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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.07.2003
Aktenzeichen: C-165/01
Rechtsgebiete: EWG/EAGBeamtStat, Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften, Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften, Arbeitsverfassungsgesetz (Betriebsverfassung) (Österreich)


Vorschriften:

EWG/EAGBeamtStat Art. 9
EWG/EAGBeamtStat Anhang II
Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften Art. 79
Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften
Arbeitsverfassungsgesetz (Betriebsverfassung) (Österreich)
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Die Modalitäten der Vertretung der örtlichen Bediensteten eines Gemeinschaftsorgans und der Vertretung ihrer Interessen gehören nicht zu den Beschäftigungsbedingungen" im Sinne des Artikels 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften; sie sind vielmehr in Artikel 9 und Anhang II des Statuts in Verbindung mit Artikel 7 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten abschließend geregelt. Folglich schließt die Verweisung in Artikel 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten auf die Vorschriften und Gepflogenheiten, die am Ort der dienstlichen Verwendung der örtlichen Bediensteten bestehen, nicht das an diesem Ort geltende nationale Recht der Mitsprache der Arbeitnehmer in dem sie beschäftigenden Unternehmen ein.

Artikel 9 und Anhang II des Statuts sowie Artikel 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten stehen somit der Anwendung des österreichischen Rechts über die Betriebsverfassung, wonach ein Betriebsrat zu bilden ist, der die Interressen der Beschäftigten vertreten und verteidigen soll, auf die bei der Vertretung der Kommission in Österreich beschäftigten örtlichen Bediensteten entgegen.

( vgl. Randnrn. 46-47, 52 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes vom 10. Juli 2003. - Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich gegen Europäische Gemeinschaften, Kommission der Europäischen Gemeinschaften. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberster Gerichtshof - Österreich. - Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften - Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten - Örtliche Bedienstete - Vertretung der Kommission in Österreich - Anwendbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften über die Vertretung und Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen. - Rechtssache C-165/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-165/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom österreichischen Obersten Gerichtshof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich

gegen

Europäische Gemeinschaften, Kommission der Europäischen Gemeinschaften

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 9 und Anhang II des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie von Artikel 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten M. Wathelet, R. Schintgen (Berichterstatter) und C. W. A. Timmermans, der Richter C. Gulmann, D. A. O. Edward, A. La Pergola, P. Jann und V. Skouris, der Richterinnen F. Macken und N. Colneric sowie der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues,

Generalanwalt: L. A. Geelhoed,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- des Betriebsrats der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, vertreten durch Rechtsanwalt G. Lansky,

- der Europäischen Gemeinschaften, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Langer als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt B. Hainz,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing und M. Lumma als Bevollmächtigte,

- der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen des Betriebsrats der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich, vertreten durch Rechtsanwalt D. Pätzold, der Europäischen Gemeinschaften, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Currall als Bevollmächtigten im Beistand von Rechtsanwalt B. Hainz, der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels als Bevollmächtigte, und der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Kruse, in der Sitzung vom 11. Februar 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. April 2003

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Oberste Gerichtshof hat mit Beschluss vom 14. März 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 18. April 2001, gemäß Artikel 234 EG zwei Fragen nach der Auslegung von Artikel 9 und Anhang II des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie von Artikel 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen dem Betriebsrat der Vertretung der Europäischen Kommission in Österreich (im Folgenden: Betriebsrat) und den Europäischen Gemeinschaften, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, wegen der Aufstellung einer Kontrolleinrichtung am Sitz der Vertretung der Kommission in Wien (Österreich), mit der personenbezogene Daten der bei dieser Vertretung beschäftigten Personen erfasst werden.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Artikel 2 und 3 der Verordnung (EWG, Euratom, EGKS) Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968 zur Festlegung des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften und der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten dieser Gemeinschaften sowie zur Einführung von Sondermaßnahmen, die vorübergehend auf die Beamten der Kommission anwendbar sind (ABl. L 56, S. 1), legen das Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: Statut) und die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (im Folgenden: BSB) fest.

4 Nach Artikel 1 Absatz 1 des Statuts ist

Beamter der Gemeinschaften im Sinne des Statuts..., wer bei einem der Organe der Gemeinschaften durch eine Urkunde der Anstellungsbehörde dieses Organs nach den Vorschriften des Statuts unter Einweisung in eine Dauerplanstelle zum Beamten ernannt worden ist".

5 Artikel 9 des Statuts, der zum Titel I - Allgemeine Vorschriften" - gehört, bestimmt:

1. Es werden gebildet

a) bei jedem Organ:

- eine Personalvertretung, die gegebenenfalls in Sektionen für jeden Dienstort eingeteilt wird;

- ein Paritätischer Ausschuss oder, wenn die Zahl der Beamten an den Dienstorten es erfordert, mehrere Paritätische Ausschüsse;

- ein Disziplinarrat oder, wenn die Zahl der Beamten an den Dienstorten es erfordert, mehrere Disziplinarräte;

- gegebenenfalls ein Beurteilungsausschuss

b) für die Gemeinschaften:

- ein Invaliditätsausschuss;

sie nehmen die ihnen im Statut übertragenen Aufgaben wahr.

1a) Zur Anwendung bestimmter Vorschriften dieses Statuts kann bei zwei oder mehr Organen ein gemeinsamer Paritätischer Ausschuss gebildet werden.

2. Die Zusammensetzung sowie die Einzelheiten der Tätigkeit dieser Einrichtungen werden von jedem Organ nach Maßgabe des Anhangs II geregelt.

Das Verzeichnis der Mitglieder dieser Einrichtungen wird im Monatlichen Mitteilungsblatt für das Personal der Gemeinschaften veröffentlicht.

