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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: C-165/03
Rechtsgebiete: Richtlinie 69/335/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 69/335/EWG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 30. Juni 2005. - Mathias Längst. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Stuttgart - Deutschland. - Richtlinie 69/335/EWG - Indirekte Steuern auf die Ansammlung von Kapital - Notarkosten - Beamteter Notar - An den Staat abgeführter pauschalierter Anteil der Gebühren. - Rechtssache C-165/03.

Parteien:

In der Rechtssache C-165/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Landgericht Stuttgart (Deutschland) mit Entscheidung vom 7. April 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 10. April 2003, in dem Verfahren

Mathias Längst,

weitere Beteiligte:

SABU Schuh & Marketing GmbH,

Präsident des Landgerichts Stuttgart,

Bezirksrevisor des Landgerichts Stuttgart,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter R. Schintgen (Berichterstatter) und J. Makarczyk,

Generalanwalt: A. Tizzano,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. November 2004,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Herrn Längst,

- des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart, vertreten durch K. Ehmann als Bevollmächtigten,

- des Bezirksrevisors des Landgerichts Stuttgart, vertreten durch G. Firnau, Bezirksrevisor,

- der deutschen Regierung, vertreten durch W.-D. Plessing als Bevollmächtigten,

- der spanischen Regierung, vertreten durch E. Braquehais Conesa als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und K. Gross als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Januar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. L 249, S. 25) in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 (ABl. L 156, S. 23) (im Folgenden: Richtlinie 69/335).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Verfahrens auf Antrag von Herrn Längst, beamteter Notar im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart, aufgrund einer Anweisung des Präsidenten des Landgerichts Stuttgart, seines Dienstvorgesetzten, betreffend eine von ihm erstellte Kostenrechnung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrechtliche Regelung

3. Mit der Richtlinie 69/335 soll, wie sich aus ihrer ersten Begründungserwägung ergibt, der freie Kapitalverkehr gefördert werden, der als eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Schaffung einer Wirtschaftsunion mit ähnlichen Eigenschaften wie ein Binnenmarkt angesehen wird.

4. Nach der sechsten Begründungserwägung dieser Richtlinie setzt die Verfolgung dieses Zweckes in Bezug auf die Besteuerung der Ansammlung von Kapital voraus, dass die bis dahin in den Mitgliedstaaten geltenden indirekten Steuern aufgehoben werden und an ihrer Stelle eine Steuer angewandt wird, die innerhalb des Gemeinsamen Marktes nur einmal und in allen Mitgliedstaaten in gleicher Höhe erhoben wird.

5. Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie bestimmt:

Der Gesellschaftsteuer unterliegen die nachstehenden Vorgänge:

a) die Gründung einer Kapitalgesellschaft;

b) die Umwandlung einer Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristischen Person, die keine Kapitalgesellschaft ist, in eine Kapitalgesellschaft;

c) die Erhöhung des Kapitals einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art;

d) die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Einlagen jeder Art, für die nicht Gesellschaftsrechte gewährt werden, die einen Anteil am Kapital oder am Gesellschaftsvermögen verkörpern, sondern Rechte, wie sie Gesellschaftern gewährt werden...

...

6. Artikel 4 Absatz 1 Buchstaben e bis h der Richtlinie 69/335 sieht vor, dass auch die Verlegung des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung oder des satzungsmäßigen Sitzes einer Kapitalgesellschaft von einem Drittstaat in einen Mitgliedstaat oder von einem Mitgliedstaat in einen anderen der Gesellschaftsteuer unterliegt.

7. In Artikel 4 Absatz 2 der Richtlinie sind die verschiedenen Vorgänge aufgeführt, die der Gesellschaftsteuer unterworfen werden können.

