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Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 12.09.2000
Aktenzeichen: C-180/98
Rechtsgebiete: EG-Vertrag


Vorschriften:

EG-Vertrag Art. 177
EG-Vertrag Art. 5
EG-Vertrag Art. 85
EG-Vertrag Art. 85 Abs. 1
EG-Vertrag Art. 86
EG-Vertrag Art. 90
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

1 Im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen geschlossene Verträge fallen zwar aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG), dieser Ausschluss vom Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag kann jedoch nicht auf eine Vereinbarung erstreckt werden, die allen Angehörigen eines Berufes ein bestimmtes Rentenniveau garantieren und daher eine ihrer Arbeitsbedingungen, nämlich ihre Bezüge, verbessern soll, aber nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen Sozialpartnern geschlossen wurde.

Der Vertrag enthält in dieser Hinsicht keine den Artikeln 118 und 118b EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) oder den Artikeln 1 und 4 des Abkommens zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland über die Sozialpolitik entsprechende Bestimmung, nach der die Angehörigen freier Berufe aufgerufen wären, Kollektivvereinbarungen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu schließen, und die vorsähe, dass solche Vereinbarungen auf Antrag der Angehörigen dieser Berufe vom Staat für sie alle für verbindlich erklärt würden.

(vgl. Randnrn. 67-69)

2 Die selbständigen Fachärzte, die als selbständige Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen auf einem Markt, nämlich dem der fachärztlichen Dienstleistungen, erbringen, von ihren Patienten ein Entgelt für diese Dienstleistungen erhalten und die mit der Ausübung dieser Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken übernehmen, üben eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und sind daher Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG); an diesem Ergebnis können auch die Komplexität und der technische Charakter ihrer Dienstleistungen sowie der Umstand, dass ihre Berufsausübung Regeln unterliegt, nichts ändern.

Ferner handeln solche Ärzte als Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag und nicht als Endverbraucher, wenn sie in ihrem nationalen Verband entscheiden, gemeinsam zu einem einzigen Berufsrentenfonds beizutragen.

(vgl. Randnrn. 76-77, 82)

3 Der Umstand, dass ein Berufsverband eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ist, steht der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG), der seinem Wortlaut nach für Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen gilt, nicht entgegen. Daher ist der rechtliche Rahmen, in dem ein Beschluss einer Vereinigung gefasst wird, für die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, insbesondere des Artikels 85 EG-Vertrag, ebensowenig erheblich wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationale Rechtsordnung.

Ein Fachärzteverband kann nicht deshalb vom Anwendungsbereich des Artikels 85 EG-Vertrag ausgenommen sein, weil er im Wesentlichen die Aufgabe hat, im Rahmen von Verhandlungen mit den Behörden über die Kosten des Gesundheitswesens für die Interessen dieser Ärzte, insbesondere im Bereich ihrer Einkommen, zu denen die Zusatzrenten gehören, einzutreten.

(vgl. Randnrn. 85-86)

4 Die Entscheidung der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Berufsrentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds vorzuschreiben, verstößt nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 Absatz 1 EG). Denn die Entscheidung, diesen Fonds einzurichten, schränkt den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht spürbar ein, weil die Kosten des Zusatzrentensystems nur marginalen und mittelbaren Einfluss auf die Endkosten der von den Angehörigen dieses Berufes angebotenen Dienstleistungen haben. Außerdem fügt sich der beim Staat gestellte Antrag, die Pflichtmitgliedschaft vorzuschreiben, in den Rahmen eines unter die Ausübung der Regelungsbefugnis im Sozialbereich fallenden Systems ein, wie es auch in mehreren nationalen Rechtssystemen besteht. Ein solches System soll den Aufbau von zum zweiten Pfeiler des nationalen Rentensystems gehörenden Zusatzrenten fördern und enthält eine Reihe von Schutzvorkehrungen. Daher stehen die Artikel 5 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG) und 85 EG-Vertrag nicht der Entscheidung des Staates entgegen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds vorzuschreiben.

(vgl. Randnrn. 95, 97-101, Tenor 1)

5 Ein von einer Standesvertretung eines freien Berufes eingerichteter, mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds, der die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst bestimmt und nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet und in dem die Pflichtmitgliedschaft vom Staat für alle Angehörigen des betreffenden Berufes vorgeschrieben worden ist, ist ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG).

Weder das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht eines solchen Fonds noch das Vorliegen von Solidaritätsgesichtspunkten in seiner Funktionsweise genügt, um ihm die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags zu nehmen. Zwänge wie die Verfolgung eines sozialen Zweckes, die genannten Solidaritätsgesichtspunkte und Beschränkungen oder Kontrollen in Bezug auf Investitionen des Fonds hindern nicht daran, die von einem solchen Fonds ausgeübte Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen.

(vgl. Randnrn. 117-119, Tenor 2)

6 Ein Rentenfonds, der ein gesetzliches Monopol für bestimmte Versicherungsleistungen in einem Berufszweig eines Mitgliedstaats und daher auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes hat, besitzt damit eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG).

Allerdings ist allein die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch einen Mitgliedstaat, indem er ausschließliche Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag (jetzt Artikel 86 Absatz 1 EG) gewährt, als solche noch nicht mit Artikel 86 EG-Vertrag unvereinbar. Der Mitgliedstaat verstößt nur dann gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht.

Ein solcher gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßender Missbrauch liegt u. a. dann vor, wenn der Mitgliedstaat einem Unternehmen ein ausschließliches Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten gewährt und eine Situation schafft, in der dieses Unternehmen offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach entsprechenden Leistungen zu befriedigen.

(vgl. Randnrn. 126-127)

7 Die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und 86 EG) verwehren es dem Staat nicht, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems für die Angehörigen eines freien Berufes zu gewähren.

(vgl. Randnr. 130, Tenor 3)


Urteil des Gerichtshofes vom 12. September 2000. - Pavel Pavlov u. a. gegen Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Kantongerecht Nijmegen - Niederlande. - Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentenfonds - Vereinbarkeit mit den Wettbewerbsregeln - Qualifizierung eines Berufsrentenfonds als Unternehmen. - Verbundene Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98.

Parteien:

In den verbundenen Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Kantongerecht Nijmegen (Niederlande) in den bei diesem anhängigen Rechtsstreitigkeiten

Pavel Pavlov u. a.

gegen

Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten

"vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG)

erlässt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten G. C. Rodríguez Iglesias, der Kammerpräsidenten J. C. Moitinho de Almeida (Berichterstatter), D. A. O. Edward, L. Sevón und R. Schintgen sowie der Richter P. J. G. Kapteyn, C. Gulmann, J.-P. Puissochet und M. Wathelet,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

- der Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten, vertreten durch Rechtsanwälte E. H. Pijnacker Hordijk, Brüssel, und C. J. J. C. van Nispen, Den Haag,

- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europarecht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

- der griechischen Regierung, vertreten durch V. Kyriazopoulos, beigeordneter Rechtsberater im Juristischen Dienst des Staates, und G. Alexaki, Rechtsberaterin in der Sonderabteilung des Außenministeriums für Rechtsfragen der Europäischen Gemeinschaften, als Bevollmächtigte,

- der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und C. Chavance, Berater für auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch W. Wils und H. van Vliet, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten, der niederländischen Regierung, der griechischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 11. Januar 2000,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. März 2000,

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1 Das Kantongerecht Nijmegen hat mit fünf Beschlüssen vom 8. Mai 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 81 EG, 82 EG und 86 EG) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in fünf Rechtsstreitigkeiten zwischen den Fachärzten Pavlov, Van der Schaaf, Kooyman, Weber und Slappendel und jeweils der Stichting Pensioenfonds Medische Specialisten (Stiftung Rentenfonds Fachärzte; nachfolgend: Fachärzte-Fonds) über die Weigerung der Kläger der Ausgangsverfahren, ihre Beiträge an den Fachärzte-Fonds zu leisten, die u. a. damit begründet wurde, dass die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds, aufgrund deren die genannten Beiträge erhoben würden, gegen die Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag verstoße.

Das niederländische Recht

3 Das niederländische Rentensystem ruht auf drei Pfeilern.

4 Der erste besteht aus einer gesetzlichen Grundrente, die vom Staat nach der Algemene Ouderdomswet (Gesetz zur Einführung eines allgemeinen Altersrentensystems) und der Algemene Nabestaandenwet (Gesetz über die Allgemeine Hinterbliebenenversicherung) gewährt wird. Dieses allgemeinverbindliche gesetzliche System begründet für die gesamte Bevölkerung einen Anspruch auf eine Rente in beschränkter Höhe, die unabhängig von dem zuvor tatsächlich bezogenen Lohn ist und auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechnet wird.

5 Den zweiten Pfeiler bilden die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbständiger gewährten Zusatzrenten, die in den meisten Fällen die Grundrente ergänzen. Diese Zusatzrenten werden im Allgemeinen im Rahmen von kollektiven Systemen, die für einen Wirtschaftssektor, einen Beruf oder die Arbeitnehmer eines Unternehmens gelten, durch Rentenfonds verwaltet, in denen die Pflichtmitgliedschaft u. a., wie in den Ausgangsverfahren, durch die Wet van 29 Juni 1972 betreffende verplichte deelneming in een beroepspensioenregeling (niederländisches Gesetz vom 29. Juni 1972 über die Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentensystem; nachfolgend: WVD) vorgeschrieben worden ist.

