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Beginn der Entscheidung

Gericht: Europäischer Gerichtshof
Urteil verkündet am 21.04.2005
Aktenzeichen: C-186/04
Rechtsgebiete: Richtlinie 90/313/EWG


Vorschriften:

Richtlinie 90/313/EWG Art. 3 Abs. 4
Richtlinie 90/313/EWG Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 21. April 2005. - Pierre Housieaux gegen Délégués du conseil de la Région de Bruxelles-Capitale. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Conseil d'État - Belgien. - Richtlinie 90/313/EWG - Freier Zugang zu Informationen über die Umwelt - Antrag auf Zugang zu Informationen - Begründungspflicht bei Ablehnung - Zwingende Frist - Schweigen einer Behörde während der Antwortfrist - Stillschweigende Ablehnung - Grundrecht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz. - Rechtssache C-186/04.

Parteien:

In der Rechtssache C-186/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Conseil d'État (Belgien) mit Entscheidung vom 1. April 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 22. April 2004, in dem Verfahren

Pierre Housieaux

gegen

Délégués du conseil de la Région de Bruxelles-Capitale,

Beteiligte:

Société de développement régional de Bruxelles (SDRB),

Batipont Immobilier SA (BPI),

Immomills Louis de Waele Development SA (ILDWD)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans sowie der Richterin R. Silva de Lapuerta und der Richter P. Kris, G. Arestis und J. Kluka (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 20. Januar 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

- von Pierre Housieaux, vertreten durch J. Sambon und P. Reyniers, avocats,

- der Délégués du conseil de la Région de Bruxelles-Capitale, vertreten durch P. Coenraets und C. Lepinois, avocats,

- der Société de développement régional de Bruxelles (SDRB), vertreten durch F. Krenc und P. Lambert, avocats,

- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch U. Wölker und F. Simonetti als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 27. Januar 2005

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe:

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Artikel 3 Absatz 4 und 4 der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt (ABl. L 158, S. 56).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Housieaux und dem Collège des délégués du conseil de la Région Bruxelles-Capitale (Kollegium der Beauftragten des Rates der Region Brüssel-Hauptstadt; im Folgenden: Collège) über eine Entscheidung dieses Collège hinsichtlich des Zugangs zu Dokumenten im Zusammenhang mit einem Vertrag über städtebauliche Maßnahmen.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsregelung

3. Artikel 3 Absatz 1 der Richtlinie 90/313 bestimmt:

Vorbehaltlich der Absätze 2, 3 und 4 gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die Behörden verpflichtet werden, allen natürlichen oder juristischen Personen auf Antrag ohne Nachweis eines Interesses Informationen über die Umwelt zur Verfügung zu stellen.

Die Mitgliedstaaten legen die praktischen Regeln fest, nach denen derartige Informationen tatsächlich zugänglich gemacht werden.

4. Artikel 3 Absätze 2 und 3 der Richtlinie zählt die Gründe auf, die die Ablehnung eines Informationsersuchens rechtfertigen können.

5. Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie lautet:

Eine Behörde erteilt dem Antragsteller so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten eine Antwort. Die Ablehnung eines Antrags auf Information ist zu begründen.

6. Artikel 4 der Richtlinie bestimmt:

Eine Person, die der Ansicht ist, dass ihr Informationsersuchen zu Unrecht abgelehnt oder nicht beachtet worden ist, oder die von einer Behörde eine unzulängliche Antwort erhalten hat, kann den Bescheid auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg gemäß der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsordnung anfechten.

Nationale Regelung

7. Mit Verordnung vom 29. August 1991 über den Zugang zu Informationen über die Umwelt in der Region Brüssel-Hauptstadt ( Moniteur belge vom 1. Oktober 1991, S. 21505, im Folgenden: Verordnung von 1991) wurden die einschlägigen Vorschriften der Richtlinie 90/313 in die Rechtsordnung dieser Region umgesetzt.

8. Artikel 7 der Verordnung von 1991 bestimmt:

Die Exekutive erstellt die Liste der Kategorien von Schriftstücken, in die die betreffenden Verwaltungen unmittelbar an Ort und Stelle Einsicht gewähren müssen.

