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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 22.05.2003
Aktenzeichen: C-18/01
Rechtsgebiete: EG, Richtlinie 92/50/EWG


Vorschriften:

EG Art. 234
Richtlinie 92/50/EWG Art. 1 Buchst. b Abs. 2
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1. Im Rahmen der durch Artikel 234 EG geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten ist es ausschließlich Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, die über den Rechtsstreit zu entscheiden haben, im Hinblick auf den Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden.

Der Gerichtshof kann die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind.

( vgl. Randnrn. 19-20 )

2. Eine Aktiengesellschaft, die von einer Gebietskörperschaft gegründet, kontrolliert und geleitet wird, nimmt eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/50 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge wahr, wenn sie Planungs- und Bauleistungen vergibt, um durch die Errichtung von Geschäftslokalen zur Vermietung an Unternehmen die Entwicklung der Gewerbetätigkeit auf dem Gebiet der Körperschaft zu fördern. Solche Tätigkeiten können eine Impulswirkung für den Handel und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betreffenden Gebietskörperschaft haben, da die Ansiedlung von Unternehmen auf dem Gebiet einer Gebietskörperschaft für diese häufig positive Auswirkungen im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung der Steuereinnahmen und die Steigerung von Angebot und Nachfrage bei Waren und Dienstleistungen hat.

Um festzustellen, ob die Aufgabe nichtgewerblicher Art ist, hat das nationale Gericht die Umstände, die zur Gründung dieser Gesellschaft geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen, wobei insbesondere das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind.

Der Umstand, dass die zu errichtenden Gebäude nur an ein einziges Unternehmen vermietet werden, steht der Einstufung des Vermieters als Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht entgegen, wenn erwiesen ist, dass dieser eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art wahrnimmt.

( vgl. Randnrn. 45, 59, 64 und Tenor )


Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 22. Mai 2003. - Arkkitehtuuritoimisto Riitta Korhonen Oy, Arkkitehtitoimisto Pentti Toivanen Oy und Rakennuttajatoimisto Vilho Tervomaa gegen Varkauden Taitotalo Oy. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kilpailuneuvosto - Finnland. - Richtlinie 92/50/EWG - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Begriff des.öffentlichen Auftraggebers' - Einrichtung des öffentlichen Rechts - Gesellschaft, die von einer Gebietskörperschaft zur Förderung der Entwicklung der gewerblichen Tätigkeit auf ihrem Gebiet gegründet worden ist. - Rechtssache C-18/01.

Parteien:

In der Rechtssache C-18/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom finnischen Kilpailuneuvosto in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Arkkitehtuuritoimisto Riitta Korhonen Oy,

Arkkitehtitoimisto Pentti Toivanen Oy,

Rakennuttajatoimisto Vilho Tervomaa

gegen

Varkauden Taitotalo Oy

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer C. W. A. Timmermans in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer (Berichterstatter) sowie der Richter D. A. O. Edward, P. Jann, S. von Bahr und A. Rosas,

Generalanwalt: S. Alber,

Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Varkauden Taitotalo Oy, vertreten durch H. Tuure, asianajaja,

- der finnischen Regierung, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und S. Pailler als Bevollmächtigte,

- der österreichischen Regierung, vertreten durch M. Fruhmann als Bevollmächtigten,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Nolin und M. Huttunen als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der finnischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 16. Mai 2002,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 2002

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Der Kilpailuneuvosto (finnischer Wettbewerbsrat) hat mit Entscheidung vom 14. Dezember 2000, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Januar 2001, gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209 S. 1) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen den Firmen Arkkitehtuuritoimisto Riitta Korhonen Oy, Arkkitehtitoimisto Pentti Toivanen Oy und Rakennuttajatoimisto Vilho Tervomaa (im Folgenden: Klägerinnen) und der Varkauden Taitotalo Oy (im Folgenden: Beklagte) über deren Entscheidung, das von den Klägerinnen im Rahmen einer Ausschreibung von Planungs- und Bauleistungen für ein Immobilienprojekt vorgelegte Angebot nicht zu berücksichtigen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 bestimmt:

Im Sinne dieser Richtlinie

...

b) gelten als ,öffentliche Auftraggeber... der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

Als ,Einrichtung des öffentlichen Rechts gilt jede Einrichtung,

- die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind, und

- die Rechtspersönlichkeit besitzt und

- die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

Die Verzeichnisse der Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Kategorien solcher Einrichtungen, die die in Unterabsatz 2 dieses Buchstabens genannten Kriterien erfuellen, sind in Anhang I der Richtlinie 71/305/EWG enthalten. Diese Verzeichnisse sind so vollständig wie möglich und können nach dem Verfahren gemäß Artikel 30b der Richtlinie 71/305/EWG revidiert werden."

Nationales Recht

4 Die Richtlinie 92/50 ist durch das Julkisista hankinnoista annettu laki (Gesetz über die Vergabe öffentlicher Aufträge) 1505/1992 vom 23. Dezember 1992 (im Folgenden: Gesetz Nr. 1505/92) in finnisches Recht umgesetzt worden.