6 Der dritte Pfeiler wird durch individuelle Rentenversicherungs- oder Lebensversicherungsverträge gebildet, die auf freiwilliger Grundlage geschlossen werden können.

7 Nach Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b WVD ist ein Angehöriger eines Berufsstands eine natürliche Person, die in einem bestimmten Berufsstand den diesem Berufsstand entsprechenden Beruf ausübt.

8 Gemäß Artikel 2 Absatz 1 WVD kann der Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen auf Antrag eines oder mehrerer nach seiner Auffassung für den betreffenden Berufsstand hinreichend repräsentativer Berufsverbände die Pflichtmitgliedschaft in einem von den Angehörigen des Berufsstands errichteten Berufsrentensystem für alle oder für bestimmte Gruppen von Angehörigen dieses Berufsstands vorschreiben. Der Antrag eines Berufsverbands an den Minister muss zuvor veröffentlicht worden sein; betroffene Dritte werden dazu gehört. Vor seiner Entscheidung kann der Minister den Sociaal-Economische Raad (Wirtschafts- und Sozialrat) und die Verzekeringskamer (Versicherungskammer) hören.

9 Nach Artikel 2 Absatz 2 WVD kann ein Berufsrentensystem nach einem der folgenden drei Modelle errichtet werden:

a) durch die Einrichtung eines Berufsrentenfonds, der als alleiniges ausführendes Organ dieses Systems fungiert;

b) durch eine Verpflichtung für die Angehörigen des Berufsstands, das Berufsrentensystem durch individuelle Versicherungsverträge umzusetzen, die sie nach ihrer Wahl mit dem unter a genannten Berufsrentenfonds abschließen, soweit dies nach dem Berufsrentensystem möglich ist, oder mit einem Versicherer, der die erforderliche Lizenz besitzt;

c) durch ein Rentensystem, bei dem ein Teil dem Modell unter a und der andere dem Modell unter b entspricht.

10 Nach Artikel 2 Absatz 3 WVD muss ein Berufsverband, um beantragen zu können, dass die Pflichtmitgliedschaft in dem von ihm errichteten Berufsrentensystem vorgeschrieben wird, eine juristische Person gründen, die auftritt

a) als Rentenfonds, der das Rentensystem umsetzt, oder

b) als Aufsichtsorgan, das dafür sorgt, dass die Angehörigen des Berufsstands ihrer Pflicht, sich nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b der WVD selbst zu versichern, nachkommen, oder

c) teils als Rentenfonds, teils als Aufsichtsorgan.

11 Nach Artikel 2 Absatz 4 WVD bringt die Pflichtmitgliedschaft für diejenigen, für die sie gilt, die Verpflichtung mit sich, die in der Satzung und den Ordnungen der juristischen Person für sie getroffenen Bestimmungen zu beachten.

12 Artikel 2 Absatz 6 WVD verleiht dem zuständigen Minister die Befugnis, die Pflichtmitgliedschaft aufzuheben. Nach Artikel 2 Absatz 7 entfällt die Pflichtmitgliedschaft bei einer Änderung der Finanzgrundlage oder der Satzung und der Ordnungen der juristischen Person, wenn nicht der Minister erklärt, dass er keine Einwände gegen die Änderungen erhebe. Vor seiner Entscheidung kann er den Wirtschafts- und Sozialrat und die Versicherungskammer hören.

13 Artikel 5 Absatz 1 WVD sieht vor, dass der Minister dem Antrag, die Pflichtmitgliedschaft vorzuschreiben, nicht entspricht, wenn bestimmte Voraussetzungen nicht erfuellt sind. So müssen die Angehörigen des Berufsstands von der Absicht des Berufsverbands, einen solchen Antrag zu stellen, informiert worden sein, das System muss über eine gesunde Finanzgrundlage verfügen, die durch eine mit Gründen versehene versicherungsmathematische Berechnung nachgewiesen ist, und die Satzung und die Ordnungen des Rentenfonds müssen den Vorschriften der WVD entsprechen und die Wahrung der Interessen der Versicherten sowie anderer Betroffener hinreichend gewährleisten.

14 Nach Artikel 8 Absatz 1 WVD enthalten die Satzung und die Ordnungen der juristischen Person Bestimmungen u. a. über die Definition des Berufes, für den das Rentensystem gilt, über die Verwaltung der juristischen Person, über die Rechte und Pflichten der Versicherten sowie über die Behandlung von Personen, die moralische Vorbehalte gegen jegliche Art von Versicherung haben.

15 Gemäß Artikel 8 Absatz 2 WVD sind weitere bestimmte Gegenstände in der Satzung und in den Ordnungen der juristischen Person zu regeln, wenn sie als Rentenfonds auftritt, der das Rentensystem verwaltet. Diese betreffen u. a. die Verteilung der Einnahmen und die Anlagen des Fonds.

16 Artikel 8 Absatz 3 WVD ermächtigt den zuständigen Minister, Richtlinien zu den in den Absätzen 1 und 2 genannten Gegenständen zu erlassen. Er erließ solche Richtlinien für die Behandlung von Personen, die moralische Vorbehalte gegen Versicherungen haben. Diese Personen können von der Mitgliedschaft in einem Berufsrentensystem freigestellt werden, wenn sie nachweisen können, dass sie auch sonst in keiner Form versichert sind.

17 Die Artikel 9 und 10 WVD bestimmen, wie ein Berufsrentenfonds das Beitragsaufkommen zu verwalten hat. Nach Artikel 9 muss er grundsätzlich die mit den Rentenverpflichtungen verbundenen Risiken über Verträge mit Versicherungsunternehmen weitergeben oder rückversichern. Er kann jedoch nach Artikel 10 WVD ausnahmsweise das Beitragsaufkommen selbst und auf eigenes Risiko verwalten und anlegen, wenn er bei der Aufsichtsstelle einen Managementplan und eine versicherungsmathematische Berechnung einreicht, in der erläutert wird, wie das finanzielle und versicherungstechnische Risiko gehandhabt werden soll. Außerdem muss dieser Plan von der Versicherungskammer genehmigt werden.

18 Nach Artikel 12 WVD muss die Bilanz eines Fonds, der sich selbst verwaltet, zudem ausweisen, dass seine Aktiva zur Deckung der von ihm eingegangenen Rentenverpflichtungen ausreichen. Gemäß Artikel 9 Absätze 2 und 3 und Artikel 10 Absatz 2 WVD hat der Berufsrentenfonds bei der Versicherungskammer in regelmäßigen Abständen Berichte einzureichen, die seine Finanzlage vollständig wiedergeben und belegen, dass er die Rechtsvorschriften einhält. Die Versicherungskammer stützt sich bei der Ausübung ihrer Aufsichtsfunktion über den Fonds auf diese Berichte.

19 Nach Artikel 26 WVD kann der Minister für soziale und Arbeitsmarktfragen in besonderen Einzelfällen Freistellungen von einzelnen Bestimmungen der WVD gewähren. Er kann u. a. von der Pflichtmitgliedschaft befristet oder unbefristet, unbedingt oder unter bestimmten Bedingungen freistellen.

20 Aus der Antwort der niederländischen Regierung auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofes geht hervor, dass eine Freistellung von der Pflichtmitgliedschaft durch den Minister nur in bestimmten Fällen erfolgen kann, in denen eine schematische Anwendung der WVD individuelle Interessen unverhältnismäßig beeinträchtigen würde und in denen der betreffende Fonds keine Bestimmungen zur Vermeidung solcher Auswirkungen enthält. Die Befugnis des Ministers, Freistellungen zu gewähren, soll keinen Rechtsbehelf gegen eine Ablehnung der Freistellung von der Pflichtmitgliedschaft durch einen Fonds eröffnen.

21 Nach Artikel 27 WVD stellt es eine strafbare Handlung dar, sich der Pflichtmitgliedschaft zu entziehen.

22 Außerdem kann der Berufsrentenfonds nach Artikel 31 WVD vollstreckbare Leistungsbescheide zur Einziehung nicht entrichteter Beiträge erlassen.

23 Nach der Begründung des zur WVD gewordenen Gesetzentwurfs soll es das mit dem Gesetz bezweckte "kollektive System" ermöglichen, "das Ruhestandseinkommen dem steigenden allgemeinen Einkommensniveau anzupassen", "die jüngeren Angehörigen eines Berufsstands durch ein System versicherungstechnischer Durchschnittsprämien oder Varianten davon zu den höheren Lasten der Versorgung der älteren Angehörigen des Berufsstands heranzuziehen" und "für die Jahre vor dem Inkrafttreten des Systems Rentenansprüche vorzusehen". Diese Ziele könnten durch ein auf Gegenseitigkeit beruhendes System nur dann verwirklicht werden, "wenn grundsätzlich alle Angehörigen des betreffenden Berufsstands davon erfasst werden".