8. Die Richtlinie sieht ferner die Aufhebung anderer indirekter Steuern mit den gleichen Merkmalen wie die Gesellschaftsteuer oder die Wertpapiersteuer vor, da ihre Beibehaltung, wie in der letzten Begründungserwägung der Richtlinie ausgeführt wird, die mit ihr verfolgten Ziele gefährden könnte. Diese Steuern, die nicht erhoben werden dürfen, sind insbesondere in Artikel 10 der Richtlinie 69/335 aufgeführt, in dem es heißt:

Abgesehen von der Gesellschaftsteuer erheben die Mitgliedstaaten von Gesellschaften, Personenvereinigungen oder juristischen Personen mit Erwerbszweck keinerlei andere Steuern oder Abgaben auf:

a) die in Artikel 4 genannten Vorgänge;

b) die Einlagen, Darlehen oder Leistungen im Rahmen der in Artikel 4 genannten Vorgänge;

c) die der Ausübung einer Tätigkeit vorangehende Eintragung oder sonstige Formalität, der eine Gesellschaft, Personenvereinigung oder juristische Person mit Erwerbszweck auf Grund ihrer Rechtsform unterworfen werden kann.

9. Artikel 11 der Richtlinie 69/335 bestimmt:

Die Mitgliedstaaten erheben keine Steuer irgendwelcher Art:

a) auf die Ausfertigung, die Ausgabe, die Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit Aktien, Anteilen oder anderen Wertpapieren gleicher Art sowie Zertifikaten derartiger Wertpapiere, ungeachtet der Person des Emittenten;

b) auf Anleihen einschließlich Renten, die durch Ausgabe von Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren aufgenommen werden, ungeachtet der Person des Emittenten, auf alle damit zusammenhängenden Formalitäten sowie auf die Ausfertigung, Ausgabe oder Börsenzulassung, das Inverkehrbringen von oder den Handel mit diesen Obligationen oder anderen handelsfähigen Wertpapieren.

10. Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie lautet:

In Abweichung von den Artikeln 10 und 11 können die Mitgliedstaaten Folgendes erheben:

a) pauschal oder nicht pauschal erhobene Börsenumsatzsteuern;

...

e) Abgaben mit Gebührencharakter;

...

Nationale Regelung

11. Gemäß den §§ 2 ff. und 53 Absatz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung vom 20. April 1892 (RGBl. S. 477) in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung muss ein Beschluss der Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) zur Änderung des Gesellschaftsvertrags notariell beurkundet werden.

12. Aus § 116 der Bundesnotarordnung (BNotO) vom 24. Februar 1961 (BGBl. I 1961, S. 97) in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung in Verbindung mit § 3 Absatz 2 des Landesgesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom 12. Februar 1975 (GBl. S. 116) in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung folgt, dass im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart für die Beurkundung einer Handlung nicht nur auf beamtete Notare, sondern auch auf freiberufliche Notare zurückgegriffen werden kann.

13. Die Höhe der Gebühren, die von den Notaren erhoben werden können, ist im (Bundes-)Gesetz über die Kosten in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Kostenordnung) (KostO) vom 26. Juli 1957 (BGBl. I 1957, S. 960) in seiner im Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung festgelegt. Diese Gebühren gelten einheitlich in ganz Deutschland sowohl für die freiberuflichen als auch für die beamteten Notare.

14. Die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart tätigen beamteten Notare erhalten eine feste Besoldung, die nach denselben Kriterien wie für die anderen Beamten des Landes festgesetzt wird; zu dieser festen Besoldung kommt ein variabler Betrag hinzu, der einem Anteil an den Gebühren entspricht, die sie einnehmen. Im Gegensatz zu den im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe tätigen beamteten Notaren sind sie jedoch selbst Gläubiger der von den Zahlungspflichtigen geschuldeten Gebühren. Sie müssen lediglich einen pauschalierten Anteil dieser Gebühren an die Staatskasse des Landes abführen. Diese ist erst dann selbst zum Einzug der Gebühren berechtigt, wenn die Einziehung trotz Mahnung unterbleibt.

15. Gemäß § 156 Absatz 1 KostO sind Einwendungen gegen die Kostenberechnung, einschließlich solcher gegen die Zahlungspflicht und gegen die Erteilung der Vollstreckungsklausel, bei dem Landgericht, in dessen Bezirk der Notar den Amtssitz hat, im Wege der Beschwerde geltend zu machen. Dieses Landgericht soll vor der Entscheidung die Beteiligten und die vorgesetzte Dienstbehörde des Notars hören. Beanstandet der Zahlungspflichtige dem Notar gegenüber die Kostenberechnung, so kann der Notar die Entscheidung des genannten Landgerichts beantragen.