9. Artikel 8 der Verordnung sieht vor:

Was andere Unterlagen als die in Artikel 7 genannten Schriftstücke angeht, so verfügt die Verwaltung, an die der Antrag gerichtet ist, unbeschadet der Möglichkeit für eine Verwaltung, sie unmittelbar an Ort und Stelle einsehen zu lassen, über einen Monat, um dem Antragsteller schriftlich auf den Antrag zu antworten.

Ist dem Antrag bei Ablauf der genannten Frist nicht stattgegeben worden, so gilt das Schweigen der Verwaltung als Entscheidung über die Zugangsverweigerung. In diesem Fall kann der Antragsteller abweichend von Artikel 12 § 2 unmittelbar die Beauftragten des Rates anrufen, die dann über den Antrag entscheiden.

10. Artikel 12 der Verordnung bestimmt:

§ 1 Die Beauftragten des Rates sind... allein befugt, den Zugang zu einer Information, über die die Verwaltung verfügt, abzulehnen. Sie üben diese Befugnis als Kollegium innerhalb der in Artikel 9 festgelegten Grenzen aus.

§ 2... hat jede Verwaltung, die es ablehnt, eine Information, die Gegenstand eines Antrags auf Zugang ist, bekannt zu geben, den Antragsteller davon zu unterrichten und gleichzeitig die Beauftragten des Rates anzurufen. Die Anrufung der Beauftragten des Rates erfolgt durch die Übermittlung des Antrags auf Zugang zusammen mit einem Exemplar oder einer Kopie der Information und den Gründen, die nach Ansicht der Verwaltung die Ablehnung des Zugangs rechtfertigen. Die in Artikel 8 § 1 genannte Frist verlängert sich um einen Monat nach dem Zeitpunkt der Unterrichtung des Antragstellers von der Anrufung der Beauftragten des Rates.

11. Artikel 13 der Verordnung bestimmt:

Jede Entscheidung über die vollständige oder teilweise Zugangsverweigerung muss in deutlicher, präziser, vollständiger und wahrhaftiger Weise mit Gründen versehen sein.

12. Artikel 14 der Verordnung sieht vor:

Die Beauftragten des Rates übermitteln dem Antragsteller das angeforderte Schriftstück oder teilen ihm die Zugangsverweigerung innerhalb von zwei Monaten nach Antragstellung mit. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Schweigen als Entscheidung über die Zugangsverweigerung. Diese Entscheidung wird auch der Verwaltung mitgeteilt, die mit dem Zugangsersuchen befasst worden ist.

13. Die Verordnung von 1991 führt für den Zugang zu Informationen über die Umwelt kein besonderes Rechtsbehelfsverfahren gegen die Entscheidungen des Collège ein, so dass die ordentlichen verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe anwendbar sind.

14. Daher entscheidet nach Artikel 14 Absatz 1 der Lois coordonnées sur le Conseil d'Etat ( Moniteur belge vom 21. März 1973, S. 3459) die [Verwaltungs-]Abteilung [des Conseil d'État]... durch Urteil über Nichtigkeitsklagen wegen Verletzung wesentlicher oder mit Androhung der Nichtigkeit bewehrter Formvorschriften, Überschreitung von Befugnissen oder Ermessensmissbrauchs gegen Maßnahmen und Verordnungen der verschiedenen Verwaltungsbehörden.

15. Der Arrêté du Régent vom 23. August 1948 über das Verfahren vor der Verwaltungsabteilung des Conseil d'État bestimmt in Artikel 4 Absatz 3, dass die in Artikel [14] des Gesetzes genannten Klagen sechzig Tage nach Bekanntgabe oder Zustellung der beanstandeten Maßnahmen, Verordnungen oder Entscheidungen ausgeschlossen sind. Sind diese weder bekannt zu geben noch zuzustellen, so beginnt die Frist an dem Tag, an dem der Kläger von ihnen Kenntnis erlangt.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16. Die Region Brüssel-Hauptstadt enteignete im Februar 1991 das Gelände eines ehemaligen Militärkrankenhauses zugunsten der Société de développement régional de Bruxelles (SDRB), die dieses Gelände umgestalten sollte. Die SDRB schloss daraufhin einen freihändig vergebenen Vertrag (im Folgenden: Vertrag) mit der aus der Immobilier SA und Immomills Louis de Waele Development bestehenden Arbeitsgemeinschaft (im Folgenden: Batipont). Durch diesen Vertrag verpflichtete sich Batipont, auf dem genannten Gelände einen Bauwerkkomplex nach einem von der SDRB aufgestellten Programm zu errichten.

