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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.09.2006
Aktenzeichen: C-168/04
Rechtsgebiete: EG


Vorschriften:

EG Art. 49
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Erste Kammer)

21. September 2006

"Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Artikel 49 EG - Freier Dienstleistungsverkehr - Unternehmen, das drittstaatsangehörige Arbeitnehmer einstellt - Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat Leistungen erbringt - 'EU-Entsendebestätigung"

Parteien:

In der Rechtssache C-168/04

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Artikel 226 EG, eingereicht am 5. April 2004,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch B. Eggers, E. Traversa und G. Braun als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl, G. Hesse und C. Pesendorfer als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, K. Lenaerts, M. Ilesic und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Léger,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 6. Oktober 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Mit ihrer Klageschrift beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Republik Österreich dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, dass sie mit § 18 des österreichischen Ausländerbeschäftigungsgesetzes vom 20. März 1975 (AuslBG, BGBl I 218/1975) in seiner im BGBl I 120/1999 bekannt gemachten Fassung und § 10 Abs 1 Z 3 des Fremdengesetzes vom 14. Juli 1997 (FrG, BGBl I 75/1997) in seiner im BGBl I 34/2000 bekannt gemachten Fassung die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung einer Dienstleistung in unverhältnismäßiger Weise einschränkt.

Rechtlicher Rahmen

2 § 18 Abs 1 AuslBG begründet die Pflicht, eine Bewilligung einzuholen, bevor Ausländer in Österreich von einem Arbeitgeber beschäftigt werden, der seinen Betriebssitz nicht im Gebiet dieses Mitgliedstaats hat. Für den Fall, dass ein Unternehmen mit Betriebssitz in einem Mitgliedstaat Drittstaatsangehörige zur Erbringung einer Dienstleistung in Österreich entsendet, sieht § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG ein besonderes Verfahren vor. Danach wird die Bewilligung durch eine EU-Entsendebestätigung ersetzt, die unter bestimmten Voraussetzungen erteilt wird.

3 In § 18 Abs 12 AuslBG heißt es u. a.:

"Die Beschäftigung von Ausländern, die nicht von § 1 Abs 2 lit m erfasst sind und die von einem ausländischen Arbeitgeber mit Betriebssitz im Staatsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union zur Erbringung einer vorübergehenden Dienstleistung in das Bundesgebiet entsandt werden, ist der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor der Arbeitsaufnahme anzuzeigen. Die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat binnen sechs Wochen eine Anzeigebestätigung (EU-Entsendebestätigung) auszustellen."

4 Die Voraussetzungen für die Erteilung der EU-Entsendebestätigung sind in § 18 Abs 13 AuslBG festgelegt. Danach wird diese Bestätigung erteilt, wenn

- der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer bei dem Unternehmen, das ihn im Herkunftsmitgliedstaat beschäftigt, ordnungsgemäß und dauerhaft seit mindestens einem Jahr in einem direkten Arbeitsverhältnis steht oder einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hat und

- die österreichischen Lohn- und Arbeitsbedingungen sowie sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen während der Entsendung eingehalten werden.

5 Nach dem Fremdengesetz gilt für drittstaatsangehörige Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat der Union ansässigen Unternehmen zur Erbringung einer Dienstleistung nach Österreich entsandt werden, für ihre Einreise in das österreichische Staatsgebiet und ihren dortigen Aufenthalt eine Sichtvermerks- und Aufenthaltstitelpflicht.

6 § 8 Abs 1 FrG bestimmt:

"Einreise- und Aufenthaltstitel können Fremden auf Antrag erteilt werden, sofern diese ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam wird (§§ 10 bis 12). Visa können nur befristet, Aufenthaltstitel auch unbefristet erteilt werden. Visa und befristete Aufenthaltstitel dürfen nur insoweit erteilt werden, als ihre Gültigkeitsdauer jene des Reisedokuments nicht übersteigt. ..."

7 Nach § 10 Abs 1 Z 3 FrG ist die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels zu versagen, wenn der betreffende Titel nach sichtvermerksfreier Einreise in das österreichische Staatsgebiet erteilt werden soll. Aus dieser Bestimmung folgt, dass die Situation eines Drittstaatsangehörigen, der in das österreichische Staatsgebiet rechtswidrig eingereist ist, nicht mehr an Ort und Stelle durch Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels bereinigt werden kann.

8 Schließlich sieht das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz von 1993 (AVRAG, BGBl 459/1993), das die Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18, S. 1) in österreichisches Recht umsetzt, für den Arbeitgeber mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Union eine umfassende Meldepflicht vor. Nach Art 1 § 7b Abs 3 AVRAG hat der Arbeitgeber die Entsendung von Arbeitnehmern nach Österreich zur Erbringung einer fortgesetzten Arbeitsleistung dort spätestens eine Woche vor Arbeitsaufnahme der Zentralen Koordinationsstelle für die Kontrolle der illegalen Beschäftigung zu melden.