16. § 156 Absatz 6 KostO sieht vor, dass die dem Notar vorgesetzte Dienstbehörde den Notar in jedem Fall anweisen kann, die Entscheidung des Landgerichts herbeizuführen und gegen die Entscheidung des Landgerichts die weitere Beschwerde zu erheben. Die hierauf ergehende gerichtliche Entscheidung kann auch auf eine Erhöhung der Kostenberechnung lauten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

17. In seiner Eigenschaft als beamteter Notar beurkundete Herr Längst Beschlüsse in Bezug auf die SABU Schuh & Marketing GmbH (im Folgenden: SABU). Seine Kosten hierfür wurden in einer Kostenrechnung mit 2 892,46 Euro angesetzt (im Folgenden: Kostenrechnung).

18. Die Handlungen, die beurkundet werden sollten, waren die Zusammenlegung von Geschäftsanteilen zu einem einheitlichen Geschäftsanteil, die Umstellung des Stammkapitals und der Geschäftsanteile der Gesellschaft auf Euro, die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und die Namensänderung der Gesellschaft.

19. Nach der Kostenrechnung hat SABU für die Beurkundung dieser Handlungen Gebühren und Auslagen in Höhe von 2 493,50 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer zu zahlen. Diese Kosten umfassen eine Beschlussgebühr mit 1 584 Euro aus einem Gesamtwert von 484 007 Euro für die Kapitalerhöhung sowie die Satzungsänderung. Der Staatsanteil hiervon betrug 1 183,83 Euro, der Notaranteil 400,17 Euro.

20. Der Präsident des Landgerichts Stuttgart vertrat in der Annahme, dass der die beamteten Notare im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe betreffende Beschluss des Gerichtshofes vom 21. März 2002 in der Rechtssache C264/00 (Gründerzentrum, Slg. 2002, I3333) auch auf die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart tätigen beamteten Notare anwendbar sei, die Meinung, dass diese Kostenrechnung in Bezug auf die Kosten für die Beurkundung der Kapitalerhöhung und der Satzungsänderung gegen die Richtlinie 69/335 verstoße. Daher wies er Herrn Längst an, gemäß § 156 Absatz 6 KostO das Landgericht Stuttgart anzurufen, um eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der fraglichen Kostenrechnung herbeizuführen, und diese auf 1 465,66 Euro herabzusetzen.

21. Herr Längst kam dieser Anweisung nach und rief das Landgericht Stuttgart an. Vor diesem Gericht machte er geltend, dass die Kostenrechnung berechtigt sei und dass ihn die Kostenordnung und die Bundesnotarordnung daran hinderten, die Gebühren auf den vom Präsidenten des Landgerichts Stuttgart geforderten Betrag zu reduzieren. Im Übrigen sei der Beschluss Gründerzentrum nicht auf die Gebühren der im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart tätigen beamteten Notare anzuwenden.

22. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts unterscheidet sich die rechtliche Stellung der beamteten Notare im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart in zwei Punkten von der rechtlichen Stellung der beamteten Notare, auf die sich der Beschluss Gründerzentrum bezieht. Zum einen könnten in diesem Oberlandesgerichtsbezirk nicht nur beamtete, sondern auch freiberufliche Notare in Anspruch genommen werden, so dass die entsprechenden Gebühren nicht notwendig dem Land zuflössen. Zum anderen sei die Gebührengläubigerschaft in anderer Weise geregelt, und diese unterschiedliche Regelung rechtfertige eine andere Lösung. Denn im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart sei, anders als es im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe der Fall sei, der Notar der Gläubiger der zu erhebenden Gebühren. Erst wenn er die betreffenden Gebühren eingezogen habe, führe er einen pauschalierten Anteil davon an die Staatskasse ab. Diese könne die fraglichen Gebühren nur ausnahmsweise direkt einziehen.