17. Mit Schreiben vom 21. März 1993 an den Präsidenten der SDRB beantragte Herr Housieaux Einsichtnahme in den Vertrag und Aushändigung einer Vertragskopie. Mit Entscheidung vom 5. April 1994 lehnte die SDRB den Antrag mit der Begründung ab, dass nach der Verordnung von 1991 die Exekutive die Modalitäten der praktischen Organisation des Zugangs zu den Informationen für jede Verwaltung gesondert festlegt.

18. Am 22. April 1994 legte Herr Housieaux gegen diese Entscheidung beim Collège einen Rechtsbehelf ein und wiederholte seinen Antrag auf Zugang zu dem Vertrag.

19. Nach einem Schriftwechsel mit Herrn Housieaux traf das Collège mit Beschluss vom 1. Februar 1995 die Entscheidung, dem Antragsteller die Anhänge H und I des Vertrages, die die Umwelt beträfen und deren Mitteilung keine geschäftlichen oder gewerblichen Interessen beeinträchtige, zu übermitteln. Mit Schreiben vom 3. Februar 1995 teilte das Collège Herrn Housieaux und der SDRB diese Entscheidung mit.

20. Da Herr Housieaux diese Entscheidung für unzulänglich hielt, erhob er am 31. März 1995 beim Conseil d'État Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung.

21. Vor diesem Gericht machte das Collège eine Unzulässigkeitseinrede geltend, die sich darauf stützte, dass die Entscheidung vom 1. Februar 1995 nur eine bestätigende Entscheidung sei, die als solche nicht angefochten werden könne. Das Collège vertrat die Ansicht, dass diese Entscheidung, abgesehen von der Übermittlung der Anhänge H und I des Vertrages, nur die stillschweigende Ablehnungsentscheidung bestätige, die zuvor aufgrund des mehr als zweimonatigen Schweigens des Collège auf das am 22. April 1994 eingereichte Informationsersuchen von Herrn Housieaux ergangen sei. Diese stillschweigende Ablehnungsentscheidung sei bestandskräftig geworden, da sie nicht innerhalb der in Artikel 14 Absatz 1 der Lois coordonnées sur le Conseil d'État vorgesehenen Frist von sechzig Tagen angefochten worden sei. Folglich habe Herr Housieaux am 31. März 1995 keine Klage auf Nichtigerklärung der Ablehnungsentscheidung vom 1. Februar 1995 erheben können.

22. Unter diesen Umständen hat der Conseil d'État beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Handelt es sich bei der Zweimonatsfrist des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313... um eine Ordnungsfrist, die daher für die mit einem Informationsersuchen befasste Behörde lediglich Hinweischarakter hat, oder um eine Ausschlussfrist, deren Einhaltung für die Behörde zwingend ist?

2. Falls die Zweimonatsfrist eine Ausschlussfrist ist und die Behörde, die mit einem Informationsersuchen befasst worden ist, bei ihrem Ablauf keine Entscheidung erlassen hat: Welches ist der Bescheid im Sinne des Artikels 4 der Richtlinie 90/313, der auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg gemäß der einschlägigen einzelstaatlichen Rechtsordnung angefochten werden kann?

3. Verbieten es die Artikel 3 Absatz 4 und 4 der Richtlinie 90/313, dass eine einschlägige einzelstaatliche Rechtsordnung das während des in Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie genannten Zeitraums von zwei Monaten anhaltende Schweigen der mit einem Informationsersuchen befassten Behörde als einen den Antrag ablehnenden stillschweigenden Bescheid auslegt, der daher nicht mit Gründen versehen ist, jedoch nach Artikel 4 auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg angefochten werden kann?

