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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 20.11.2008
Aktenzeichen: C-18/08
Rechtsgebiete: Richtlinie 1999/62/EG, Entscheidung 2005/449/EG


Vorschriften:

Richtlinie 1999/62/EG Art. 6 Abs. 2 Buchst. b
Entscheidung 2005/449/EG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

20. November 2008

"Kraftfahrzeugsteuer - Richtlinie 1999/62/EG - Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge - Art. 6 Abs. 2 Buchst. b - Entscheidung der Kommission, mit der eine Befreiung genehmigt wird - Keine unmittelbare Wirkung"

Parteien:

In der Rechtssache C-18/08

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal d'instance de Bordeaux (Frankreich) mit Entscheidung vom 4. Dezember 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 21. Januar 2008, in dem Verfahren

Foselev Sud-Ouest SARL

gegen

Administration des douanes et droits indirects

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richter K. Schiemann, J. Makarczyk und P. Kuris (Berichterstatter) sowie der Richterin C. Toader,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- der Foselev Sud-Ouest SARL, vertreten durch L. Menestrier, avocat,

- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und L. Butel als Bevollmächtigte,

- der italienischen Regierung, vertreten durch R. Adam als Bevollmächtigten im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Maidani als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 25. September 2008

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. L 187, S. 42) und die Auslegung der Entscheidung 2005/449/EG der Kommission vom 20. Juni 2005 betreffend einen Antrag Frankreichs auf Zustimmung zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (ABl. L 158, S. 23).

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen einer Klage der Foselev Sud-Ouest SARL (im Folgenden: Foselev) auf Verurteilung der Administration des douanes et droits indirects (Verwaltung für Zölle und Verbrauchsteuern), an die Klägerin den Betrag von 1 973,74 Euro zu zahlen, den diese in der Zeit vom 20. Juni 2005 bis 9. Juli 2006 an ihrer Ansicht nach nicht geschuldeter Achssteuer, der Kraftfahrzeugsteuer für Fahrzeuge von mehr als 12 t, die nicht speziell für die Personenbeförderung konstruiert sind, gezahlt hat, zuzüglich Zinsen, Verfahrenskosten und Ausgaben.

Rechtlicher Rahmen

3 Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 1999/62 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten können ermäßigte Sätze oder Befreiungen anwenden auf:

...

b) Fahrzeuge, die nur gelegentlich im öffentlichen Straßenverkehr des Mitgliedstaats eingesetzt werden, in dem sie zugelassen sind, und die von natürlichen oder juristischen Personen eingesetzt werden, deren Hauptgewerbe nicht der Güterverkehr ist, sofern die mit den Fahrzeugen durchgeführten Transporte keine Wettbewerbsverzerrungen verursachen und die Kommission ihre Zustimmung dazu gegeben hat."

4 Im verfügenden Teil der Entscheidung 2005/449 heißt es:

"Artikel 1

Die Kommission gibt hiermit ihre Zustimmung zur Befreiung folgender Fahrzeuge von mindestens 12 t, die ausschließlich zur Beförderung von dauerhaft eingebauter Ausrüstung für öffentliche Arbeiten und Industrieanlagen in Frankreich genutzt werden, von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß Artikel 6 Absatz 2 Buchstabe b der Richtlinie 1999/62/EG bis zum 31. Dezember 2009:

...

Artikel 2

Diese Entscheidung ist an die Französische Republik gerichtet."

5 Mit dem Dekret Nr. 2006-818 vom 7. Juli 2006 zur Änderung des Dekrets Nr. 70-1285 vom 23. Dezember 1970 betreffend die Übertragung der Festsetzung und der Erhebung der Sondersteuer für bestimmte Kraftfahrzeuge auf die Zollverwaltung (JORF vom 9. Juli 2006, S. 10311) setzten die französischen Behörden die Entscheidung 2005/449 um.

Das Ausgangsverfahren und die Vorlagefrage

6 Wie aus dem Vorlagebeschluss hervorgeht, betätigt sich Foselev in folgenden Bereichen: Hebe- und Förderleistungen, Transport, industrielle Wartung, industrielle Rohrleitungssysteme, industrielle Reinigung und Modulbau. Dieses Unternehmen ist der Ansicht, dass die Achssteuer seit dem 20. Juni 2005, dem Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung 2005/449, für die von dieser Entscheidung erfassten Fahrzeuge nicht mehr geschuldet werde.

7 Die Administration des douanes et droits indirects meint dagegen, dass die Befreiung, auf die sich Foselev berufe, erst zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Dekrets Nr. 2006-818 im Journal officiel de la République française, also am 9. Juli 2006, in Kraft getreten sei.

8 Das Tribunal d'instance de Bordeaux ist der Ansicht, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit die Frage aufwerfe, ob die Entscheidung 2005/449, die die Französische Republik ermächtige, bestimmte, näher beschriebene Fahrzeuge von der Achssteuer zu befreien, eine Verpflichtung für diesen Mitgliedstaat beinhalte, die genehmigte Befreiung vorzunehmen, und daher geeignet sei, in den Beziehungen zwischen den französischen Steuerbehörden und Foselev unmittelbare Wirkung zu entfalten; es hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge sieht vor, dass ein Mitgliedstaat bestimmte Kategorien von Kraftfahrzeugen [von der Kraftfahrzeugsteuer] befreien kann. Ist in diesem Zusammenhang die Zustimmung zur Befreiung bestimmter Kategorien von Kraftfahrzeugen, die die Kommission Frankreich mit der Entscheidung vom 20. Juni 2005 erteilt hat, unmittelbar anwendbar auf den Einzelnen, oder erfordert sie, da es sich um eine an Frankreich gerichtete Ermächtigungsentscheidung handelt, eine nationale Umsetzungsmaßnahme?