5 § 2 dieses Gesetzes enthält eine Definition des öffentlichen Auftraggebers, die der in Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 sehr nahe kommt. Nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes Nr. 1505/92 sind unter öffentlichen Auftraggebern" im Sinne dieses Gesetzes juristische Personen zu verstehen, die Teil der öffentlichen Verwaltung" sind. Gemäß § 2 Absatz 2 gilt diese Voraussetzung als erfuellt, wenn die juristische Person gegründet wurde, um Aufgaben des Allgemeininteresses ohne gewerblichen Charakter wahrzunehmen, und wenn sie überwiegend von der öffentlichen Hand finanziert wird oder der Aufsicht durch Letztere unterliegt oder ihr Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die von der öffentlichen Hand ernannt worden sind.

Der Ausgangsrechtsstreit und die Vorlagefragen

6 Die Beklagte ist eine Aktiengesellschaft, deren Anteile vollständig der Stadt Varkaus (Finnland) gehören und deren Gesellschaftszweck den Erwerb, den Verkauf und die Vermietung von Immobilien und Anteilen an Immobiliengesellschaften sowie die Organisation und Durchführung der Unterhaltung von Immobilien und andere für die Verwaltung der Immobilien und Beteiligungen notwendige Dienstleistungen umfasst. Der Verwaltungsrat der Beklagten besteht aus drei Mitgliedern, bei denen es sich um Bedienstete der Stadt Varkaus handelt, die von der Hauptversammlung der Aktionäre der Gesellschaft bestellt werden, bei der die Stadt über 100 % der Stimmrechte verfügt. Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts wurde die Gründungsurkunde der Gesellschaft am 21. Januar 2000 unterzeichnet und die Gesellschaft am 6. April 2000 in das Handelsregister eingetragen.

7 Nachdem die Stadt Varkaus beschlossen hatte, auf ihrem Gebiet ein Zentrum für technologische Entwicklung mit der Bezeichnung Tyyskän osaamiskeskus" (Know-how-Zentrum Tyyskä") zu gründen, ließ die Beklagte dort mehrere Bürogebäude sowie ein Parkhaus errichten. Ihr erklärtes Ziel bestand darin, das Grundstück nach Durchführung der Parzellierung von der Stadt Varkaus zu kaufen und die neu errichteten Gebäude an Betriebe der Technologiebranche zu vermieten.

8 Zur Verwirklichung dieses Vorhabens wurden Bau-, Vermarktungs- und Koordinierungsleistungen der Keski-Savon Teollisuuskylä Oy (im Folgenden: Teollisuuskylä) in Anspruch genommen. Diese Gesellschaft gehört einer Regionalentwicklungsgesellschaft, deren Kapital im Wesentlichen von der Stadt Varkaus und anderen Gemeinden im Gebiet Keski-Savo gehalten wird; ihr satzungsgemäßer Zweck besteht in der Errichtung, dem Erwerb und der Verwaltung von gewerblich genutzten Gebäuden und von Immobilien, die zur Nutzung durch Unternehmen bestimmt sind, an die sie zum Selbstkostenpreis veräußert werden.

9 In einer ersten Ausschreibung vom 6. Juli 1999 forderte Teollisuuskylä zur Abgabe von Angeboten für Planungs- und Bauleistungen für den ersten Abschnitt des genannten Immobilienprojekts auf, der die Errichtung der Gebäude Tyyskä 1 für die Honeywell-Measurex Oy und Tyyskä 2 für mehrere kleine Unternehmen umfasste. Nach Ablauf der Abgabefrist Ende August 1999 teilte Teollisuuskylä den Bietern jedoch mit, dass wegen einer Änderung der Eigentumsverhältnisse der zu gründenden Immobiliengesellschaft - der Beklagten - die Planungs- und Bauleistungen für das Projekt in einem offenen Verfahren im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ausgeschrieben werden müssten.

10 Nach einer Änderung der Ausschreibungsbedingungen leitete Teollisuuskylä mit einer zweiten Ausschreibung vom 4. September 1999 ein neues Verfahren zur Vergabe der Planungs- und Bauleistungen für den ersten Abschnitt des Projekts ein. Aus den Unterlagen ergab sich, dass die Stadt Varkaus und Teollisuuskylä Auftraggeber waren. Ein Hinweis auf die Ausschreibung wurde auch im Virallinen lehti (Amtsblatt der Republik Finnland) Nr. 35 vom 2. September 1999 unter der Überschrift suunittelukilpailu" (Planungswettbewerb) veröffentlicht. In diesem Hinweis wurde als öffentliche Auftraggeberin die Stadt Varkaus für eine noch zu gründende Immobiliengesellschaft angegeben.