23. Daher hat das Landgericht Stuttgart beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die Gebühren für die notarielle Beurkundung durch einen beamteten Notar eines unter die Richtlinie 69/335 fallenden Rechtsgeschäfts in einem Rechtssystem wie dem im württembergischen Landesteil von Baden-Württemberg (Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart), in dem nebeneinander beamtete und freiberufliche Notare tätig sind, wobei in jedem Fall der Notar selbst Gebührengläubiger ist, aber, soweit Notarbeamte tätig werden, diese nach einem Landesgesetz einen - pauschalierten - Anteil der Gebühren an den Staat abzuführen haben, der der Dienstherr dieser Notare ist und der diese Einnahmen für die Finanzierung seiner Aufgaben verwendet, als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335 in der geänderten Fassung anzusehen - in Abgrenzung zu dem dem Beschluss Gründerzentrum zugrunde liegenden Sachverhalt?

2. Falls diese Frage bejaht werden sollte: Entfällt die Eigenschaft als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335 dann, wenn der Staat auf die Geltendmachung seines Anteils aus dem Rechtsgeschäft verzichtet, mithin die landesrechtliche Vorschrift, nach der ein Anteil der Gebühren an den Staat abzuführen ist, nicht mehr anwendet?

Zur Zuständigkeit des Gerichtshofes

24. Herr Längst und der Bezirksrevisor des Landgerichts Stuttgart äußern Zweifel an der Befugnis des Gerichtshofes, sich nach Artikel 234 EG zu einem Vorabentscheidungsersuchen zu äußern, das im Rahmen eines nach § 156 Absatz 6 KostO von einem beamteten Notar auf Anweisung seines Dienstvorgesetzten eingeleiteten Verfahren s gestellt wurde. Ihrer Ansicht nach ist das Verfahren, in dem das vorlegende Gericht zu entscheiden hat, kein streitiges Verfahren im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofes (Urteil vom 19. Oktober 1995 in der Rechtssache C111/94, Job Centre, Slg. 1995, I3361, und Beschluss vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C447/00, Holto, Slg. 2002, I735). Das Landgericht Stuttgart habe keinen wirklichen Rechtsstreit im Sinne dieser Rechtsprechung zu entscheiden.

25. Dazu ist darauf zu verweisen, dass sich nach ständiger Rechtsprechung aus Artikel 234 EG ergibt, dass die nationalen Gerichte den Gerichtshof nur anrufen können, wenn bei ihnen ein Rechtsstreit anhängig ist und sie im Rahmen eines Verfahrens zu entscheiden haben, das auf eine Entscheidung mit Rechtsprechungscharakter abzielt (vgl. u. a. Beschlüsse vom 18. Juni 1980 in der Rechtssache 138/80, Borker, Slg. 1980, 1975, Randnr. 4, vom 5. März 1986 in der Rechtssache 318/85, Greis Unterweger, Slg. 1986, 955, Randnr. 4, und Holto, Randnr. 17).

26. Aus den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften und aus den Erläuterungen, die das vorlegende Gericht auf Ersuchen des Gerichtshofes abgegeben hat, ergibt sich, dass in dem bei diesem Gericht anhängigen Verfahren alle Beteiligten angehört wurden und dass mit der zu erlassenden Entscheidung ein Rechtsstreit entschieden werden soll. Außerdem kann diese Entscheidung sowohl dem Gläubiger als auch dem Schuldner der Gebühren, über die die Kostenrechnung ergangen ist, entgegengehalten werden, und sie erwächst in Rechtskraft gegenüber allen Beteiligten, sofern keiner von ihnen weitere Beschwerde beim Oberlandesgericht Stuttgart einlegt, wobei diese weitere Beschwerde nur auf eine Rechtsfrage gestützt werden kann und vom vorlegenden Gericht zugelassen werden muss.

27. Angesichts dieser Merkmale kann nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, dass im Ausgangsverfahren bei dem vorlegenden Gericht kein Rechtsstreit anhängig ist und dass der von ihm zu erlassenden Entscheidung kein Rechtsprechungscharakter zukommt.

28. Daher ist festzustellen, dass der Gerichtshof zur Beantwortung der vom Landgericht Stuttgart mit seinem Vorlagebeschluss vom 7. April 2003 gestellten Fragen befugt ist.

