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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.02.1997
Aktenzeichen: C-166/95 P
Rechtsgebiete: EWG/EAG BeamtStat, EG-Vertrag


Vorschriften:

EWG/EAG BeamtStat Art. 86 Abs. 2 Buchst. f
EG-Vertrag Art. 190
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Ein Urteil des Gerichts, in dem festgestellt wird, daß die Begründung einer Verfügung, mit der gegen einen Beamten eine Disziplinarstrafe verhängt wird, unzureichend ist, obwohl in dieser Verfügung die dem Beamten zur Last gelegten Handlungen genau genug angegeben sind und die Verfügung, auch wenn dies nicht ausdrücklich klargestellt wird, den Grund enthält, aus dem die Anstellungsbehörde von der Stellungnahme des Disziplinarrats durch Verhängung einer schwereren als der von diesem vorgeschlagenen Disziplinarstrafe abgewichen ist, ist rechtsfehlerhaft.


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 20. Februar 1997. - Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Frédéric Daffix. - Beamte - Entfernung aus dem Dienst - Begründung. - Rechtssache C-166/95 P.

Entscheidungsgründe:

1 Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften hat mit Rechtsmittelschrift, die am 30. Mai 1995 bei der Kanzlei des Gerichtshofes eingegangen ist, gemäß Artikel 49 der EG-Satzung und den entsprechenden Vorschriften der EGKS- und der EAG-Satzung des Gerichtshofes ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 28. März 1995 in der Rechtssache T-12/94 (Daffix/Kommission, Slg. ÖD 1995, II-233) eingelegt, mit dem das Gericht die Verfügung der Kommission vom 18. März 1993 aufgehoben hat, mit der gegen Herrn Daffix (im folgenden: Kläger) die in Artikel 86 Absatz 2 Buchstabe f des Statuts der Beamten der Europäischen Gemeinschaften (im folgenden: Statut) vorgesehene Disziplinarstrafe der Entfernung aus dem Dienst ohne Aberkennung oder Kürzung des Anspruchs auf das nach dem Dienstalter bemessene Ruhegehalt verhängt wurde.

2 Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, daß die Kommission im April 1991 gemäß Artikel 87 Absatz 2 des Statuts ein Disziplinarverfahren gegen den Kläger, einen Beamten der Besoldungsgruppe B 3 in der Generaldirektion Information, Kommunikation, Kultur, Audiovisuelle Medien (GD X), einleitete (Randnr. 6).

3 Dem Kläger wurde vorgeworfen, drei Auftragsscheine für die SA Newscom, eine Auftragnehmerin der Kommission, die mit der Verwaltung von im Untergeschoß des Berlaymont-Gebäudes in Brüssel gelegenen Studios betraut war, ausgestellt zu haben, um von dieser Vorschüsse in bar in Höhe von insgesamt 450 000 BFR für Dienstleistungen zu erhalten, die angeblich bei einer ausserhalb der Kommission tätigen Erbringerin von Dienstleistungen, Frau Lombärts, deren Existenz bis heute ungewiß ist, bestellt worden waren, und in Wirklichkeit diesen Geldbetrag behalten zu haben. Dem Kläger wurde auch vorgeworfen, die Unterschrift des zuständigen stellvertretenden Referatsleiters in der Generaldirektion X auf zwei dieser Auftragsscheine gefälscht zu haben (Randnrn. 3, 4, 9, 12 und 21 des Urteils).

4 Der Disziplinarrat, der mit einem Bericht der Anstellungsbehörde befasst worden war, gelangte nach mehreren Anhörungen des Klägers und Vernehmungen von Beamten als Zeugen in seiner Stellungnahme vom 18. Februar 1993 zu dem Ergebnis, daß eine Fälschung der Auftragsscheine durch den Kläger nicht bewiesen sei und daß trotz verschiedener Widersprüche, die sowohl in den Erklärungen des Klägers als auch zwischen diesen und den Zeugenaussagen festgestellt worden seien, die Möglichkeit nicht auszuschließen sei, daß der Kläger den fraglichen Betrag an die von ihm angegebene Erbringerin von Dienstleistungen weitergegeben habe. Dennoch war der Disziplinarrat der Ansicht, daß der Kläger dadurch, daß er die Identität dieser Dienstleistungserbringerin nicht vorher überprüft und sich nicht über ihre Berechtigung vergewissert habe, in schwerwiegender Weise gegen seine Pflichten als Beamter der Europäischen Gemeinschaften verstossen habe. Daher empfahl der Disziplinarrat der Anstellungsbehörde, gegen den Kläger die Disziplinarstrafe der Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe, und zwar in die Besoldungsgruppe B 5, Dienstaltersstufe 1, zu verhängen (Randnr. 19).