3. Die Personalvertretung nimmt die Interessen des Personals gegenüber dem Organ wahr und sorgt für eine ständige Verbindung zwischen dem Organ und dem Personal. Sie trägt zum reibungslosen Arbeiten der Dienststellen dadurch bei, dass sie dem Personal die Möglichkeit gibt, seine Meinung zu äußern und zur Geltung zu bringen.

Sie unterrichtet die zuständigen Stellen des Organs über alle Fragen von allgemeiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des Statuts. Sie kann zu allen Fragen dieser Art gehört werden.

Die Personalvertretung gibt den zuständigen Stellen des Organs Anregungen zur Organisation und Arbeitsweise der Dienststellen und macht Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Personals oder seiner allgemeinen Lebensbedingungen.

Die Personalvertretung beteiligt sich an der Verwaltung und an der Kontrolle der von dem Organ im Interesse des Personals geschaffenen sozialen Einrichtungen. Mit Zustimmung des Organs kann sie Einrichtungen dieser Art auch selbst ins Leben rufen.

4. Paritätische Ausschüsse können unbeschadet der ihnen durch das Statut übertragenen Aufgaben von der Anstellungsbehörde oder von der Personalvertretung zu allen Fragen allgemeiner Art gehört werden, die diese ihnen unterbreiten.

5. Der Beurteilungsausschuss nimmt Stellung:

a) zur Entscheidung bei Ablauf der Probezeit,

b) zu jeder Entlassung wegen unzulänglicher fachlicher Leistungen und

c) zur Aufstellung des Verzeichnisses der Beamten, die von einer Verringerung der Zahl der Planstellen betroffen sind.

Er sorgt dafür, dass bei der Beurteilung des Personals innerhalb des Organs gleichmäßig verfahren wird."

6 Die Titel II bis VII des Statuts enthalten die Bestimmungen über die Rechte und Pflichten des Beamten, über die Laufbahn (u. a. Einstellung, Beförderung und Ausscheiden aus dem Dienst), über die Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, Urlaub, Feiertage), über die Besoldung und die sozialen Rechte (u. a. Dienstbezüge und soziale Sicherheit), über die Disziplinarordnung sowie und über die Beschwerdewege und den Rechtsschutz der Beamten.

7 Anhang II des Statuts enthält die Bestimmung über die Zusammensetzung und die Einzelheiten der Tätigkeit der in Artikel 9 des Statuts vorgesehenen Einrichtungen.

8 Artikel 1 des Anhangs II, der dessen Abschnitt 1 - Personalvertretung" - bildet, sieht vor:

Die Personalvertretung setzt sich aus Mitgliedern und gegebenenfalls stellvertretenden Mitgliedern zusammen, deren Amtszeit drei Jahre beträgt. Das Organ kann eine kürzere Amtszeit beschließen, die allerdings nicht weniger als ein Jahr betragen darf. Alle Beamten des Organs haben das aktive und passive Wahlrecht.

Das Verfahren für die Wahl der nicht in örtliche Sektionen unterteilten Personalvertretung oder, falls die Personalvertretung in örtliche Sektionen unterteilt ist, für die örtliche Sektion wird durch die Versammlung der Beamten des Organs festgelegt, die an dem betreffenden Dienstort tätig sind. Die Wahlen sind geheim.

Ist die Personalvertretung in örtliche Sektionen unterteilt, so wird das Verfahren, nach dem für jeden Dienstort die Mitglieder der zentralen Personalvertretung bestimmt werden, von der Versammlung der Beamten des Organs festgelegt, die an dem betreffenden Dienstort tätig sind. Zu Mitgliedern der zentralen Personalvertretung können nur Mitglieder der betreffenden örtlichen Sektion bestellt werden.

Die nicht in örtliche Sektionen unterteilte Personalvertretung oder, falls die Personalvertretung in örtliche Sektionen unterteilt ist, die örtlichen Sektionen müssen so zusammengesetzt sein, dass die Vertretung aller in Artikel 5 des Statuts genannten Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie der in Artikel 7 Absatz 1 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Gemeinschaften genannten Bediensteten gewährleistet ist. Die zentrale Personalvertretung einer in örtliche Sektionen unterteilten Personalvertretung ist rechtswirksam gebildet, sobald die Mehrheit ihrer Mitglieder bestellt ist.

Die Wahl zu der nicht in örtliche Sektionen unterteilten Personalvertretung oder, wenn die Personalvertretung in örtliche Sektionen unterteilt ist, zur örtlichen Sektion ist gültig, wenn sich mindestens zwei Drittel der Wahlberechtigten an der Wahl beteiligt haben. Wird diese Wahlbeteiligung nicht erreicht, so ist die Wahl im zweiten Durchgang gültig, falls die Mehrheit der Wahlberechtigten daran teilnimmt.

Die Tätigkeit der Mitglieder der Personalvertretung und der Beamten, die nach Bestellung durch die Personalvertretung in einer aufgrund des Statuts oder von dem Organ geschaffenen Einrichtung einen Sitz haben, gilt als Teil des Dienstes, den sie bei ihrem Organ zu leisten haben. Dem Betreffenden darf aus der Ausübung dieser Tätigkeit kein Nachteil erwachsen."

9 Die Abschnitte 2, 3, 4 und 5 des Anhangs II des Statuts regeln die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Paritätischen Ausschüsse, des Disziplinarrats, des Invaliditätsausschusses und des Beurteilungsausschusses. Den Paritätischen Ausschüssen und dem Disziplinarrat gehören die von der Personalvertretung bestellten Mitglieder an.