9 Hierbei muss der Arbeitgeber eine Reihe von Angaben über sich, den inländischen Auftraggeber, die entsandten Arbeitnehmer, die fragliche Beschäftigung und das Entgelt machen. Art 1 § 7b Abs 9 AVRAG sieht für Verstöße gegen diese Meldepflicht Bußgelder vor.

Vorgerichtliches Verfahren

10 Nachdem die Kommission eine Beschwerde wegen Unvereinbarkeit der österreichischen Regelung über die Entsendung von Drittstaatsangehörigen mit der in Artikel 49 EG garantierten Dienstleistungsfreiheit erhalten hatte, richtete sie am 14. Juli 1997 ein Mahnschreiben an die Republik Österreich. Darin legte sie dar, dass die nach der damaligen österreichischen Regelung erforderliche Entsende- und Aufenthaltsbewilligung eine Behinderung des innergemeinschaftlichen Handels darstelle. Insbesondere rügte sie die inhaltlichen Voraussetzungen der Entsendebewilligung sowie den Umstand, dass ein Aufenthaltstitel im Fall einer sichtvermerksfreien Einreise des ausländischen Arbeitnehmers nach Österreich automatisch versagt werde.

11 Mit Schreiben vom 12. Dezember 1997 antwortete die österreichische Regierung, dass die nationalen Rechtsvorschriften über die Entsendung ausländischer Arbeitnehmer mit Wirkung vom 1. Januar 1998 geändert worden seien. Als Ersatz des Erlaubnisverfahrens sei ein neues Verfahren zur Anmeldung der Entsendung, das der "EU-Entsendebestätigung", eingeführt worden, das der Prüfung bestimmter Voraussetzungen der Entsendung diene.

12 Am 2. Juli 1998 richtete die Kommission ein zusätzliches Mahnschreiben an die Republik Österreich, in dem sie darauf hinwies, dass es sich bei diesem neuen Verfahren ihrer Ansicht nach nicht um ein bloßes Anmeldeverfahren, sondern um ein aufwändiges Erlaubnisverfahren handele, das mit denen vergleichbar sei, die der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung als Beschränkung im Sinne des Artikels 49 EG qualifiziert habe.

13 Mit Schreiben vom 2. September 1998 machte die österreichische Regierung geltend, dass es sich bei dem Verfahren der EU-Entsendebestätigung um ein rein deklaratorisches Verfahren handele, das die in der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofes aufgestellten Anforderungen erfülle. Zu der Vorschrift über die automatische Versagung der Aufenthaltserlaubnis trug sie vor, dass der freie Dienstleistungsverkehr die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt lasse, über die Einreise von Drittstaatsangehörigen in ihr Hoheitsgebiet und deren Aufenthalt dort zu entscheiden.

14 Da die Kommission diese Ausführungen nicht für überzeugend hielt, richtete sie am 5. April 2002 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an die Republik Österreich, in der sie diesen Mitgliedstaat aufforderte, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um dieser Stellungnahme binnen zwei Monaten nach ihrer Zustellung nachzukommen. Die Kommission vertrat die Auffassung, der durch das Entsendeverfahren nach österreichischem Recht verursachte Verwaltungsaufwand sowie die fehlende Möglichkeit, die Situation eines entsandten Arbeitnehmers, der ohne Einreise- und Aufenthaltstitel nach Österreich eingereist sei, zu bereinigen, habe für in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmen eine abschreckende Wirkung, so dass diese Vorschriften eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten.

15 In ihrer Antwort vom 7. Juni 2002 führte die österreichische Regierung aus, die Vorschriften über die EU-Entsendebestätigung seien gerechtfertigt, weil die entsandten Arbeitnehmer vor etwaigem Missbrauch geschützt werden müssten, während die Klausel der automatischen Versagung auf den Befugnissen beruhe, die den Mitgliedstaaten in dem am 19. Juni 1990 in Schengen (Luxemburg) unterzeichneten Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (ABl. 2000, L 239, S. 19) eingeräumt worden seien.

16 Da die Kommission der Ansicht war, dass die Republik Österreich der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht nachgekommen sei, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Parteien

17 Die Kommission trägt vor, das Verfahren zur Erteilung der EU-Entsendebestätigung sowie die Möglichkeit einer automatischen Versagung einer Aufenthaltserlaubnis im Fall der Einreise eines entsandten Arbeitnehmers ohne Einreise- oder Aufenthaltstitel in das österreichische Staatsgebiet stellten nach Artikel 49 EG verbotene Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs dar, die durch die von der Republik Österreich angeführten Ziele nicht zu rechtfertigen seien.