5 Nach Anhörung des Klägers erließ die Anstellungsbehörde am 18. März 1993 eine Verfügung (im folgenden: streitige Verfügung), die wie folgt begründet ist:

"Herrn Daffix wird vorgeworfen, er habe drei für die Firma Newscom, eine Auftragnehmerin der Kommission im Sektor "Kultur", bestimmte Auftragsscheine gefälscht und sie dazu verwendet, die Firma Newscom zu veranlassen, ihm im Juni und Juli 1990 im Namen und für Rechnung der Kommission einen hohen Barbetrag in drei Teilzahlungen auszuhändigen.

Herr Daffix hat bei der Anhörung vom 10. April 1991 eingeräumt, die drei Auftragsscheine ausgestellt und einen dieser Scheine persönlich "im Auftrag" seines Vorgesetzten unterzeichnet zu haben, ohne daß dieser eine entsprechende Weisung erteilt hatte.

Herr Daffix hat bei derselben Anhörung bestritten, die Unterschrift seines Vorgesetzten auf den beiden anderen Auftragsscheinen gefälscht zu haben.

Herr Daffix hat sich der drei Auftragsscheine bedient, um von der Firma Newscom eine Barzahlung in Höhe des erwähnten Betrages zu erhalten, ohne hierzu entsprechende Weisungen empfangen zu haben.

Die Angaben von Herrn Daffix zum einen zur Weitergabe des von der Firma Newscom erhaltenen Betrages an eine ausserhalb der Kommission tätige Person und zum anderen zur Identität dieser Person wichen voneinander ab und wiesen zahlreiche Widersprüche auf, so daß sie insbesondere angesichts der im Disziplinarverfahren eingeholten Zeugenaussagen nicht glaubhaft sind.

Daher ist der Schluß berechtigt, daß Herr Daffix den von der Firma Newscom erhaltenen Barbetrag von 450 000 BFR für sich behalten hat.

Dieser Schluß wird im übrigen durch die Erklärung bestätigt, die Herr Daffix bei der Anhörung vom 22. Juli 1991 abgegeben hat.

Herr Daffix hat vor dem Disziplinarrat selbst eingeräumt, daß er diese Erklärung tatsächlich am 22. Juli 1991 abgegeben habe, obwohl er anschließend die Unterzeichnung des betreffenden Anhörungsprotokolls verweigert hat.

Die Herrn Daffix zur Last gelegten Handlungen stellen eine äusserst schwerwiegende Verletzung seiner Pflichten dar, die das Vertrauensverhältnis, das zwischen dem Gemeinschaftsorgan und jedem seiner Mitarbeiter bestehen muß, grundlegend beeinträchtigen; ein solches Verhalten rechtfertigt die Verhängung einer Disziplinarstrafe, die über die vom Disziplinarrat empfohlene Maßnahme hinausgeht" (Randnr. 21).

6 Daher hat die Kommission entschieden, den Kläger ohne Kürzung oder Aberkennung des Anspruchs auf das nach dem Dienstalter bemessene Ruhegehalt aus dem Dienst zu entfernen.

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Randnummern 1 bis 23 des angefochtenen Urteils verwiesen.

8 Mit Klageschrift, die am 18. Januar 1994 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob der Kläger Klage auf Aufhebung der streitigen Verfügung.