24 In der parlamentarischen Erörterung der WVD führte die niederländische Regierung Folgendes aus:

"[D]ie Verwaltung der Betriebsrentenfonds soll das aus sozialer Sicht bestmögliche Rentensystem für alle Mitglieder (junge und alte) verwirklichen. Die Regierung sieht keinen Grund, dass dies bei den Berufsrentenfonds anders sein sollte. Genau wie ein Betriebsrentenfonds wird ein Berufsrentenfonds nicht als eine kommerzielle Einrichtung errichtet werden, sondern als eine soziale Einrichtung, die für die bei ihr Versicherten in ihren gegenseitigen Sozialbeziehungen bestmöglich tätig sein wird. Dabei wird kaum von wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgegangen werden können.

Daher sollte sich die Höhe der Beiträge der Angehörigen des Berufsstands nicht danach richten, ob sie "auf dem Markt vielleicht bessere und billigere Konditionen finden könnten", sondern vielmehr nach dem Grad an Solidarität in dem betreffenden Berufsstand.

...

Bei einem Entwurf eines Rahmengesetzes wie des Vorliegenden müssen die Belange der Angehörigen des Berufsstands als Gruppe berücksichtigt werden können. Das bringt für grundsätzlich alle Angehörigen des betroffenen Berufsstands die Verpflichtung mit sich, sich dem Rentenfonds anzuschließen. Wenn dieses Gebot in Einzelfällen zu der Erkenntnis führt, dass diese Verpflichtung nicht im spezifischen Interesse eines oder mehrerer Angehöriger des Berufsstands liegt, so ist das grundsätzlich hinzunehmen, denn jede Kollektivregelung beschränkt die individuelle Freiheit."

Die Satzung und die Rentenordnung des Fachärzte-Fonds

25 Der durch die Landelijke Specialisten Vereniging der Koninklijke Nederlandse Maatschappij tot bevordering der Geneeskunst (Nationale Vereinigung der Fachärzte der Königlich Niederländischen Gesellschaft zur Förderung der Heilkunst; nachfolgend: LSV) vertretene Berufsstand der Fachärzte errichtete 1973 ein Berufsrentensystem, das durch eine Satzung und durch eine Rentenordnung geregelt wird.

26 Der Fachärzte-Fonds wurde satzungsgemäß als Stiftung gegründet. Er ist eine juristische Person im Sinne des Artikels 2 Absatz 3 Buchstabe c WVD, die teils als eigenständiger Versicherer auftritt und teils als Aufsichtsorgan, das dafür sorgt, dass die Fachärzte sich individuell versichern.

27 Mit nach Artikel 2 Absatz 1 WVD ergangener Ministerialverordnung vom 18. Juni 1973 (Nederlandse Staatscourant 1973, S. 121) wurde die Pflichtmitgliedschaft in dem System auf Antrag der LSV vorgeschrieben. Ab dem 31. Januar 1997 ersetzte der Orde van Medische Specialisten (Fachärztekammer; nachfolgend: OMS) die LSV als berufsständische Vertretung. Etwa 8 000 der 15 000 selbständigen oder angestellten Fachärzte in den Niederlanden sind Mitglieder des OMS.

28 Nach Artikel 1 Absatz 1 der Rentenordnung des Fachärzte-Fonds ist dem System jeder Facharzt angeschlossen, der im Verzeichnis der gemäß der Geschäftsordnung der Koninklijke Nederlandsche Maatschappij tot bevordering der Geneeskunst anerkannten Fachärzte eingetragen ist, in den Niederlanden seinen Wohnsitz hat, dort als Facharzt praktiziert und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

29 Gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Rentenordnung können bestimmte Gruppen von Fachärzten die Freistellung von der Pflichtmitgliedschaft beantragen. Dies gilt für einen Facharzt, der

- in einem Kalenderjahr seinen Beruf voraussichtlich ausschließlich in einem Beschäftigungsverhältnis ausübt und deshalb in seiner Eigenschaft als Facharzt einem der folgenden Systeme angeschlossen ist:

a) einem Rentensystem, das nach einem anderen Gesetz als der Pensioen- en spaarfondsenwet (Spar- und Rentenkassengesetz), der Wet houdende vaststelling van een regeling betreffende verplichte deelneming in een bedrijfspensioenfonds (Gesetz über die Festlegung einer Regelung betreffend die Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebsrentenfonds; nachfolgend: BPW) oder der WVD oder durch eine allgemeine Verwaltungsanordnung errichtet wurde;

b) einem Rentensystem, in dem die Pflichtmitgliedschaft gemäß der BPW vorgeschrieben wurde;

c) einem anderen Rentensystem als dem im vorliegenden Fall fraglichen, in dem die Pflichtmitgliedschaft gemäß der WVD vorgeschrieben wurde;

d) einem vom Arbeitgeber vor dem 6. Mai 1972 errichteten Rentensystem, das mindestens gleichwertig mit dem vorgenannten Rentensystem ist;

- mit seiner selbständig ausgeübten Berufstätigkeit Einkünfte unterhalb eines bestimmten Betrages erzielt.

30 In ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofes haben die niederländische Regierung und der Fachärzte-Fonds erklärt, dass Letzterer an die Bestimmungen des Artikels 1 Absatz 2 der Rentenordnung gebunden sei. Vor diesem Hintergrund könnten Freistellungen von der Pflichtmitgliedschaft grundsätzlich nicht aus anderen als den in dieser Vorschrift aufgeführten Gründen gewährt werden.

31 Zum Verhältnis zwischen der Befugnis des zuständigen Ministers nach Artikel 26 WVD und der des Fachärzte-Fonds nach Artikel 1 Absatz 2 der Rentenordnung, Fachärzte von der Pflichtmitgliedschaft freizustellen, hat die niederländische Regierung auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes ausgeführt, dass die Freistellungsbefugnis des Ministers gegenüber der entsprechenden Befugnis oder Pflicht des Fachärzte-Fonds subsidiär sei. Er könne nur in Fällen tätig werden, in denen der Fachärzte-Fonds keine Freistellung gewähren könne.

32 Nach Artikel 44 der Rentenordnung kann die Verwaltung des Fachärzte-Fonds unter der Voraussetzung, dass dadurch nicht die Rechte anderer beeinträchtigt werden, in bestimmten Sonderfällen zugunsten einzelner Versicherter von der Rentenordnung abweichen. Einer Antwort des Fachärzte-Fonds auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes zufolge ist Artikel 44 der Rentenordnung eine Härtefallklausel, die spezifische Freistellungen in Sonderfällen ermögliche, u. a., wenn ein Versicherter geringe Rentenansprüche während eines sehr kurzen Zeitraums erwerbe.

33 Die niederländische Regierung hat auf eine schriftliche Frage des Gerichtshofes erklärt, dass gegen Entscheidungen des Fachärzte-Fonds über Pflichtmitgliedschaft oder Freistellung der Verwaltungsrechtsweg offen stehe, obwohl der Fonds als zivilrechtliche Stiftung errichtet worden sei. Gegen diese Entscheidungen könne folglich Beschwerde beim zuständigen Minister eingelegt und darauf Klage bei den Verwaltungsgerichten erhoben werden.

Das Rentensystem für Fachärzte

34 Das Rentensystem für Fachärzte sieht Folgendes vor:

a) eine Altersrente, die dem Versicherten ab seinem 65. Geburtstag gezahlt wird;

b) eine Witwen- oder Witwerrente von grundsätzlich 70 % der während der Ehe aufgebauten Altersrente, die dem Ehegatten des verstorbenen Versicherten gezahlt wird;

c) eine Waisenrente von 14 % (28 % für Vollwaisen) der Altersrente, die den Kindern des verstorbenen Versicherten bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahrs gezahlt wird und bis zur Vollendung ihres 27. Lebensjahrs verlängert werden kann;

d) einen Indexierungsmechanismus zur Anpassung der Renten an die allgemeine Einkommenssteigerung;

e) rückwirkende Rentenansprüche für Zeiten vor der Einrichtung des Fachärzte-Fonds;

f) die Übernahme der Beitragszahlungen zum weiteren Aufbau der Rente bei Berufsunfähigkeit wegen Invalidität;

g) eine ergänzende Risikolebensversicherung zugunsten der Witwen, Witwer und Waisen, die ein Versicherter hinterlässt, der vor Vollendung des 65. Lebensjahrs verstirbt. Je jünger der Versicherte verstirbt, desto höher sind die ergänzenden Versicherungsleistungen.

35 Das Rentensystem besteht aus zwei Teilen. Der erste, die "Regelrente", umfasst die Altersrente, die Witwen- oder Witwerrente und die Waisenrente zu ihrem jeweiligen Nominalwert, also ohne Anpassung der Rentenbezüge an die allgemeine Einkommenssteigerung. Hier hat der Berufsstand der Fachärzte das Modell nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe b WVD gewählt, d. h., die Fachärzte müssen ihre Regelrente über individuelle Versicherungsverträge mit dem Fachärzte-Fonds oder einem vorschriftsgemäß zugelassenen Versicherungsunternehmen erwerben. Sie können ihre Wahl alle fünf Jahre überdenken. Der Fonds sorgt dafür, dass die Mitglieder ihrer Versicherungspflicht nachkommen.

