Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 10.12.1991
Aktenzeichen: C-179/90
Rechtsgebiete: EWGV


Vorschriften:

EWGV Art. 30
EWGV Art. 48
EWGV Art. 86
EWGV Art. 90
EWGV Art. 90 Abs. 2
EWGV Art. 90 Abs. 1
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 48 EWG-Vertrag setzt voraus, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. An dieser Qualifizierung ändert auch der Umstand nichts, daß zwischen dem Arbeitnehmer, der sich in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Unternehmen befindet, und den anderen Arbeitnehmern dieses Unternehmens ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis besteht.

2. Auch wenn die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag als solche noch nicht mit Artikel 86 EWG-Vertrag unvereinbar ist, verstösst ein Mitgliedstaat gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die blosse Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Mißbrauch begeht.

Dies ist der Fall, wenn ein Unternehmen, dem das Monopol für die Durchführung von Hafenarbeiten eingeräumt worden ist, geneigt ist, die Bezahlung nicht verlangter Dienstleistungen zu fordern, unverhältnismässige Preise in Rechnung zu stellen, den Einsatz moderner Technologie abzulehnen, was erhöhte Arbeitskosten und längere Ausführungsfristen zur Folge hat, oder bestimmten Benutzern Preisnachlässe zu gewähren, die gleichzeitig durch eine Erhöhung der anderen Benutzern in Rechnung gestellten Preise ausgeglichen werden.

3. Eine innerstaatliche Regelung, die in ihrer Auswirkung die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung begünstigt, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist, ist normalerweise mit diesem Artikel, der mengenmässige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet, unvereinbar, wenn sie die Einfuhren von Waren aus anderen Mitgliedstaaten verteuert und damit behindert.

4. Auch im Rahmen des Artikels 90 EWG-Vertrag haben die Artikel 30, 48 und 86 EWG-Vertrag unmittelbare Wirkung und begründen für den einzelnen Rechte, die die nationalen Gerichte zu wahren haben.

5. An Hafenarbeiten besteht grundsätzlich kein allgemeines wirtschaftliches Interesse, das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet und das bewirken würde, daß diese in den Anwendungsbereich von Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag fallen. In jedem Falle kann der Umstand, daß ein Unternehmen von den Behörden mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut worden ist, dieses nach der genannten Bestimmung nur dann von der Einhaltung der Vorschriften des Vertrages befreien, wenn die Anwendung dieser Vorschriften die Erfuellung der dem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert und das Interesse der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt wird.


URTEIL DES GERICHTSHOFES VOM 10. DEZEMBER 1991. - MERCI CONVENZIONALI PORTO DI GENOVA SPA GEGEN SIDERURGICA GABRIELLI SPA. - ERSUCHEN UM VORABENTSCHEIDUNG: TRIBUNALE DI GENOVA - ITALIEN. - HAFENUNTERNEHMEN - GESETZLICHES MONOPOL - WETTBEWERBSREGELN - VERBOT DER DISKRIMINIERUNG AUS GRUENDEN DER STAATSANGEHOERIGKEIT - FREIER WARENVERKEHR. - RECHTSSACHE C-179/90.

Entscheidungsgründe:

1 Das Tribunale Genua hat mit Beschluß vom 6. April 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Juni 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Artikel 7, 30, 85, 86 und 90 dieses Vertrages zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der Merci Convenzionali Porto di Genova SpA (im folgenden: Firma Merci) und der Siderurgica Gabrielli SpA (im folgenden: Firma Siderurgica) im Zusammenhang mit der Entladung von Waren im Hafen von Genua.

3 Nach den dem Gerichtshof übermittelten Akten sind in Italien die Be-, Ent- und Umladung, die Lagerung sowie allgemein der Umschlag von Waren oder anderen Gütern im Hafen gemäß Artikel 110 des italienischen Schiffahrtsgesetzbuchs Hafenbetriebsgesellschaften vorbehalten, deren Arbeitnehmer, die zugleich Mitglieder dieser Gesellschaften sind, nach den Artikeln 152 und 156 der Seeschiffahrtsverordnung die italienische Staatsangehörigkeit besitzen müssen. Der Verstoß gegen die ausschließlichen Rechte der Hafenbetriebsgesellschaften wird nach Artikel 1172 des Schiffahrtsgesetzbuchs strafrechtlich verfolgt.

4 Die Organisation der Hafenarbeiten für Rechnung Dritter ist gemäß Artikel 111 des Schiffahrtsgesetzbuchs Hafenunternehmen übertragen. Zur Durchführung dieser Arbeiten müssen diese Unternehmen, bei denen es sich in der Regel um privatrechtliche Gesellschaften handelt, ausschließlich auf die Hafenbetriebsgesellschaften zurückgreifen.