18 Die österreichische Regierung bestreitet nicht, dass § 18 AuslBG und § 10 FrG Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs darstellten. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, insbesondere die Urteile vom 25. Oktober 2001 in den Rechtssachen C-49/98, C-50/98, C-52/98 bis C-54/98 und C-68/98 bis C-71/98 (Finalarte u. a., Slg. 2001, I-7831) und vom 24. Januar 2002 in der Rechtssache C-164/99 (Portugaia Construções, Slg. 2002, I-787), macht sie jedoch geltend, dass diese Beschränkungen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt seien, nämlich im Fall des § 18 AuslBG durch Gründe des Schutzes der Arbeitnehmer und im Fall des § 10 FrG durch solche der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Diese Rechtsvorschriften seien insoweit den mit ihnen verfolgten Zielen angemessen.

Das Verfahren zur Erteilung der EU-Entsendebestätigung

19 Die Kommission trägt erstens vor, die EU-Entsendebestätigung werde nicht aufgrund eines reinen Anmeldeverfahrens erteilt, sondern stelle eine echte behördliche Erlaubnis dar. Sie werde nämlich erst nach einer Prüfung der Voraussetzungen des § 18 Abs 13 AuslBG durch die zuständigen nationalen Behörden erteilt. Im Übrigen sei sie eine unerlässliche Voraussetzung für die Erbringung von Dienstleistungen im österreichischen Staatsgebiet, weil sie zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis für entsandte Arbeitnehmer erforderlich sei, die automatisch versagt werde, wenn vor Erteilung der Entsendebestätigung mit der Erbringung von Dienstleistungen begonnen worden sei.

20 Selbst wenn aber die EU-Entsendebestätigung rein deklaratorischer Natur wäre, so stellte doch das doppelte Verfahren, nämlich jenes zur Erteilung des Sichtvermerks und jenes zur Erteilung der Entsendebestätigung, an und für sich bereits eine unverhältnismäßige Beschränkung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs dar, wie sich aus dem Urteil vom 9. August 1994 in der Rechtssache C-43/93 (Vander Elst, Slg. 1994, I-3803) ergebe.

21 Die Verpflichtung eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleisters, der drittstaatsangehörige Arbeitnehmer nach Österreich entsenden wolle, zusätzlich zum Sichtvermerkverfahren des Fremdengesetzes und zum Anzeigeverfahren des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes noch eine EU-Entsendebestätigung einzuholen, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die von der österreichischen Regierung angeführten Ziele könnten nämlich insoweit durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden.

22 Die österreichische Regierung macht geltend, das Verfahren zur Erteilung der EU-Entsendebestätigung sei nicht so schwerfällig, wie dies von der Kommission beschrieben werde.

23 Zum einen handele es sich bei der EU-Entsendebestätigung um ein Anzeigeverfahren. Ein Indiz hierfür sei die geringe Höhe der Geldbuße im Fall der Nichtbeachtung dieser Formalität. Auch gehe es dabei um ein flexibles Verfahren, da nach § 18 Abs 16 AuslBG verschiedene von der Entsendung betroffene Personen antragsberechtigt seien.

24 Zum anderen könne nicht von einem doppelten Verfahren gesprochen werden, da das Verfahren zur Erteilung der EU-Entsendebestätigung einen anderen Zweck habe als das Verfahren zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis und die zuständigen Behörden jeweils unterschiedliche Voraussetzungen prüften.

25 Zweitens rügt die Kommission die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EU-Entsendebestätigung.

26 Zunächst werde die in § 18 Abs 13 Z 2 AuslBG vorgeschriebene Einhaltung der nationalen Lohn- und Beschäftigungsbedingungen im Rahmen der grenzüberschreitenden Erbringung von Dienstleistungen bereits in der durch das Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz in österreichisches Recht umgesetzten Richtlinie 96/71 garantiert. Da nach deren Bestimmungen die Möglichkeit einer nachträglichen Kontrolle dieser Voraussetzungen vorgesehen sei, verfügten die österreichischen Behörden damit über ein weniger einschneidendes Instrument, um die Erfüllung dieser Bedingungen sicherzustellen.

27 Was sodann das Erfordernis einer mindestens einjährigen Beschäftigung bzw. eines unbefristeten Arbeitsvertrags nach § 18 Abs 13 Z l AuslBG betreffe, so könne die im Urteil Vander Elst verwendete Formulierung "ordnungsgemäß und dauerhaft" nicht eine zeitliche oder rechtliche Beschränkung in der Art der streitigen rechtfertigen. Diese Formulierung hänge nämlich eng mit dem Kontext der dem Gerichtshof damals zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage zusammen.

