestuenden, ausgeglichen werden könne. Ausserdem seien für die zur Fertigung der Pinsel eingeführten Rohstoffe Berichtigungen vorgenommen worden (vgl. 20. Begründungserwägung der streitigen Verordnung), und die Kommission habe vorsorglich für Qualitätsunterschiede von dem bereits berichtigten Preis 25 % abgezogen.

26 Diesem Argument der Kommission kann nicht gefolgt werden. Erstens ergibt sich aus der ständigen Praxis der Gemeinschaftsorgane, daß die Vergleichbarkeit des Zugangs zu den Rohstoffen bei der Wahl des Vergleichslandes zu berücksichtigen ist (vgl. z. B. die Verordnung [EWG] Nr. 407/80 des Rates vom 18. Februar 1980 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls für bestimmtes Natriumkarbonat mit Ursprung in der Sowjetunion, ABl. L 48, S. 1). Zweitens können die Vorteile des Zugangs zu den Rohstoffen nicht allein wegen des Fehlens von Marktwirtschaft im Ausfuhrland ausser Betracht gelassen werden. Da Artikel 2 Absatz 5 der Grundverordnung gerade nur im Fall von Einfuhren aus Ländern ohne Marktwirtschaft Anwendung findet, ließe dieses Argument jede Möglichkeit eines Vergleichs zwischen den Produktionskosten von Ländern mit unterschiedlichen Marktbedingungen letztlich hinfällig werden.

27 Schließlich macht der Kläger geltend, daß die in Sri Lanka verlangten Preise nicht auf marktwirtschaftlichen Verhältnissen beruhten, da es keinen natürlichen Wettbewerb gebe. Er führt hierzu aus, daß die beiden Hersteller rund 90 % des Inlandsmarktes versorgten und daß derjenige dieser beiden Hersteller, der Produkte herstelle, die mit den aus China eingeführten vergleichbar seien, eine Tochtergesellschaft eines Gemeinschaftsherstellers sei, der maßgeblich an der Betreibung des Antidumpingverfahrens durch die europäischen Hersteller beteiligt gewesen sei.

28 Nach Ansicht der Kommission bedeuten diese Tatsachen nicht, daß es Preisabsprachen gebe oder daß ein ausreichender Wettbewerb fehle.

29 Hierzu ist festzustellen, daß zwar die blosse Tatsache, daß es im Vergleichsland nur zwei Unternehmen gibt, an sich nicht ausschließt, daß die Preise das Ergebnis eines echten Wettbewerbs sind, daß der Kläger aber im Lauf des schriftlichen Verfahrens und in der mündlichen Verhandlung ohne Widerspruch seitens der Kommission Preisvergleiche angestellt hat, aus denen hervorgeht, daß die Hersteller in Sri Lanka höhere Preise verlangen als zwei repräsentative Gemeinschaftshersteller. Ausserdem hat der Kläger zwei Schriftstücke vorgelegt, die von den in Rede stehenden Unternehmen aus Sri Lanka stammen und aus denen sich ergibt, daß diese die Gemeinschaft nur in beschränktem Umfang beliefern könnten, da die Pinselherstellung den Bedürfnissen des Binnenmarktes angepasst ist und die Preise gegenüber jenen, zu denen die Muttergesellschaft in Europa anbieten könne, uninteressant sind.

30 Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß der Kläger genügend Tatsachen, die der Kommission und dem Rat bereits während des Antidumpingverfahrens bekannt waren, vorgetragen hat, um Zweifel an der Angemessenheit und Vertretbarkeit der Wahl von Sri Lanka als Vergleichsland hervorzurufen.

31 Dennoch sind die Organe zu dem Schluß gekommen, daß Sri Lanka eine angemessene und nicht unvertretbare Wahl darstelle, und haben folglich Taiwan nicht berücksichtigt, wie der Kläger vorgeschlagen hatte.

32 Hierzu ist festzustellen, daß zwar die Organe nicht verpflichtet sind, alle von den Beteiligten im Rahmen eines Antidumpingverfahrens vorgeschlagenen Vergleichsländer zu berücksichtigen, daß aber die im vorliegenden Fall offenbar gewordenen Zweifel an der Wahl von Sri Lanka die Kommission hätten veranlassen müssen, den Vorschlag des Klägers eingehender zu prüfen.

33 Aus den Begründungserwägungen der streitigen Verordnung ergibt sich, daß Taiwan als mögliches Vergleichsland in Betracht gezogen worden war, daß die Organe eine solche Möglichkeit jedoch wegen der unterschiedlichen materiellen Eigenschaften und Produktionskosten der Produkte ausgeschlossen und die angesprochenen Hersteller in Taiwan eine Mitarbeit abgelehnt hatten (16. und 17. Begründungserwägung der streitigen Verordnung).

34 Diese Behauptungen sind nicht durch Erläuterungen oder den Vortrag von Tatsachen untermauert worden. Insbesondere zur behaupteten Verweigerung der Mitarbeit seitens der Hersteller in Taiwan ist festzustellen, daß das an die beiden wichtigsten Hersteller in Taiwan gerichtete Schreiben, das die Kommission in der Sitzung vorgelegt hat, in Anbetracht seines Wortlauts und der äusserst kurzen Beantwortungsfrist, die eine Mitarbeit dieser Hersteller praktisch unmöglich machten, nicht als ausreichender Versuch betrachtet werden kann, Auskünfte zu erhalten.

35 All diese Umstände zeigen zum einen, daß mehrere, den Organen bekannte Tatsachen jedenfalls geeignet waren, Zweifel an der Angemessenheit von Sri Lanka als Vergleichsland hervorzurufen, und zum anderen, daß sich die Organe nicht ernsthaft und ausreichend bemüht haben, zu prüfen, ob Taiwan als angemessenes Vergleichsland angesehen werden kann.

36 Deshalb ist davon auszugehen, daß der Normalwert nicht "auf angemessene und nicht unvertretbare Weise" im Sinne von Artikel 2 Absatz 5 Buchstabe a der Grundverordnung bestimmt worden ist.

37 Da die Einführung des Antidumpingzolls somit unter Verstoß gegen diese Bestimmung erfolgt ist, ist die streitige Verordnung als ungültig anzusehen, ohne daß die weiteren vom nationalen Gericht angeführten Ungültigkeitsgründe geprüft werden müssten.

38 Folglich ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, daß die Verordnung Nr. 725/89 ungültig ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

39 Die Auslagen der Kommission und des Rates der Europäischen Gemeinschaften, die vor dem Gerichtshof Erklärungen abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Finanzgericht Bremen (II. Senat) durch Beschluß vom 12. Dezember 1989 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

Die Verordnung (EWG) Nr. 725/89 des Rates vom 20. März 1989 zur Einführung eines endgültigen Antidumpingzolls auf die Einfuhren bestimmter Bürsten und Pinsel zum Auftragen von Anstrichfarben, Lack oder dergleichen mit Ursprung in der Volksrepublik China und zur endgültigen Vereinnahmung des auf diese Einfuhren erhobenen vorläufigen Antidumpingzolls ist ungültig.

Ende der Entscheidung

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