5 Die Firma Siderurgica wandte sich gemäß der italienischen Regelung an die Firma Merci, Inhaberin des ausschließlichen Rechts zur Durchführung der die gewöhnlichen Waren betreffenden Arbeiten im Hafen von Genua, um eine Partie Stahl aus der Bundesrepublik Deutschland entladen zu lassen, obwohl die Entladung sofort von der Schiffsbesatzung hätte durchgeführt werden können. Die Firma Merci beauftragte ihrerseits die Hafenbetriebsgesellschaft von Genua mit den Entladearbeiten.

6 Eine Verzögerung beim Entladen der Waren, die insbesondere auf Streiks der Arbeiter der Hafenbetriebsgesellschaft beruhte, führte zu einem Rechtsstreit zwischen der Firma Siderurgica und der Firma Merci; die Firma Siderurgica verlangte wegen der Verzögerung Schadensersatz und Rückzahlung von ihr entrichteter Beträge, die sie angesichts der erbrachten Leistungen für unangemessen hielt. Das mit diesem Rechtsstreit befasste Tribunale Genua hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen, bis der Gerichtshof über folgende Vorabentscheidungsfragen entschieden hat:

1) Verleihen die Bestimmungen des Artikels 90 EWG-Vertrag und die Verbote in den Artikeln 7, 30, 85 und 86 EWG-Vertrag beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts den dem Gemeinschaftsrecht unterworfenen Personen Rechte, die die Mitgliedstaaten beachten müssen, wenn für den Fall, daß in einen Mitgliedstaat der EWG aus einem anderen Mitgliedstaat stammende Waren auf dem Seeweg eingeführt werden, die Durchführung von Be- und Entladearbeiten in den nationalen Häfen zu verbindlich festgesetzten Tarifen ausschließlich einem Hafenunternehmen und/oder einer Hafenbetriebsgesellschaft, deren Belegschaft nur aus Inländern besteht, vorbehalten ist, auch wenn diese Arbeiten mit den Mitteln und der Besatzung an Bord ausgeführt werden können?

2) Oder sind Hafenunternehmen und/oder Hafenbetriebsgesellschaften, deren Belegschaft nur aus Inländern besteht und denen allein die Durchführung von Be- und Entladearbeiten in den nationalen Häfen zu verbindlich festgesetzten Tarifen vorbehalten ist, Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne von Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag betraut sind und die durch die Anwendung des Artikels 90 Absatz 1 und der Verbote in den Artikeln 7, 30, 85 und 86 EWG-Vertrag an der Erfuellung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe gehindert werden könnten?

7 Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs und der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt wird im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

Zur ersten Frage

8 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen Aufschluß darüber erhalten, ob Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit den Artikeln 7, 30 und 86 EWG-Vertrag der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die einem in diesem Staat niedergelassenen Unternehmen das ausschließliche Recht der Organisation der Hafenarbeiten verleiht und es verpflichtet, sich zur Durchführung dieser Arbeiten einer ausschließlich aus inländischen Arbeitnehmern bestehenden Hafenbetriebsgesellschaft zu bedienen, und ob diese Bestimmungen des Vertrages dem einzelnen Rechte verleihen, die die nationalen Gericht wahren müssen.

9 Für die Beantwortung der in dieser Weise umformulierten Frage ist zunächst festzustellen, daß ein Hafenunternehmen mit dem ausschließlichen Recht der Organisation der Hafenarbeiten für Rechnung Dritter und eine Hafenbetriebsgesellschaft mit dem ausschließlichen Recht der Durchführung der Hafenarbeiten als Unternehmen anzusehen sind, denen der Staat ausschließliche Rechte im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 EWG-Vertrag verliehen hat.

10 Nach dieser Bestimmung werden die Mitgliedstaaten in bezug auf diese Unternehmen keine dem Vertrag und insbesondere dessen Artikel 7 sowie den Wettbewerbsregeln widersprechende Maßnahmen treffen oder beibehalten.

11 Was erstens das für die Belegschaft der Hafenbetriebsgesellschaft geltende Staatsangehörigkeitserfordernis angeht, so ist festzustellen, daß nach der Rechtsprechung Artikel 7 EWG-Vertrag, in dem das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit als allgemeiner Grundsatz niedergelegt ist, autonom nur auf durch das Gemeinschaftsrecht geregelte Fallgestaltungen angewendet werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht (siehe z. B. Urteil vom 30. Mai 1989 in der Rechtssache 305/87, Kommission/Griechenland, Slg. 1989, 1461, Randnrn. 12 und 13, und Urteil vom 7. März 1991 in der Rechtssache C-10/90, Masgio, Slg. 1991, I-1119, Randnr. 12).