28 Die von der österreichischen Regierung angeführten wirtschaftlichen Gründe rechtfertigten eine solche Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs schließlich auch nicht, da der Gerichtshof in den Urteilen vom 27. März 1990 in der Rechtssache C-113/89 (Rush Portuguesa, Slg. 1990, I-1417) und Finalarte u. a. die Möglichkeit einer Berufung der Mitgliedstaaten auf arbeitsmarktpolitische Erwägungen ausdrücklich ausgeschlossen habe. Was den Rechtfertigungsgrund des Arbeitnehmerschutzes betreffe, so wirke sich die Voraussetzung der Dauer der Vorbeschäftigung für drittstaatsangehörige Arbeitnehmer nachteilig aus, da sie geeignet sei, ihre Einstellung zu behindern. Diese Bestimmung sei bei gelegentlichen Dienstleistungen zudem völlig unverhältnismäßig.

29 Die österreichische Regierung macht geltend, dass die Bestimmungen des Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetzes allein nicht für die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer ausreichten, was die Anwendung zusätzlicher Voraussetzungen nach dem Verfahren der EU-Entsendebestätigung rechtfertige.

30 Im Übrigen werde mit den fraglichen Rechtsvorschriften nur die Rechtsprechung des Gerichtshofes umgesetzt, wie sie sich aus dem Urteil Vander Elst ergebe, wonach der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer im Herkunftsstaat des Dienstleisters "ordnungsgemäß und dauerhaft" beschäftigt sein müsse, damit die Entsendebewilligung erteilt werden könne. Dazu müsse er nachweisen, dass zu seinem Arbeitgeber eine gewisse Verbundenheit aufgrund eines mindestens einjährigen Arbeitsverhältnisses oder eines unbefristeten Arbeitsvertrags bestehe. Dieses Erfordernis ermögliche einen Schutz des entsandten Arbeitnehmers vor etwaigem Missbrauch.

Die automatische Versagung der Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis

31 Die Kommission macht geltend, dass im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs jeder Dienstleister seinen Arbeitnehmern das "abgeleitete Recht" auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck und für die Dauer der Dienstleistung übertrage. Da die entsandten Arbeitnehmer keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt des Entsendestaats verlangten, stehe die sich aus § 10 Abs 1 Z 3 FrG ergebende automatische Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis außer Verhältnis zum Ziel der Wahrung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

32 Die Visa für Drittstaatsangehörige, die ein Aufenthaltsrecht aus dem Gemeinschaftsrecht ableiten könnten, seien nämlich rein formeller Natur und müssten ohne weiteres anerkannt werden. Daher werde der freie Dienstleistungsverkehr durch die automatische Versagung im Fall einer "formell rechtswidrigen" Einreise ins Staatsgebiet erheblich eingeschränkt und für bestimmte Sektoren illusorisch. Die österreichischen Behörden verfügten über ebenso wirksame, aber weniger einschneidende Mittel, um zu prüfen, ob ein Drittstaatsangehöriger eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

33 Die österreichische Regierung merkt an, dass die automatische Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis nicht jene Arbeitnehmer betreffe, die über einen von einem Vertragsstaat der Schengener Übereinkommen erteilten Aufenthaltstitel verfügten und für einen Zeitraum von weniger als drei Monaten nach Österreich entsandt würden.

34 Sie weist darauf hin, dass zwischen dem Verfahren zur Erteilung der EU-Entsendebestätigung und dem zur Erteilung des Einreise- oder Aufenthaltstitels zu unterscheiden sei. Letzteres betreffe nicht den freien Dienstleistungsverkehr, sondern das Fremdenrecht. Daher hänge die Rechtmäßigkeit der Einreise nicht ausschließlich von der Rechtmäßigkeit der Entsendung, sondern auch von anderen, fremdenpolizeilichen Faktoren ab.

35 Ferner müsse der Entsendestaat in der Lage sein, zu prüfen, ob eine Person eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle oder für sie in Österreich ein Aufenthaltsverbot bestehe. Ein Aufenthaltsverbot gegen eine Person auszusprechen, die eine Aufenthaltserlaubnis beantrage, sich aber schon in Österreich aufhalte, sei nicht zweckmäßig.

Würdigung durch den Gerichtshof

36 Nach ständiger Rechtsprechung verlangt Artikel 49 EG nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. insbesondere Urteil Portugaia Construções, Randnr. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37 Eine nationale Regelung, die in einem Bereich erlassen worden ist, der nicht Gegenstand einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene ist, und die unterschiedslos für alle im betreffenden Mitgliedstaat tätigen Personen oder Unternehmen gilt, kann jedoch trotz ihrer den freien Dienstleistungsverkehr beschränkenden Wirkung gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruht und dieses Interesse nicht schon durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er ansässig ist, und wenn sie geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zu dessen Erreichung erforderlich ist (vgl. Urteile vom 23. November 1999 in den Rechtssachen C-369/96 und C-376/96, Arblade u. a., Slg. 1999, I-8453, Randnrn. 34 und 35, sowie Portugaia Construções, Randnr. 19).