36 Ein Versicherungsunternehmen, das die Regelrente versichert, muss eine Vereinbarung mit dem Fachärzte-Fonds treffen. Dieser wird in mehrerlei Hinsicht als Mittler zwischen den Fachärzten und dem Versicherer tätig. So zieht er die Beiträge für die Regelrente ein und leitet sie dann an den Versicherer weiter. Der Fachärzte-Fonds und das Versicherungsunternehmen legen die jeweils geltenden Beiträge für die Regelrente auf versicherungsmathematischer Grundlage fest. Diese unterscheiden sich je nach Alter, Geschlecht und Einkommen des Versicherten, nach den Verwaltungskosten des Fonds oder des Versicherers und nach den Anlagegewinnen des Fonds oder des Versicherers.

37 Der zweite Teil des Rentensystems umfasst den Indexierungsmechanismus, die rückwirkenden Rentenansprüche, den fortlaufenden Aufbau der Rente unter Freistellung von den Beitragsleistungen bei Invalidität und die ergänzenden Versicherungsleistungen für Hinterbliebene. Durch den Indexierungsmechanismus können die Renten und Rentenansprüche mit Hilfe eines jährlich festgelegten Anpassungskoeffizienten entsprechend der Einkommenssteigerung neu bemessen werden. Bei diesem zweiten Teil hat sich der Berufsstand für das Modell nach Artikel 2 Absatz 2 Buchstabe a WVD entschieden, d. h., der Fachärzte-Fonds verwaltet diese Bestandteile, und sie können nicht einem privaten Versicherungsunternehmen übertragen werden.

38 Die Bestandteile des zweiten Teils werden mit Ausnahme der ergänzenden Versicherungsleistungen für Hinterbliebene durch versicherungsmathematisch errechnete Beiträge finanziert. Dagegen werden für die rückwirkenden Rentenansprüche zurzeit keine Beiträge von den Versicherten erhoben, da die Rückstellungen zur Sicherung dieser Ansprüche ausreichen. Die ergänzenden Versicherungsleistungen für Hinterbliebene werden durch einen pauschalen Jahresbeitrag finanziert.

39 In dem System wird keine Risikoauswahl mittels Fragebögen oder ärztlichen Untersuchungen durchgeführt.

40 Der Fachärzte-Fonds ist eine Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht. Die Gewinne kommen den Rentenempfängern und den Versicherten in Form einer Erhöhung ihrer Rentenansprüche zu.

41 Am 31. Dezember 1997 hatte der Fachärzte-Fonds 5 951 Versicherte, 1 063 ehemalige Versicherte und 4 220 Rentenempfänger. Zu letzterer Gruppe gehörten 1 238 Witwen oder Witwer, 185 Waisen und 2 797 Altersrentenempfänger. Ende 1997 belief sich sein Anlagevermögen auf 6 600 Millionen NLG.

Die Rechtsstreitigkeiten der Ausgangsverfahren und die Vorlagefragen

42 Die Kläger der Ausgangsverfahren sind fünf in einem Krankenhaus in Nijmegen tätige Fachärzte. Sie bestreiten nicht ihre Verpflichtung, sich dem Fachärzte-Fonds bis Ende 1995 anzuschließen.

43 Danach sind sie ihrer Ansicht nach gemäß Artikel 1 Absatz 2 der Rentenordnung des Fachärzte-Fonds von der Mitgliedschaft im Fonds freizustellen. Seit dem 1. Januar 1996 übten sie ihren Beruf als Angestellte aus und seien deshalb im Bedrijfspensioenfonds voor de Gezondheid, Geestelijke en Maatschappelijke Belangen (Betriebsrentenfonds für die Gesundheit, psychische und soziale Belange) pflichtversichert. Folglich stellten sie ihre Beitragszahlungen an den Fachärzte-Fonds ein.

44 Der Fachärzte-Fonds, der bestreitet, dass sie als Angestellte aufgrund eines Arbeitsvertrags tätig sind, richtete Zahlungsbescheide über die rückständigen Beiträge an sie.

45 Die Kläger der Ausgangsverfahren legten beim Kantongerecht Nijmegen Widersprüche gegen diese Bescheide ein. Dieses entschied mit Zwischenurteilen vom 13. Februar 1998, dass die Kläger der Ausgangsverfahren in Anbetracht der Art ihrer Vertragsbeziehungen mit dem Krankenhaus die in Artikel 1 Absatz 2 der Rentenordnung des Fachärzte-Fonds vorgesehene Freistellung nicht beanspruchen könnten.

46 Während des Verfahrens brachten die Kläger der Ausgangsverfahren vor, dass die Pflichtmitgliedschaft gegen verschiedene Bestimmungen des EG-Vertrags verstoße.

47 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Hoge Raad der Nederlanden dem Gerichtshof mit Urteil vom 22. Oktober 1993 bereits die Frage der Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentenfonds mit dem Gemeinschaftsrecht vorgelegt habe, dass letzterer sie jedoch im Urteil vom 14. Dezember 1995 in den Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (Van Schijndel und Van Veen, Slg. 1995, I-4705) nicht beantwortet habe.

48 Daher hat das Kantongerecht Nijmegen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist vor dem Hintergrund des... Zweckes der Wet betreffende verplichte deelneming in een beroepspensioenregeling [WVD] ein Berufsrentenfonds, bei dem aufgrund und gemäß der [WVD] die Pflichtmitgliedschaft für alle oder eine oder mehrere bestimmte Gruppen von Angehörigen des Berufsstands mit den nach diesem Gesetz daran geknüpften... Rechtsfolgen vorgeschrieben worden ist, als Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 oder 90 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft anzusehen?

2. Falls ja, ist dann das Vorschreiben der Pflichtmitgliedschaft in dem... Berufsrentensystem für Fachärzte eine von einem Mitgliedstaat getroffene Maßnahme, die die praktische Wirksamkeit der für Unternehmen geltenden Wettbewerbsregeln beseitigt, oder ist dies nur unter bestimmten Umständen der Fall, und wenn ja, unter welchen?

3. Falls die letzte Frage zu verneinen ist, können dann sonstige Umstände dazu führen, dass die Pflichtmitgliedschaft mit Artikel 90 des Vertrages unvereinbar ist, und wenn ja, welche?

49 Mit Beschluss vom 17. Juni 1998 hat der Präsident des Gerichtshofes die Rechtssachen C-180/98 bis C-184/98 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Zur Zulässigkeit

50 Die griechische Regierung bezweifelt wegen des Fehlens einer hinreichend genauen Darstellung des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens der Ausgangsrechtsstreitigkeiten in den Vorlagebeschlüssen die Zulässigkeit der Vorlagefragen. Sie macht geltend, sie könne insbesondere angesichts der Vielschichtigkeit der im Wettbewerbsrecht relevanten rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte mangels einer Erläuterung der rechtlichen und wirtschaftlichen Funktionsweise des in den Ausgangsverfahren fraglichen Zusatzrentensystems durch das vorlegende Gericht nicht sachdienlich zu den genannten Fragen Stellung nehmen.

51 Nach ständiger Rechtsprechung macht die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht nützlichen Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu gelangen, es erforderlich, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die von ihm gestellten Fragen einfügen, festlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen. Dies gilt insbesondere in bestimmten Bereichen, wie dem des Wettbewerbs, die durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet sind (siehe u. a. Urteile vom 26. Januar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-320/90 bis C-322/90, Telemarsicabruzzo u. a., Slg. 1993, I-393, Randnrn. 6 und 7, vom 14. Juli 1998 in der Rechtssache C-284/95, Safety Hi-Tech, Slg. 1998, I-4301, Randnrn. 69 und 70, und in der Rechtssache C-341/95, Bettati, Slg. 1998, I-4355, Randnrn. 67 und 68, sowie vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-67/96, Albany, Slg. 1999, I-5751, Randnr. 39, und in den verbundenen Rechtssachen C-115/97 bis C-117/97, Brentjens', Slg. 1999, I-6025, Randnr. 38).

52 Die Angaben in den Vorlageentscheidungen sollen dem Gerichtshof nicht nur sachdienliche Antworten ermöglichen, sondern auch den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten die Möglichkeit geben, gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes Erklärungen abzugeben. Der Gerichtshof hat darauf zu achten, dass diese Möglichkeit gewahrt wird; dabei ist zu berücksichtigen, dass den Beteiligten nach dieser Vorschrift nur die Vorlageentscheidungen zugestellt werden (siehe u. a. Beschlüsse vom 30. April 1998 in den verbundenen Rechtssachen C-128/97 und C-137/97, Testa und Modesti, Slg. 1998, I-2181, Randnr. 6, und vom 11. Mai 1999 in der Rechtssache C-325/98, Anssens, Slg. 1999, I-2969, Randnr. 8, sowie Urteile Albany, Randnr. 40, und Brentjens', Randnr. 39).

53 Hierzu ergibt sich aus den von den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes eingereichten Erklärungen sowie aus den Erklärungen, die von der griechischen Regierung selbst für den Fall eingereicht worden sind, dass der Gerichtshof die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen für zulässig erklärt, dass die in den Vorlagebeschlüssen enthaltenen Angaben es ihnen erlaubt haben, zu den dem Gerichtshof vorgelegten Fragen sachdienlich Stellung zu nehmen.