11 Die Klägerinnen hatten in diesem neuen Verfahren Angebote abgegeben; mit Schreiben der Beklagten vom 6. April 2000 wurde ihnen jedoch mitgeteilt, dass Bau und Planung der Gebäude Tyyskä 1 und Tyyskä 2 an die JP-Terasto Oy und an eine Gruppe unter Leitung der Arkkitehtitoimisto Pekka Paavola Oy vergeben worden seien.

12 Die Klägerinnen waren der Auffassung, dass die finnischen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge nicht eingehalten worden seien; sie erhoben daher am 17. und 26. April 2000 beim Kilpailuneuvosto Klagen auf Nichtigerklärung der Vergabeentscheidung, hilfsweise auf Schadensersatz bzw. allein auf Schadensersatz.

13 Im Verfahren vor dem Kilpailuneuvosto trug die Beklagte vor, die Anträge der Klägerinnen seien unzulässig, da sie kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne von § 2 des Gesetzes Nr. 1505/92 sei. Die Beklagte machte unter Berufung auf eine Entscheidung des Korkein hallinto-oikeus (Oberstes Verwaltungsgericht) in einem ähnlich gelagerten Fall geltend, sie sei nicht gegründet worden, um Aufgaben des Allgemeininteresses ohne gewerblichen Charakter wahrzunehmen; zudem beliefen sich die für die Durchführung des betreffenden Immobilienprojekts bewilligten öffentlichen Gelder auf weniger als die Hälfte des Auftragswertes.

14 Der Kilpailuneuvosto - seit 1. März 2002 Markkinaoikeus (Marktgericht) - ist der Auffassung, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von einer Auslegung des Gemeinschaftsrechts abhänge, namentlich angesichts der Tatsache, dass sich in Finnland die Praxis herausgebildet habe, dass Gebietskörperschaften Aktiengesellschaften gründeten, kontrollierten und leiteten, die nicht auf Gewinnerzielung, sondern auf die Schaffung von günstigen Bedingungen für gewerbliche Tätigkeiten auf dem Gebiet dieser Körperschaften ausgerichtet seien. Er hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist eine Kapitalgesellschaft, die einer Stadt gehört und unter deren Leitung steht, als öffentlicher Auftraggeber im Sinne des Artikels 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge anzusehen, wenn sie Planungs- und Bauleistungen für ein Baulos vergibt, das Gewerbebauten umfasst, die an Unternehmen vermietet werden?

2. Ist es für die Beurteilung von Belang, dass das Bauprojekt der Stadt dazu dient, die Voraussetzungen für gewerbliche Tätigkeiten in der Gemeinde zu schaffen?

3. Ist es für die Beurteilung von Belang, dass die zu errichtenden Gebäude nur an ein einziges Unternehmen vermietet werden?

Zur Zulässigkeit der Vorlagefragen

15 Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes, nach der das nationale Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, angeben oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutern muss, auf denen diese Fragen beruhen, um so dem Gerichtshof eine sachdienliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu ermöglichen (vgl. u. a. Urteil vom 21. September 1999 in den Rechtssachen C-115/97 bis C-117/97, Brentjens', Slg. 1999, I-6025, Randnr. 38), äußert die Kommission Zweifel an der Zulässigkeit der vorgelegten Fragen, da die Vorlageentscheidung nicht erkennen lasse, aufgrund welcher Vorschriften die beiden Ausschreibungen stattgefunden hätten, welche Vorschriften im Ausgangsverfahren nicht zur Anwendung gekommen seien und welche Stelle zumindest formal das Verfahren durchgeführt habe.

16 Die französische Regierung trägt vor, hinsichtlich der zweiten Ausschreibung werde die Stadt Varkaus in der Vorlageentscheidung sowohl als ausschreibende Stelle wie auch als Auftraggeberin genannt. Dadurch werde die Erforderlichkeit der Vorlage in Frage gestellt, da einerseits die Beklagte zum Zeitpunkt der Ausschreibungsveröffentlichung noch nicht die nach der Richtlinie 92/50 vorausgesetzte Rechtspersönlichkeit besessen habe und andererseits die Stadt Varkaus als Gebietskörperschaft in jedem Fall in den Anwendungsbereich der Richtlinie gefallen sei.

17 Die französische Regierung macht weiter geltend, entgegen dem, was Teollisuuskylä im August 1999 den Bietern angekündigt habe, sei die zweite Ausschreibung nicht im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gemacht worden.

18 Es kann dahinstehen, ob die Ausschreibung für den fraglichen Auftrag im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften hätte bekannt gemacht werden müssen. Das Vorbringen der französischen Regierung zu der fehlenden Bekanntmachung der zweiten Ausschreibung ist ohne weiteres zurückzuweisen, da diese Ausschreibung, wie die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt hat, im Supplement Nr. 171 zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 3. September 1999 bekannt gemacht worden ist.