38 Da der Bereich der Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern im Rahmen einer grenzüberschreitenden Dienstleistung bisher nicht auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden ist, ist die Vereinbarkeit der in diesem Bereich geltenden österreichischen Rechtsvorschriften mit Artikel 49 EG an den Grundsätzen zu messen, die in den beiden vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils angeführt worden sind.

Zur ersten Rüge: Erfordernis der Einholung der EU-Entsendebestätigung gemäß § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG

39 Es ist unbestreitbar, dass die sich aus § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG ergebenden Bedingungen, die ein Dienstleistungsunternehmen erfüllen muss, wenn es drittstaatsangehörige Arbeitnehmer nach Österreich zu entsenden beabsichtigt, wegen des mit diesen Bedingungen verbundenen Verwaltungsaufwands und insbesondere der für die Erteilung der EU-Entsendebestätigung vorgeschriebenen Sechswochenfrist die beabsichtigte Entsendung und damit die Erbringung von Dienstleistungen durch dieses Unternehmen erschweren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Oktober 2004 in der Rechtssache C-445/03, Kommission/Luxemburg, Slg. 2004, I-10191, Randnr. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40 Der Gerichtshof hat zur Entsendung von drittstaatsangehörigen Arbeitnehmern durch ein in der Gemeinschaft ansässiges Dienstleistungsunternehmen bereits entschieden, dass eine nationale Regelung, die die Erbringung von Dienstleistungen im Inland durch ein in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenes Unternehmen von der Erteilung einer behördlichen Erlaubnis abhängig macht, eine Beschränkung dieser Freiheit im Sinne von Artikel 49 EG darstellt (vgl. Urteile Vander Elst, Randnr. 15, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 24).

41 Entgegen der Auffassung der österreichischen Regierung ist hierzu festzustellen, dass das Verfahren der EU-Entsendebestätigung den Charakter eines Erlaubnisverfahrens hat. Da nämlich die Erteilung dieser Bestätigung für die Entsendung unerlässlich ist und erst nach Überprüfung der Voraussetzungen des § 18 Abs 13 AuslBG durch die zuständigen nationalen Behörden erfolgt, lässt sich nicht sagen, dass es sich um ein bloßes Anmeldeverfahren handele.

42 Dieses Verfahren kann überdies umso mehr die Erbringung von Dienstleistungen durch den Einsatz entsandter drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer erschweren oder sogar unmöglich machen, als es für die Behandlung des Antrags auf Erteilung dieser Bestätigung eine Frist vorsieht, die bis zu sechs Wochen dauern kann.

43 Der Gerichtshof hat allerdings den Mitgliedstaaten die Befugnis zugestanden, zu kontrollieren, ob die nationalen und gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften im Bereich der Erbringung von Dienstleistungen beachtet worden sind. Ebenso hat er die Berechtigung jener Kontrollen anerkannt, die erforderlich sind, um die Beachtung von Anforderungen zu überprüfen, die ihrerseits durch Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind (vgl. Urteil Arblade u. a., Randnr. 38). Der Gerichtshof hat jedoch auch festgestellt, dass diese Kontrollen die vom Gemeinschaftsrecht gezogenen Grenzen beachten müssen und die Dienstleistungsfreiheit nicht illusorisch machen dürfen (vgl. Urteil Rush Portuguesa, Randnr. 17).

44 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob die Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs, die sich aus § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG ergeben, durch ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gerechtfertigt erscheinen und ob sie gegebenenfalls erforderlich sind, um dieses Ziel effektiv und mit den geeigneten Mitteln zu verfolgen (vgl. Urteile Kommission/Luxemburg, Randnr. 26, und vom 19. Januar 2006 in der Rechtssache C-244/04, Kommission/Deutschland, Slg. 2006, I-885, Randnr. 37).

45 Im vorliegenden Fall werden zur Rechtfertigung der Voraussetzungen des § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG Gründe des Arbeitnehmerschutzes und der Stabilität des Arbeitsmarktes angeführt.

46 Die österreichische Regierung beruft sich erstens auf die Notwendigkeit, darüber zu wachen, dass die Voraussetzungen einer Entsendung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit erfüllt seien. Dabei gehe es darum, sicherzustellen, dass das entsendende Unternehmen das ihm durch den EG-Vertrag verliehene Recht nicht zu Lasten der entsandten Arbeitnehmer missbrauche. So solle durch die in § 18 Abs 13 AuslBG aufgestellten Voraussetzungen für die Erteilung einer Bestätigung das Risiko ausgeschaltet werden, dass Arbeitskräfte aus Drittstaaten ausgebeutet würden, und insbesondere, dass sie nur zum Zwecke der Entsendung beschäftigt würden.