54 Selbst wenn die griechische Regierung sich im vorliegenden Fall nicht in der Lage gesehen haben mag, anhand der Informationen des vorlegenden Gerichts zu einigen Gesichtspunkten der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen Stellung zu nehmen, ist ferner zu unterstreichen, dass diese Informationen durch Angaben ergänzt worden sind, die aus den von dem nationalen Gericht übermittelten Akten, den schriftlichen Erklärungen und den Antworten auf die Fragen des Gerichtshofes hervorgehen. Alle diese im Sitzungsbericht wiedergegebenen Angaben sind den Regierungen der Mitgliedstaaten und den anderen Beteiligten im Hinblick auf die mündliche Verhandlung, in der sie gegebenenfalls ihre Erklärungen ergänzen konnten, zur Kenntnis gebracht worden (vgl. Urteile Albany, Randnr. 43, und Brentjens', Randnr. 42).

55 Daher ist festzustellen, dass die Angaben des vorlegenden Gerichts, soweit erforderlich ergänzt durch die vorstehend genannten Angaben, dem Gerichtshof eine ausreichende Kenntnis des tatsächlichen und rechtlichen Rahmens der Ausgangsrechtsstreitigkeiten vermitteln, so dass er die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft in Bezug auf den Sachverhalt, der Gegenstand dieser Rechtsstreitigkeiten ist, auslegen kann.

56 Die vorgelegten Fragen sind folglich zulässig.

Zur zweiten Frage

57 Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG und 81 EG) der Entscheidung des Staates entgegenstehen, auf Antrag einer Standesvertretung eines freien Berufes die Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentenfonds vorzuschreiben.

58 Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob die Entscheidung einer Standesvertretung eines freien Berufes, für die Angehörigen dieses Berufes einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des betreffenden Berufes in diesem Fonds vorzuschreiben, gegen Artikel 85 EG-Vertrag verstößt.

59 Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag verbietet alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken. Die Wichtigkeit dieser Regel hat die Verfasser des EG-Vertrags dazu veranlasst, in Artikel 85 Absatz 2 ausdrücklich vorzusehen, dass die nach dieser Vorschrift verbotenen Vereinbarungen oder Beschlüsse nichtig sind.

60 Der Gerichtshof hat im Urteil Brentjens' und im Urteil vom 21. September 1999 in der Rechtssache C-219/97 (Drijvende Bokken, Slg. 1999, I-6121) entschieden, dass der von den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eines bestimmten Wirtschaftszweigs im Rahmen eines Tarifvertrags gefasste Beschluss, in diesem Wirtschaftszweig einen einzigen Rentenfonds einzurichten, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs vorzuschreiben, nicht unter Artikel 85 EG-Vertrag fällt.

61 Der Fachärzte-Fonds, die niederländische Regierung und hilfsweise auch die Kommission machen geltend, es gebe keinen entscheidenden Unterschied zwischen den in den Urteilen Albany, Brentjens' und Drijvende Bokken fraglichen nationalen Regelungen für Betriebsrentensysteme und der in den Ausgangsverfahren streitigen Regelung für Berufsrentensysteme. Die Gründe, aus denen der Gerichtshof in den genannten Urteilen entschieden habe, dass der Beschluss von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, einen Betriebsrentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds vorzuschreiben, nicht unter Artikel 85 EG-Vertrag falle, führten dazu, dass eine ähnliche Entscheidung, die wie hier von den Angehörigen eines freien Berufes - wenn auch nur im Rahmen eines Tarifvertrags - getroffen worden sei, genauso wenig unter Artikel 85 EG-Vertrag falle.

62 Nach Ansicht des Fachärzte-Fonds, der niederländischen Regierung und der Kommission gelten die Gründe der genannten Urteile in mehreren Punkten auch für die Ausgangsverfahren.

63 Erstens sei die Errichtung eines für alle Angehörigen eines freien Berufes verbindlichen Zusatzrentensystems vereinbar mit Artikel 3 Buchstaben g und i EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 3 Absatz 1 Buchstaben g und j EG), wonach die Tätigkeit der Gemeinschaft nicht nur ein "System, das den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verfälschungen schützt", umfasse, sondern auch "eine Sozialpolitik", und mit Artikel 2 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 2 EG), wonach es u. a. Aufgabe der Gemeinschaft sei, "eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens", "ein hohes Beschäftigungsniveau" und "ein hohes Maß an sozialem Schutz" zu fördern.

64 Zweitens sei das hier fragliche Berufszusatzsrentensystem im Anschluss an Kollektivverhandlungen und auf Antrag der Standesvertretung des betreffenden Berufes errichtet worden.

65 Drittens verfolge der Beschluss einer Standesvertretung eines bestimmten Berufes, ein solches Zusatzrentensystem zu errichten und zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem System vorzuschreiben, dasselbe soziale Ziel wie die in den Urteilen Albany, Brentjens' und Drijvende Bokken fraglichen Vereinbarungen, nämlich, allen Angehörigen eines Berufes ein bestimmtes Rentenniveau zu garantieren.

66 Die Bedeutung der den Zusatzrenten zugewiesenen sozialen Funktion sei jüngst dadurch anerkannt worden, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Richtlinie 98/49/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 209, S. 46), erlassen habe, die nicht zwischen Renten von Arbeitnehmern und solchen von Selbständigen unterscheide.

67 In den Urteilen Albany (Randnr. 64), Brentjens' (Randnr. 61) und Drijvende Bokken (Randnr. 51) hat der Gerichtshof entschieden, dass die im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen den Sozialpartnern zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen geschlossenen Verträge aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht unter Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag fallen.

68 Dieser Ausschluss vom Anwendungsbereich des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag kann nicht auf eine Vereinbarung wie die in den Ausgangsverfahren streitige erstreckt werden, die zwar allen Angehörigen eines Berufes ein bestimmtes Rentenniveau garantieren und daher eine ihrer Arbeitsbedingungen, nämlich ihre Bezüge, verbessern soll, aber nicht im Rahmen von Tarifverhandlungen zwischen Sozialpartnern geschlossen wurde.

69 Der Vertrag enthält keine den Artikeln 118 und 118b EG-Vertrag (die Artikel 117 bis 120 EG-Vertrag sind durch die Artikel 136 EG bis 143 EG ersetzt worden) oder den Artikeln 1 und 4 des Abkommens über die Sozialpolitik (ABl. 1992, C 191, S. 91) entsprechende Bestimmung, nach der die Angehörigen freier Berufe aufgerufen wären, Kollektivvereinbarungen zur Verbesserung der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zu schließen, und die vorsähe, dass solche Vereinbarungen auf Antrag der Angehörigen dieser Berufe vom Staat für sie alle für verbindlich erklärt würden.

70 Vor diesem Hintergrund ist Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag dahin auszulegen, dass die Entscheidung der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des betreffenden Berufes in diesem Fonds vorzuschreiben, aufgrund ihrer Art und ihres Gegenstands nicht vom Anwendungsbereich dieser Bestimmung ausgenommen ist.

71 Daher ist zu prüfen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des Artikels 85 Absatz 1 EG-Vertrag erfuellt sind, und zwar erstens, ob die Standesvertretung, um die es in den Ausgangsverfahren geht, die LSV, eine Unternehmensvereinigung ist.

72 Dazu ist festzustellen, dass die LSV zu dem Zeitpunkt, als sie beim Staat beantragte, die Pflichtmitgliedschaft im Fachärzte-Fonds vorzuschreiben, allein aus selbständigen Fachärzten bestand.

73 Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob diese Fachärzte Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag sind.

74 Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff des Unternehmens im Rahmen des Wettbewerbsrechts jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung (siehe u. a. Urteile vom 23. April 1991 in der Rechtssache C-41/90, Höfner und Elser, Slg. 1991, I-1979, Randnr. 21, vom 17. Februar 1993 in den verbundenen Rechtssachen C-159/91 und C-160/91, Poucet und Pistre, Slg. 1993, I-637, Randnr. 17, vom 16. November 1995 in der Rechtssache C-244/94, Fédération française des sociétés d'assurance u. a., Slg. 1995, I-4013, Randnr. 14, sowie Urteile Albany, Randnr. 77, Brentjens', Randnr. 77, und Drijvende Bokken, Randnr. 67).

75 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (Urteile vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 118/85, Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599, Randnr. 7, und vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96, Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 36).

76 In den Ausgangsverfahren erbringen die der LSV angeschlossenen Fachärzte als selbständige Wirtschaftsteilnehmer Dienstleistungen auf einem Markt, nämlich dem der fachärztlichen Dienstleistungen. Sie erhalten von ihren Patienten ein Entgelt für die erbrachten Dienstleistungen und übernehmen die mit der Ausübung ihrer Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken.

77 Die der LSV angeschlossenen selbständigen Fachärzte üben somit eine wirtschaftliche Tätigkeit aus und sind daher Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag; an diesem Ergebnis können auch die Komplexität und der technische Charakter ihrer Dienstleistungen sowie der Umstand, dass ihre Berufsausübung Regeln unterliegt, nichts ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien, Randnrn. 37 und 38).