19 Was die Bedenken der französischen Regierung hinsichtlich der Erforderlichkeit der Vorlagefragen und die Einwände der Kommission in Bezug auf die ungenaue Darstellung des rechtlichen und tatsächlichen Rahmens des Ausgangsverfahrens in der Vorlageentscheidung angeht, so ist es nach ständiger Rechtsprechung ausschließlich Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, die über den Rechtsstreit zu entscheiden haben, im Hinblick auf den Einzelfall sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Gemeinschaftsrechts, so ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 13. März 2001 in der Rechtssache C-379/98, PreussenElektra, Slg. 2001, I-2099, Randnr. 38, vom 22. Januar 2002 in der Rechtssache C-390/99, Canal Satélite Digital, Slg. 2002, I-607, Randnr. 18, und vom 27. Februar 2003 in der Rechtssache C-373/00, Adolf Truley, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 21).

20 Nach dieser Rechtsprechung kann der Gerichtshof die Entscheidung über die Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur dann ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen oder rechtlichen Angaben verfügt, die für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (vgl. Urteile PreussenElektra, Randnr. 39, Canal Satélite Digital, Randnr. 19, und Adolf Truley, Randnr. 22).

21 Im vorliegenden Fall ist nicht offensichtlich, dass die Fragen des vorlegenden Gerichts einen dieser Tatbestände erfuellen.

22 Zum einen kann nicht angenommen werden, dass die erbetene Auslegung des Gemeinschaftsrechts in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens steht, denn die Zulässigkeit der Klage hängt unter anderem von der Bedeutung des Begriffes öffentlicher Auftraggeber" in Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 ab.

23 Zum anderen hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof - wenn auch in knapper Form - alle Angaben gemacht, die er für eine sachdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen benötigt, indem es insbesondere in der Darstellung des Sachverhalts mitgeteilt hat, dass in dem Hinweis im Virallinen lehti vom 2. September 1999 als öffentlicher Auftraggeber die Stadt Varkaus für eine noch zu gründende Immobiliengesellschaft" angegeben wird.

24 Damit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte, auch wenn sie zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der zweiten Ausschreibung noch keine Rechtspersönlichkeit besaß, in dem dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegenden Vergabeverfahren eine entscheidende Rolle gespielt hat.

25 Zudem hat die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung auf eine Frage des Gerichtshofes mitgeteilt, dass die Gründer einer Gesellschaft nach finnischem Recht bereits vor deren Eintragung in das Handelsregister für die Gesellschaft handeln können. Dieses übernimmt dann zum Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Eintragung in das Register sämtliche zuvor in ihrem Namen begründeten Verpflichtungen.

26 So verhielt es sich wohl im Ausgangssachverhalt, da die Beklagte nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts am 6. April 2000 in das Handelsregister eingetragen worden ist und die Klägerinnen am selben Tag darüber unterrichtet hat, dass ihre Angebote nicht den Zuschlag erhalten hatten.

27 Folglich kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Beklagte ab dem 6. April 2000 sämtliche Verpflichtungen übernommen hat, die zuvor die Stadt Varkaus im Namen der Beklagten begründet hatte, und dass sie insoweit die Verantwortung für das dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegende Vergabeverfahren trägt.

28 Angesichts der vorstehenden Erwägungen sind die Vorlagefragen des Kilpailuneuvosto zulässig.

Zu den Vorlagefragen

29 Vorab ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen an den Gerichtshof Auskunft über den Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts" in Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 begehrt, um im Ausgangsverfahren beurteilen zu können, ob die Beklagte als öffentlicher Auftraggeber anzusehen ist.

30 Nach Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 1 der Richtlinie 92/50 gelten der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts sowie Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen, als öffentliche Auftraggeber".

31 In Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/50 wird der Begriff Einrichtung des öffentlichen Rechts" definiert als jede Einrichtung, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art zu erfuellen, die Rechtspersönlichkeit besitzt und die durch die Art ihrer Finanzierung, Leitung oder Beaufsichtigung eng mit dem Staat, Gebietskörperschaften oder anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts verbunden ist.

32 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. u. a. Urteile vom 10. November 1998 in der Rechtssache C-360/96, BFI Holding, Slg. 1998, I-6821, Randnr. 29, vom 10. Mai 2001 in den Rechtssachen C-223/99 und C-260/99, Agorà und Excelsior, Slg. 2001, I-3605, Randnr. 26, und Adolf Truley, Randnr. 34) müssen die drei in dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen kumulativ vorliegen, so dass beim Fehlen auch nur einer Voraussetzung die betreffende Einrichtung nicht als Einrichtung des öffentlichen Rechts und folglich auch nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 92/50 qualifiziert werden kann.

33 Da die Beklagte unstreitig von einer Gebietskörperschaft kontrolliert und geleitet wird und da sie - zumindest seit ihrer Eintragung in das Handelsregister am 6. April 2000 - Rechtspersönlichkeit besitzt, sind die Fragen des vorlegenden Gerichts so zu verstehen, dass sie nurmehr dahin gehen, ob diese Gesellschaft zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind.