12 Bezueglich der Arbeitnehmer ist dieser Grundsatz durch Artikel 48 EWG-Vertrag verwirklicht und konkretisiert worden.

13 Insoweit ist daran zu erinnern, daß Artikel 48 EWG-Vertrag vor allem der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die es nur Inländern erlaubt, in einem Unternehmen dieses Staates wie etwa der Hafenbetriebsgesellschaft von Genua, um die es in dem Verfahren vor dem vorlegenden Gericht geht, zu arbeiten. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat (vgl. z. B. Urteil vom 3. Juli 1986 in der Rechtssache 66/85, Lawrie-Blum, Slg. 1986, 2121, Randnr. 17), setzt der Begriff des Arbeitnehmers im Sinne von Artikel 48 EWG-Vertrag voraus, daß jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält. An dieser Qualifizierung ändert auch der Umstand nichts, daß zwischen dem Arbeitnehmer, der sich in einem Abhängigkeitsverhältnis gegenüber dem Unternehmen befindet, und den anderen Arbeitnehmern dieses Unternehmens ein gesellschaftsrechtliches Verhältnis besteht.

14 Was zweitens das Bestehen der ausschließlichen Rechte angeht, so ist zunächst festzustellen, daß nach der ständigen Rechtsprechung zur Auslegung des Artikels 86 EWG-Vertrag ein Unternehmen, das für einen wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes mit einem gesetzlichen Monopol ausgestattet ist, als ein Unternehmen angesehen werden kann, das eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EWG-Vertrag besitzt (vgl. Urteil vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 28, und Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 31).

15 Bezueglich der Abgrenzung des relevanten Marktes geht aus der Vorlageentscheidung hervor, daß es sich hierbei um den Markt der Organisation der die gewöhnliche Fracht betreffenden Hafenarbeiten im Hafen von Genua für Rechnung Dritter sowie der Durchführung dieser Arbeiten handelt. Insbesondere angesichts des Umfangs des Frachtverkehrs in dem genannten Hafen und der Bedeutung dieses Verkehrs für die gesamte Ein- und Ausfuhr auf dem Seewege in den betreffenden Mitgliedstaat kann dieser Markt als ein wesentlicher Teil des Gemeinsamen Marktes angesehen werden.

16 Sodann ist festzustellen, daß die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EWG-Vertrag als solche noch nicht mit Artikel 86 EWG-Vertrag unvereinbar ist.

17 Wie der Gerichtshof jedoch in diesem Zusammenhang entschieden hat, verstösst ein Mitgliedstaat gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die blosse Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung mißbräuchlich ausnutzt (vgl. Urteil vom 23. April 1991, Höfner, a. a. O., Randnr. 29) oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Mißbrauch begeht (vgl. Urteil vom 18. Juni 1991, ERT, a. a. O., Randnr. 37).

18 Nach Artikel 86 Absatz 2 Buchstaben a, b und c EWG-Vertrag kann ein solcher Mißbrauch insbesondere in der Erzwingung von unangemessenen Einkaufspreisen oder sonstigen Geschäftsbedingungen gegenüber demjenigen, der die betreffenden Dienstleistungen in Anspruch nimmt, in der Einschränkung der technischen Entwicklung zum Schaden der Verbraucher und in der Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern bestehen.

19 Insoweit ergibt sich aus dem von dem vorlegenden Gericht beschriebenen und vor dem Gerichtshof erörterten Sachverhalt, daß die Unternehmen, die nach den in der betreffenden nationalen Regelung festgelegten Modalitäten mit ausschließlichen Rechten ausgestattet sind, aus diesem Grund geneigt sind, die Bezahlung nicht verlangter Dienstleistungen zu fordern, unverhältnismässige Preise in Rechnung zu stellen, den Einsatz moderner Technologie abzulehnen, was erhöhte Arbeitskosten und längere Ausführungsfristen zur Folge hat, oder bestimmten Benutzern Preisnachlässe zu gewähren, die gleichzeitig durch eine Erhöhung der anderen Benutzern in Rechnung gestellten Preise ausgeglichen werden.

20 Ein Mitgliedstaat schafft somit eine gegen Artikel 86 EWG-Vertrag verstossende Lage, wenn er eine Regelung wie die im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht streitige erlässt, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann, wie dies im Ausgangsrechtsstreit angesichts der in Randnummer 15 dieses Urteils wiedergegebenen Einzelheiten in bezug auf die Bedeutung des Frachtverkehrs im Hafen von Genua der Fall ist.

21 Zu der vom vorlegenden Gericht erbetenen Auslegung des Artikels 30 EWG-Vertrag genügt der Hinweis darauf, daß eine innerstaatliche Regelung, die in ihrer Auswirkung die mißbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung begünstigt, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet ist, normalerweise mit diesem Artikel, der mengenmässige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verbietet, unvereinbar ist (vgl. Urteil vom 16. November 1977 in der Rechtssache 13/77, Inno, Slg. 1977, 2115, Randnr. 35), wenn sie die Einfuhren von Waren aus anderen Mitgliedstaaten verteuert und damit behindert.