78 Die Kommission macht jedoch geltend, dass die Fachärzte nicht als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft aufträten, wenn sie Beiträge zu ihrem eigenen Zusatzrentensystem leisteten. Ein Facharzt, der eine Zusatzrente für sich selbst aufbaue, handle als Endverbraucher, und die Entscheidung, die er in diesem Rahmen treffe, habe nichts mit dem Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln zu tun. Eine solche Entscheidung könne mit einer Anlageentscheidung auf den Finanzmärkten oder mit einer Kaufentscheidung über eine Ferienwohnung gleichgestellt werden.

79 Dazu ist zu sagen, dass der Umstand, dass ein selbständiger Facharzt Beiträge zu einem Berufszusatzrentensystem entrichtet, eng an die Ausübung seiner Berufstätigkeit geknüpft ist. Die Mitgliedschaft eines Facharztes in einem solchen System wird durch die Berufsausübung begründet. Das hier fragliche Berufszusatzrentensystem, das für alle Fachärzte gilt, ermöglicht ihnen, einen Teil ihrer Einkünfte aus der Berufstätigkeit aufzuwenden, um sich und unter bestimmten Voraussetzungen ihren hinterbliebenen Ehegatten und Kindern ein bestimmtes Einkommensniveau nach Beendigung ihrer Berufstätigkeit zu sichern.

80 Die Beitragszahlung eines selbständigen Facharztes an dieses Berufszusatzrentensystem ist umso mehr an die Ausübung seiner Berufstätigkeit geknüpft, als dieses System durch einen gesteigerten Grad an Solidarität unter allen Ärzten gekennzeichnet ist, was sich u. a. darin äußert, dass die Beiträge nicht vom jeweiligen Risiko abhängen, dass alle Fachärzte ohne vorherige ärztliche Untersuchung aufgenommen werden müssen, dass die Beitragszahlungen für den weiteren Rentenaufbau bei Invalidität übernommen werden, dass Versicherten, die den Beruf bereits vor Inkrafttreten der Regelung ausgeübt haben, rückwirkende Rentenansprüche verliehen werden und dass die Renten indexgebunden sind, um ihren Wert zu erhalten.

81 Vor diesem Hintergrund handeln die Fachärzte nicht als Endverbraucher, wenn sie zu ihrem eigenen Zusatzrentensystem beitragen.

82 Folglich handelten die Fachärzte bei ihrer in der LSV getroffenen Entscheidung, gemeinsam zu einem einzigen Berufsrentenfonds beizutragen, als Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag.

83 Deshalb ist zu prüfen, ob die LSV als eine Unternehmensvereinigung im Sinne dieser Bestimmungen zu gelten hat.

84 Der Fachärzte-Fonds macht geltend, dass es im Verhältnis zu anderen Berufsverbänden, wie der niederländischen Rechtsanwaltskammer, die juristische Personen des öffentlichen Rechts seien und als solche Regelungsbefugnisse besäßen, diskriminierend sei, die LSV als Unternehmensvereinigung einzustufen.

85 Hierzu genügt der Hinweis, dass es der Anwendung von Artikel 85 EG-Vertrag nicht entgegensteht, dass ein Berufsverband eine öffentlich-rechtliche Einrichtung ist. Nach ihrem Wortlaut gilt diese Bestimmung für Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen. Daher ist der rechtliche Rahmen, in dem ein Beschluss einer Vereinigung gefasst wird, für die Anwendbarkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft, insbesondere des Artikels 85 EG-Vertrag, ebensowenig erheblich wie die rechtliche Einordnung dieses Rahmens durch die nationale Rechtsordnung (Urteile vom 30. Januar 1985 in der Rechtssache 123/83, Clair, Slg. 1985, 391, Randnr. 17, und vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien, Randnr. 40).

86 Außerdem kann die LSV entgegen dem Vorbringen des Fachärzte-Fonds auch nicht deshalb vom Anwendungsbereich des Artikels 85 EG-Vertrag ausgenommen sein, weil sie im Wesentlichen die Aufgabe hat, im Rahmen von Verhandlungen mit den Behörden über die Kosten des Gesundheitswesens für die Interessen der Fachärzte, insbesondere im Bereich ihrer Einkommen, zu denen die Zusatzrenten gehören, einzutreten.

87 Zwar ist es möglich, dass eine Entscheidung einer Einrichtung, die in einem bestimmten Bereich Regelungsbefugnisse besitzt, nicht unter Artikel 85 EG-Vertrag fällt, wenn diese Einrichtung überwiegend aus Vertretern der öffentlichen Gewalt besteht und bei der Entscheidung eine Reihe von Kriterien des Gemeinwohls beachtet (Urteile vom 5. Oktober 1995 in der Rechtssache C-96/94, Centro Servizi Spediporto, Slg. 1995, I-2883, Randnrn. 23 bis 25, und vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien, Randnrn. 41 bis 44).

88 Dies ist jedoch in den Ausgangsverfahren nicht der Fall. Denn zu dem Zeitpunkt als die LSV beschloss, den Fachärzte-Fonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft in diesem Fonds vorzuschreiben, bestand sie allein aus selbständigen Fachärzten, deren wirtschaftliche Interessen sie vertrat.

89 Die LSV ist somit als Unternehmensvereinigung im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag anzusehen.

90 Daher ist zweitens zu prüfen, ob die Entscheidung der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des betreffenden Berufes in diesem Fonds vorzuschreiben, eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezweckt oder bewirkt.

91 Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Kriterien für die Anwendung von Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag auf einen konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zusammenhangs, in dem die Unternehmen tätig sind, der von deren Entscheidungen erfassten Erzeugnisse und Dienstleistungen sowie der Struktur des betreffenden Marktes und der auf diesem bestehenden tatsächlichen Bedingungen bestimmt werden (Urteil vom 12. Dezember 1995 in der Rechtssache C-399/93, Oude Luttikhuis u. a., Slg. 1995, I-4515, Randnr. 10).

92 Die hier in Rede stehende Entscheidung bedeutet, dass alle Angehörigen eines freien Berufes ihre Zusatzrente mit Ausnahme der Regelrente, die bei einem vorschriftsgemäß zugelassenen Versicherungsunternehmen nach Wahl versichert werden kann, zu denselben Bedingungen und bei einer einzigen Einrichtung erwerben.

93 Folglich schränkt eine solche Entscheidung, die die Kosten und Leistungen der Zusatzrenten für Fachärzte teilweise angleicht, den Wettbewerb in Bezug auf einen Kostenfaktor der fachärztlichen Dienstleistungen ein. Denn sie bewirkt, dass die genannten Ärzte nicht miteinander in Wettbewerb treten, um sich für diesen Teil ihrer Rente kostengünstiger zu versichern.

94 Allerdings sind, wie der Generalanwalt in den Nummern 138 bis 143 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die einschränkenden Wirkungen einer solchen Entscheidung auf dem Markt der fachärztlichen Dienstleistungen begrenzt.

95 Denn die streitige Entscheidung erzeugt einschränkende Wirkungen nur in Bezug auf einen einzigen Kostenfaktor der von den selbständigen Fachärzten angebotenen Dienstleistungen, nämlich das Zusatzrentensystem, das verglichen mit anderen Faktoren wie den Arzthonoraren oder den Preisen für medizinische Geräte von geringer Bedeutung ist. Die Kosten des Zusatzrentensystems haben nur marginalen und mittelbaren Einfluss auf die Endkosten der von den selbständigen Fachärzten angebotenen Dienstleistungen.

96 Zudem ermöglicht der Betrieb eines von einem einzigen Fonds verwalteten Zusatzrentensystems den selbständigen Fachärzten, die versicherten Risiken zu verteilen und dabei größenbedingte Kostenvorteile bei der Beitragsverwaltung und der Rentenzahlung sowie bei der Kapitalanlage zu realisieren.

97 Daraus folgt, dass die Entscheidung der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten, den Wettbewerb innerhalb des Gemeinsamen Marktes nicht spürbar einschränkt.

98 Was den von einer Standesvertretung eines freien Berufes beim Staat gestellten Antrag betrifft, die Pflichtmitgliedschaft in dem von ihr eingerichteten Berufsrentenfonds vorzuschreiben, so fügt sich ein solcher Antrag in den Rahmen eines unter die Ausübung der Regelungsbefugnis im Sozialbereich fallenden Systems ein, wie es auch in mehreren nationalen Rechtssystemen besteht. Ein solches System soll den Aufbau von zum zweiten Pfeiler gehörenden Zusatzrenten fördern und enthält eine Reihe von Schutzvorkehrungen, für deren Beachtung der Minister zu sorgen hat, so dass der Antrag der Angehörigen eines freien Berufes keinen Verstoß gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag darstellen kann.

99 Unter diesen Umständen verstößt die Entscheidung der Angehörigen eines freien Berufes, einen mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauten Rentenfonds einzurichten und beim Staat zu beantragen, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des betreffenden Berufes in diesem Fonds vorzuschreiben, nicht gegen Artikel 85 Absatz 1 EG-Vertrag.