47 Zu den bereits vom Gerichtshof anerkannten zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gehört der Schutz der Arbeitnehmer (vgl. u. a. Urteile Finalarte u. a., Randnr. 33, und Portugaia Construções, Randnr. 20). Außerdem verwehrt es das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedstaaten nicht, ihre Rechtsvorschriften oder die von den Sozialpartnern geschlossenen Tarifverträge auf alle Personen zu erstrecken, die in ihrem Staatsgebiet, und sei es auch nur vorübergehend, eine unselbständige Tätigkeit ausüben, und zwar unabhängig davon, in welchem Land der Arbeitgeber ansässig ist, und verbietet es ihnen auch nicht, die Einhaltung dieser Regeln mit den geeigneten Mitteln durchzusetzen (vgl. Urteil vom 3. Februar 1982 in den Rechtssachen 62/81 und 63/81, Seco und Desquenne & Giral, Slg. 1982, 223, Randnr. 14), wenn sich herausstellt, dass der durch diese gewährte Schutz nicht durch entsprechende oder im Wesentlichen vergleichbare Verpflichtungen gewährleistet wird, denen das Unternehmen bereits im Mitgliedstaat seiner Niederlassung unterliegt (vgl. Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

48 Die EU-Entsendebestätigung, wie sie in § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG geregelt ist, kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des geltend gemachten Zieles angesehen werden.

49 Zum einen berücksichtigt nämlich ein solches Verfahren, das auf die systematische Einhaltung der österreichischen Lohn- und Beschäftigungsbedingungen abstellt, nicht die sozialen Schutzmaßnahmen, insbesondere im Bereich der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung, denen das entsendende Unternehmen nach dem im Herkunftsstaat geltenden Recht oder einem gegebenenfalls zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem betreffenden Drittstaat geschlossenen Kooperationsabkommen unterliegt und deren Anwendung geeignet ist, eine ernste Gefahr der Ausbeutung von Arbeitnehmern sowie der Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den Unternehmen auszuschalten (vgl. Urteil Vander Elst, Randnr. 25, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 35).

50 Zum anderen geht die Bedingung, die die Erteilung der EU-Entsendebestätigung vom Bestehen von Arbeitsverträgen mit einer Laufzeit von mindestens einem Jahr oder von unbefristeten Arbeitsverträgen abhängig macht, über das hinaus, was im Namen des Zieles des sozialen Schutzes als notwendige Voraussetzung für die Erbringung von Dienstleistungen mittels Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer verlangt werden kann (Urteile Kommission/Luxemburg, Randnrn. 32 und 33, und Kommission/Deutschland, Randnr. 58).

51 Auch kann sich die österreichische Regierung nicht auf die vom Gerichtshof in Randnummer 26 des Urteils Vander Elst verwendete Formulierung berufen, wenn sie geltend macht, dass aufgrund dieses Erfordernisses kontrolliert werden könne, ob der entsandte drittstaatsangehörige Arbeitnehmer über eine ordnungsgemäße und dauerhafte Beschäftigung im Niederlassungsstaat seines Arbeitgebers verfüge. Der Gerichtshof hat nämlich den Begriff der "ordnungsgemäßen und dauerhaften Beschäftigung" nicht mit der Bedingung eines Wohnsitzes oder einer Beschäftigung im Niederlassungsstaat des Dienstleistungsunternehmens von bestimmter Dauer verbunden (Urteil Kommission/Deutschland, Randnr. 55).

52 Insoweit stellt die nach dem AVRAG bestehende Verpflichtung für ein Dienstleistungsunternehmen, den örtlichen Behörden vor einer Entsendung die bevorstehende Anwesenheit eines oder mehrerer zu entsendender Arbeitnehmer, die vorgesehene Dauer dieser Anwesenheit und die durch die Entsendung veranlasste(n) Dienstleistung(en) mitzuteilen, eine ebenso wirksame, aber weniger einschneidende Maßnahme als die streitige Bedingung dar. Durch sie sind die betreffenden Behörden nämlich in der Lage, die Einhaltung der österreichischen sozialrechtlichen und Lohnregelung während der Dauer der Entsendung zu kontrollieren und dabei die Verpflichtungen zu berücksichtigen, denen das Unternehmen bereits nach den im Herkunftsmitgliedstaat geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften unterliegt.

53 Daraus folgt, dass das Verfahren der EU-Entsendebestätigung über das hinausgeht, was zur Verfolgung des Zieles des Schutzes der Arbeitnehmer erforderlich ist.