4. Falls es sich bei der Zweimonatsfrist des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie um eine Ordnungsfrist handelt: Verbieten es die Artikel 3 Absatz 4 und 4 der Richtlinie, dass eine einschlägige einzelstaatliche Rechtsordnung für denjenigen, der ein Informationsersuchen eingereicht hat, die Möglichkeit, die Behörde aufzufordern, sein Informationsersuchen innerhalb einer bestimmten Frist zu beantworten, mit der Maßgabe vorsieht, dass andernfalls das anhaltende Schweigen der Behörde als eine stillschweigende Ablehnung des Antrags auf Information gilt, die auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg angefochten werden kann?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

23. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Frist des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313 Hinweischarakter hat oder eine zwingende Frist ist.

24. Insoweit ergibt sich, wie die Generalanwältin in den Nummern 23 und 24 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Geist dieser Bestimmung, dass die darin vorgesehene Zweimonatsfrist zwingenden Charakter hat.

25. Zum einen zeigt die Verwendung der Formulierung so bald wie möglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Monaten deutlich, dass die für die Entscheidung über das Informationsersuchen zuständige Behörde (im Folgenden: Behörde) verpflichtet ist, die damit für die Prüfung und Beantwortung des Ersuchens gesetzte Frist einzuhalten.

26. Zum anderen hätte, wenn diese Frist nicht zwingend wäre, Artikel 4 der Richtlinie 90/313, der für den Einzelnen gerichtlichen Rechtsschutz vorsieht, keine praktische Wirksamkeit. Denn der Antragsteller wüsste dann nicht genau, von welchem Zeitpunkt an er einen Rechtsbehelf einlegen kann.

27. Diese Auslegung des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313 wird durch die Zielsetzung der Richtlinie bestätigt, wie sie sich insbesondere aus deren elfter Begründungserwägung ergibt und die darin besteht, der Öffentlichkeit allgemeine Informationen über den Zustand der Umwelt in aktiver Weise mitzuteilen.

28. Wie die Generalanwältin in Nummer 24 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, hängt der Wert dieser Informationen zum großen Teil davon ab, dass die Einzelnen möglichst rasch darüber verfügen können.

29. In Anbetracht dieser Erwägungen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die in Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313 vorgesehene Zweimonatsfrist eine zwingende Frist ist.

Zur dritten Frage

30. Mit seiner dritten Frage, die vor der zweiten Frage zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Artikel 3 Absatz 4 und 4 der Richtlinie 90/313 einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach das zweimonatige Schweigen der Behörde auf das Informationsersuchen bei Ablauf dieser Frist als stillschweigende Ablehnungsentscheidung anzusehen ist, die zwar nicht begründet worden ist, aber nach Artikel 4 dieser Richtlinie auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg angefochten werden kann.

31. Insoweit hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Fiktion, wonach das Schweigen der Verwaltung als stillschweigende Ablehnungsentscheidung gilt, als solche nicht schon deshalb für unvereinbar mit den Anforderungen der Richtlinie 90/313 gehalten werden kann, weil eine stillschweigende Ablehnungsentscheidung per definitionem keine Begründung enthält (vgl. Urteil vom 26. Juni 2003 in der Rechtssache C233/00, Kommission/Frankreich, Slg. 2003, I6625, Randnr. 111).

32. Der Gerichtshof hat aber auch die Ansicht vertreten, dass bei einer stillschweigenden Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen über die Umwelt die Gründe für diese Ablehnung innerhalb von zwei Monaten nach Einreichung des ursprünglichen Antrags mitzuteilen sind, auch wenn dies nach dem Zeitpunkt der stillschweigenden Ablehnung geschieht, da diese Mitteilung in diesem Fall als Antwort im Sinne von Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie anzusehen ist (vgl. Urteil Kommission/Frankreich, Randnr. 118).

33. Nur eine solche Auslegung des Artikels 3 Absatz 4 der Richtlinie erlaubt es, dieser Bestimmung, nach deren Wortlaut die Behörde verpflichtet ist, jede Entscheidung über die Ablehnung eines Informationsersuchens zu begründen, praktische Wirksamkeit zu sichern.