Zur ersten und zur zweiten Vorlagefrage

34 Mit den ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu untersuchen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Aktiengesellschaft, die von einer Gebietskörperschaft gegründet, kontrolliert und geleitet wird, eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art erfuellt, wenn ihre Tätigkeit darin besteht, Leistungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Geschäftslokalen zur ausschließlichen Nutzung durch Privatunternehmen zu vergeben, und ob es für die Beurteilung dieses Tatbestandsmerkmals von Belang ist, wenn das fragliche Bauprojekt der Schaffung günstiger Voraussetzungen für gewerbliche Tätigkeiten in der betreffenden Gebietskörperschaft diente.

Beim Gerichtshof eingereichte Erklärungen

35 Nach Auffassung der Beklagten und der französischen Regierung sind beide Fragen zu verneinen, da die Tätigkeit der Beklagten nicht auf die Erfuellung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben gerichtet sei und/oder da diese Tätigkeit zudem gewerblichen Charakter habe.

36 Die Beklagte macht geltend, ihr alleiniger Gesellschaftszweck bestehe darin, die Tätigkeit einzelner Unternehmen zu erleichtern, nicht aber allgemein die Wirtschaftstätigkeit in der Stadt Varkaus zu fördern; dass die Gesellschaft von einem öffentlichen Auftraggeber kontrolliert und finanziert werde, sei ohne Belang, da sie im Ausgangssachverhalt gewerbliche Aufgaben erfuelle. Hierbei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass sie die Grundstücke für die im Ausgangsverfahren streitigen Bauvorhaben zum Marktpreis erworben habe und dass dieses Vorhaben im Wesentlichen durch den Privatsektor über hypothekengesicherte Bankdarlehen finanziert worden sei.

37 Die französische Regierung bezieht sich auf das Urteil des Gerichtshofes vom 15. Januar 1998 in der Rechtssache C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., Slg. 1998, I-73), in dem der Gerichtshof geprüft habe, ob die Tätigkeit der damals erörterten Einrichtung - der Österreichischen Staatsdruckerei - mit hoheitlichen Befugnissen in Zusammenhang stehe; sie vertritt die Auffassung, dass die Vermietung von Räumlichkeiten zur gewerblichen Nutzung nicht zu den Befugnissen gehöre, die ihrem Wesen nach mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbunden seien. Wegen ihres gewerblichen Charakters könne diese Tätigkeit auch nicht mit denen verglichen werden, die Gegenstand des Urteils BFI Holding und des Urteils vom 1. Februar 2001 in der Rechtssache C-237/99 (Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-939) gewesen seien, nämlich dem Abholen und der Behandlung von Haushaltsabfällen und dem Bau von Sozialwohnungen.

38 Die finnische Regierung ist hingegen der Ansicht, dass die Tätigkeit der Beklagten typischerweise zu den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art gehöre. Die Tätigkeit der Beklagten sei nämlich nicht in erster Linie auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet, sondern diene der Schaffung günstiger Bedingungen für die Entwicklung der Wirtschaftstätigkeit auf dem Gebiet der Stadt Varkaus, was zu den Aufgaben gehöre, die die Gebietskörperschaften im Rahmen der ihnen nach der finnischen Verfassung zustehenden Autonomie übernehmen könnten. Außerdem würde das Ziel der Richtlinie 92/50 gefährdet, wenn eine solche Gesellschaft nicht als öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie betrachtet werde, denn das könnte die Gebietskörperschaften veranlassen, in ihren angestammten Betätigungsfeldern Unternehmen zu gründen, deren Auftragsvergabe nicht den Regeln der Richtlinie unterworfen sei.

39 Die österreichische Regierung und die Kommission schließen zwar nicht aus, dass die Tätigkeit der Beklagten wegen ihrer Impulswirkung für den Handel und die Entwicklung der Gewerbetätigkeit in der Stadt Varkaus im Allgemeininteresse liegen könne, weisen aber darauf hin, dass sie wegen der unzureichenden Informationen, die ihnen vorlägen, nicht feststellen könnten, inwieweit es sich dabei um eine Aufgabe gewerblicher Art handele. Diese Feststellung habe das vorlegende Gericht selbst zu treffen, wobei es insbesondere die Wettbewerbsposition der Beklagten zu prüfen und der Frage nachzugehen habe, ob die Gesellschaft auch die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken trage.

Antwort des Gerichtshofes

40 Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, unterscheidet Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie zwischen den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art einerseits und den im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben gewerblicher Art andererseits (vgl. u. a. Urteile BFI Holding, Randnr. 36, sowie Agorà und Excelsior, Randnr. 32). Für eine sachdienliche Beantwortung der Vorlagefragen ist daher zunächst zu prüfen, ob Tätigkeiten wie die im Ausgangsverfahren streitigen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe entsprechen, um sodann gegebenenfalls festzustellen, ob diese Aufgabe gewerblicher oder nichtgewerblicher Art ist.