9 Der Kläger stützte diese Klage auf fünf Klagegründe: erstens, Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarstrafe; zweitens, Ermessensmißbrauch durch die Anstellungsbehörde und offensichtlicher Beurteilungsfehler; drittens, Verletzung der Verfahrensrechte; viertens, Verstoß gegen Artikel 7 des Anhangs IX des Statuts; und fünftens, unzureichende Begründung der angefochtenen Handlung (Randnr. 29).

Das Urteil des Gerichts

10 Das Gericht hielt es für angebracht, zunächst den letzten Klagegrund zu prüfen.

11 Das Gericht hat zunächst die Zulässigkeit dieses in der Erwiderung geltend gemachten Klagegrundes bejaht (Randnr. 31). Angesichts der Bedeutung, die der Begründungspflicht der Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse allgemein zukomme, könne der Gemeinschaftsrichter diese Rüge zumindest von Amts wegen prüfen.

12 Das Gericht hat sodann darauf hingewiesen (Randnr. 32), daß die Verpflichtung zur Begründung einer beschwerenden Entscheidung nach ständiger Rechtsprechung zum einen dem Betroffenen ausreichende Hinweise für die Feststellung geben solle, ob die Entscheidung begründet sei, und zum anderen die gerichtliche Kontrolle ermöglichen solle (vgl. Urteile des Gerichtshofes vom 26. November 1981 in der Rechtssache 195/80, Michel/Parlament, Slg. 1981, 2861, Randnr. 22, und vom 21. Juni 1984 in der Rechtssache 69/83, Lux/Rechnungshof, Slg. 1984, 2447, Randnr. 36; Urteil des Gerichts vom 20. März 1991 in der Rechtssache T-1/90, Pérez-Míngüz Casariego/Kommission, Slg. 1991, II-143, Randnr. 73); im folgenden hat es in den Randnummern 35 bis 46 geprüft, ob die streitige Verfügung ordnungsgemäß begründet sei.

13 In diesem Zusammenhang hat das Gericht zunächst in Randnummer 42 des Urteils festgestellt, daß in der streitigen Verfügung nicht genau genug angegeben sei, welche dem Kläger zur Last gelegten Handlungen die Anstellungsbehörde dazu veranlasst hätten, gegen ihn die Disziplinarstrafe der Entfernung aus dem Dienst zu verhängen.

14 Insbesondere hat das Gericht in Randnummer 35 darauf hingewiesen, daß in der streitigen Verfügung nicht angegeben sei, ob die dem Kläger vorgeworfene Fälschung der Auftragsscheine nach Ansicht der Anstellungsbehörde bewiesen sei.

15 In Randnummer 36 hat das Gericht ausgeführt, da der Kläger die Fälschung der Unterschrift auf den Auftragsscheinen bestritten habe und da die Anstellungsbehörde nicht dargelegt habe, weshalb sie nicht umfassend ermittelt habe, wer die Scheine unterzeichnet haben könnte, sei sie verpflichtet gewesen, ihre Verfügung insoweit ausdrücklich und eingehend zu begründen.

16 In Randnummer 40 hat das Gericht festgestellt, die Anstellungsbehörde habe die Angaben des Klägers, er habe den fraglichen Betrag an eine dritte Person weitergegeben, nicht ohne ausdrückliche Darlegung der Gründe verwerfen dürfen, aus denen sie die vom Kläger angeführten Beweise nicht für geeignet gehalten habe, seine Angaben zu stützen; dies gelte insbesondere in Anbetracht der Tatsache, daß der Kläger sein Geständnis später widerrufen habe. Die genaue Angabe der dem Kläger zur Last gelegten Handlungen sei besonders notwendig gewesen, weil der Disziplinarrat zu dem Ergebnis gekommen sei, daß zum einen die Fälschung der Auftragsscheine durch den Kläger nicht bewiesen sei und daß zum anderen die Möglichkeit, daß der Kläger den fraglichen Betrag an Frau Lombärts weitergeleitet habe, nicht ausgeschlossen werden könne.

17 Sodann hat das Gericht in Randnummer 46 ausgeführt, daß die streitige Verfügung keine ausreichende Erläuterung der Gründe enthalte, aus denen die Anstellungsbehörde eine schwerere als die vom Disziplinarrat vorgeschlagene Disziplinarstrafe verhängt habe.