10 Nach der Regelung über die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Personalvertretung, die von der Kommission gemäß Artikel 9 Absatz 2 und Anhang II des Statuts erlassen wurde, umfasst die Personalvertretung der Kommission eine zentrale Personalvertretung und mehrere örtliche Sektionen für verschiedene Dienstorte des Personals dieses Organs. Die Mitglieder der zentralen Personalvertretung werden von den verschiedenen örtlichen Sektionen aus dem Kreis ihrer Mitglieder bestellt. Die Mitglieder jeder örtlichen Sektion werden von den Beamten und den sonstigen Bediensteten im Sinne des Artikels 7 BSB gewählt. Die Beamten und sonstigen Bediensteten, die nicht einer bestimmten örtlichen Sektion zugeordnet sind, werden von der örtlichen Sektion Brüssel (Belgien) vertreten. Da es für das in Wien tätige Personal keine eigene Sektion gibt, wird dieses Personal von der örtlichen Sektion Brüssel vertreten und beteiligt sich daher an der Wahl zu dieser Sektion. Das Verfahren für die Wahl der örtlichen Sektionen und der zentralen Personalvertretung wird von der Versammlung der Beamten der Kommission so festgelegt, dass gewährleistet ist, dass in der zentralen Personalvertretung und soweit wie möglich in jeder örtlichen Sektion alle Laufbahngruppen und Sonderlaufbahnen sowie die in Artikel 7 Absatz 1 BSB genannten Bediensteten vertreten sind.

11 Nach ihrem Artikel 1 gelten die BSB für alle Bediensteten, die von den Gemeinschaften durch Vertrag eingestellt worden sind. Diese Vorschrift unterscheidet zwischen Bediensteten auf Zeit, Hilfskräften, örtlichen Bediensteten und Sonderberatern.

12 Artikel 4 Absatz 1 BSB bestimmt:

Örtlicher Bediensteter im Sinne dieser Beschäftigungsbedingungen ist ein Bediensteter, der - entsprechend den örtlichen Gepflogenheiten - zur Verrichtung von manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten eingestellt wird, für die in dem dem Einzelplan des Haushaltsplans für jedes Organ beigefügten Stellenplan eine Planstelle nicht ausgebracht ist, und der seine Bezüge aus Mitteln erhält, die zu diesem Zweck im Einzelplan des Haushaltsplans pauschal bereitgestellt werden. Örtlicher Bediensteter kann in Ausnahmefällen auch ein Bediensteter sein, der für ausführende Aufgaben bei den Presse- und Informationsstellen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften eingestellt worden ist."

13 Artikel 7 BSB, der zu deren Titel I - Allgemeine Vorschriften" - gehört, sieht vor:

Ein Bediensteter, der durch Vertrag auf mehr als ein Jahr oder auf unbestimmte Dauer eingestellt ist, hat das aktive und passive Wahlrecht für die in Artikel 9 des Statuts vorgesehene Personalvertretung.

Das aktive Wahlrecht hat auch ein Bediensteter, der durch Vertrag auf weniger als ein Jahr eingestellt ist, sofern er seit mindestens sechs Monaten beschäftigt wird.

Der in Artikel 9 des Statuts vorgesehene Paritätische Ausschuss kann von dem Organ oder von der Personalvertretung zu allen Fragen allgemeiner Art gehört werden, die die in Artikel 1 genannten Bediensteten betreffen."

14 Die Titel II (Artikel 8 bis 50a) und III (Artikel 51 bis 78) der BSB enthalten die Bestimmungen für die Bediensteten auf Zeit bzw. die Hilfskräfte u. a. hinsichtlich ihrer Rechte und Pflichten, der Einstellungsbedingungen, der Arbeitsbedingungen einschließlich Urlaub, der Bezüge, der sozialen Sicherheit, der Beschwerdewege und des Rechtsschutzes dieser Bediensteten sowie der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses.

15 Titel IV der BSB - Örtliche Bedienstete" - enthält folgende Vorschriften:

Artikel 79

Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Titels werden die Beschäftigungsbedingungen für die örtlichen Bediensteten, insbesondere:

a) die Einzelheiten für ihre Einstellung und ihre Entlassung

b) die Urlaubsregelung und

c) die Bezüge

von jedem Organ auf der Grundlage der Vorschriften und Gepflogenheiten festgelegt, die am Ort der dienstlichen Verwendung des Bediensteten bestehen.

Artikel 80

Das Organ übernimmt die Soziallasten, die nach den am Ort der dienstlichen Verwendung des Bediensteten geltenden Vorschriften auf den Arbeitgeber entfallen.

Artikel 81

(1) Streitigkeiten zwischen dem Organ und dem in einem Mitgliedstaat tätigen örtlichen Bediensteten werden dem Gericht unterbreitet, das nach den Rechtsvorschriften des Ortes zuständig ist, in dem der Bedienstete seine Tätigkeit ausübt.

(2) Streitigkeiten zwischen dem Organ und dem in einem Drittland tätigen örtlichen Bediensteten werden unter den Bedingungen, die in der im Vertrag des Bediensteten enthaltenen Schiedsgerichtsklausel festgelegt sind, einer Schiedsinstanz unterbreitet."

16 Auf der Grundlage insbesondere der Artikel 4, 79, 80 und 81 BSB erließ die Kommission am 21. November 1989 nach Konsultation der Personalvertretung eine Rahmenregelung für die Beschäftigungsbedingungen der in einem Drittland beschäftigten örtlichen Bediensteten der Kommission der Europäischen Gemeinschaften. Diese Rahmenregelung, die am 1. Januar 1990 in Kraft getreten ist, ist erst ab dem Inkrafttreten der für den jeweiligen Dienstort erlassenen Sonderbedingungen für die Durchführung anwendbar.