100 Aus denselben Gründen verstößt daher auch die Entscheidung des betroffenen Mitgliedstaats, die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des Berufes in einem solchen Fonds vorzuschreiben, nicht gegen die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag.

101 Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag nicht der Entscheidung des Staates entgegenstehen, auf Antrag einer Standesvertretung eines freien Berufes die Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentenfonds vorzuschreiben.

Zur ersten Frage

102 Die erste Frage des vorlegenden Gerichts, die an zweiter Stelle zu prüfen ist, geht dahin, ob ein mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds, den eine Standesvertretung eines freien Berufes eingerichtet hat und in dem die Pflichtmitgliedschaft vom Staat für alle Angehörigen des betreffenden Berufes vorgeschrieben worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag ist.

103 Nach Auffassung des Fachärzte-Fonds und der Regierungen, die Erklärungen nach Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes eingereicht haben, stellt ein solcher Fonds kein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag dar. Hierzu verweisen sie auf die einzelnen Merkmale des Berufsrentenfonds und des von ihm verwalteten Zusatzrentensystems.

104 Erstens habe die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen eines freien Berufes in einem Zusatzrentensystem oder zumindest in dessen wichtigstem Teil in dem in den Niederlanden bestehenden Rentensystem wegen der äußerst geringen Höhe der auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns berechneten gesetzlichen Rente eine wesentliche soziale Funktion. Wenn ein Zusatzrentensystem von den Angehörigen eines freien Berufes geschaffen und die Pflichtmitgliedschaft in diesem System vom Staat vorgeschrieben worden sei, stelle es einen Bestandteil des niederländischen Systems der sozialen Sicherheit dar, und der mit seiner Verwaltung betraute Berufsrentenfonds wirke an der Verwaltung des staatlichen Systems der sozialen Sicherheit mit.

105 Zweitens habe der Berufsrentenfonds keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Verwaltungskosten eines solchen Fonds seien niedriger als die von Lebensversicherungsunternehmen, und die von ihm erzielten Gewinne würden in Form höherer Rentenansprüche an die Versicherten weitergegeben. Der Berufsverband, auf dessen Veranlassung ein solcher Fonds eingerichtet worden sei, übe eine unmittelbare Kontrolle über die Durchführung des Rentensystems aus, indem er die Mitglieder der Verwaltungsorgane des Fonds ernenne und abberufe. Außerdem stehe dessen Verwaltung unter staatlicher Aufsicht, hier unter der Aufsicht der Versicherungskammer.

106 Drittens arbeite der Berufsrentenfonds nach dem Grundsatz der Solidarität. Diese Solidarität äußere sich darin, dass alle Angehörigen des betreffenden Berufes ohne vorherige ärztliche Untersuchung aufgenommen werden müssten, dass die Beitragszahlungen für den weiteren Rentenaufbau bei Invalidität übernommen würden, dass Versicherten, die den Beruf bereits vor Inkrafttreten der Regelung ausgeübt hätten, rückwirkende Rentenansprüche verliehen würden und dass die Renten indexgebunden seien, um ihren Wert zu erhalten. Der Grundsatz der Solidarität komme auch dadurch zum Ausdruck, dass die Höhe der vom Fonds erhobenen Beiträge nicht davon abhänge, in welchem Alter der Versicherte mit der Berufsausübung begonnen und in welchem Gesundheitszustand er sich bei seinem Eintritt befunden habe. Eine solche Solidarität mache die Pflichtmitgliedschaft aller Angehörigen des Berufsstands im Zusatzrentensystem unabdingbar. Andernfalls hätte das Fehlen der "guten" Risiken eine negative Kettenreaktion zur Folge, die das finanzielle Gleichgewicht des Systems gefährden würde.

107 Nach alledem sind der Fachärzte-Fonds und die am Verfahren beteiligten Regierungen der Auffassung, dass der Fachärzte-Fonds eine mit der Verwaltung eines Systems der sozialen Sicherheit betraute Einrichtung darstelle, wie es die Einrichtungen gewesen seien, um die es im Urteil Poucet und Pistre gegangen sei, und im Gegensatz zu der im Urteil Fédération française des sociétés d'assurance u. a. betroffenen Einrichtung, die als ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag angesehen worden sei.

108 Wie in Randnummer 74 ausgeführt, hat der Gerichtshof im Rahmen des gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts entschieden, dass der Begriff des Unternehmens jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung umfasst.

109 In Randnummer 19 des Urteils Poucet und Pistre hat der Gerichtshof weiter entschieden, dass Einrichtungen, die obligatorische, auf dem Grundsatz der Solidarität beruhende Systeme der sozialen Sicherheit verwalten, nicht unter den Begriff des Unternehmens fallen. In dem dort geprüften Versicherungssystem für Krankheit und Mutterschaft waren die Leistungen für alle Empfänger gleich, während sich die Beiträge nach dem Einkommen richteten; im Altersrentenversicherungssystem wurden die Renten von den erwerbstätigen Arbeitnehmern finanziert; die Rentenansprüche waren zudem gesetzlich festgelegt und richteten sich nicht nach den Beiträgen zur Rentenversicherung. Soweit die Systeme schließlich Überschüsse erwirtschafteten, trugen sie zur Finanzierung der Systeme mit strukturellen finanziellen Schwierigkeiten bei. Diese Solidarität hatte zur notwendigen Voraussetzung, dass die verschiedenen Versicherungssysteme von einem einzigen Träger verwaltet wurden und eine Pflichtmitgliedschaft bestand.

110 Dagegen hat der Gerichtshof im Urteil Fédération française des sociétés d'assurance u. a. entschieden, dass eine Einrichtung ohne Gewinnerzielungsabsicht, die ein zur Ergänzung einer Grundpflichtversicherung durch Gesetz geschaffenes, auf Freiwilligkeit beruhendes Altersrentenversicherungssystem verwaltet, das nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag ist. Aus der freiwilligen Mitgliedschaft, der Anwendung des Kapitalisierungsprinzips und dem Umstand, dass die Leistungen sich ausschließlich nach der Höhe der von den Leistungsempfängern gezahlten Beiträge und den Erträgen der vom Versicherungsträger vorgenommenen Investitionen richteten, ergab sich, dass diese Einrichtung eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit Lebensversicherungsunternehmen ausübte. Weder die Verfolgung eines sozialen Zwecks noch das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht, noch die Anforderungen der Solidarität, noch die sonstigen Regelungen, die u. a. die Beschränkungen betrafen, denen der Versicherungsträger bei der Durchführung seiner Investitionen unterlag, nahmen der von ihm ausgeübten Tätigkeit ihren wirtschaftlichen Charakter.

111 Gestützt auf das Urteil Fédération française des sociétés d'assurance u. a. hat der Gerichtshof in den Urteilen Albany, Brentjens' und Drijvende Bokken entschieden, dass ein Rentenfonds, der mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betraut ist, das durch einen Tarifvertrag zwischen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eines bestimmten Wirtschaftszweigs geschaffen worden ist, und in dem die Pflichtmitgliedschaft für alle Arbeitnehmer dieses Wirtschaftszweigs durch den Staat vorgeschrieben worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 ff. EG-Vertrag ist.

112 Zu diesem Ergebnis führte den Gerichtshof die Feststellung, dass die dort in Rede stehenden Betriebsrentenfonds die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst bestimmten und nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeiteten und dass daher anders als bei den Leistungen, die von den mit der Verwaltung von obligatorischen Systemen der sozialen Sicherheit betrauten Einrichtungen gewährt werden, auf die sich das Urteil Poucet und Pistre bezieht, die Höhe der von den betreffenden Fonds gewährten Leistungen von den Erträgen der von ihnen getätigten Anlagen abhing, bei denen sie wie ein Versicherungsunternehmen der Aufsicht der Versicherungskammer unterlagen. Außerdem ergab sich aus dem Umstand, dass die Betriebsrentenfonds unter bestimmten Voraussetzungen die Pflicht oder die Möglichkeit hatten, Unternehmen von der Mitgliedschaft freizustellen, dass sie eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsunternehmen ausübten (siehe Urteile Albany, Randnrn. 81 bis 84, Brentjens', Randnrn. 81 bis 84, und Drijvende Bokken, Randnrn. 71 bis 74).

113 Dies ist auch bei dem in den Ausgangsverfahren fraglichen Berufsrentenfonds der Fall.

114 Denn der Fachärzte-Fonds bestimmt die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst und arbeitet nach dem Kapitalisierungsprinzip. Daher hängt die Höhe der von ihm gewährten Leistungen von den Erträgen der von ihm getätigten Anlagen ab, bei denen er wie ein Versicherungsunternehmen der Aufsicht der Versicherungskammer unterliegt.

115 Aus diesen Merkmalen, zu denen noch hinzukommt, dass die Fachärzte wählen können, ob sie ihre Regelrente beim Fachärzte-Fonds oder bei einem vorschriftsgemäß zugelassenen Versicherungsunternehmen aufbauen, und dass der Fachärzte-Fonds bestimmte Gruppen von Fachärzten im Hinblick auf die anderen Bestandteile des Rentensystems von der Mitgliedschaft freistellen kann, folgt, dass der Fachärzte-Fonds eine wirtschaftliche Tätigkeit im Wettbewerb mit den Versicherungsunternehmen ausübt.