22 Im Ausgangsrechtsstreit hätte ausweislich der Feststellungen des vorlegenden Gerichts die Entladung der Waren durch die Schiffsbesatzung billiger ausgeführt werden können, so daß die obligatorische Inanspruchnahme der Dienstleistungen der beiden Monopolunternehmen mit zusätzlichen Kosten verbunden war und deshalb wegen der Auswirkung auf den Preis der Waren die Einfuhren beeinflussen konnte.

23 Drittens ist festzustellen, daß auch im Rahmen des Artikels 90 die Artikel 30, 48 und 86 EWG-Vertrag unmittelbare Wirkung haben und für den einzelnen Rechte begründen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben (vgl. u. a. für Artikel 86 EWG-Vertrag Urteil vom 30. April 1974 in der Rechtssache 155/73, Sacchi, Slg. 1974, 409, Randnr. 18).

24 Somit ist auf die erste, umformulierte Frage zu antworten, daß

- Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit den Artikeln 30, 48 und 86 EWG-Vertrag der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die einem in diesem Staat niedergelassenen Unternehmen das ausschließliche Recht der Organisation der Hafenarbeiten verleiht und es verpflichtet, sich zur Durchführung dieser Arbeiten einer ausschließlich aus inländischen Arbeitnehmern bestehenden Hafenbetriebsgesellschaft zu bedienen;

- die Artikel 30, 48 und 86 in Verbindung mit Artikel 90 EWG-Vertrag für die einzelnen Rechte begründen, die die nationalen Gerichte zu wahren haben.

Zur zweiten Frage

25 Mit der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im wesentlichen wissen, ob Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß ein Hafenunternehmen und/oder eine Hafenbetriebsgesellschaft in der in der ersten Frage beschriebenen Situation als Unternehmen anzusehen sind, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse im Sinne dieser Vorschrift betraut sind.

26 Für die Antwort auf diese Frage ist darauf hinzuweisen, daß es für die in Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag vorgesehene Befreiung von den Vorschriften des Vertrages nicht genügt, daß das betreffende Unternehmen von den Behörden mit einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut worden ist, sondern es ist ausserdem erforderlich, daß die Anwendung der Vorschriften des Vertrages die Erfuellung der diesem Unternehmen übertragenen besonderen Aufgabe verhindert und daß das Interesse der Gemeinschaft nicht beeinträchtigt wird (vgl. Urteil vom 3. Oktober 1985 in der Rechtssache 311/84, CBEM, Slg. 1985, 3261, Randnr. 17, und Urteil vom 23. April 1991, Höfner, a. a. O., Randnr. 24).

27 Insoweit ergibt sich weder aus den vom vorlegenden Gericht übermittelten Akten noch aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, daß an den Hafenarbeiten ein allgemeines wirtschaftliches Interesse besteht, das sich von dem Interesse an anderen Tätigkeiten des Wirtschaftslebens besonders unterscheidet, oder, selbst wenn dies der Fall wäre, daß die Anwendung der Vorschriften des Vertrages, insbesondere derjenigen über den Wettbewerb und die Freizuegigkeit, die Erfuellung einer solchen Aufgabe verhindern könnte.

28 Somit ist auf die zweite Frage zu antworten, daß Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag dahin auszulegen ist, daß ein Hafenunternehmen und/oder eine Hafenbetriebsgesellschaft in der in der ersten Frage beschriebenen Situation nicht allein aufgrund der dort wiedergegebenen Merkmale als Unternehmen angesehen werden können, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne dieser Vorschrift betraut sind.

Kostenentscheidung:

Kosten

29 Die Auslagen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Tribunale Genua mit Beschluß vom 6. April 1990 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1) Artikel 90 Absatz 1 in Verbindung mit den Artikeln 30, 48 und 86 EWG-Vertrag steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die einem in diesem Staat niedergelassenen Unternehmen das ausschließliche Recht der Organisation der Hafenarbeiten verleiht und es verpflichtet, sich zur Durchführung dieser Arbeiten einer ausschließlich aus inländischen Arbeitnehmern bestehenden Hafenbetriebsgesellschaft zu bedienen.

2) Die Artikel 30, 48 und 86 in Verbindung mit Artikel 90 EWG-Vertrag begründen für die einzelnen Rechte, die die nationalen Gerichte zu wahren haben.

3) Artikel 90 Absatz 2 EWG-Vertrag ist dahin auszulegen, daß ein Hafenunternehmen und/oder eine Hafenbetriebsgesellschaft in der in der ersten Frage beschriebenen Situation nicht allein aufgrund der dort wiedergegebenen Merkmale als Unternehmen angesehen werden können, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne dieser Vorschrift betraut sind.

Ende der Entscheidung

Zurück