17 Artikel 1 der Regelung, durch die die Sonderbedingungen für die Beschäftigung von in Österreich diensttuenden örtlichen Bediensteten festgelegt werden (im Folgenden: Sonderregelung für Österreich), die 1994 nach Stellungnahme der zentralen Personalvertretung erlassen wurde, bestimmt:

Die vorliegende Regelung legt die Sonderbedingungen für die Beschäftigung von in Österreich diensttuenden örtlichen Bediensteten und von Rechtsinhabern von Verträgen mit bestimmter oder unbestimmter Dauer, oder die in Österreich von der österreichischen Gesetzgebung als solche angesehen werden, fest.

Die gesetzlichen Bestimmungen der vorliegenden Regelung sind unbeschadet der zwingenden günstigeren österreichischen Gesetzgebung anwendbar."

18 Wie die Titel II und III der BSB, die für die Bediensteten auf Zeit und die Hilfskräfte gelten, enthält diese Sonderregelung für Österreich Vorschriften u. a. hinsichtlich der Einzelheiten der Einstellung der örtlichen Bediensteten, der Laufbahn, der Rechte und Pflichten, der Arbeitsbedingungen einschließlich Urlaub, der Bezüge, der sozialen Sicherheit, der Vertragsbeendigung sowie der Beschwerdewege und des Rechtsschutzes dieser Bediensteten.

19 Aus der Antwort der Kommission auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes ergibt sich, dass die Sonderregelung für Österreich auch nach dem Beitritt der Republik Österreich zur Europäischen Union für die örtlichen Bediensteten der Vertretung der Kommission in Wien fortgilt.

Nationales Recht

20 Im Vorlagebeschluss wird der nationale rechtliche Rahmen wie folgt dargestellt:

Unter dem Begriff des ,Arbeitsverfassungsrechts wird in Österreich jener Teil des Arbeitsrechts verstanden, der die Organisation, die Aufgaben, Befugnisse und gegenseitigen Beziehungen (Auseinandersetzung und kollektive Verträge) der überbetrieblichen bzw. betrieblichen Interessenvertretung [der] Arbeitnehmer einerseits und der überbetrieblichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber bzw. der einzelnen Arbeitgeber andererseits sowie die kollektive Rechtsgestaltung durch andere arbeitsrechtliche Instanzen zum Inhalt hat...

Maßgebliche Rechtsquelle des Arbeitsverfassungsrechts ist das ArbVG [Bundesgesetz vom 13. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz)]. Dessen Bestimmungen regeln drei Kernbereiche der Arbeitsverfassung, nämlich die kollektive Rechtsgestaltung (kollektive Rechtsquellen) im überbetrieblichen und betrieblichen Bereich (I. Teil des ArbVG), die Betriebsverfassung (II. Teil des ArbVG sowie die im V. Teil enthaltenen Normen über die Europäische Betriebsverfassung) und die Organisation, Zuständigkeit sowie das Verfahren jener Behörden und Stellen, die mit betriebsverfassungsrechtlichen Rechts- und Regelungsstreitigkeiten befasst sind und sonstige administrative Angelegenheiten zu besorgen haben (III. Teil des ArbVG;...).

Der die Betriebsverfassung regelnde Teil des ArbVG umfasst die Gesamtheit der Bestimmungen, die der Belegschaft eines Betriebs (Unternehmens, Konzerns) eine rechtliche Organisation geben, Aufgaben stellen und Befugnisse hauptsächlich gegenüber dem Betriebsinhaber einräumen. Diese Bestimmungen sind getragen von der Idee der Beteiligung der Arbeitnehmer an betrieblichen Angelegenheiten. Dabei geht die Betriebsverfassung des ArbVG von zwei einander gegenüberstehenden Personengruppen (Betriebsinhaber und Belegschaft) aus und räumt der Belegschaft verschiedene Befugnisse ein...

...

Der II. Teil des ArbVG (Betriebsverfassung) gilt nach seinem § 33 Absatz 1 ,für Betriebe aller Art, wobei als Betrieb gemäß § 34 Absatz 1 ArbVG jede Arbeitsstätte gilt, ,die eine organisatorische Einheit bildet, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht.

Für den Geltungsbereich der Normen des ArbVG über die Betriebsverfassung ist das Territorialitätsprinzip maßgebend: Jede im Inland gelegene Arbeitsstätte wird daher vom ArbVG erfasst und ist daher - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen - von der Betriebsratspflicht betroffen...

Gemäß § 33 Absatz 2 Ziffer 2 ArbVG fallen allerdings ,die Behörden, Ämter und sonstigen Verwaltungsstellen des Bundes, der Länder, Gemeindeverbände und Gemeinden nicht unter die Bestimmungen des II. Teils dieses Gesetzes. Für die durch diese Bestimmung ausgenommenen Institutionen gelten stattdessen die Personalvertretungsgesetze des Bundes oder der einzelnen Bundesländer....

Gemäß § 40 Absatz 1 ArbVG sind in jedem Betrieb, in dem dauernd mindestens fünf (im Sinne des § 49 Absatz 1 ArbVG) stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt werden, die in den weiteren Bestimmungen des II. Teils des ArbVG normierten Organe der Arbeitnehmerschaft zu bilden. Wichtigstes Organ ist der Betriebsrat (§§ 50 ff. ArbVG).