41 Zu der Frage, ob die im Ausgangsverfahren streitige Tätigkeit einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe entspricht, ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Tätigkeit der Beklagten hauptsächlich im Erwerb, Verkauf und der Vermietung von Immobilien sowie in der Organisation und Durchführung der Unterhaltung von Immobilien und in sonstigen für die Verwaltung der Immobilien notwendigen Nebenleistungen besteht. Im Ausgangssachverhalt bestand das von der Beklagten durchgeführte Geschäft in der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen im Rahmen eines Immobilienprojekts, das die Errichtung mehrerer Bürogebäude und eines Parkhauses umfasste.

42 Da dieses Geschäft auf den Beschluss der Stadt Varkaus zur Gründung eines Zentrums für technische Entwicklung auf ihrem Gebiet zurückgeht und es erklärtes Ziel der Beklagten war, das Grundstück nach Durchführung der Parzellierung von der Stadt zu erwerben und die neu errichteten Gebäude Betrieben der Technologiebranche zur Verfügung zu stellen, kann die Tätigkeit der Beklagten einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe entsprechen.

43 In diesem Zusammenhang ist insbesondere daran zu erinnern, dass der Gerichtshof auf die Frage, ob eine Einrichtung, deren Zweck in der Durchführung und Unterstützung von Tätigkeiten aller Art besteht, die darauf gerichtet sind, Messeveranstaltungen, Ausstellungen und Kongresse auszurichten, als Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Richtlinie 92/50 anzusehen ist, geantwortet hat, dass Tätigkeiten zur Ausrichtung solcher Veranstaltungen im Allgemeininteresse liegen, da der Ausrichter solcher Veranstaltungen, der Hersteller und Händler an einem Ort zusammenbringt, nicht nur im besonderen Interesse dieser Personengruppen handelt, denen damit ein Ort zur Förderung des Absatzes ihrer Erzeugnisse und Waren zur Verfügung gestellt wird, sondern auch den Verbrauchern, die diese Veranstaltungen besuchen, Informationen verschafft, die es ihnen ermöglichen, ihre Wahl unter optimalen Bedingungen zu treffen. Der daraus resultierende Impuls für den Handel kann als im Allgemeininteresse liegend angesehen werden (Urteil Agorà und Excelsior, Randnrn. 33 und 34).

44 Ähnliche Erwägungen können mutatis mutandis für die im Ausgangsverfahren erörterte Tätigkeit angestellt werden, denn es lässt sich nicht bestreiten, dass die Beklagte bei der Vergabe von Planungs- und Bauleistungen im Rahmen eines Immobilienprojekts, das unter anderem die Errichtung von Bürogebäuden vorsah, nicht nur im besonderen Interesse der von dem Projekt unmittelbar betroffenen Unternehmen, sondern auch im Interesse der Stadt Varkaus handelt.

45 Tätigkeiten wie die der Beklagten können nämlich als im Allgemeininteresse liegende Aufgaben angesehen werden, wenn sie eine Impulswirkung für den Handel und die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betreffenden Gebietskörperschaft haben, wobei die Ansiedlung von Unternehmen auf dem Gebiet einer Gebietskörperschaft für diese häufig positive Auswirkungen im Hinblick auf die Schaffung von Arbeitsplätzen, die Erhöhung der Steuereinnahmen und die Steigerung von Angebot und Nachfrage bei Waren und Dienstleistungen hat.

46 Schwieriger zu beantworten ist dagegen die Frage, ob diese im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben gewerblicher Art sind. Während die finnische Regierung geltend macht, es handele sich um Aufgaben nichtgewerblicher Art, da die Tätigkeit der Beklagten nicht in erster Linie auf Gewinnerzielung, sondern vielmehr auf die Schaffung günstiger Bedingungen für die Ansiedlung von Unternehmen auf dem Gebiet der Stadt Varkaus ausgerichtet sei, vertritt diese den entgegengesetzten Standpunkt, wobei sie vorträgt, sie erbringe Leistungen für gewerbliche Unternehmen; auch sei das Immobilienprojekt im Wesentlichen durch den Privatsektor finanziert worden.

47 Nach ständiger Rechtsprechung stellen Aufgaben, die auf andere Art als durch das Angebot von Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt erfuellt werden und die der Staat aus Gründen des Allgemeininteresses selbst erfuellt oder bei denen er einen entscheidenden Einfluss behalten möchte, in der Regel im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b der Gemeinschaftsrichtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge dar (vgl. u. a. Urteile BFI Holding, Randnrn. 50 und 51, Agorà und Excelsior, Randnr. 37, sowie Adolf Truley, Randnr. 50).