Zur Zulässigkeit der zweiten Frage

29. In den Erklärungen, die die Beteiligten des Ausgangsverfahrens, die deutsche und die spanische Regierung sowie die Kommission der Europäischen Gemeinschaften vor dem Gerichtshof abgegeben haben, ist die Zulässigkeit der zweiten Frage bezweifelt worden, da sie hypothetischer Art sei. Das Land habe noch nicht auf die Erhebung seines Anteils an den fraglichen Gebühren verzichtet, so dass sich die zweite Frage auf eine Rechtslage beziehe, die noch nicht eingetreten sei.

30. In dieser Hinsicht ist daran zu erinnern, dass nach ständiger Rechtsprechung das mit Artikel 234 EG eingerichtete Verfahren ein Instrument der Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist, mit dem der Gerichtshof diesen Gerichten die Hinweise zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts gibt, die sie zur Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits benötigen (vgl. u. a. Urteile vom 16. Juli 1992 in der Rechtssache C83/91, Meilicke, Slg. 1992, I4871, Randnr. 22, und vom 5. Februar 2004 in der Rechtssache C380/01, Schneider, Slg. 2004, I1389, Randnr. 20).

31. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit ist es allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil Schneider, Randnr. 21 und die dort zitierte Rechtsprechung).

32. Der Gerichtshof hat jedoch auch entschieden, dass es ihm in Ausnahmefällen obliegt, zur Prüfung seiner eigenen Zuständigkeit die Umstände zu untersuchen, unter denen er von dem nationalen Gericht angerufen wird. Er kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Frage erforderlich sind (Urteil Schneider, Randnr. 22).

33. Der Geist der Zusammenarbeit, in dem das Vorlageverfahren durchzuführen ist, impliziert nämlich, dass das nationale Gericht seinerseits auf die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe Rücksicht nimmt, die darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (Urteil Schneider, Randnr. 23).

34. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorlagebeschluss und aus den von der deutschen Regierung beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, dass eine Änderung der fraglichen nationalen Rechtsvorschriften, mit der das Land auf die Vereinnahmung seines Anteils an den Gebühren verzichtet, die von den beamteten Notaren für die Beurkundung von unter die Richtlinie 69/335 fallenden Handlungen erhoben werden, zwar beabsichtigt ist, aber noch nicht erlassen wurde. Daraus folgt, dass der rechtliche Rahmen, den die zweite Vorlagefrage zum Gegenstand hat, hypothetisch ist.

35. Folglich ist festzustellen, dass diese Frage nicht zulässig ist.

Zur ersten Frage

36. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 69/335 dahin auszulegen ist, dass die Gebühren, die ein beamteter Notar für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts erhebt, eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellen, wenn nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften einerseits nicht ausschließlich beamtete Notare als Notare tätig werden können und diese selbst Gläubiger der betreffenden Gebühren sind und andererseits die beamteten Notare verpflichtet sind, einen Teil dieser Gebühren an den Staat abzuführen, der diese Einnahmen zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet.

37. Um diese Frage in sachdienlicher Weise zu beantworten, ist darauf zu verweisen, dass der Gerichtshof in Randnummer 34 des Beschlusses Gründerzentrum ausgeführt hat, dass die Richtlinie 69/335 so auszulegen ist, dass die Gebühren für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts in einem Rechtssystem wie dem im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe geltenden, in dem die Notare Beamte sind und ein Teil der Gebühren dem Staat zufließt, der der Dienstherr der Notare ist und der diese Einnahmen für die Finanzierung seiner Aufgaben verwendet, als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335 anzusehen sind.

38. Da das im Ausgangsverfahren fragliche System im Wesentlichen dem im Beschluss Gründerzentrum behandelten entspricht, ist zu prüfen, ob die Unterschiede zwischen dem im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe und dem im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart geltenden System, auf die das vorlegende Gericht hinweist, im vorliegenden Fall eine andere Antwort auf die Vorlagefrage als die in dem genannten Beschluss gegebene rechtfertigen.

39. Was erstens das Argument anbelangt, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Gebühren flössen nicht unbedingt dem Staat zu, da im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart neben beamteten auch freiberufliche oder Anwaltsnotare praktizieren dürften, so ergibt sich aus Randnummer 13 des Beschlusses Gründerzentrum, dass das System, das in jener Rechtssache Gegenstand des Vorabentscheidungsersuchens war, ähnlich war, da sich nach beiden Systemen zum einen jedermann für eine Beurkundung an jeden in Deutschland tätigen - beamteten oder freiberuflichen - Notar wenden kann und zum anderen die so errichtete Urkunde in ganz Deutschland anzuerkennen ist.