54 Zweitens macht die österreichische Regierung geltend, mit dem Verfahren der EU-Entsendebestätigung solle verhindert werden, dass der Arbeitsmarkt durch den Zustrom drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer gestört werde.

55 Dazu ist festzustellen, dass die Arbeitnehmer, die bei einem in einem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen beschäftigt sind und zur Erbringung einer Dienstleistung in einen anderen Mitgliedstaat entsandt werden, keinen Zutritt zum Arbeitsmarkt dieses zweiten Staates verlangen, da sie nach Erfüllung ihrer Aufgabe in ihr Herkunfts- oder Wohnsitzland zurückkehren (vgl. Urteil Kommission/Luxemburg, Randnr. 38).

56 Zwar darf ein Mitgliedstaat kontrollieren, ob ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist und von dort Arbeitnehmer aus einem Drittstaat entsendet, den freien Dienstleistungsverkehr nicht zu einem anderen Zweck als dem der Erbringung der betreffenden Dienstleistung nutzt, beispielsweise dazu, sein Personal kommen zu lassen, um Arbeitnehmer zu vermitteln oder Dritten zu überlassen (vgl. Urteile Rush Portuguesa, Randnr. 17, und Kommission/Luxemburg, Randnr. 39). Das Verfahren der EU-Entsendebestätigung kann jedoch nicht als geeignetes Mittel zur Erreichung des von der österreichischen Regierung genannten Zieles angesehen werden.

57 Die Auskünfte, die aufgrund des Anmeldeverfahrens nach dem Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz erteilt werden müssen und in Randnummer 52 des vorliegenden Urteils erwähnt worden sind, sowie die Auskünfte, die im Verfahren zur Gewährung der Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müssen, versetzen die österreichischen Behörden in die Lage, sich zu vergewissern, dass die betreffenden Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, in dem sie von dem Unternehmen beschäftigt werden, legalen Status haben, insbesondere, was Aufenthalt, Arbeitserlaubnis und soziale Absicherung angeht, und garantieren diesen Behörden auf genauso wirksame, aber weniger einschneidende Art und Weise als die streitigen Bedingungen, dass diese Arbeitnehmer legal beschäftigt werden und dass sie ihre Haupttätigkeit in dem Mitgliedstaat ausüben, in dem das Dienstleistungsunternehmen ansässig ist.

58 Das Verfahren der EU-Entsendebestätigung kann daher nicht mit dem Zweck der Verhinderung einer Störung des nationalen Arbeitsmarktes gerechtfertigt werden und ist folglich im Hinblick auf die von der Republik Österreich angestrebten Ziele als unverhältnismäßig anzusehen.

Zur zweiten Rüge: Automatische Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis wie in § 10 Abs 1 Z 3 FrG vorgesehen

59 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Bereich der Einreise von Drittstaatsangehörigen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und ihres Aufenthalts dort im Rahmen einer Entsendung durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Dienstleistungsunternehmen nicht auf Gemeinschaftsebene harmonisiert worden ist.

60 Ein Mitgliedstaat darf jedoch durch die Kontrolltätigkeit, die er in diesem Bereich ausübt, nicht die Dienstleistungsfreiheit des diese Personen beschäftigenden Unternehmens in Frage stellen (Urteil Seco und Desquenne & Giral, Randnr. 12).

61 Im vorliegenden Fall beschränkt § 10 Abs 1 Z 3 FrG die Ausübung von Dienstleistungstätigkeiten durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen aber dadurch, dass er jede Möglichkeit einer nachträglichen Legalisierung der Situation eines drittstaatsangehörigen Arbeitnehmers ausschließt, der von einem solchen Unternehmen rechtmäßig entsandt worden ist, aber entgegen den österreichischen Rechtsvorschriften ohne gültigen Sichtvermerk in das österreichische Staatsgebiet eingereist ist. Diese Bestimmung setzt diesen Arbeitnehmer dem Risiko einer Abschiebung aus dem Staatsgebiet aus und ist somit geeignet, die Durchführung der geplanten Entsendung zu kompromittieren.

62 Wie der Generalanwalt in Nummer 105 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, ist ein Dienstleistungsunternehmen, das bestrebt ist, die mit der fehlenden Möglichkeit einer Legalisierung einer solchen Situation verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden, somit gezwungen, noch vor der Entsendung dafür zu sorgen, dass jeder von dieser Entsendung betroffene Arbeitnehmer über einen Titel verfügt, der ihm die Einreise in das österreichische Staatsgebiet ermöglicht; dies kann aber ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen davon abhalten, in Österreich Dienstleistungen mittels Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer zu erbringen.