18 Angesichts dieser Feststellungen war das Gericht der Auffassung, daß ihm die Begründung der streitigen Verfügung keine wirksame Überprüfung der Rechtmässigkeit dieser Verfügung gestatte (Randnr. 47); eine Heilung dieses Verfahrensmangels im gerichtlichen Verfahren komme im Hinblick auf die volle Gewährleistung der Verfahrensrechte im Disziplinarverfahren nicht in Betracht (Randnr. 49). Daher hat das Gericht die streitige Verfügung wegen unzureichender Begründung aufgehoben.

Das Rechtsmittel

19 In ihrer Rechtsmittelschrift vertritt die Kommission die Ansicht, das Gericht habe gegen Gemeinschaftsrecht verstossen, indem es die angefochtene Entscheidung wegen unzureichender Begründung aufgehoben habe. Sie macht drei Rechtsmittelgründe geltend: Der Klagegrund der unzureichenden Begründung sei erst in der Erwiderung geltend gemacht worden; die Würdigung dieses Klagegrundes durch das Gericht entbehre jeder Grundlage; und das Gericht habe es zu Unrecht abgelehnt, bei der Würdigung der Begründung die Erläuterungen zu berücksichtigen, die die Kommission im Laufe des gerichtlichen Verfahrens gegeben habe.

20 In seiner Stellungnahme hält der Kläger das Rechtsmittel für unbegründet.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

21 Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund trägt die Kommission vor, das Gericht sei zu Unrecht von einer unzureichenden Begründung ausgegangen; dieser Klagegrund sei nämlich unzulässig gewesen, weil der Kläger ihn erstmals in der Erwiderung und nicht schon im Verwaltungsverfahren geltend gemacht habe.

22 Insbesondere beanstandet die Kommission die Argumentation des Gerichts in Randnummer 31 des angefochtenen Urteils, wonach der Gemeinschaftsrichter den Klagegrund der unzureichenden Begründung in allen Fällen von Amts wegen prüfen könne. Zwar könne das vollständige Fehlen einer Begründung die Verfahrensrechte und das ordnungsgemässe Funktionieren der Gemeinschaftsorgane dadurch beeinträchtigen, daß das Gericht und der Gerichtshof an der Erfuellung ihrer Aufgabe gehindert würden, doch gelte dies nicht, wenn die angefochtene Handlung im Ansatz eine Begründung enthalte.

23 Nach ständiger Rechtsprechung soll die Begründung einer beschwerenden Entscheidung es dem Gemeinschaftsrichter ermöglichen, ihre Rechtmässigkeit zu überprüfen, und dem Betroffenen die erforderlichen Hinweise für die Feststellung geben, ob die Entscheidung begründet ist (vgl. Urteil Michel/Parlament, a. a. O., Randnr. 22).

24 Daher stellt eine fehlende oder unzureichende Begründung, die diese gerichtliche Überprüfung behindert, einen Mangel dar, den der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen prüfen kann und muß (vgl. Urteile vom 20. März 1959 in der Rechtssache 18/57, Nold/Hohe Behörde, Slg. 1959, 91, und vom 1. Juli 1986 in der Rechtssache 185/85, Usinor/Kommission, Slg. 1986, 2079, Randnr. 19).

25 Da ein solcher Mangel somit in jedem Stadium des Verfahrens geprüft werden kann, kann dem Kläger die Berufung auf ihn nicht allein aus dem Grund versagt sein, daß er ihn nicht in seiner Beschwerde gerügt hat.

26 Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

27 Mit ihrem zweiten Rechtsmittelgrund macht die Kommission geltend, die Würdigung der Frage, ob die Begründung der streitigen Verfügung unzureichend sei, durch das Gericht entbehre jeder Grundlage.

28 Die streitige Verfügung enthalte sowohl eine ausdrückliche Begründung als auch eine Verweisung auf eine Reihe von Schriftstücken und Erklärungen. Daher hätte unter Berücksichtigung all dieser Gesichtspunkte beurteilt werden müssen, ob die Begründung ausreiche.