34. Anders als die nationale Regelung, die Gegenstand des Urteils Kommission/Frankreich war und nach der ein einmonatiges Schweigen der Behörde auf das Informationsersuchen als stillschweigende Entscheidung über die Ablehnung dieses Ersuchens galt, bestimmt die in der vorliegenden Rechtssache in Rede stehende Regelung, dass nach einem Schweigen von zwei Monaten nach der Einreichung des Ersuchens eine stillschweigende Ablehnungsentscheidung vorliegt.

35. Aus dem Urteil Kommission/Frankreich ergibt sich folglich, dass die Richtlinie 90/313 zwar im Hinblick auf die Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes gemäß ihrem Artikel 4 der Fiktion einer stillschweigenden Entscheidung über die Ablehnung eines Antrags auf Zugang zu Informationen nach einem zweimonatigen Schweigen nicht entgegensteht, dass aber Artikel 3 Absatz 4 dieser Richtlinie es verbietet, dass eine solche Entscheidung zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zweimonatsfrist nicht mit einer Begründung versehen ist. Unter diesen Umständen stellt die stillschweigende Ablehnungsentscheidung zwar eine Antwort im Sinne der letztgenannten Bestimmung dar, sie ist aber als rechtswidrig anzusehen.

36. Demnach ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Artikel 3 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 4 der Richtlinie 90/313 in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der zur Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes das zweimonatige Schweigen der Behörde als stillschweigende Ablehnungsentscheidung gilt, die auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg gemäß der einzelstaatlichen Rechtsordnung angefochten werden kann. Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie verbietet es jedoch, dass eine solche Entscheidung zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zweimonatsfrist nicht mit einer Begründung versehen ist. Unter diesen Umständen ist die stillschweigende Ablehnungsentscheidung als rechtswidrig anzusehen.

Zur zweiten Frage

37. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welches der anfechtbare Bescheid im Sinne von Artikel 4 der Richtlinie 90/313 ist, wenn die Behörde bei Ablauf der in Artikel 3 Absatz 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Zweimonatsfrist keine Entscheidung getroffen hat.

38. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus den Ausführungen zur dritten Frage, aus denen hervorgeht, dass das zweimonatige Schweigen der Behörde als Entscheidung gilt, die gemäß der einzelstaatlichen Rechtsordnung angefochten werden kann.

39. Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass der in Artikel 4 der Richtlinie 90/313 genannte Bescheid, der von demjenigen, der das Informationsersuchen eingereicht hat, auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg angefochten werden kann, die stillschweigende Ablehnungsentscheidung ist, die sich aus dem zweimonatigen Schweigen der für die Entscheidung über den Antrag zuständigen Behörde ergibt.

Zur vierten Frage

40. Angesichts der Antwort auf die erste Frage, wonach die in Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313 vorgesehene Frist eine zwingende Frist ist, braucht die vierte Frage nicht mehr beantwortet zu werden.

Kosten

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor:

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Die in Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie 90/313/EWG des Rates vom 7. Juni 1990 über den freien Zugang zu Informationen über die Umwelt vorgesehene Zweimonatsfrist ist eine zwingende Frist.

2. Der in Artikel 4 der Richtlinie 90/313 genannte Bescheid, der von demjenigen, der das Informationsersuchen eingereicht hat, auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg angefochten werden kann, ist die stillschweigende Ablehnungsentscheidung, die sich aus dem zweimonatigen Schweigen der für die Entscheidung über den Antrag zuständigen Behörde ergibt.

3. Artikel 3 Absatz 4 in Verbindung mit Artikel 4 der Richtlinie 90/313 steht in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der zur Gewährung eines effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes das zweimonatige Schweigen der Behörde als stillschweigende Ablehnungsentscheidung gilt, die auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg gemäß der einzelstaatlichen Rechtsordnung angefochten werden kann. Artikel 3 Absatz 4 der Richtlinie verbietet es jedoch, dass eine solche Entscheidung zum Zeitpunkt des Ablaufs der Zweimonatsfrist nicht mit einer Begründung versehen ist. Unter diesen Umständen ist die stillschweigende Ablehnungsentscheidung als rechtswidrig anzusehen.

Ende der Entscheidung

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