Die vom Betriebsrat auszuübenden Befugnisse der Arbeitnehmerschaft sind im 3. Hauptstück des II. Teils des ArbVG (§§ 89 ff. ArbVG) geregelt. Dazu gehören die in den Abschnitten 1 und 2 des 3. Hauptstücks geregelten Rechte, wie das Recht auf Überwachung der Einhaltung der die Arbeitnehmer des Betriebs betreffenden Rechtsvorschriften (§ 89 ArbVG), das Recht, in allen die Interessen der Arbeitnehmer berührenden Angelegenheiten entsprechende Maßnahmen und die Beseitigung von Mängeln zu beantragen (§ 90 ArbVG), das Recht auf allgemeine Information durch den Betriebsinhaber (§ 91 ArbVG).... § 96 (,zwingende Mitbestimmung) und § 96a ArbVG (,notwendige Mitbestimmung) normieren eine Reihe von Maßnahmen, die zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des Betriebsrats bedürfen, wobei die Zustimmung des Betriebsrats zu Maßnahmen nach § 96a ArbVG nach Absatz 2 dieser Bestimmung durch Entscheidungen einer Schlichtungsstelle ersetzt werden [kann]. § 97 Absatz 1 Ziffern 1 bis 6a in Verbindung mit § 97 Absatz 2 ArbVG normiert Fälle der ,erzwingbaren Mitbestimmung, bei der im Falle des Unterbleibens einer Betriebsvereinbarung die angestrebte Regelung eventuell im Wege der Anrufung der Schlichtungsstelle durch deren Entscheidung ersetzt werden kann, während in den in § 97 Absatz 1 Ziffern 7 bis 23a und 25 ArbVG aufgezählten Fällen der ,fakultativen Mitbestimmung bei Unterbleiben einer Betriebsvereinbarung die beabsichtigte Regelung nicht erfolgen kann...

Im Abschnitt 3 des 3. Hauptstücks des II. Teils des ArbVG sind Mitwirkungsrechte des Betriebsrats in personellen Angelegenheiten normiert, und zwar Informationsrechte (§ 98 ArbVG) sowie Mitwirkungsrechte bei der Einstellung von Arbeitnehmern (§ 99 ArbVG), bei der Festsetzung von Leistungsentgelten im Einzelfall (§ 100 ArbVG), bei Versetzungen (§ 101 ArbVG), bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen (§ 102 ArbVG), bei der Vergabe von Werkswohnungen (§ 103 ArbVG), bei Beförderungen (§ 104 ArbVG) und bei einvernehmlichen Lösungen von Arbeitsverhältnissen (§ 104a ArbVG). Aus diesem Abschnitt hervorzuheben sind vor allem die Bestimmungen der §§ 105, 106 ArbVG, die dem Betriebsrat im Zusammenhang mit der Kündigung und der Entlassung von Arbeitnehmern... die Möglichkeit geben, unter bestimmten Voraussetzungen Kündigungen (Entlassungen) wegen ihres verwerflichen Motivs (§ 105 Absatz 3 Ziffer 1 ArbVG) oder deshalb gerichtlich anzufechten, weil sie sozial ungerechtfertigt sind (§ 105 Absatz 3 Ziffer 2 ArbVG)....

...

§ 53 des Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes ([Bundesgesetz vom 7. März 1985 über die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit] ASGG) räumt dem Betriebsrat Parteistellung ein. Diese gesetzliche Anordnung ist im Sinne einer Festschreibung der generellen Parteifähigkeit des Betriebsrats für Arbeitsrechtssachen zu verstehen... § 54 Absatz 1 ASGG eröffnet dem Betriebsrat das Recht, im Rahmen seines Wirkungsbereichs auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Rechten oder Rechtsverhältnissen, die mindestens drei Arbeitnehmer des Betriebs oder Unternehmens betreffen, [zu] klagen oder geklagt zu werden."

21 Aus dem Vorlagebeschluss geht weiter hervor, dass die Erfuellung der in § 91 ArbVG vorgesehenen Verpflichtung des Betriebsinhabers, dem Betriebsrat über alle Angelegenheiten, die die wirtschaftlichen, sozialen, gesundheitlichen oder kulturellen Interessen der Arbeitnehmer des Betriebes berühren, Auskunft zu erteilen, gerichtlich erzwungen werden kann. Ferner bedürfen nach § 96a ArbVG u. a. die Einführung von Systemen zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des Arbeitnehmers, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen", der Zustimmung des Betriebsrats. Eine Zustimmung ist jedoch nicht erforderlich, soweit die tatsächliche oder vorgesehene Verwendung dieser Daten über die Erfuellung von Verpflichtungen nicht hinausgeht, die sich aus Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag ergeben". Die erforderliche Zustimmung des Betriebsrats bedarf der Form einer (schriftlichen) Betriebsvereinbarung. Kommt keine Einigung zwischen Betriebsrat und Betriebsinhaber zustande, so hat der Betriebsinhaber die Möglichkeit, eine Regelung über die Schlichtungsstelle zu erzwingen. Trifft der Arbeitgeber die Maßnahme, ohne die Zustimmung der Schlichtungsstelle oder des Betriebsrats eingeholt zu haben, hat Letzterer das Recht, die Beseitigung dieser Maßnahme auf gerichtlichem Weg zu bewirken.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

22 Am 12. März 1998 wurde von den örtlichen Bediensteten der Vertretung der Kommission in Wien gemäß dem ArbVG ein Betriebsrat gewählt. Die Vertretung der Kommission in Wien, die von diesem Vorgang und von der daraufhin sofort erfolgten Konstituierung des Betriebsrats unverzüglich verständigt worden war, focht die Wahl nicht an. Das vorlegende Gericht stellt im Vorlagebeschluss fest, dass die Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Betriebsrats von der Vertretung der Kommission in Wien als lokale Vertretung der örtlichen Bediensteten angesehen würden.

23 Im Februar 1999 fanden Wahlen zu der im Sinne des Artikels 9 des Statuts gebildeten Personalvertretung der Kommission statt, an denen auch die in der Vertretung der Kommission in Wien beschäftigten örtlichen Bediensteten teilnahmen. Keiner der örtlichen Bediensteten wurde zum Personalvertreter gewählt.