Zur Vorlagefrage

9 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich ein Einzelner gegenüber der Französischen Republik auf die Entscheidung 2005/449, mit der die von diesem Mitgliedstaat beabsichtigte Befreiung von der Achssteuer gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 1999/62 genehmigt worden ist, berufen kann, um ab der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung dieser Entscheidung in den Genuss dieser Befreiung zu gelangen.

10 Nach Art. 249 Abs. 4 EG ist eine Entscheidung in allen ihren Teilen für diejenigen verbindlich, die sie bezeichnet. Im vorliegenden Fall ist die Französische Republik Adressatin der Entscheidung 2005/449.

11 Wie der Gerichtshof entschieden hat, wäre es erstens mit der den Entscheidungen durch Art. 189 EWG-Vertrag (später Art. 189 EG-Vertrag, jetzt Art. 249 EG) zuerkannten verbindlichen Wirkung unvereinbar, grundsätzlich auszuschließen, dass betroffene Personen sich auf die in der Entscheidung vorgesehene Verpflichtung berufen können, und kann zweitens eine Bestimmung einer an einen Mitgliedstaat gerichteten Entscheidung diesem Mitgliedstaat entgegengehalten werden, wenn sie ihrem Adressaten eine unbedingte und hinreichend klare und genaue Verpflichtung auferlegt (Urteil vom 10. November 1992, Hansa Fleisch Ernst Mundt, C-156/91, Slg. 1992, I-5567, Randnrn. 12 und 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

12 Daher ist zu prüfen, ob die Entscheidung 2005/449 der Französischen Republik eine unbedingte sowie hinreichend klare und genaue Verpflichtung auferlegt.

13 Hierzu ist festzustellen, dass diese Entscheidung Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 1999/62 zur Rechtsgrundlage hat, der die Möglichkeit für einen Mitgliedstaat vorsieht, bestimmte Fahrzeuge von der Kraftfahrzeugsteuer zu befreien oder auf sie einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden.

14 Zudem ist nach dieser Bestimmung die Nutzung dieser Möglichkeit durch einen Mitgliedstaat davon abhängig, dass die Kommission ihre Zustimmung zu einem Umsetzungsvorhaben gegeben hat.

15 Daher genügt die Feststellung, dass die Mitgliedstaaten trotz des Tätigwerdens der Kommission über ein weites Ermessen in Bezug sowohl auf ihre Entscheidung, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, als auch auf den Inhalt der beabsichtigten Maßnahme verfügen, ohne dass sich aus der Zustimmung der Kommission zu dieser Maßnahme eine Verpflichtung ergibt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen.

16 Daher bezweckt und bewirkt die Entscheidung 2005/449, die Französische Republik zu ermächtigen, die im Rahmen ihres Antrags auf Zustimmung beabsichtigte Befreiung umzusetzen, wenn dies ihrem Willen entspricht, nicht aber, sie hierzu zu zwingen.

17 Im Übrigen ist der Umstand, dass in der Entscheidung 2005/449 kein Zeitpunkt für den Beginn ihrer Anwendung vorgesehen ist und nur der Zeitpunkt des Ablaufs der genehmigten Befreiung auf den 31. Dezember 2009 festgesetzt wird, nicht geeignet, Tragweite und Wirkungen dieser Entscheidung zu beeinflussen.

18 Die Entscheidung 2005/449 hat nämlich gemäß Art. 254 Abs. 3 EG durch ihre Bekanntgabe an ihren Adressaten, im vorliegenden Fall die Französische Republik, Wirkung erlangt. Diese Wirkung besteht jedoch darin, dass eine Steuerbefreiung ermöglicht wird, die im vorliegenden Fall noch nicht besteht und für ihre Umsetzung eines nationalen Rechtsakts bedarf, nicht aber darin, dass eine solche Befreiung vorgeschrieben wird.

19 Nach allem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass sich ein Einzelner nicht gegenüber der Französischen Republik, der Adressatin der Entscheidung 2005/449, auf diese Entscheidung berufen kann, um in den Genuss der durch diese ab ihrer Bekanntgabe oder Veröffentlichung genehmigten Steuerbefreiung zu gelangen.

Kostenentscheidung:

Kosten

20 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Ein Einzelner kann sich nicht gegenüber der Französischen Republik, der Adressatin der Entscheidung 2005/449/EG der Kommission vom 20. Juni 2005 betreffend einen Antrag Frankreichs auf Zustimmung zur Befreiung von der Kraftfahrzeugsteuer gemäß Art. 6 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge berufen, um in den Genuss der durch diese Entscheidung ab ihrer Bekanntgabe oder Veröffentlichung genehmigten Steuerbefreiung zu gelangen.

Ende der Entscheidung

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