29 Insbesondere macht die Kommission geltend, der Kern ihrer Begründung liege in dem Schluß, daß der Kläger die 450 000 BFR behalten habe. Diesen Schluß habe sie mit der mangelnden Kohärenz und den widersprüchlichen Erklärungen des Klägers begründet, die sich aus den gesamten Verwaltungsunterlagen ergäben, auf die sich die streitige Verfügung beziehe. Auch sei in der Begründung auf das Geständnis des Klägers hingewiesen worden, das für sich allein die getroffene Maßnahme rechtfertige.

30 Ausserdem habe die Kommission dargelegt, warum sie vom Vorschlag des Disziplinarrats abgewichen sei: Anders als dieser habe die Anstellungsbehörde den Umstand, daß der Kläger das Geld behalten habe, als bewiesen erachtet und ausgeführt, daß das Vertrauen, das sie zu ihren Bediensteten haben müsse, im Falle des Klägers nicht mehr gegeben sei.

31 Auch der Vorwurf der Fälschung der Auftragsscheine sei in der streitigen Verfügung ausreichend begründet. Dieser Vorwurf habe sich nicht nur aus der möglichen Nachahmung der Unterschrift des Vorgesetzten des Klägers ergeben, sondern auch aus einer Reihe weiterer, von der Kommission genannter Umstände, die der Kläger nicht bestritten habe.

32 Demzufolge wirft die Kommission dem Gericht vor, es habe gegen Artikel 190 EG-Vertrag und Artikel 25 des Statuts verstossen, indem es Erfordernisse aufgestellt habe, die über das mit dem Begründungserfordernis verfolgte Ziel hinausgingen, dem Betroffenen und den Gerichten die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die zugrundegelegten Tatsachen die verhängte Strafe rechtfertigen könnten.

33 Die streitige Verfügung beruht in tatsächlicher Hinsicht auf folgenden Umständen:

- der Fälschung dreier für die Firma Newscom bestimmter Auftragsscheine und Verwendung dieser Scheine, um die Firma zu veranlassen, dem Kläger im Namen und für Rechnung der Kommission einen hohen Geldbetrag, nämlich 450 000 BFR, auszuhändigen (erste Begründungserwägung der Verfügung);

- dem Umstand, daß der Kläger bei einer Anhörung eingeräumt hat, die drei Auftragsscheine ausgestellt und einen dieser Scheine persönlich "im Auftrag" seines Vorgesetzten unterzeichnet zu haben, ohne daß dieser eine entsprechende Weisung erteilt hatte (zweite Begründungserwägung der Verfügung);

- dem Umstand, daß er sich der drei Auftragsscheine bedient hat, ohne entsprechende Weisungen empfangen zu haben (vierte Begründungserwägung der Verfügung);

- den Widersprüchen in den Erklärungen des Klägers bezueglich der Frage, ob er den Geldbetrag tatsächlich an eine ausserhalb der Kommission tätige Person weitergegeben hat, und bezueglich der Identität dieser Person (fünfte Begründungserwägung der Verfügung);

- der Tatsache, daß der Kläger eingeräumt hat, den Betrag für sich behalten zu haben; dieses Geständnis hat er später widerrufen (sechste und siebte Begründungserwägung der Verfügung).

34 Daher ist anders, als das Gericht in Randnummer 42 seines Urteils entschieden hat, davon auszugehen, daß die dem Kläger zur Last gelegten Handlungen in der streitigen Verfügung genau genug angegeben waren. Hinzu kommt, daß die Verfügung den Abschluß eines 1990 eingeleiteten Disziplinarverfahrens darstellte, dessen Einzelheiten dem Kläger hinlänglich bekannt waren. Ausserdem kann angesichts der Akten in dieser Sache und der sich auf sie beziehenden Begründungserwägungen der streitigen Verfügung, wie sie oben in Randnummer 33 wiedergegeben sind, nicht angenommen werden, daß eine gerichtliche Überprüfung der Rechtmässigkeit dieser Verfügung unmöglich sei.