40. Daraus folgt, dass es das erste Argument des vorlegenden Gerichts nicht rechtfertigt, das im Ausgangsverfahren in Rede stehende System anders zu beurteilen als das, zu dem der Beschluss Gründerzentrum ergangen ist.

41. Was zweitens den Umstand anbelangt, dass die beamteten Notare, die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart praktizieren, im Gegensatz zu ihren im Oberlandesgerichtsbezirk Karlsruhe tätigen Kollegen selbst Gläubiger der fraglichen Gebühren sind, so ist entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nummer 40 seiner Schlussanträge darauf zu verweisen, dass die von beamteten Notaren für ein der Richtlinie 69/335 unterliegendes Rechtsgeschäft erhobenen Notargebühren nach ständiger Rechtsprechung eine Steuer im Sinne dieser Richtlinie darstellen, wenn sie, und sei es auch nur teilweise, dem Staat zufließen, der Dienstherr der beamteten Notare ist, und zur Finanzierung von dessen Aufgaben verwendet werden (vgl. u. a. Urteile vom 29. September 1999 in der Rechtssache C56/98, Modelo, Modelo I, Slg. 1999, I6427, Randnr. 23, und vom 21. September 2000 in der Rechtssache C19/99, Modelo, Modelo II, Slg. 2000, I7213, Randnr. 23, sowie Beschluss Gründerzentrum, Randnr. 34).

42. Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass es für die Qualifizierung von Gebühren als Steuer im Sinne der Richtlinie 69/335 nicht darauf ankommt, wer die Gebühren einzieht oder ihr ursprünglicher Gläubiger ist, sondern darauf, wem sie letztlich zufließen. So wurden die Gebühren in den Rechtssachen Modelo I, Modelo II und Gründerzentrum zunächst von beamteten Notaren erhoben, um dann in einem zweiten Schritt an den Staat abgeführt zu werden, der Dienstherr dieser Notare war. Diese Abführung und die Verwendung der genannten Gebühren oder eines Teils hiervon sind für ihre Qualifizierung im Hinblick auf die Richtlinie 69/335 ausschlaggebend.

43. Im Ausgangsverfahren sind die beamteten Notare zwar Gläubiger der betreffenden Gebühren, sie haben aber einen Teil dieser Gebühren an den Staat abzuführen, dem sie unterstehen, und dieser verwendet die entsprechenden Gelder zur Finanzierung seiner Aufgaben.

44. Daraus folgt, dass sich eine Regelung wie die im Oberlandesgerichtsbezirk Stuttgart geltende auch in diesem Punkt nicht von der unterscheidet, über die der Gerichtshof in der Rechtssache Gründerzentrum zu befinden hatte.

45. Angesichts dieser Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 69/335 dahin auszulegen ist, dass die Gebühren, die ein beamteter Notar für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie fallenden Rechtsgeschäfts erhebt, eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellen, wenn nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften einerseits nicht ausschließlich beamtete Notare als Notare tätig werden können und diese selbst Gläubiger der betreffenden Gebühren sind und andererseits die beamteten Notare verpflichtet sind, einen Teil dieser Gebühren an den Staat abzuführen, der diese Einnahmen zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet.

Kosten

46. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Die Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Richtlinie 85/303/EWG des Rates vom 10. Juni 1985 ist dahin auszulegen, dass die Gebühren, die ein beamteter Notar für die notarielle Beurkundung eines unter diese Richtlinie in der geänderten Fassung fallenden Rechtsgeschäfts erhebt, eine Steuer im Sinne der Richtlinie darstellen, wenn nach den anwendbaren nationalen Rechtsvorschriften einerseits nicht ausschließlich beamtete Notare als Notare tätig werden können und diese selbst Gläubiger der betreffenden Gebühren sind und andererseits die beamteten Notare verpflichtet sind, einen Teil dieser Gebühren an den Staat abzuführen, der diese Einnahmen zur Finanzierung seiner Aufgaben verwendet.

Ende der Entscheidung

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