24 Ende Oktober 1998 erlangte der Betriebsrat Kenntnis von einer Kontrolleinrichtung, durch die beim Zugang zum Büro, der unter Verwendung einer personalisierten Chipkarte und unter Abgabe eines Codes erfolgt, die personenbezogenen Daten der Arbeitnehmer gespeichert werden.

25 Der Betriebsrat war der Ansicht, dass die Kommission durch die Aufstellung und Nutzung dieser Vorrichtung die Rechte verletzt habe, die ihm die §§ 91 und 96a ArbVG verliehen. Er erhob Klage zum Arbeits- und Sozialgericht Wien und beantragte, der Kommission aufzugeben, zum einen ihm mitzuteilen, welche personenbezogenen Arbeitnehmerdaten automationsunterstützt aufgezeichnet würden und wie diese Daten verarbeitet und übermittelt würden, und zum anderen sämtliche unzulässigerweise - weil ohne Zustimmung des Betriebsrats - installierten Vorrichtungen zur Erfassung personenbezogener Arbeitnehmerdaten zu demontieren.

26 Das Arbeits- und Sozialgericht Wien wies diese Klage in erster Instanz u. a. mit der Begründung ab, dass das ArbVG aufgrund des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts, insbesondere des Artikels 9 des Statuts, nicht anwendbar sei und die Wahl des Betriebsrats daher absolut nichtig sei, so dass er weder partei- noch prozessfähig sei.

27 Das mit dem Rekurs befasste österreichische Oberlandesgericht Wien bestätigte diese Entscheidung, wofür es sich ebenfalls im Wesentlichen auf den Vorrang des Gemeinschaftsrechts stützte, das einem Nebeneinander einer Personalvertretung im Sinne des Artikels 9 des Statuts, die als internes Gremium selbst nicht die für eine Klage erforderliche Rechts- und Parteifähigkeit habe, und eines nach § 53 ASGG parteifähigen Organs der Arbeitnehmerschaft, wie des Betriebsrats im Sinne des ArbVG, innerhalb der Europäischen Gemeinschaften entgegenstehe.

28 Der Betriebsrat brachte gegen dieses Urteil des Oberlandesgerichts Wien beim Obersten Gerichtshof Revisionsrekurs ein. Davon ausgehend, dass die Vertretung der Kommission in Wien nicht unter die Ausnahmeregelung des § 33 Absatz 2 Ziffer 2 ArbVG falle, einen Betrieb im Sinne des § 34 Absatz 1 dieses Gesetzes darstelle und dauernd mindestens fünf im Sinne des § 49 Absatz 1 dieses Gesetzes stimmberechtigte Arbeitnehmer beschäftige, vertritt der Oberste Gerichtshof die Ansicht, dass diese Vertretung verpflichtet sei, gemäß § 40 Absatz 1 ArbVG einen Betriebsrat zu bilden, falls der II. Teil des ArbVG auf sie anwendbar sei.

29 Der Oberste Gerichtshof stellt in diesem Zusammenhang fest, dass sich der Gerichtshof noch nicht zu der Frage geäußert habe, ob Artikel 79 BSB auch auf Rechtsvorschriften wie die des II. Teils des ArbVG verweise, noch dazu, ob die Bestimmungen des Statuts über die Personalvertretung dieses nationale Gesetz verdrängten. Er hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 79 BSB (Artikel 3 der Verordnung [EWG, Euratom, EGKS] Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968), wonach die Beschäftigungsbedingungen für die örtlichen Bediensteten, insbesondere a) die Einzelheiten für ihre Einstellung und ihre Entlassung, b) die Urlaubsregelung und c) die Bezüge, von jedem Organ auf der Grundlage der Vorschriften und Gepflogenheiten festgelegt werden, die am Ort der dienstlichen Verwendung des Bediensteten bestehen, im Sinne eines Verweises auf das jeweilige nationale Arbeitsrecht aufzufassen, der im Falle Österreichs auch die Anwendung des im II. Teil des österreichischen Arbeitsverfassungsgesetzes normierten Betriebsverfassungsrechts normiert?

2. Sind die in Artikel 9 des Statuts (Artikel 2 der Verordnung [EWG, Euratom, EGKS] Nr. 259/68 des Rates vom 29. Februar 1968) und die in Anhang II dieses Statuts enthaltenen Regelungen über die auch für die örtlichen Bediensteten der Gemeinschaften zuständige Personalvertretung dahin auszulegen, dass sie das kollektive Dienstrecht und die Mitspracherechte der örtlichen Bediensteten abschließend regeln und daher die Anwendung der im II. Teil des ArbVG geregelten Betriebsverfassung auf die in der Wiener Vertretung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften tätigen örtlichen Bediensteten ausschließen?

Zu den Vorlagefragen

30 Da die beiden Vorlagefragen eng miteinander zusammenhängen, sind sie gemeinsam zu prüfen.

31 Für die Beantwortung dieser Fragen ist, erstens, von Belang, dass nach Artikel 9 Absatz 1 des Statuts bei jedem Gemeinschaftsorgan eine Personalvertretung zu bilden ist. Nach Artikel 9 Absatz 3 Unterabsatz 1 nimmt diese Personalvertretung die Interessen des Personals gegenüber dem betreffenden Organ wahr, indem sie für eine ständige Verbindung zwischen dem Organ und dem Personal sorgt, und trägt zum reibungslosen Arbeiten der Dienststellen des Organs dadurch bei, dass sie dem Personal die Möglichkeit gibt, seine Meinung zu äußern und zur Geltung zu bringen.