116 Eine Einrichtung wie der Fachärzte-Fonds ist folglich ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag.

117 Das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht und die Solidaritätsgesichtspunkte, auf die sich der Fachärzte-Fonds und die am Verfahren beteiligten Regierungen berufen, genügen nicht, um dem Fachärzte-Fonds die Eigenschaft eines Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln des EG-Vertrags zu nehmen (siehe Urteile Albany, Randnr. 85, Brentjens', Randnr. 85, und Drijvende Bokken, Randnr. 75).

118 Gewiss können die Verfolgung eines sozialen Zwecks, die genannten Solidaritätsgesichtspunkte und die Beschränkungen oder Kontrollen in Bezug auf Investitionen des Fachärzte-Fonds die von diesem erbrachte Dienstleistung weniger wettbewerbsfähig als die vergleichbare von Versicherungsunternehmen erbrachte Dienstleistung machen. Zwar hindern derartige Zwänge nicht daran, die vom Fachärzte-Fonds ausgeübte Tätigkeit als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen, sie könnten aber das ausschließliche Recht einer solchen Einrichtung zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems rechtfertigen (siehe Urteile Albany, Randnr. 86, Brentjens', Randnr. 86, und Drijvende Bokken, Randnr. 76).

119 Auf die erste Frage ist daher zu antworten, dass ein von einer Standesvertretung eines freien Berufes eingerichteter, mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds wie der in den Ausgangsverfahren fragliche, der die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst bestimmt und nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet und in dem die Pflichtmitgliedschaft vom Staat für alle Angehörigen des betreffenden Berufes vorgeschrieben worden ist, ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag ist.

Zur dritten Frage

120 Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag es dem Staat verwehren, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems für die Angehörigen eines freien Berufes zu gewähren.

121 Aus der Antwort auf die erste Frage ergibt sich, dass der Fachärzte-Fonds hinsichtlich des Aufbaus der Regelrente ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85, 86 und 90 EG-Vertrag ist und im Wettbewerb mit Versicherungsunternehmen steht. Für diesen Teil des Zusatzrentensystems besitzt der Fachärzte-Fonds daher kein ausschließliches Recht im Sinne des Artikels 90 Absatz 1 EG-Vertrag.

122 Dagegen impliziert die Entscheidung des Staates, die Pflichtmitgliedschaft im Fachärzte-Fonds hinsichtlich des zweiten Teils des Rentensystems vorzuschreiben, der den Indexierungsmechanismus, die rückwirkenden Rentenansprüche, den fortlaufenden Aufbau der Rente bei Invalidität und die ergänzenden Versicherungsleistungen für Hinterbliebene umfasst, notwendigerweise, dass dem Fachärzte-Fonds das ausschließliche Recht gewährt wird, die zur Begründung der genannten Ansprüche entrichteten Beiträge zu erheben und zu verwalten. Ein solcher Fonds ist daher als ein Unternehmen, dem der Staat ausschließliche Rechte gewährt hat, im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag anzusehen.

123 Daher ist zu prüfen, ob der Fachärzte-Fonds eine beherrschende Stellung auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes innehat.

124 Nach Ansicht des Fachärzte-Fonds und der niederländischen Regierung nimmt der Fachärzte-Fonds keine beherrschende Stellung im Sinne des Artikels 86 EG-Vertrag ein. Der Markt für Zusatzrenten für in den Niederlanden niedergelassene selbständige Fachärzte stelle keinen gegenüber dem Gesamtmarkt für Zusatzrenten in diesem Mitgliedstaat eigenständigen Dienstleistungsmarkt dar.

125 Hierzu genügt die Feststellung, dass, wie die Kommission zu Recht bemerkt, die Gewährung des ausschließlichen Rechts für den Fachärzte-Fonds, den zweiten Teil des Berufszusatzrentensystems für in den Niederlanden niedergelassene Fachärzte zu verwalten, bewirkt, dass diese nicht die Möglichkeit haben, sich für diesen Teil ihres Rentensystems bei einem anderen Versicherer zu versichern.

126 Der Fachärzte-Fonds hat deshalb ein gesetzliches Monopol für bestimmte Versicherungsleistungen in einem Berufszweig eines Mitgliedstaats und daher auf einem wesentlichen Teil des Gemeinsamen Marktes. Er besitzt deshalb eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 86 EG-Vertrag (siehe Urteile vom 10. Dezember 1991 in der Rechtssache C-179/90, Merci convenzionali porto di Genova, Slg. 1991, I-5889, Randnr. 14, und vom 13. Dezember 1991 in der Rechtssache C-18/88, GB-Inno-BM, Slg. 1991, I-5491, Randnr. 17).

127 Allerdings ist allein die Schaffung einer beherrschenden Stellung durch die Gewährung ausschließlicher Rechte im Sinne von Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag als solche noch nicht mit Artikel 86 EG-Vertrag unvereinbar. Ein Mitgliedstaat verstößt nur dann gegen die in diesen beiden Bestimmungen enthaltenen Verbote, wenn das betreffende Unternehmen durch die bloße Ausübung der ihm übertragenen ausschließlichen Rechte seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder wenn durch diese Rechte eine Lage geschaffen werden könnte, in der dieses Unternehmen einen solchen Missbrauch begeht (Urteil Höfner und Elser, Randnr. 29, Urteil vom 18. Juni 1991 in der Rechtssache C-260/89, ERT, Slg. 1991, I-2925, Randnr. 37, Urteil Merci convenzionali porto di Genova, Randnrn. 16 und 17, sowie Urteile vom 5. Oktober 1994 in der Rechtssache C-323/93, Centre d'insémination de la Crespelle, Slg. 1994, I-5077, Randnr. 18, und vom 12. Februar 1998 in der Rechtssache C-163/96, Raso u. a., Slg. 1998, I-533, Randnr. 27). Wie aus Randnummer 31 des Urteils Höfner und Elser hervorgeht, liegt ein solcher gegen Artikel 90 Absatz 1 EG-Vertrag verstoßender Missbrauch u. a. dann vor, wenn ein Mitgliedstaat einem Unternehmen ein ausschließliches Recht zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten gewährt und eine Situation schafft, in der dieses Unternehmen offenkundig nicht in der Lage ist, die Nachfrage auf dem Markt nach entsprechenden Leistungen zu befriedigen.

128 Es ist aber weder aus den vom nationalen Gericht übermittelten Akten noch aus den schriftlichen oder mündlichen Erklärungen des Fachärzte-Fonds, der am Verfahren beteiligten Regierungen oder der Kommission ersichtlich, dass der Fachärzte-Fonds durch die bloße Ausübung des ihm übertragenen ausschließlichen Rechts seine beherrschende Stellung missbräuchlich ausnutzt oder dass die von ihm angebotenen Rentenleistungen nicht den Bedürfnissen der Fachärzte entsprechen.

129 Zu beachten ist auch, dass die Kläger der Ausgangsverfahren nicht den Wunsch zum Ausdruck gebracht haben, ihre Zusatzrente bei einem Versicherungsunternehmen aufzubauen; sie behaupten, nicht unter den Fachärzte-Fonds zu fallen, sondern unter einen anderen Berufsrentenfonds, in dem ebenfalls die Pflichtmitgliedschaft vorgeschrieben wurde.

130 Auf die dritte Frage ist daher zu antworten, dass die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag es dem Staat nicht verwehren, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems für die Angehörigen eines freien Berufes zu gewähren.

Kostenentscheidung:

Kosten

131 Die Auslagen der niederländischen, der griechischen und der französischen Regierung sowie der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben haben, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

Tenor:

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Kantongerecht Nijmegen mit Beschlüssen vom 8. Mai 1998 vorgelegten Fragen für Recht erkannt:

1. Die Artikel 5 und 85 EG-Vertrag (jetzt Artikel 10 EG und 81 EG) stehen nicht der Entscheidung des Staates entgegen, auf Antrag einer Standesvertretung eines freien Berufes die Pflichtmitgliedschaft in einem Berufsrentenfonds vorzuschreiben.

2. Ein von einer Standesvertretung eines freien Berufes eingerichteter, mit der Verwaltung eines Zusatzrentensystems betrauter Rentenfonds wie der in den Ausgangsverfahren fragliche, der die Höhe der Beiträge und der Leistungen selbst bestimmt und nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet und in dem die Pflichtmitgliedschaft vom Staat für alle Angehörigen des betreffenden Berufes vorgeschrieben worden ist, ist ein Unternehmen im Sinne der Artikel 85 sowie 86 und 90 EG-Vertrag (jetzt Artikel 82 EG und Artikel 86 EG).

3. Die Artikel 86 und 90 EG-Vertrag verwehren es dem Staat nicht, einem Rentenfonds das ausschließliche Recht zur Verwaltung eines Zusatzrentensystems für die Angehörigen eines freien Berufes zu gewähren.

Ende der Entscheidung

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