63 Die österreichische Regierung rechtfertigt eine solche Beschränkung jedoch mit Gründen des Schutzes der öffentlichen Ordnung und Sicherheit.

64 Hierzu ist festzustellen, dass nach ständiger Rechtsprechung ein solcher Rechtfertigungsgrund nur geltend gemacht werden kann, wenn eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. Urteile vom 29. Oktober 1998 in der Rechtssache C-114/97, Kommission/Spanien, Slg. 1998, I-6717, Randnr. 46, und vom 14. Oktober 2004 in der Rechtssache C-36/02, Omega, Slg. 2004, I-9609, Randnr. 30).

65 Zwar stellt es unbestreitbar eine Zuwiderhandlung dar, wenn ein Drittstaatsangehöriger, der der Sichtvermerkspflicht unterliegt, ohne gültigen Sichtvermerk in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist. Wie jedoch der Generalanwalt in Nummer 110 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt die automatische Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis, die einen entsandten Arbeitnehmer trifft, der Angehöriger eines Drittstaats ist und ohne den erforderlichen Sichtvermerk in das Staatsgebiet eingereist ist, eine Sanktion dar, die der Schwere der begangenen Zuwiderhandlung umso weniger angemessen ist, als sie unberücksichtigt lässt, dass der ohne gültigen Sichtvermerk entsandte Arbeitnehmer in dem Mitgliedstaat, von dem aus er entsandt worden ist, legalen Status hat und sich auch nach den österreichischen Entsendevorschriften rechtmäßig verhält, so dass er nicht von vornherein eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen kann.

66 Darüber hinaus sind die Argumente der österreichischen Regierung unerheblich, wonach die automatische Versagung der Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis nur wenige Drittstaatsangehörige betreffe und es nicht zweckmäßig sei, gegenüber einem Drittstaatsangehörigen, der sich bereits im österreichischen Staatsgebiet aufhalte, ein Aufenthaltsverbot auszusprechen. Aufgrund der Auskünfte, die in dem der Entsendung vorangehenden und in den Randnummern 52 und 57 des vorliegenden Urteils beschriebenen Anmeldeverfahren erteilt werden, können die zuständigen österreichischen Behörden nämlich nach ihrem freien Ermessen in jedem Einzelfall, bevor der zu entsendende Arbeitnehmer österreichisches Hoheitsgebiet betritt, die notwendigen Maßnahmen ergreifen, wenn sich herausstellen sollte, dass der Betreffende eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

67 Mithin ist festzustellen, dass die automatische Versagung der Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis in Fällen, in denen ein rechtmäßig entsandter drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer ohne Sichtvermerk in das österreichische Staatsgebiet einreist, außer Verhältnis zu dem mit ihr angestrebten Ziel steht.

68 Daraus folgt, dass die Republik Österreich gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen hat, indem sie zum einen die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen von der Einholung der "EU-Entsendebestätigung" nach § 18 Abs 12 bis 16 AuslBG abhängig macht, die nur erteilt wird, wenn erstens der betreffende Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat und zweitens die Einhaltung der österreichischen Beschäftigungs- und Lohnbedingungen nachgewiesen wird, und indem sie zum anderen in § 10 Abs 1 Z 3 FrG die automatische und ausnahmslose Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis vorsieht, wodurch eine nachträgliche Legalisierung der Situation drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen rechtmäßig entsandt worden sind, aber ohne Sichtvermerk in das Staatsgebiet eingereist sind, nicht möglich ist.

Kostenentscheidung:

Kosten

69 Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Republik Österreich mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem entsprechenden Antrag der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Republik Österreich hat gegen ihre Verpflichtungen aus Artikel 49 EG verstoßen, indem sie zum einen die Entsendung drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer durch ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges Unternehmen von der Einholung der "EU-Entsendebestätigung" nach § 18 Abs 12 bis 16 Ausländerbeschäftigungsgesetz abhängig macht, die nur erteilt wird, wenn erstens der betreffende Arbeitnehmer seit mindestens einem Jahr bei dem betreffenden Unternehmen beschäftigt ist oder mit diesem einen unbefristeten Arbeitsvertrag geschlossen hat und zweitens die Einhaltung der österreichischen Beschäftigungs- und Lohnbedingungen nachgewiesen wird, und indem sie zum anderen in § 10 Abs 1 Z 3 Fremdengesetz die automatische und ausnahmslose Versagung einer Einreise- oder Aufenthaltserlaubnis vorsieht, wodurch eine nachträgliche Legalisierung der Situation drittstaatsangehöriger Arbeitnehmer, die von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmen rechtmäßig entsandt worden sind, aber ohne Sichtvermerk in das Staatsgebiet eingereist sind, nicht möglich ist.

2. Die Republik Österreich trägt die Kosten des Verfahrens.

Ende der Entscheidung

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