35 Somit war die Auffassung des Gerichts, die dem Kläger zur Last gelegten Handlungen seien in der streitigen Verfügung nicht genau genug angegeben, so daß ein Verstoß gegen Artikel 190 EG-Vertrag und Artikel 25 des Statuts vorliege, rechtsirrig.

36 Bezueglich der in der streitigen Verfügung enthaltenen Begründung der Disziplinarstrafe hat das Gericht in Randnummer 45 seines Urteils festgestellt, daß sie formelhaft sei, da sie nicht die besonderen Gründe darlege, aus denen die Anstellungsbehörde unter den spezifischen Umständen des vorliegenden Falles die Disziplinarstrafe der Entfernung aus dem Dienst und nicht, wie der Disziplinarrat vorgeschlagen hatte, diejenige der Einstufung in eine niedrigere Besoldungsgruppe gewählt habe.

37 Aus den oben in Randnummer 33 genannten Umständen ergibt sich jedoch, daß die Anstellungsbehörde anders als der Disziplinarrat überzeugt war, daß der Kläger den streitigen Betrag für sich behalten hatte und daß er einen Auftragsschein gefälscht und sich dieses Scheines sowie zweier weiterer Auftragsscheine bedient hatte, um eine Zahlung zu erhalten, ohne hierzu Weisungen von seinem Vorgesetzten erhalten zu haben. Während der Disziplinarrat nur davon ausgegangen war, daß der Kläger die Identität der betreffenden dritten Person nicht überprüft und sich nicht über ihre Berechtigung vergewissert habe, was der Disziplinarrat als schwerwiegenden Verstoß gegen die Pflichten eines Beamten gewertet hatte, hat die Anstellungsbehörde die Vorwürfe, die sie festgestellt hatte, als äusserst schwerwiegende Verletzung der Pflichten eines Beamten gegenüber seinem Organ gewertet, die das Vertrauensverhältnis zwischen dem Organ und seinem Personal grundlegend beeinträchtige (siehe die neunte Begründungserwägung der streitigen Verfügung). Auch wenn dies nicht ausdrücklich klargestellt wird, geht somit aus der streitigen Verfügung zur Genüge hervor, daß dies der Grund war, aus dem die Anstellungsbehörde von der Stellungnahme des Disziplinarrats abgewichen ist.

38 Unter diesen Umständen ist das Gericht in Randnummer 46 seines Urteils rechtsirrig davon ausgegangen, daß die streitige Verfügung keine ausreichende Darlegung der Gründe enthalte, aus denen die Anstellungsbehörde eine schwerere als die vom Disziplinarrat vorgeschlagene Disziplinarstrafe verhängt hat.

39 Ohne daß es erforderlich wäre, den dritten Rechtsmittelgrund zu prüfen, ist das angefochtene Urteil daher aufzuheben, soweit mit ihm die streitige Verfügung wegen unzureichender Begründung aufgehoben und die Kommission zur Tragung der Kosten verurteilt worden ist.

Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht

40 Artikel 54 Absatz 1 der EG-Satzung des Gerichtshofes lautet: "Ist das Rechtsmittel begründet, so hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen."

41 Im vorliegenden Fall kann der Gerichtshof den Rechtsstreit nicht entscheiden. Daher ist dieser zur Entscheidung in der Sache unter Prüfung der anderen vom Kläger im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegründe, die in Randnummer 29 des angefochtenen Urteils aufgeführt sind, an das Gericht zurückzuverweisen.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

(Fünfte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 28. März 1995 in der Rechtssache T-12/94 (Daffix/Kommission) wird aufgehoben, soweit mit ihm die Verfügung der Kommission vom 18. März 1993 über die Entfernung des Klägers aus dem Dienst wegen unzureichender Begründung aufgehoben und die Kommission zur Tragung der Kosten verurteilt worden ist.

2. Die Rechtssache wird zur Entscheidung über die anderen vom Kläger im ersten Rechtszug geltend gemachten Klagegründe, die in Randnummer 29 des angefochtenen Urteils aufgeführt sind, an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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