48 Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Vergabe von Leistungen zur Förderung der Ansiedlung von Privatunternehmen auf dem Gebiet einer bestimmten Gebietskörperschaft aus den in Randnummer 45 des vorliegenden Urteils angeführten Gründen als im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art anzusehen ist. Ob dies tatsächlich der Fall ist, ist unter Berücksichtigung aller erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte wie etwa der Umstände, die zur Gründung der betreffenden Einrichtung geführt haben, und der Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu beurteilen (in diesem Sinne Urteil Adolf Truley, Randnr. 66).

49 Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die fragliche Einrichtung ihre Tätigkeit unter Wettbewerbsbedingungen ausübt, denn das Vorliegen von Wettbewerb kann, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, darauf hinweisen, dass es sich um eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe gewerblicher Art handelt (in diesem Sinne Urteil BFI Holding, Randnrn. 48 und 49).

50 Aus der Wortwahl des letztgenannten Urteils geht jedoch hervor, dass das Vorliegen eines entwickelten Wettbewerbs allein nicht auf das Nichtvorliegen einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe nichtgewerblicher Art schließen lässt (Urteil Adolf Truley, Randnr. 61). Dasselbe gilt für den Umstand, dass die betreffende Einrichtung Leistungen für bestimmte gewerbliche Unternehmen erbringt. Um zu dem genannten Schluss zu gelangen, müssen zusätzliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden, wobei insbesondere zu prüfen ist, unter welchen Voraussetzungen die Einrichtung ihre Tätigkeit ausübt.

51 Wenn die Einrichtung nämlich unter normalen Marktbedingungen tätig ist, Gewinnerzielungsabsicht hat und die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Verluste trägt, dann ist es wenig wahrscheinlich, dass sie Aufgaben erfuellen soll, die nichtgewerblicher Art sind. In einem solchen Fall besteht auch kein Grund für die Anwendung der Gemeinschaftsrichtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge, denn eine Einrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht, die die mit ihrer Tätigkeit verbundenen Risiken selbst trägt, wird in der Regel keine Vergabeverfahren zu Bedingungen durchführen, die wirtschaftlich nicht gerechtfertigt sind.

52 Nach ständiger Rechtsprechung besteht der Zweck dieser Richtlinien nämlich darin, die Gefahr einer Bevorzugung inländischer Bieter oder Bewerber bei der Auftragsvergabe durch öffentliche Auftraggeber zu vermeiden und zugleich zu verhindern, dass sich eine vom Staat, von Gebietskörperschaften oder sonstigen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanzierte oder kontrollierte Stelle von anderen als wirtschaftlichen Überlegungen leiten lässt (vgl. insbesondere Urteile vom 3. Oktober 2000 in der Rechtssache C-380/98, University of Cambridge, Slg. 2000, I-8035, Randnr. 17, vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C-470/99, Universale-Bau u. a., Slg. 2002, I-11617, Randnr. 52, und Adolf Truley, Randnr. 42).

53 Auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes hat die finnische Regierung in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass Gesellschaften wie die Beklagte sich zwar in rechtlicher Hinsicht nur geringfügig von Aktiengesellschaften im Privatbesitz unterschieden, da sie dieselben wirtschaftlichen Risiken trügen wie diese und ebenfalls für zahlungsunfähig erklärt werden könnten, dass aber die Gebietskörperschaften, denen die Gesellschaften gehörten, einen solchen Ausgang nur selten in Kauf nähmen und soweit erforderlich eine Rekapitalisierung der Gesellschaften durchführten, damit diese weiterhin die Aufgaben wahrnehmen könnten, für die sie gegründet worden seien, nämlich im Wesentlichen die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerbetätigkeiten in der betreffenden Gebietskörperschaft zu verbessern.

54 Auf eine Frage des Gerichtshofes in der mündlichen Verhandlung führte die finnische Regierung weiter aus, es sei zwar nicht ausgeschlossen, dass die Tätigkeiten von Gesellschaften wie der Beklagten zu Gewinnen führten, doch sei die Erzielung solcher Gewinne nicht der Hauptzweck dieser Gesellschaften, die nach finnischem Recht in erster Linie das Allgemeininteresse der Einwohner der betreffenden Gebietskörperschaft verfolgen müssten.

55 Damit ist es wahrscheinlich, dass eine Tätigkeit wie die von der Beklagten im Ausgangssachverhalt ausgeübte eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art darstellt, zumal, wie das vorlegende Gericht erwähnt, die Beklagte öffentliche Mittel für die Durchführung des fraglichen Immobilienprojekts erhalten hat.

56 Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das alleine über eine gründliche Kenntnis des Sachverhalts verfügt, die Umstände, die zur Gründung dieser Einrichtung geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen, wobei insbesondere eine etwa bestehende Gewinnerzielungsabsicht und die Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken zu berücksichtigen sind.

57 Zum Vorbringen der Kommission, es sei nicht auszuschließen, dass die dem Ausgangsverfahren zugrunde liegende Tätigkeit nur einen unbedeutenden Teil der Tätigkeiten der Beklagten darstelle, ist zu sagen, dass dieser Umstand, wenn er denn zutreffen sollte, keine Auswirkungen auf die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits hätte, solange die Gesellschaft auch weiterhin im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfuellen würde.