32 Für die Wahrnehmung dieser Aufgabe, die Interessen des Personals zu vertreten, verfügt die Personalvertretung nach Artikel 9 Absatz 3 Unterabsätze 2, 3 und 4 des Statuts über das Recht, bei den zuständigen Stellen des betreffenden Organs zu intervenieren und von diesen über alle Fragen von allgemeiner Bedeutung im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung des Statuts gehört zu werden, ferner über das Recht, Anregungen jeglicher Art zur Organisation und Arbeitsweise der Dienststellen dieses Organs oder zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen des Personals und seiner allgemeinen Lebensbedingungen zu geben, sowie über das Recht, sich an der Verwaltung und an der Kontrolle der von diesem Organ im Interesse des Personals geschaffenen sozialen Einrichtungen zu beteiligen. Außerdem sind nach Anhang II Abschnitt 2 des Statuts die von der Personalvertretung benannten Personen Mitglieder des oder der bei jedem Organ bestehenden Paritätischen Ausschusses oder Ausschüsse; nach Artikel 9 Absatz 4 des Statuts können diese Ausschüsse zu allen Fragen allgemeiner Art gehört werden, bei denen es die Anstellungsbehörde oder die Personalvertretung selbst für zweckmäßig erachtet, sie ihnen zu unterbreiten.

33 Ferner haben nach Artikel 7 BSB die von den Gemeinschaften durch Vertrag eingestellten Bediensteten einschließlich der örtlichen Bediensteten, sofern sie bestimmte Voraussetzungen hinsichtlich der Dauer ihres Vertrages oder der tatsächlichen Dauer ihrer Beschäftigung erfuellen, das Recht, an der Wahl zur Personalvertretung des Organs, das sie eingestellt hat, teilzunehmen; sie können wie die Beamten dieses Organs in diese Vertretung gewählt werden.

34 Weiter müssen nach Artikel 1 Absatz 4 des Anhangs II des Statuts die Personalvertretung jedes Organs oder, falls sie in örtliche Sektionen unterteilt ist, ihre örtlichen Sektionen so zusammengesetzt sein, dass die Vertretung aller in Artikel 7 Absatz 1 BSB genannten Bediensteten einschließlich der örtlichen Bediensteten, die durch einen Vertrag auf mehr als ein Jahr oder auf unbestimmte Dauer eingestellt sind, gewährleistet ist. Aus Randnummer 10 dieses Urteils ergibt sich, dass die Kommission diese Verpflichtung in die Regelung über die Zusammensetzung und die Arbeitsweise der Personalvertretung, die sie gemäß Artikel 9 Absatz 2 und Anhang II des Statuts erlassen hat, ausdrücklich übernommen hat.

35 Nach alledem hat der Gemeinschaftsgesetzgeber durch den Erlass der Verordnung Nr. 259/68 dafür Sorge getragen, dass sich die örtlichen Bediensteten an der Vertretung der Interessen des Personals des Organs, das sie eingestellt hat, nach denselben Modalitäten der Vertretung des Personals beteiligen können wie die Beamten der Europäischen Gemeinschaften und die sonstigen Bediensteten, die den BSB unterliegen.

36 Damit ist, zweitens, zu prüfen, ob Artikel 79 BSB erlaubt oder gar vorschreibt, dass die örtlichen Bediensteten eines Organs weiter das Recht haben, sich an der Vertretung ihrer Interessen entsprechend dem nationalen Recht des Mitgliedstaats ihrer dienstlichen Verwendung zu beteiligen.

37 Zu diesem Zweck ist zu prüfen, ob unter Berücksichtigung der Verwendung des Wortes insbesondere" in Artikel 79 BSB die Modalitäten der Vertretung der örtlichen Bediensteten und der Vertretung ihrer Interessen zu den Beschäftigungsbedingungen" im Sinne dieser Vorschrift zählen. Bei dieser Prüfung muss der letztere Ausdruck in seinem Kontext gesehen sowie im Geist dieser Vorschrift und nach der Systematik der BSB ausgelegt werden.

38 Dabei ergibt sich zunächst, dass Artikel 79 der BSB vorbehaltlich der anderen Vorschriften des Titels IV der BSB, die das für die örtlichen Bediensteten geltende System der sozialen Sicherheit und das Verfahren für Rechtsstreitigkeiten zwischen diesen und ihrem Organ betreffen, bestimmt, dass die Beschäftigungsbedingungen für die örtlichen Bediensteten von jedem Organ auf der Grundlage der Vorschriften und Gepflogenheiten festgelegt werden, die am Ort ihrer dienstlichen Verwendung bestehen.

39 Wie der Gerichtshof in Randnummer 23 des Urteils vom 9. November 2000 in der Rechtssache C-126/99 (Vitari, Slg. 2000, I-9425) ausgeführt hat, folgt daraus, dass das nationale Recht des Staates der dienstlichen Verwendung des örtlichen Bediensteten nicht ohne weiteres auf das Arbeitsverhältnis zwischen einem Gemeinschaftsorgan und einem örtlichen Bediensteten anwendbar ist.

40 Weiter ist von Belang, dass die BSB in mehrere Titel unterteilt sind, von denen der erste, wie sich aus seiner Überschrift ergibt, die allgemeinen Vorschriften enthält, die für alle in Artikel 1 BSB genannten Kategorien von Bediensteten gelten, während die weiteren Titel die besonderen Regeln enthalten, die für die einzelnen Kategorien von Bediensteten gelten.

41 Dabei sind die Voraussetzungen, unter denen die durch Vertrag eingestellten Bediensteten das aktive und passive Wahlrecht für die Personalvertretung besitzen, in Artikel 7 BSB niedergelegt, der zum Titel I der BSB gehört und daher für alle diesen Beschäftigungsbedingungen unterliegenden Bediensteten gilt.

42 Hingegen legen die Titel II und III der BSB, die für die Bediensteten auf Zeit bzw. die Hilfskräfte gelten, im Einzelnen die Regeln fest, die für diese u. a. hinsichtlich der Bedingungen der Einstellung und der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, der Arbeitsbedingungen einschließlich des Urlaubs sowie der Bezüge gelten, während Artikel 79 BSB, der zu Titel IV der BSB betreffend die örtlichen Bediensteten gehört, hinsichtlich derselben Aspekte der Beschäftigungsbedingungen der örtlichen Bediensteten auf die Vorschriften und Gepflogenheiten verweist, die am Ort der dienstlichen Verwendung des örtlichen Bediensteten bestehen.

43 Hieraus folgt, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber, der in Titel IV der BSB, der die örtlichen Bediensteten betrifft, für deren Beschäftigungsbedingungen auf die Vorschriften und Gepflogenheiten verweist, die am Ort ihrer dienstlichen Verwendung bestehen, damit nur diejenigen Aspekte des Beschäftigungsverhältnisses zwischen diesen Bediensteten und ihrem Organ meint, die für die anderen Kategorien von Bediensteten in den Titeln II und III geregelt sind.

44 Schließlich darf Artikel 79 BSB - soll das reibungslose Arbeiten der Dienststellen eines Gemeinschaftsorgans nicht gefährdet werden - nicht so ausgelegt werden, dass hinsichtlich einer bestimmten Frage für dieselbe Kategorie von Beschäftigten dieses Organs in verschiedenen Rahmen und nach unterschiedlichen Regeln divergierende oder gar widersprüchliche Maßnahmen erlassen werden können.

45 Genau dies könnte aber eintreten, wenn zum einen das gesamte Personal eines Gemeinschaftsorgans in der bei diesem bestehenden Personalvertretung und zum anderen eine bestimmte Kategorie von Bediensteten in einem Gremium, das nach dem nationalen Recht des Staates ihrer dienstlichen Verwendung gebildet würde, Rechte ausübten, die ihnen das Statut bzw. das erwähnte nationale Recht hinsichtlich der Vertretung des Personals und der Vertretung von dessen Interessen verleihen.

46 Nach alledem gehören die Modalitäten der Vertretung der örtlichen Bediensteten eines Gemeinschaftsorgans und der Vertretung ihrer Interessen nicht zu den Beschäftigungsbedingungen" im Sinne des Artikels 79 BSB; diese Modalitäten sind vielmehr in Artikel 9 und Anhang II des Statuts in Verbindung mit Artikel 7 BSB abschließend geregelt.

47 Folglich schließt die Verweisung in Artikel 79 BSB auf die Vorschriften und Gepflogenheiten, die am Ort der dienstlichen Verwendung der örtlichen Bediensteten bestehen, nicht das an diesem Ort geltende nationale Recht der Mitsprache der Arbeitnehmer in dem sie beschäftigenden Unternehmen ein, wie es der II. Teil des ArbVG enthält.

48 Entgegen dem Vorbringen des Betriebsrats sowie der österreichischen und der schwedischen Regierung ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Beteiligung des Personals der Gemeinschaftsorgane an seiner Vertretung und an der Vertretung seiner Interessen im Statut und in den BSB nur fragmentarisch und rudimentär geregelt wäre.

49 Zum einen soll nämlich, wie der Generalanwalt in den Nummern 96 und 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Regelung der Vertretung des Personals und der Vertretung seiner Interessen in den einschlägigen Vorschriften des Statuts und der BSB den Bedürfnissen der verschiedenen Organe sowie ihres Personals gerecht werden, damit jedes Organ durch Erfuellung seiner jeweiligen Aufgaben zur Verwirklichung der Ziele der Europäischen Union beitragen kann.

50 Vor dem Gerichtshof ist nicht geltend gemacht worden, dass die Modalitäten dieser Regelung, wie sie sich aus der Verordnung Nr. 259/68 ergeben, gegen eine höherrangige Vorschrift des Gemeinschaftsrechts verstießen und keine ausreichende Vertretung der Interessen des Personals der Gemeinschaftsorgane gewährleisteten, die den Bedürfnissen dieser Organe und der Erfuellung ihrer Aufgaben entspräche.

51 Zum anderen entsprechen die Modalitäten der Arbeitnehmermitsprache in einem Unternehmen, wie sie auf der Ebene der Staaten festgelegt sind, in denen örtliche Bedienstete der Europäischen Gemeinschaften eingesetzt werden können, nicht zwangsläufig der Regelung des II. Teils des ArbVG; sie können sogar innerhalb ein und desselben Staates je nach den Umständen variieren, so dass ihre Anwendung auf diese örtlichen Bediensteten diesen nicht immer eine umfassendere Beteiligung an der Vertretung ihrer Interessen garantieren kann, als sie sich aus dem Statut und den BSB ergibt.

52 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Artikel 9 und Anhang II des Statuts sowie Artikel 79 BSB dahin auszulegen sind, dass sie der Anwendung des österreichischen Rechts über die Betriebsverfassung im II. Teil des ArbVG auf die in der Vertretung der Kommission in Wien beschäftigten örtlichen Bediensteten entgegenstehen.

Kostenentscheidung:

Kosten

53 Die Auslagen der österreichischen, der deutschen, der niederländischen und der schwedischen Regierung, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Obersten Gerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2001 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

Artikel 9 und Anhang II des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften sowie Artikel 79 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften sind dahin auszulegen, dass sie der Anwendung des österreichischen Rechts über die Betriebsverfassung im II. Teil des Bundesgesetzes vom 13. Dezember 1973 betreffend die Arbeitsverfassung (Arbeitsverfassungsgesetz) auf die in der Vertretung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften in Wien (Österreich) beschäftigten örtlichen Bediensteten entgegenstehen.

Ende der Entscheidung

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