58 Nach ständiger Rechtsprechung hängt nämlich die Eigenschaft einer Stelle als Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht davon ab, welchen Anteil ihrer Tätigkeit die Erfuellung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art ausmacht (vgl. Urteile Mannesmann Anlagenbau Austria u. a., Randnrn. 25, 26 und 31, BFI Holding, Randnrn. 55 und 56, sowie Adolf Truley, Randnr. 56).

59 Nach alledem ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass eine Aktiengesellschaft, die von einer Gebietskörperschaft gegründet, kontrolliert und geleitet wird, eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/50 wahrnimmt, wenn sie Leistungen zur Förderung der Entwicklung der Gewerbetätigkeit auf dem Gebiet der Körperschaft vergibt. Um festzustellen, ob die Aufgabe nichtgewerblicher Art ist, hat das nationale Gericht die Umstände, die zur Gründung dieser Gesellschaft geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen, wobei insbesondere das Fehlen einer grundsätzlichen Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind.

Zur dritten Vorlagefrage

60 Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass die zu errichtenden Gebäude nur an ein einziges Unternehmen vermietet werden sollen, der Einstufung des Vermieters als Einrichtung des öffentlichen Rechts entgegenstehen kann.

61 Wie sich klar aus der Antwort auf die erste und die zweite Frage ergibt, schließt ein solcher Umstand grundsätzlich nicht aus, dass der Vermieter der zu errichtenden Gebäude als Einrichtung des öffentlichen Rechts zu qualifizieren ist, da sich das Allgemeininteresse an einer Aufgabenerfuellung, wie der Generalanwalt in Nummer 92 seiner Schlussanträge festgestellt hat, nicht anhand der Anzahl der unmittelbaren Nutzer einer Tätigkeit oder Dienstleistung bestimmen lässt.

62 Zum einen kann unbestreitbar auch die Ansiedlung nur eines Unternehmens in einer Gebietskörperschaft eine Impulswirkung für den Handel entfalten und positive wirtschaftliche und soziale Auswirkungen für die Gebietskörperschaft und ihre Einwohner haben, da eine solche Ansiedlung insbesondere durch einen Katalysatoreffekt die Ansiedlung weiterer Unternehmen in der betreffenden Region fördern kann.

63 Zum anderen entspricht diese Auslegung der Zielsetzung der Richtlinie 92/50, die nach ihrer zwanzigsten Begründungserwägung unter anderem Praktiken unterbinden soll, die zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führen und die insbesondere der Auftragsvergabe an Angehörige anderer Mitgliedstaaten entgegenstehen. Wie die finnische Regierung bemerkt, wäre die Zielsetzung der Richtlinie gefährdet, wenn sich eine Einrichtung dem Anwendungsbereich der Richtlinie allein deshalb entziehen könnte, weil ihre Tätigkeit nur einem einzigen Unternehmen zugute kommt; in diesem Fall könnte eine Gesellschaft wie die Beklagte aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie allein deshalb herausfallen, weil die zu errichtenden Gebäude an ein einziges Unternehmen vermietet würden, das dann nach der Abwicklung des Geschäfts seinerseits die Räumlichkeiten weiteren Unternehmen zur Verfügung stellen könnte.

64 Somit ist auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass der Umstand, dass die zu errichtenden Gebäude nur an ein einziges Unternehmen vermietet werden sollen, der Einstufung des Vermieters als Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht entgegensteht, wenn erwiesen ist, dass dieser eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art wahrnimmt.

Kostenentscheidung:

Kosten

65 Die Auslagen der finnischen, der französischen und der österreichischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

auf die ihm vom Kilpailuneuvosto mit Entscheidung vom 14. Dezember 2000 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Eine Aktiengesellschaft, die von einer Gebietskörperschaft gegründet, kontrolliert und geleitet wird, nimmt eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe im Sinne von Artikel 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge wahr, wenn sie Leistungen zur Förderung der Entwicklung der Gewerbetätigkeit auf dem Gebiet der Körperschaft vergibt. Um festzustellen, ob die Aufgabe nichtgewerblicher Art ist, hat das nationale Gericht die Umstände, die zur Gründung dieser Gesellschaft geführt haben, und die Voraussetzungen, unter denen sie ihre Tätigkeit ausübt, zu würdigen, wobei insbesondere das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, das Fehlen der Übernahme der mit der Tätigkeit verbundenen Risiken und die etwaige Finanzierung der Tätigkeit aus öffentlichen Mitteln zu berücksichtigen sind.

2. Der Umstand, dass die zu errichtenden Gebäude nur an ein einziges Unternehmen vermietet werden, steht der Einstufung des Vermieters als Einrichtung des öffentlichen Rechts nicht entgegen, wenn erwiesen ist, dass dieser eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nichtgewerblicher Art wahrnimmt.

Ende der Entscheidung

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